TE Vfgh Beschluss 1994/12/5 B1113/94

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Veröffentlicht am 05.12.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags wegen Aussichtslosigkeit. Der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers hat den Fristvormerk nicht kontrolliert, obwohl ihm bekannt gewesen sein muß, daß die mit dem Fristvormerk betraute Mitarbeiterin nach seinem eigenen Vorbringen am Tag der Vornahme des Fristvormerks unter erschwerten Bedingungen arbeiten mußte. Die Mitarbeiterin wiederum hätte angesichts der Vorkommnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Fristvormerks eine Kontrolle zu einer weniger hektischen Bürozeit nicht unterlassen dürfen.

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

3. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg hat im Wege der Devolution mit Bescheid vom 3. März 1994 (dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers zugestellt am 1. April 1994) den gemäß §26 Fremdengesetz, BGBl. 838/1992, gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des gegen ihn bestehenden unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen.

2. Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer mit seiner auf Art144 B-VG gestützten, am 27. Mai 1994 zur Post gegebenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Er verbindet damit einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist und führt dazu aus, daß der Vertreter des Beschwerdeführers seiner Mitarbeiterin den Auftrag zur Vormerkung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erteilt habe. Diese regelmäßig mit der Fristvormerkung in der Kanzlei betraute Mitarbeiterin habe die Erledigung dieses Auftrages zugesagt; da sie derartige Fristvormerkungen bisher immer richtig erledigt hätte, habe es keinen Anlaß für den Vertreter des Beschwerdeführers gegeben, an der richtigen Vormerkung im Fristenbuch zu zweifeln. Auf Grund des unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses, daß zum Zeitpunkt der Vornahme des Fristvormerkes im Fristenbuch der Kanzlei im Arbeitsraum der Mitarbeiterin Handwerkerarbeiten durchgeführt worden seien, mehrere Parteien unangemeldet bei der Mitarbeiterin vorgesprochen hätten und zugleich auch das Telefon zu bedienen gewesen sei, sei die Frist versehentlich für 20. Mai 1994 anstatt für 13. Mai 1994 vorgemerkt worden. Infolgedessen habe der Vertreter des Beschwerdeführers den Akt erst am 19. Mai 1994 zur Hand genommen und im Zuge des Aktenstudiums den unrichtigen Fristvormerk festgestellt. Vor dem 19. Mai 1994 sei für den Vertreter nicht erkennbar gewesen, daß die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht für den richtigen Tag vorgemerkt worden sei.

3.1. Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gleiches gilt für Verschulden von Kanzleikräften (vgl. etwa VfSlg. 12372/1990).

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

3.2. Im vorliegenden Fall hat der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers den Fristvormerk nicht kontrolliert, obwohl ihm bekannt gewesen sein muß, daß die mit dem Fristvormerk betraute Mitarbeiterin nach seinem eigenen Vorbringen am Tag der Vornahme des Fristvormerks unter erschwerten Bedingungen arbeiten mußte. Die Mitarbeiterin wiederum hätte angesichts der Vorkommnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Fristvormerks eine Kontrolle zu einer weniger hektischen Bürozeit nicht unterlassen dürfen. Als Wiedereinsetzungsgrund kann aber nur ein Ereignis in Betracht kommen, das den Anwalt und seine Kanzleikraft ohne ihr Verschulden oder wegen eines Versehens minderen Grades hindert, die Frist einzuhalten (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 12369/1990, VfGH 15.6.1993, B628/93). Ein derartiger Grund liegt angesichts des geschilderten Sachverhaltes hier nicht vor.

Der Antrag war daher mangels der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung abzuweisen (§35 VerfGG 1953 iVm. §§146 ff. ZPO).

4. Aus den angeführten Gründen erweist sich die am 27. Mai 1994 zur Post gegebene Beschwerde als verspätet; sie war daher zurückzuweisen.

5. Da somit die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof offenbar aussichtslos erscheint, mußte sein unter einem mit der Beschwerde gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen werden (§63 Abs1 ZPO iVm. §35 VerfGG 1953).

6. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33, zweiter Satz, und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG 1953 bzw. §72 Abs1 ZPO iVm. §35 VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1113.1994

Dokumentnummer

JFT_10058795_94B01113_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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