TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/24 95/18/0119

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Veröffentlicht am 24.10.1996
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Index

21/01 Handelsrecht;
21/07 Sonstiges Handelsrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs2 lita;
AuslBG §2 Abs2 litb;
AuslBG §2 Abs4 idF 1993/502;
AuslBG §3 Abs2;
AuslBG §34 Abs11 idF 1993/502;
EGG;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. November 1994, Zl. SD 1174/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. November 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ungarischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer bestreite nicht, am 1. April 1993 auf einer Baustelle, die von Organen des Landesarbeitsamtes (Arbeitsmarktservice) Wien kontrolliert worden sei, bei einer Beschäftigung betreten worden zu sein, für die er keine Beschäftigungsbewilligung gehabt habe, meine jedoch, daß er eine solche nicht benötigt hätte, weil er als Geschäftsführer der K OEG tätig geworden wäre. Dazu sei ein Gesellschafterbeschluß vorgelegt worden, aus dem jedoch hervorgehe, daß dem Beschwerdeführer lediglich 16 von 100 Stimmen zukämen; zur Vertretung der Gesellschaft sei er nur gemeinsam mit fünf weiteren Gesellschaftern berechtigt.

Unbestritten sei, daß der Beschwerdeführer Gesellschafter einer OEG gewesen sei. Strittig sei aber, ob diese OEG lediglich dazu gedient habe, die Bestimmungen des AuslBG bzw. auch das FrG zu umgehen und daher die Vorschriften dieser Gesetze zur Anwendung kämen, auch wenn gegen deren Verbote zwar nicht dem Buchstaben nach verstoßen, im Ergebnis aber doch der Zweck des Verbotes vereitelt worden sei. Eine Prüfung ergebe, daß die Gründung der OEG einerseits zur Umgehung der maßgeblichen Bestimmungen geeignet gewesen sei und andererseits offensichtlich nicht den Zweck gehabt habe, den Gesellschaftern andere maßgebende Vorteile als solche im Hinblick auf das Ausländerbeschäftigungs- und Fremdenrecht zu verschaffen. Im übrigen zeige auch die Erfahrung, daß es unüblich sei, mit ausländischen Bauarbeitern, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien und tatsächlich mit Bauarbeiten ihre Gesellschaftspflicht ableisteten, Gesellschaften zu gründen. Daraus folge aber, daß der Beschwerdeführer nicht aufgrund gewerberechtlicher Vorschriften als Unternehmer in Erfüllung eines Werkvertrages (von Werkverträgen) gegenüber anderen Unternehmen, sondern in einem Arbeitsverhältnis oder einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis tätig geworden sei. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer, dessen persönlicher Einfluß auf die Geschäftsführung nicht größer gewesen sein könne, als es eben der Einfluß eines Gesellschafters mit geringem Anteil an der Gesellschaft sei, allenfalls seine Arbeit (d.h. seine Arbeitszeit) einigermaßen frei habe gestalten können. Daraus ergebe sich letztlich, daß eine Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 2 AuslBG vorgelegen sei, die ein Ausländer mangels einer Bewilligung nach diesem Gesetz gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. nicht antreten und nicht ausüben dürfe. Da der Beschwerdeführer aber bei einer solchen Beschäftigung von Organen des Landesarbeitsamtes (Arbeitsmarktservice) betreten worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG vor. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet der Arbeitsmarktverwaltung rechtfertigten auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Aufgrund des relativ kurzen und zum Großteil illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich - er sei im Oktober 1991 eingereist und lediglich bis zum 20. Juli 1992 im Besitz eines Sichtvermerkes gewesen - sowie im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen könne von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG keine Rede sein. Es sei daher weder zu überprüfen gewesen, ob das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bekämpft die Ansicht der belangten Behörde, er habe den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG verwirklicht. Die Annahme, die Gründung der OEG sei ein Umgehungsgeschäft, sei eine rein willkürliche, sei weder durch das Beweisverfahren gedeckt noch im angefochtenen Bescheid logisch begründet; es handle sich um eine "rein hypothetisch angestellte Vermutung". Die belangte Behörde schließe zwar eine Tätigkeit des Beschwerdeführers als Unternehmer aus, vermöge aber nicht festzustellen, ob er in einem Arbeitsverhältnis oder einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gestanden sei, und schon gar nicht, zu wem er in diesem Verhältnis gestanden sein solle. Der Beschwerdeführer habe seine Tätigkeit unbestrittenermaßen als Gesellschafter der OEG ausgeübt, die ihrerseits die Tätigkeit aufgrund gewerberechtlicher Vorschriften ausgeübt habe; eine verbotene Beschäftigung könne ihm daher nicht vorgeworfen werden. Die belangte Behörde habe, selbst wenn die Annahme eines Umgehungsgeschäftes gerechtfertigt wäre, die für ein Beschäftigungsverhältnis oder arbeitnehmerähnliches Verhältnis wesentlichen Kriterien nicht geprüft. Hiezu gehöre vor allem die wirtschaftliche Unselbständigkeit, Abhängigkeit und Unterordnung. Aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer Minderheitsgesellschafter gewesen sei, könne "diese Schlußfolgerung" nicht gezogen werden. Folge man der Argumentation der belangten Behörde, so würde dies bedeuten, daß die Erbringung von Arbeitsleistungen als Gesellschafter einer Personengesellschaft oder als Minderheitsgesellschafter in jedem Fall einer Beschäftigungsbewilligung bedürfe. Dies treffe auf den Zeitpunkt 1. April 1993 (Tag der Betretung des Beschwerdeführers) jedenfalls nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen nicht zu; vielmehr seien "weitere Einschränkungen" erst durch § 2 Abs. 4 AuslBG idF BGBl. Nr. 502/1993 normiert worden, die "jedoch zum konkreten Zeitpunkt noch nicht in Geltung standen und daher auch keine Anwendung zu finden haben". Schließlich sei nicht berücksichtigt worden, daß schon zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides die OEG aufgelöst gewesen und an ihrer Stelle eine GesmbH gegründet worden sei, an der der Beschwerdeführer zu 50 % beteiligt sei; auch daraus sei ersichtlich, daß er kein Umgehungsgeschäft abgeschlossen habe.

2.1. Zutreffend ist die Auffassung, daß der mit Art. III Z. 1 BGBl. Nr. 502/1993 dem § 2 AuslBG angefügte Abs. 4, wonach für die Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend ist, im Beschwerdefall nicht anwendbar ist, weil hier darauf abzustellen ist, was zu einem bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, nämlich am 1. April 1993, dem Tag an dem der Beschwerdeführer von Organen des Landesarbeitsamtes Wien bei einer Tätigkeit an einer (näher bezeichneten) Baustelle betreten worden ist, aus dem Blickwinkel des Ausländerbeschäftigungsrechtes rechtens war, § 2 Abs. 4 AuslBG idF BGBl. Nr. 502/1993 gemäß § 34 Abs. 11 leg. cit. aber erst am 1. August 1993 in Kraft getreten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0258).

2.2. Damit ist freilich für den Beschwerdeführer im Ergebnis nichts zu gewinnen. Denn der Umstand, daß die belangte Behörde nicht in der Lage war, § 2 Abs. 4 AuslBG idF BGBl. Nr. 502/1993 als solchen anzuwenden (was sie im übrigen entgegen der offenbaren Annahme der Beschwerde auch nicht getan hat), hinderte sie nicht, den dieser Regelung zugrunde liegenden Gedanken, Gesetzesumgehungen durch Gründung von Scheingesellschaften zu verhindern (vgl. Schnorr, AuslBG3, Wien 1995, Rz 9 zu § 2), fruchtbar zu machen. Die Inanspruchnahme des Rechtes, eine Gesellschaft allein zu dem Zweck zu gründen, ausländische Arbeitskräfte, indem sie zu Gesellschaftern gemacht werden, nicht in den Geltungsbereich des AuslBG fallen zu lassen, also der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages mit dem Ziel, das Erfordernis der Beschäftigungsbewilligung zu umgehen, ist Rechtsmißbrauch, dient doch die Ausübung des Rechtes solcherart dazu, den Zweck des AuslBG - den Schutz des inländischen Arbeitsmarktes - zu unterlaufen. Daß die belangte Behörde vorliegend die Gründung der K OEG (Gesellschaftsvertrag vom 8. Oktober 1991, zuletzt geändert mit Gesellschafterbeschluß vom 1. April 1993) als mißbräuchliche Rechtsausübung im dargestellten Sinn wertete, "da sie offensichtlich nicht den Zweck hatte", den Gesellschaftern andere Vorteile als solche im Hinblick auf das Ausländerbeschäftigungsrecht und (in der Folge) das Fremdenrecht zu verschaffen, kann nicht als verfehlt angesehen werden. Der von der belangten Behörde "offensichtlich" erkannte Mißbrauchszweck der Gesellschaftsgründung stellt im Gegensatz zur Beschwerdemeinung keine bloße Vermutung dar. Vielmehr war unter Zugrundelegung der vom Landesarbeitsamt Wien mit dem Beschwerdeführer am 5. April 1993 (in Anwesenheit eines Dolmetschers) aufgenommenen Niederschrift vor dem Hintergrund der Regelungen des Gesellschaftsvertrages für die belangte Behörde bei objektiver Betrachtung ohne weiteres erkennbar, daß das von den Vertragspartnern in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft auf die Erbringung von Arbeitsleistungen (u.a.) durch den Beschwerdeführer in einem Arbeitsverhältnis, allenfalls einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, gerichtet war, und daß der Beschwerdeführer dieser wahren Absicht entsprechend am 1. April 1993 tatsächlich seine Arbeitsleistung in wirtschaftlicher, allenfalls auch persönlicher Abhängigkeit von einer anderen Person (K) in deren Auftrag und für deren Rechnung erbrachte. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer zu einem späteren Zeitpunkt mit K eine GesmbH gründete, an der er mit einem Geschäftsanteil von 50 % beteiligt ist, führt zu keiner anderen Beurteilung.

2.3. Der von der belangten Behörde daraus gezogene Schluß, es habe sich bei der vom Beschwerdeführer am 1. April 1993 erbrachten Arbeitsleistung um eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 (lit. a, allenfalls lit. b) AuslBG gehandelt, für deren Antritt und Ausübung gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich sei, ist sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen.

2.4. Da für die besagte Beschäftigung, bei welcher der Beschwerdeführer von Organen des Landesarbeitsamtes Wien betreten worden ist, die erforderliche Bewilligung nach dem AuslBG unbestritten nicht vorlag, sah die belangte Behörde den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG zu Recht als verwirklicht an.

3. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" (vgl. dazu außer dem bereits zitierten hg. Erkenntnis Zl. 94/18/0258 etwa die Erkenntnisse vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0054, und vom 5. September 1996, Zl. 95/18/1138) kann auch der Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung) gerechtfertigt, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden - dies umsoweniger angesichts des in der Beschwerde unbestritten gebliebenen bereits mehr als zweijährigen unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich.

4. Selbst wenn man - anders als die belangte Behörde - aufgrund des fast einjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (Oktober 1991 bis September 1992) einen mit dem Aufenthaltsverbot relevanten Eingriff i.S. des § 19 FrG annehmen wollte, wäre damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil im Hinblick auf die in zweifacher Hinsicht erhebliche Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses - auch der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu - die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig wäre (vgl. das vorerwähnte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1138).

5. Aber auch die bei Annahme eines nach § 19 FrG zu beurteilenden Eingriffes gebotene Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG fiele nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers aus, hätten doch die nur schwach ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich - die in der Beschwerde ins Treffen geführte Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin wurde der belangten Behörde nach Ausweis der Akten erst nach Erlassung des bekämpften Bescheides bekannt, erweist sich somit als unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) - hinter den, wie dargetan, gewichtigen gegenläufigen öffentlichen Interessen zurückzutreten.

6. Da nach dem Gesagten die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180119.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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