TE Vwgh Erkenntnis 2021/11/19 Ra 2021/09/0233

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Veröffentlicht am 19.11.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §38
EFZG §3 Abs3
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §7
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Perg gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 29. Juni 2021, Zl. LVwG-751383/4/BP/NIF, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (mitbeteiligte Partei: A GmbH in B, vertreten durch Dr. Georg Bauer und Mag. Edwin Kerschbaummayr, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 6-8), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Mai 2021 wurde dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für die Absonderung des bei ihr beschäftigten Arbeitnehmers X.Y. für den Absonderungszeitraum vom 1. bis zum 16. November 2020 - unter Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei - im Betrag von (insgesamt) 2.549,14 Euro stattgegeben.

2        In der dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde wurde geltend gemacht, die Behörde habe § 32 Abs. 2 EpiG unrichtig ausgelegt und (unter anderem) Sonderzahlungen bei der Bemessung der Vergütung unberücksichtigt gelassen.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 29. Juni 2021 wurde dieser Beschwerde mit der Maßgabe stattgegeben, dass der mitbeteiligten Partei für den Zeitraum der Absonderung des Arbeitnehmers X.Y. vom 3. November bis zum 10. November 2020 sowie vom 13. November bis zum 16. November 2020 ein Vergütungsbetrag in der Höhe von 3.016,08 Euro für das „fortbezahlte“ Entgelt sowie in der Höhe von 526,80 Euro für den Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung zugesprochen wurde. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das Verwaltungsgericht führte in seiner Begründung zunächst aus, X.Y. sei am 3. November 2020 mittels telefonischem Bescheid abgesondert worden. Am 5. November 2020 habe er einen den telefonischen Bescheid bestätigenden schriftlichen Bescheid erhalten, mit dem die Absonderung bis 10. November 2020 verfügt worden sei. Mit Bescheid vom 13. November 2020 sei X.Y. schließlich vom 1. November 2020 bis zur Aufhebung durch die belangte Behörde, sohin bis 16. November 2020, abgesondert worden, womit die belangte Behörde eine „rückwirkende Absonderung“ angeordnet habe. Das Verwaltungsgericht gelangte zum Ergebnis, dass der schriftliche Absonderungsbescheid vom 13. November 2020 betreffend den Zeitraum 1. bis 12. November 2020 keine rechtliche Wirkung entfaltet habe und die im Bescheid vom 13. November 2020 ausgesprochene Absonderung für eben diesen Zeitraum ungültig gewesen sei. Daher ergebe sich für X.Y. ein Absonderungszeitraum vom 3. bis zum 10. sowie vom 13. bis zum 16. November 2020.

5        Bei der Berechnung des Vergütungsbetrages ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass „die Berechnung monatsweise und auf Basis des im jeweiligen Monat ausbezahlten Gesamtbruttobetrags“ zu erfolgen habe, sodass sich aufgrund einer näher dargestellten Berechnungsweise - im Ergebnis - für weniger Tage der „rechtswirksamen“ Absonderung ein gegenüber dem behördlichen Zuspruch höherer Betrag ergebe (offenkundig aufgrund der gänzlichen Miteinbeziehung der im November ausbezahlten Sonderzahlungen).

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

7        Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9        Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 2021, Ra 2021/09/0094, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zeigt die revisionswerbende Partei in der Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der hg. Rechtsprechung hinsichtlich der Berücksichtigung von (anteiligen) Sonderzahlungen bei der Vergütung nach § 32 EpiG auf.

10       Das Verwaltungsgericht hat im Revisionsfall offenkundig die im November 2020 ausbezahlten Sonderzahlungen zur Gänze bei der Berechnung des Vergütungsbetrages berücksichtigt. Wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2021 jedoch bereits ausgeführt hat, stellen Sonderzahlungen als aperiodisches Entgelt gerade nicht das Entgelt für die nur im Auszahlungsmonat geleistete Arbeit dar. Demnach ist bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung zu leistenden Vergütung (im Regelfall) auch jenes Entgelt zu berücksichtigen, das aus kollektiv- oder einzelvertraglich eingeräumten Sonderzahlungen resultiert; dies gilt freilich nicht für Sonderzahlungen, die der Arbeitnehmer - nach den kollektiv- oder einzelvertraglichen Bestimmungen - vom Arbeitgeber für die Zeit der Absonderung bzw. des Entfalls der Pflicht zur Entgeltzahlung jedenfalls erhält und die daher bei ihm keinen Ausfall an Entgelt bewirken, der auf den Arbeitgeber übergehen könnte. Die Ansicht, dass Sonderzahlungen nur dann zu vergüten seien, wenn die Absonderung in einen Monat (oder anderen Abrechnungszeitraum) fällt, in dem Sonderzahlungen ausbezahlt werden, lässt sich dem EpiG nicht entnehmen. Daher führt eine auf die Tage der Absonderung umgelegte Berücksichtigung des gesamten Auszahlungsbetrages an Sonderzahlungen im Auszahlungsmonat - so wie vom Verwaltungsgericht angenommen - zu einer Überbemessung des Vergütungsbetrages.

11       Da die dem angefochtenen Erkenntnis insofern zugrunde gelegte Ansicht des Verwaltungsgerichtes von der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, erweist sich die Revision als zulässig und begründet (vgl. zu Konstellationen, in denen die grundsätzliche Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof - auch nach Einbringung der Revision - nicht im Sinne der vom Verwaltungsgericht getroffenen Beurteilung geklärt wurde, etwa VwGH 28.2.2019, Ra 2018/12/0002; 1.10.2019, Ro 2019/01/0001; 23.10.2019, Ro 2019/19/0012).

12       Soweit das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis eine Änderung des Absonderungszeitraumes vorgenommen hat, ist außerdem auf das hg. Erkenntnis vom 22. September 2021, Ra 2021/09/0189, auf dessen Entscheidungsgründe ebenfalls gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hinzuweisen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Rechtsfrage, ob und in welchem Umfang eine anspruchsbegründende Absonderung vorliegt, eine für die Berechnung von Vergütungen notwendige Vorfrage darstellt. Zu dieser Frage liegen rechtskräftige Bescheide vor, die auch über die Zeiträume, in welchen der Arbeitnehmer der mitbeteiligten Partei abgesondert war (und die auch die revisionswerbende Partei für ihre Berechnungen herangezogen hat) absprechen; diese Absonderungsbescheide binden (ungeachtet der Frage ihrer Rechtmäßigkeit) das Verwaltungsgericht. Auch insofern hat das Verwaltungsgericht daher seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

13       Das angefochtene Erkenntnis war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 19. November 2021

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090233.L00

Im RIS seit

20.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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