TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/29 W254 2248288-1

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Veröffentlicht am 29.11.2021
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Entscheidungsdatum

29.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §3
SchPflG 1985 §5 Abs1
StGG Art17

Spruch


W254 2248288-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX als Erziehungsberechtigte des mj. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion Tirol vom 30.09.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 11 Schulpflichtgesetz als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der am XXXX geborene XXXX besuchte im Schuljahr 2020/21 die 8. Schulstufe der 4. Klasse des BG/BORG XXXX die er nicht positiv abschließen konnte, da er in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch keine Beurteilung erhalten hat.

2. Am 23.03.2021 zeigte die Beschwerdeführerin (in Folge: BF) mittels ausgefüllten Formular die Teilnahme ihres schulpflichtigen Sohnes an häuslichem Unterricht gemäß § 11 Abs. 3 des Schulpflichtgesetzes (SchPflG) an.

3. Mit angefochtenen Bescheid vom 30.09.2021 wurde die Teilnahme von XXXX an häuslichem Unterricht untersagt und wurde ausgesprochen, dass er die Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Volksschule zu erfüllen hätte. Außerdem wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen.

Begründend führte die Bildungsdirektion im Wesentlichen aus, dass eine Berechtigung zur Wiederholung der Schulstufe im Rahmen des häuslichen Unterrichts nicht zulässig sei, dies ergebe sich aus der Bestimmung § 11 Abs. 4 SchPflG, die Prüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolgs des häuslichen Unterrichts sei „vor Schulschluss“ abzulegen. Diese Prüfung – welche der Gesetzgeber als Externistenprüfung über eine Schulstufe nach § 42 SchUG vorsehe - sei gemäß § 42 Abs. 6 letzter Satz SchUG nicht früher als zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe zulässig. Da XXXX nicht vor Schulschluss des Schuljahres 2021/22 eine Prüfung ablegen dürfe, sei die Teilnahme an häuslichem Unterricht zu untersagen. Zudem habe der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichen Unterricht nicht vorgesehen.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde unter anderem ausgeführt, dass eine Beschwerde gegen den Bescheid innerhalb von vier Wochen möglich sei.

4. Dagegen erhob die BF fristgerecht Beschwerde, in der sie zusammengefasst Folgendes vorbringt: Die Rechtsmeinung der belangten Behörde gehe am tatsächlichen Sachverhalt vorbei. XXXX seien für die 8. Schulstufe in einigen Unterrichtsfächern die Leistungsfeststellungen verweigert worden. Unbesehen der Gründe hierfür sei er jedoch gemäß § 27 SchUG berechtigt, die 8. Schulstufe zu wiederholen. Für das Schuljahr 2021/22 habe die BF für ihren Sohn die Teilnahme am häuslichen Unterricht angezeigt. Da XXXX unstrittig im Schuljahr 2020/21 nicht an einem Hausunterricht teilgenommen habe, sei es schlicht absurd, von ihm einen Nachweis über den zureichenden Erfolg des häuslichen Unterrichts zu fordern und diese unerfüllbare Bedingung einer rechtlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Das Schulpflichtgesetz (§ 11 Abs. 3) sehe eine Untersagung des häuslichen Unterrichts durch die Bildungsdirektion ausschließlich für den Fall vor, dass „mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichts nicht gegeben ist“. Andere Gründe sehe das Gesetz nicht vor.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt wurde am 16.11.2021 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt, ohne von der Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der schulpflichte XXXX hat im Schuljahr 2020/21 die 8. Schulstufe der 4. Klasse des BG/BORG XXXX nicht erfolgreich abgeschlossen, da er in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch nicht beurteilt wurde. Er muss daher die 8. Schulstufe wiederholen.

Die Beschwerde gegen die Nicht-Beurteilung in diesen Gegenständen und die Nicht-Berechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W224 vom 14.09.2021 abgewiesen.

Am 23.03.2021 zeigte die BF mittels ausgefüllten Formular die Teilnahme ihres schulpflichtigen Sohnes an häuslichem Unterricht gemäß § 11 Abs. 3 des SchPflG an.

Die Anzeige des häuslichen Unterrichts für das Schuljahr 2021/22 wurde von der Bildungsdirektion Tirol untersagt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Die Feststellung, dass XXXX die 8. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen hat, ergibt sich aus der im Akt befindlichen Kopie des Jahreszeugnisses über das Schuljahr 2020/21. Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

3.1.1. Zur Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 27 Abs. 2 Schulpflichtgesetz beträgt in den Fällen des § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz die Frist zur Erhebung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht fünf Tage. In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides ist jedoch fälschlicherweise eine Beschwerdefrist von vier Wochen angeführt.

§ 61 Abs. 3 AVG regelt für den Fall, dass im Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben ist, dass das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig gilt. Die Beschwerde vom 31.10.2021 ist daher rechtzeitig.

3.1.2.  Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 2 Schulpflichtgesetz 1985 beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 Schulpflichtgesetz 1985 dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz 1985 kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 11 Abs. 4 SchPflG, wonach für den Fall, dass der zureichende Erfolg dieses Unterrichts für eine Schulstufe nicht nachgewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 leg. cit. anzuordnen ist, und somit der weitere Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. die Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht mehr in Betracht kommt, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat (siehe VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, m.w.N.).

3.1.3.  Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Der schulpflichtige XXXX hat das Schuljahr 2020/21 nicht erfolgreich abgeschlossen und muss die 8. Schulstufe wiederholen.

Aus der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat.

Folglich ist ein Wiederholen einer Schulstufe nur im Rahmen eines Schulbesuches an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zulässig.

Vor diesem normativen Hintergrund war die Beschwerde bereits abzuweisen. Bei der Rechtsanwendung hat das Verwaltungsgericht ohne Bindung an die Rechtsmeinung der Verwaltungsbehörde oder der Beschwerde vorzugehen (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 836).

Da bereits aufgrund des Umstandes, dass das Schuljahr 2020/21 nicht erfolgreich abgeschlossen wurde, der häusliche Unterricht zu untersagen war, ist auf die Frage der Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts, bzw. die Prüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolgs des häuslichen Unterrichts nicht mehr einzugehen.

Ein gesonderter Abspruch über die aufschiebende Wirkung erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung. Abgesehen davon stellte die BF keinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

3.1.4.  Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auch erweisen sich die gegenständlich anzuwendenden gesetzlichen Regelungen als klar und eindeutig.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht häuslicher Unterricht Nichtbeurteilung öffentliche Schule Pflichtgegenstand Unterrichtserfolg Untersagung Wiederholen einer Schulstufe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W254.2248288.1.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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