TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/29 94/11/0130

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Veröffentlicht am 29.10.1996
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Index

41/02 Melderecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AufG 1992 §1 Abs1;
FrG 1993 §23;
FrG 1993 §5;
KFG 1967 §79 Abs3;
MeldeG 1954 §1 Abs7 idF 1994/505;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Februar 1994, Zl. MA 64-8/428/93, betreffend Bestätigung nach § 79 Abs. 3 KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der (mit Eingaben vom 17. März und vom 5. Mai 1993 gestellte) Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Bestätigung über das Vorliegen eines Doppelwohnsitzes im Sinne des § 79 Abs. 3 KFG 1967 in Österreich und in der Türkei abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 3 KFG 1967 (in der hier anzuwendenden Fassung vor der 17. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994) können Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen ordentlichen Wohnsitz haben, von einem ausländischen Führerschein, der vom Staat ihres Wohnsitzes ausgestellt ist, im Bundesgebiet Gebrauch machen, wenn sie eine Bestätigung der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Wohnsitz liegt, vorweisen, in der das Vorliegen eines Doppelwohnsitzes festgestellt wird. Solche Bestätigungen sind auf Antrag jeweils nur auf die Dauer eines Jahres auszustellen.

Der Beschwerdeführer hat unbestrittenermaßen in W, wo er nach seinem Vorbringen seit November 1991 lebt, einen ordentlichen Wohnsitz. Er brachte in seiner Eingabe vom 5. Mai 1993 vor, daß er in der Türkei einen Zweitwohnsitz habe. Dort lebten noch seine Eltern, die er neben seinen beiden Kindern aus erster Ehe in regelmäßigen Abständen besuche. Im Berufungsverfahren zur Erbringung eines Nachweises für die behaupteten Aufenthalte in der Türkei aufgefordert, brachte der Beschwerdeführer in der Eingabe vom 5. Jänner 1994 vor, er sei am 8. November 1991 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und habe aufgrund geänderter staatsvertraglicher Regelungen am 17. Februar 1992 die Erteilung eines Sichtvermerkes für die mehrmalige Wiedereinreise nach Österreich beantragt; das Verfahren hierüber sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen, das Bundesgebiet zu verlassen, weil er sich bei einer neuerlichen Einreise nicht im Besitz des dafür erforderlichen Sichtvermerkes befunden hätte. Dessen ungeachtet seien seine Lebensbeziehungen weiterhin in seiner Heimat begründet. Dort hielten sich seine Kinder aus erster Ehe auf, mit denen er beinahe wöchentlich in Kontakt trete. Auch sein gesamtes Vermögen, welches er anläßlich seiner Einreise nach Österreich nicht aufgegeben habe, befinde sich noch dort.

Die belangte Behörde wies den Antrag wegen Fehlens eines Wohnsitzes des Beschwerdeführers in der Türkei ab. Die von ihm selbst zugestandene Tatsache, daß er sich seit rund 2 Jahren tatsächlich nicht mehr an dem von ihm behaupteten weiteren Wohnsitz in Istanbul aufhalte, stehe der Annahme des Bestehens eines ordentlichen Wohnsitzes in der Türkei entgegen.

Als ordentlicher Wohnsitz ist jener Ort anzusehen, an dem sich die betreffende Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu machen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Februar 1992, Zl. 91/11/0121 mwN). Da es um das Vorliegen eines Doppelwohnsitzes geht, hatte die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers daraufhin zu prüfen, ob es den Schluß auf das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes (im Sinne der österreichischen Rechtsordnung) auch in der Türkei zulasse. Sie hatte dabei insbesondere auf die - aus den äußeren Umständen hervorgehende - Absicht abzustellen, in dem betreffenden Ort im Ausland einen (zweiten) Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu haben. In seinem einen ähnlich gelagerten Fall betreffenden Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 93/11/0049, hat der Verwaltungsgerichtshof in bezug auf regelmäßige Besuche eines türkischen Staatsangehörigen in der Türkei, die in der Sorge um sein dort befindliches Haus und seine darin wohnende betreuungsbedürftige Mutter erfolgten, ausgesprochen, darin sei keine Absicht zu erblicken, dort einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu unterhalten. Die Pflege von Kontakten zu nahen Angehörigen und die Verwaltung von Vermögenswerten in einem anderen Staat sei für sich allein nicht geeignet, einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen oder aufrecht zu erhalten. Diese Anknüpfungselemente seien im Verhältnis zum Wohnsitz des (damaligen) Beschwerdeführers in Österreich, wo er zusammen mit Ehefrau und Kindern lebe und offenbar auch einem Beruf nachgehe, von einer derart untergeordneten Bedeutung, daß von einem zweiten ordentlichen Wohnsitz nicht gesprochen werden könne.

Das Gesagte gilt umsomehr im vorliegenden Fall. Die belangte Behörde konnte auf dem Boden des seine frühere Behauptung korrigierenden Vorbringens im Berufungsverfahren unbedenklich davon ausgehen, daß sich der Beschwerdeführer rund zwei Jahre lang nicht einmal mehr besuchsweise in der Türkei aufgehalten hat. (Daß der Beschwerdeführer in diametralem Gegensatz zu seinem Vorbringen im Berufungsverfahren in der Beschwerde behauptet, er fahre mit seiner Gattin in regelmäßigen Abständen in die Türkei zurück, vermag keine Bedenken gegen die besagte Sachverhaltsannahme der belangten Behörde zu erwecken. Das nunmehrige Vorbringen entbehrt jeglicher Begründung und ist im übrigen im Hinblick auf das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtlich.) Mangels Aufenthalten in der Türkei in dieser Zeit fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Annahme eines dort bestehenden ordentlichen Wohnsitzes des Beschwerdeführers. Bei diesem Sachverhalt kann in Ansehung des hier zu beurteilenden Zeitraumes keine Rede davon sein, der Beschwerdeführer habe im Sinne des von ihm zitierten hg. Erkenntnisses vom 10. September 1982, Zl. 02/3867/80, in Österreich und in der Türkei "eine auf Bleiben gerichtete Wohnstätte in der Absicht aufgeschlagen, an diesen Orten ständig seine Lebensführung in zweckbestimmter Ordnung zu verteilen". Sein Hinweis auf dieses Erkenntnis ist daher verfehlt. Ohne Belang ist, daß das Fehlen von Aufenthalten in der Türkei seinen Grund darin hat, daß der vom Beschwerdeführer angestrebte Wiedereinreisesichtvermerk bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht erteilt wurde. Dieser Umstand vermag nichts daran zu ändern, daß der Beschwerdeführer offensichtlich den Entschluß gefaßt hat, jedenfalls bis zur Erteilung des begehrten Sichtvermerkes seinen Aufenthalt ausschließlich in Österreich, wo er mit seiner zweiten Ehefrau wohnt und einer Beschäftigung nachgeht, zu nehmen.

Für seinen Standpunkt ist auch mit dem Hinweis auf die von ihm beigebrachte "Wohnsitzbestätigung" einer näher bezeichneten türkischen Behörde vom 25. Jänner 1993, die nach seiner Meinung als Dispositivurkunde vollen Beweis für das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes in der Türkei mache, nichts zu gewinnen. (In dieser Urkunde wird "bestätigt, daß die oben angeführten Wohnsitzangaben und Personalien H gehören".) Zum einen handelt es sich dabei nicht um eine Dispositivurkunde, sondern um eine Beweisurkunde (vgl. zu diesen Begriffen Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts2, Rz 947 und 953). Zum anderen finden sich darin keinerlei Angaben über Umstände, die im Sinne der dargelegten Rechtslage einen Schluß auf das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes des Beschwerdeführers in der Türkei im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zuließen.

Da die belangte Behörde ohnedies vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen ist und auf dieser Grundlage zu Recht das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes in der Türkei verneint hat, gehen die Verfahrensrügen betreffend das Unterbleiben der (zur Untermauerung seines Vorbringens beantragten) Beischaffung des Aktes der Fremdenpolizeibehörde sowie einer Anfrage an die zuständige Behörde in der Türkei im Rechtshilfeweg ins Leere.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994110130.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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