TE Vwgh Erkenntnis 2021/11/16 Ra 2020/15/0101

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Veröffentlicht am 16.11.2021
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz
37/01 Geldrecht Währungsrecht
37/02 Kreditwesen

Norm

BWG 1993 §1 Abs1
UStG 1994 §2 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der S G.m.b.H. in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstrasse 41, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 16. Juli 2020, Zl. RV/5101812/2017, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2006 bis 2011 und Umsatzsteuer 2006 bis 2012, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin ist die, über zwei Tochtergesellschaften mittelbar zu 100% gehaltene, Enkelgesellschaft einer Bank (O AG).

2        Die O AG ist Eigentümerin einer Liegenschaft, an der der Revisionswerberin im Jahr 1994 entgeltlich ein Baurecht eingeräumt worden ist, das im Jahr 2008 erweitert wurde.

3        Nach der Erweiterung des Baurechts begann die Revisionswerberin mit der Errichtung eines Veranstaltungs- und Verwaltungsgebäudes, das sie nach der Fertigstellung im Jahr 2010 an die O AG vermietete.

4        Aufgrund der beabsichtigten Vermietung optierte die Revisionswerberin in der Errichtungsphase des Gebäudes zur Steuerpflicht nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 und machte die im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes anfallende Umsatzsteuer in Höhe von 2,786.151,69 € als Vorsteuer geltend.

5        Im Rahmen einer im Jahr 2013 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer fest, der Unternehmensgegenstand der Revisionswerberin sei die Errichtung von „Bankobjekten“ und deren anschließende Vermietung an die O AG. Die Revisionswerberin habe seit ihrem Bestehen ausschließlich Leistungen an die O AG erbracht. Neben dem streitgegenständlichen Gebäude vermiete sie noch ein weiteres Gebäude an die O AG, das sie aufgrund des Baurechtsvertrages aus dem Jahr 1994 errichtet habe; weiters eine Bankfiliale, die von ihr angemietet, modernisiert und an die O AG weitervermietet worden sei. Die Revisionswerberin verfüge weder über eigene Geschäftsräumlichkeiten noch über eigene Mitarbeiter. Von den Errichtungskosten des hier in Rede stehenden Gebäudes habe die O AG knapp 90 % durch indirekte Gesellschafterzuschüsse finanziert. Der Rest stamme aus Eigenmitteln der Revisionswerberin. Im Baurechtserweiterungsvertrag sei ein Vorkaufsrecht der O AG an dem von der Revisionswerberin errichteten Gebäude vereinbart worden. Das Bauvorhaben sei von der O AG geplant und auf deren Bedürfnisse abgestimmt worden. Die O AG nutze das Gebäude für bankinterne Veranstaltungen und für Verwaltungszwecke. Ein schriftlicher Mietvertrag liege nicht vor. Die Höhe des Mietzinses ergebe sich aus den Investitionskosten (AfA) und Zinsen; eine Gewinnkomponente sei nicht eingerechnet. Die Revisionswerberin verfüge über keine Mitarbeiter, weshalb alle mit der Errichtung und Vermietung in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten von Mitarbeitern der O AG - ohne Verrechnung der Kosten - durchgeführt würden. Geschäftsführer der Revisionswerberin im Streitzeitraum seien Mitarbeiter der O AG gewesen.

6        Aufgrund der getroffenen Feststellungen vertrat der Prüfer den Standpunkt, es sei vom Vorliegen einer Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 auszugehen, zumal die Revisionswerberin finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in die O AG eingegliedert und daher nicht selbständig im Sinne des Umsatzsteuerrechts sei. Die Leistungen zwischen der O AG (Organträger) und der Revisionswerberin (Organ) stellten Innenumsätze dar und der Revisionswerberin stehe der geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht zu.

7        Selbst wenn keine Organschaft vorliegen sollte, sei das vermietete Gebäude in wirtschaftlicher Betrachtung der O AG zuzurechnen, weil der gegenständliche Mietvertrag mangels Fremdüblichkeit nicht anzuerkennen sei. Die Änderung der wirtschaftlichen Zurechnung führe zur Aktivierung des Wirtschaftsguts bei der O AG, sodass der Vorsteuerabzug aus der Errichtung des Gebäudes und die Umsatzsteuer aus der Vermietung an die O AG bei der Revisionswerberin auch in diesem Fall zu negieren seien.

8        Das Finanzamt folgte dem Prüfer, nahm die Verfahren betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2011 wieder auf und erließ den Feststellungen des Prüfers entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2012.

9        Gegen diese Bescheide erhob die Revisionswerberin Beschwerde und führte begründend aus, zwischen ihr und der O AG liege keine umsatzsteuerliche Organschaft vor. Die finanzielle Eingliederung der Revisionswerberin in die O AG sei nur schwach ausgeprägt. Die Annahme einer organisatorischen Eingliederung scheitere daran, dass kein leitender Angestellter der O AG Geschäftsführer der Revisionswerberin sei und die bloß mittelbare - auf das Arbeitsverhältnis mit der O AG bezogene - Weisungsbefugnis der O AG gegenüber ihren nichtleitenden Angestellten keine wesentliche Einflussnahme auf die Revisionswerberin gewährleiste. Aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeitsfelder liege zudem kein betriebswirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Revisionswerberin und der O AG vor, sodass auch das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung nicht erfüllt sei. Die zwischen der O AG und der Revisionswerberin abgeschlossenen Verträge enthielten keine Vertragsbestimmungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Zurechnung des Mietobjekts an die O AG rechtfertigten.

10       Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin die Revisionswerberin deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.

11       Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge und führte - in Bezug auf die Wiederaufnahme der Verfahren - aus, im Zuge der Außenprüfung seien neue Sachverhaltselemente (insbesondere hinsichtlich der Finanzierung des Mietobjekts, der personellen Verflechtungen der beiden Gesellschaften sowie des tatsächlichen Verwendungszwecks des Neubaus) zutage getreten, die dem Finanzamt zuvor noch nicht bekannt gewesen seien.

12       Gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 sei vom Vorliegen einer Organgesellschaft auszugehen, wenn diese nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des jeweiligen Organträgers eingegliedert sei.

13       Die O AG als Organträger sei mittelbar zu 100% an der Revisionswerberin beteiligt, sodass die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung jedenfalls erfüllt sei.

14       Die organisatorische Eingliederung sei gegeben, wenn die tatsächliche Durchsetzung des Willens des beherrschenden Unternehmens bei der beherrschten Gesellschaft durch organisatorische Maßnahmen gesichert sei. Dies sei etwa der Fall, wenn der Organträger die Geschäftsführung ausübe oder eine Personenidentität in den Leitungsfunktionen von Organträger und Organ bestehe. Stehe der Geschäftsführer des Organs und sein tatsächliches Verhalten mit den Weisungen des Organträgers in Einklang, deute dies auf eine organisatorische Eingliederung hin.

15       Die Geschäftsführer von Organträger und Organ seien im Revisionsfall zwar nicht ident, es bestehe aber eine Verbindung dahingehend, dass es sich bei den Geschäftsführern der Revisionswerberin großteils um langjährige Angestellte der O AG handle. Aus dem Anstellungsverhältnis ergebe sich die persönliche Abhängigkeit. Bei weisungswidrigem Verhalten könne der Geschäftsführer infolge des Angestelltenverhältnisses und der darauf beruhenden persönlichen Abhängigkeit als Geschäftsführer der Revisionswerberin abberufen werden. Abgesehen davon bestünden noch weitere personelle Verflechtungen, weil die Revisionswerberin über keine eigenen Mitarbeiter verfüge und ihre Geschäfte von Mitarbeitern der O AG verrichtet würden. Auch insoweit sei eine Abhängigkeit von der O AG und eine entsprechende Einflussnahme und Willensdurchsetzung gegeben.

16       Hinsichtlich der wirtschaftlichen Eingliederung genüge ein vernünftiger betriebswirtschaftlicher Zusammenhang, der bestehe, wenn die Tätigkeiten von Organträger und Organ aufeinander abgestellt seien und einander ergänzten.

17       Die O AG habe der Revisionswerberin ein Grundstück mittels Baurechtserweiterungsvertrag - ohne Anpassung des ursprünglichen Baurechtszinses - zur Verfügung gestellt. Die Zurverfügungstellung und die anschließende Bebauung durch die Revisionswerberin seien aufeinander abgestimmt gewesen. Die Revisionswerberin habe ein Gebäude nach den Vorstellungen und Planungen der O AG für deren Zwecke errichtet und gestaltet und dieses anschließend ausschließlich an die O AG vermietet.

18       Die O AG nutze den neuen Gebäudekomplex - auch wenn ein Teil als Veranstaltungszentrum genutzt werde - hauptsächlich für Tätigkeiten in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bankbereich (Büro des Vorstandsvorsitzenden, Büroräumlichkeiten für Mitarbeiter, Garagen für Mitarbeiter und Kunden). Das Veranstaltungszentrum diene als Werbeplattform ebenfalls dem Bankbereich. Die O AG habe sich dort im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen als erfolgreiches Bankinstitut präsentiert.

19       Die Revisionswerberin erbringe ihr gesamtes Leistungsvolumen an die O AG bzw. beziehe wesentliche Vorleistungen von dieser. Sie sei ausschließlich für die O AG als Errichtungs- und Vermietungs-GmbH tätig und auch für diese Zwecke gegründet worden.

20       Die O AG stelle der Revisionswerberin, die über keine Mitarbeiter verfüge, ihr Personal zu Verfügung. Alle Verwaltungsagenden (Planung, Bauaufsicht, Koordination Neubau, Buchhaltung etc.) seien von Mitarbeitern der O AG ohne Kostenverrechnung durchgeführt worden und würden nach wie vor von diesen durchgeführt. Die O AG habe den in Rede stehenden Neubau zu 90% finanziert und dieser werde von der Revisionswerberin, die ausschließlich für die O AG tätig sei, wiederum an sie vermietet. Die O AG nutze das von der Revisionswerberin errichtete Gebäude für ihre Zwecke. Somit liege auch eine wirtschaftliche Eingliederung vor.

21       Auf den vom Finanzamt alternativ herangezogenen Begründungsansatz der wirtschaftlichen Zurechnung ging das Bundesfinanzgericht nicht näher ein.

22       Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine organisatorische Eingliederung auch dann gegeben sei, wenn die Geschäftsführungsagenden der Organgesellschaft von Dienstnehmern des Organträgers ausgeführt würden. Hinsichtlich der Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 2016, Ro 2014/15/0031, verwiesen, in welchem eine wirtschaftliche Eingliederung angenommen worden sei, „wenn die Aufgabe der [dortigen] Mitbeteiligten als Besitzgesellschaft vornehmlich darin bestünde, der [Bank] die für den Betrieb ihrer Bankgeschäfte erforderlichen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen“. Zur Frage, ob hierbei nur Räumlichkeiten zu berücksichtigen seien, in denen unmittelbar Bankgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 BWG abgeschlossen würden, fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das Bundesfinanzgericht habe auch nicht hinreichend begründet, aufgrund welcher neu hervorgekommenen Tatsachen die Wiederaufnahme der gegenständlichen Verfahren erfolgt sei.

23       Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

24       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

25       Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

26       In Bezug auf die Wiederaufnahme der Verfahren trägt die Revision vor, dem Finanzamt seien die Tatsachen, auf die es die Wiederaufnahmen gestützt habe, bereits bekannt gewesen.

27       Im angefochtenen Erkenntnis führt das Bundesfinanzgericht aus, das Finanzamt habe im Hinblick auf bestimmte neu hervorgekommene Sachverhaltselemente (betreffend den tatsächlichen Verwendungszweck des Neubaus, die personellen Verflechtungen der beiden Gesellschaften, etc.) die Wiederaufnahme der Verfahren verfügen dürfen. Aufgrund welcher Umstände das Finanzamt vor Durchführung der Außenprüfung von der tatsächlichen Nutzung des in Rede stehenden Gebäudes und von der personellen Verflechtung zwischen der Revisionswerberin und der O AG Kenntnis hätte haben sollen, legt die Revision indessen nicht nachvollziehbar dar. Schon deswegen kommt ihr - soweit sie die Wiederaufnahme der Verfahren betrifft - keine Berechtigung zu, zumal diese Umstände - wie nachstehend ausgeführt - zu einer von den vorangegangenen Bescheiden abweichenden umsatzsteuerlichen Beurteilung führen.

28       In Bezug auf die Umsatzsteuer 2006 bis 2012 ist strittig, ob zwischen der O AG und der Revisionswerberin eine Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 vorliegt oder nicht.

29       Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG (früher Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 iVm Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG) lautet:

„Nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer (nachstehend ‚Mehrwertsteuerausschuss‘ genannt) kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.“

30       Österreich hat den Mehrwertsteuerausschuss konsultiert und das Institut der Organschaft, wie es auch im UStG 1972 vorgesehen war, unter Einschränkung auf inländische Gesellschaften in § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 beibehalten.

31       § 2 UStG 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 201/1996 lautet auszugsweise:

„Unternehmer, Unternehmen

§ 2. (1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. [...]

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.   [...]

2.   wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, daß sie keinen eigenen Willen hat. Eine juristische, Person ist dem Willen eines Unternehmers dann derart untergeordnet, daß sie keinen eigenen Willen hat (Organschaft), wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist.

     Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als Unternehmer.“

32       Die O AG ist (mittelbar) zu 100% an der Revisionswerberin beteiligt. Eine finanzielle Eingliederung wird in der Revision nicht bestritten.

33       Hinsichtlich der organisatorischen Eingliederung vertritt die Revision - wie im Beschwerdeverfahren - den Standpunkt, eine solche liege nicht vor, weil es sich bei den Geschäftsführern der Revisionswerberin lediglich um Mitarbeiter der O AG, nicht aber um deren leitende Angestellte handle. Es gebe auch keine Geschäftsführungsanordnungen, Konzernrichtlinien oder andere schriftliche Vereinbarungen, aus denen sich eine Entscheidungsbefugnis der O AG ergebe.

34       Die organisatorische Eingliederung ist nach Judikatur und Literatur gegeben, wenn die tatsächliche Durchsetzung des Willens des Organträgers bei der Organgesellschaft durch organisatorische Maßnahmen gewährleistet ist. Die organisatorische Eingliederung kann beispielsweise in personellen Maßnahmen zum Ausdruck kommen, wie z.B. einer Personalunion hinsichtlich der Geschäftsführung von Organträger und Organgesellschaft, oder in organisatorischen Maßnahmen, wie Weisungsbefugnis des Organträgers gegenüber der Geschäftsführung der Organgesellschaft. Entscheidend ist, ob die durch die finanzielle Eingliederung latent mögliche Einheitlichkeit der Willensbildung durch organisatorische Vorkehrungen realisiert wird (vgl. z.B. VwGH 27.6.2013, 2010/15/0111, sowie Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Tz 119, mit weiterführenden Hinweisen).

35       Auch Maßnahmen wie etwa die Anstellung der Angestellten und Arbeiter bei dem beherrschenden Unternehmen, das Fehlen eigenen Büropersonals bei der Organgesellschaft und die daraus folgende Durchführung wesentlicher administrativer Aufgaben durch den beherrschenden Unternehmer, können eine organisatorische Eingliederung bewirken, wenn sie dem Organträger ermöglichen, entscheidenden Einfluss auf die Organgesellschaft auszuüben und das Verhalten der Organgesellschaft mit den Vorgaben des Organträgers in Einklang zu bringen (vgl. Bürgler in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON, § 2 Rz 225).

36       Das Bundesfinanzgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis - von der Revision unwidersprochen - fest, dass die Revisionswerberin über keine eigenen Mitarbeiter verfüge und alle Verwaltungsagenden (Planung, Koordination Neubau, Bauaufsicht, Buchhaltung etc.) in der Vergangenheit von Mitarbeitern der O AG ohne Kostenverrechnung durchgeführt worden seien und nach wie vor von Mitarbeitern der O AG durchgeführt würden. Weiters stellte es fest, dass es sich bei den Geschäftsführern der Revisionswerberin um Angestellte der O AG handle.

37       Wenn das Bundesfinanzgericht vor diesem Hintergrund eine faktische Beherrschung der Organgesellschaft und damit deren organisatorische Eingliederung im Hinblick auf die Anstellung der Dienstnehmer beim Organträger, das Fehlen eines eigenen (Büro)Personals bei der Organgesellschaft und die Durchführung der administrativen Aufgaben durch den Organträger angenommen hat, kann dem nicht erfolgreich entgegengetreten werden. Der Frage, ob es sich bei den Geschäftsführern der Revisionswerberin um leitende Angestellte der O AG oder um Angestellte unterhalb der Leitungsebene handelt, kommt beim gegebenen Gesamtbild der Verhältnisse keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

38       Dass im Revisionsfall von einer faktischen Beherrschung der Revisionswerberin durch die O AG auszugehen ist, wird im Übrigen sogar durch die Ausführungen in der Revision bekräftigt, wonach die Revisionswerberin die Möglichkeit gehabt hätte, „das vermietete Gebäude aufgrund seiner Lage und Beschaffenheit ohne größeren Aufwand auch an Dritte (etwa zur Durchführung von Veranstaltungen)“ zu vermieten. Tatsächlich wird das Gebäude ausschließlich an die O AG vermietet, wobei sich der Mietzins - nach den Feststellungen des Prüfers, die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht bekämpft worden sind - aus den Investitionskosten (AfA) sowie den Zinsen ergibt und keine Gewinnkomponente eingerechnet wurde. Dieser Umstand der Vermietung ohne Gewinnspanne (an die Obergesellschaft) spricht für eine faktische Beherrschung der Revisionswerberin durch die O AG und damit für das Vorliegen der geforderten organisatorischen Eingliederung.

39       Die wirtschaftliche Eingliederung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegeben, wenn zwischen den Gesellschaften ein vernünftiger betriebswirtschaftlicher Zusammenhang besteht und ihre Tätigkeiten aufeinander abgestellt sind und sich gegenseitig ergänzen (vgl. VwGH 15.5.2020, Ra 2018/15/0113, mit weiteren Nachweisen).

40       Die Revision bringt vor, schon aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeiten der O AG (Bankgeschäfte) und der Revisionswerberin (Gebäudevermietung) könne nicht von einem betriebswirtschaftlichen Zusammenhang ausgegangen werden. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner früheren Rechtsprechung bei Unternehmen, die in völlig unterschiedlichen Produkt-Markt-Kombinationen tätig seien, eine wirtschaftliche Eingliederung verneint. Das Bundesfinanzgericht stützte seine Entscheidung auf das - einen ähnlich gelagerten Sachverhalt betreffende - Erkenntnis vom 23. November 2016, Ro 2014/15/0031, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt habe, vom Vorliegen einer wirtschaftlichen Eingliederung könne ausgegangen werden, „wenn die Aufgabe der [dortigen] Mitbeteiligten als Besitzgesellschaft vornehmlich darin bestünde, der [Bank] die für den Betrieb ihrer Bankgeschäfte erforderlichen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen“. Mit dem angeführten Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid aufgehoben und keine Entscheidung in der Sache getroffen. Er habe auch nicht definiert, ob der Begriff „Bankgeschäfte“ nur solche iSd § 1 Abs. 1 BWG umfasse. Die O AG nutze das angemietete Gebäude nicht für Tätigkeiten iSd § 1 Abs. 1 BWG, sondern insbesondere für Werbeveranstaltungen, Schulungen und als Büroräumlichkeiten, weshalb das Vorliegen einer wirtschaftlichen Eingliederung zu verneinen sei.

41       Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt, weil dem Erkenntnis vom 23. November 2016, Ro 2014/15/0031, keine Einschränkung des Begriffes „Bankgeschäfte“ auf jene iSd § 1 Abs. 1 BWG zu entnehmen ist. Auch die als Büroräumlichkeiten genutzten und für Schulungen und Werbeveranstaltungen erforderlichen Räumlichkeiten stellen für Bankgeschäfte erforderliche Räumlichkeiten dar, zumal der Betrieb eines Finanzinstituts, das Bankgeschäfte iSd § 1 Abs. 1 BWG tätigt, auch zahlreiche weitere Tätigkeiten (insbesondere im Backoffice) erfordert, die die operative Kerntätigkeit der Bankgeschäfte des § 1 Abs. 1 BWG unterstützen oder überhaupt erst ermöglichen.

42       Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Revision als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

43       Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 16. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020150101.L00

Im RIS seit

13.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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