TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/22 LVwG-2021/43/2785-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

AVG §13 Abs3
EWR-PsychologenG 1999 §1
EWR-PsychologenG 1999 §3 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Schmalzl über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 30.06.2021, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem EWR-Psychologengesetz,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Mit Eingabe vom 19.02.2021, eingelangt beim Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: die belangte Behörde) am 22.02.2021, stellte AA (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) einen „Antrag auf Anerkennung meiner Berufsqualifikation und Eintragung in die Liste der klinischen PsychologInnen“ und legte hierzu insbesondere folgende Unterlagen vor:

a)   Studienzeitbestätigungen in Y (24.11.2010 abgeschlossenes Diplomstudium Psychologie, einzelne gemeldete Semester für: Bacc. Erziehungswissenschaft-2 Semester, psychotherapeutisches Propädeutikum-1 Semester, Doktorratsstudium -1 Semester)

b)   Nachweis über die Erlangung des Studienabschlusses MSc in Psychoanalytischer Entwicklungspsychologie des BB, England vom 01.11.2012, samt einigen Nachweisen zu Inhalten des Studiums, Bestätigung über diverse nachfolgende praktische Tätigkeiten und Workshops in England von 2012 bis 2016

c)   Bestätigung des CC, X, vom 07.01.2021 über ein Anstellungsverhältnis seit 01.03.2017 bis heute in der Entwicklungsambulanz in der Funktion als klinische Psychologin in der Diagnostik, ab 20.02.2020 in Elternzeit

d)   Eine Praktikumsbestätigung des CC, X, vom 12.09.2019 für die Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin im Zeitraum von 02.05.2018 bis 12.04.2019 (dazu fällt der Behörde auf, dass eine volle zeitliche Überschneidung mit dem Anstellungsverhältnis zu Punkt c besteht)

e)   Ausbildungsvertrag vom 12.04.2018 mit der DD X e.V. zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Deutschland einschließlich inhaltlicher Teilnahmebestätigungen sowie die Bestätigung der DD über insgesamt 132,5 Stunden Theorie in der Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin vom 11.02.2021

Mit Schreiben vom 24.03.2021 erging seitens der belangten Behörde ein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG an die Beschwerdeführerin. Letztere müsse binnen einer Frist von 6 Wochen ab Zustellung (bei sonstiger Zurückweisung gemäß der zitierten Gesetzesstelle) folgende Nachweise nachreichen:

1.   einen Qualifikationsnachweis/Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise, ausgestellt von der entsprechend den deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften benannten zuständigen staatlichen Behörde in Deutschland, der/die bescheinigen muss/müssen,

?    dass Sie über eine Berufsberechtigung als Klinische Psychologin in Deutschland verfügen, die durch Gesetze oder Verwaltungsvorschriften reglementiert ist oder

?    dass Sie durch die Ausbildung/das Studium auf die Ausübung des Berufs als Klinische Psychologin vorbereitet worden sind,

und

?    dass Sie zur Berufsausübung der Klinischen Psychologie die nötigen rechtlichen Voraussetzungen erfüllen,

?    eine Bestätigung darüber, zu welchen Tätigkeiten Sie als selbstständig niedergelassene Klinische Psychologin in Deutschland berechtigt sind, insbesondere ob Sie selbstständig klinisch-psychologische Diagnostik für krankheitswerte psychische Störungen erstellen und ob sie ohne Zuweisung durch Ärzte/Ärztinnen klinische-psychologische Krankenbehandlungen durchführen dürfen,

?    auf welchem Niveau gemäß Art 11 der RL 2005/30/EG die Einstufung der Berufsberechtigung als Klinische Psychologin in Deutschland gegeben ist.

2.   Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (certificate of good standing) der für die Berufsausübung zuständigen Behörde.

Dieser Verbesserungsauftrag wurde der Beschwerdeführerin am 30.03.2021 nachweislich zugestellt.

Fristgerecht übermittelte die Beschwerdeführerin ein „Antwortschreiben“, datiert vom 11.05.2021, und legte weitere Unterlagen vor:

1.   schriftliche Stellungnahme der Partei vom 11.05.2021

2.   Europäisches Führungszeugnis vom Bundesamt für Justiz, Bonn 22.04.2021

3.   erweitertes Führungszeugnis, datiert mit 22.04.2021,

4.   Mitteilung aus dem österreichischen Strafregister, datiert mit 22.04.2021

5.   Eine E-Mail-Korrespondenz, 27.04.2021, zwischen Ihnen und EE, Reg. Oberbayern, FF in X, in der ausgeführt wird, dass der Beruf der Klinischen Psychologin in Deutschland kein reglementierter Beruf ist und eine Feststellung der Berechtigung nicht erteilt werden kann,

6.   Bestätigung des GG, privater Verein, vom 11.05.2021 über die Anerkennung des österreichischen Psychologiestudiums für Deutschland samt Äußerung, dass die Berechtigung bestünde, den Beruf des Psychologen unter der Führung der Berufsbezeichnung in allen Arbeitsfeldern einschließlich dem der Klinischen Psychologie auszuüben

7.   Schreiben der Medizinischen Universität Y vom 10.05.2021 über ein mögliches Anstellungsverhältnis als Klinische Psychologin bei derselben,

8.   Schreiben der Europäischen Kommission, JJ, KK, in dem auf die Anwendung der Berufsqualifikationsrichtlinie 2005/36/EU Bezug genommen wird zur Frage der Erlangung der Berufsanerkennung als Klinische Psychologin in Österreich.

Nachreichung:

9.   Mit E-Mail vom 25.05.2021 reichte die Partei ein Zwischenzeugnis des CC vom 21.05.2021, für den Zeitraum 01.03.2017 bis 20.02.2020, unterfertigt von LL, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Psychotherapie, ärztlicher Direktor des Klinikums sowie von MM, leitender Oberarzt der Abteilung NN, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychoanalyse, nach.

Mit Bescheid vom 30.06.2021, Zl ***, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs 3 AVG zurückgewiesen.

Fristgerecht erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23.07.2021 Beschwerde, woraufhin die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung vom 21.09.2021, Zl ***, erließ. Fristgerecht erstattete die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag.

Der Beruf der Klinischen Psychologin ist in Deutschland kein reglementierter Beruf.

II.      Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Behördenakt. Die Tatsache, dass der Beruf der Klinischen Psychologen in Deutschland nicht reglementiert ist, wird von beiden Parteien ausdrücklich zugestanden.

III.     Rechtslage:

Die hier relevante Bestimmung des Bundesgesetzes über die Niederlassung und die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs von klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Psychologengesetz), BGBl I Nr 113/1999, idF BGBl I Nr 32/2014, lautet wie folgt:

„Qualifikationsnachweise aus dem EWR für Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie

§ 1

(1) Qualifikationsnachweise für den reglementierten Beruf des klinischen Psychologen oder des Gesundheitspsychologen, die einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der EU oder einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates der EU oder einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft ausgestellt wurden, sind nach den Bestimmungen der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom 30.09.2005 S. 22, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/25/EU, ABl. Nr. L 158 vom 10.6.2013 S. 368, entsprechend den Regeln dieses Bundesgesetzes anzuerkennen.

(2) Personen, die nicht Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der EU oder einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft sind (Drittstaatsangehörige), sind Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der EU oder einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens im Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes gleichgestellt.“

Die hier relevanten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Niederlassung und die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs von klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Psychologengesetz), BGBl I Nr 113/1999, idF BGBl I Nr 9/2016, lauten wie folgt:

„EWR-Berufsanerkennung für Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie – Einheitlicher Ansprechpartner

§ 3

(1) Der Bundesminister für Gesundheit hat Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der EU oder einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowie Drittstaatsangehörigen gemäß § 1 Abs. 2, denen ein Qualifikationsnachweis für den reglementierten Beruf des Gesundheitspsychologen bzw. des Klinischen Psychologen ausgestellt wurde, der einem Diplom gemäß Artikel 11, ausgenommen lit. a, der Richtlinie 2005/36/EG entspricht, auf Antrag die Berechtigung zur Berufsausübung als Gesundheitspsychologe bzw. Klinischer Psychologe zu erteilen und in die Liste der Gesundheitspsychologinnen und Gesundheitspsychologen bzw. die Liste der Klinischen Psychologinnen und Klinischen Psychologen gemäß den Bestimmungen des § 19 bzw. § 28 Psychologengesetz 2013, BGBl. I Nr. 182/2013, einzutragen.

(2) Ist der Beruf des Gesundheitspsychologen bzw. Klinischen Psychologen in einem Mitgliedstaat der EU oder einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft nicht reglementiert, sind die von den zuständigen Behörden ausgestellten Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise für die Ausübung dieses Berufs den Qualifikationsnachweisen gemäß Abs. 1 gleichgestellt, sofern

1.   die Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise dem Artikel 11, ausgenommen lit. a, der Richtlinie 2005/36/EG entsprechen und

2.   der Beruf des Gesundheitspsychologen bzw. Klinischen Psychologen vollzeitlich ein Jahr lang in den vorhergehenden zehn Jahren in dem Mitgliedstaat ausgeübt worden ist.

Das Erfordernis der einjährigen Berufsausübung entfällt, sofern die Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise eine reglementierte Ausbildung bestätigen.

(3) Die Berufsanerkennung ist an die Bedingung der erfolgreichen Absolvierung eines höchstens dreijährigen Anpassungslehrgangs oder einer Eignungsprüfung zu knüpfen,

1.   wenn sich die bisherige Ausbildung des Antragstellers hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit auf theoretische und praktische Ausbildungsinhalte bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die durch den Ausbildungsnachweis in Österreich abgedeckt werden,

2.   wenn der Beruf des Gesundheitspsychologen bzw. Klinischen Psychologen in Österreich eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die im Herkunftsstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des entsprechenden reglementierten Berufs sind, und wenn sich die in Österreich geforderte Ausbildung auf theoretische und praktische Ausbildungsinhalte bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis des Antragstellers abgedeckt werden.

Die Wahl zwischen dem Anpassungslehrgang und der Eignungsprüfung steht dem Antragsteller (der Antragstellerin) zu, sofern das Niveau der Ausbildung im Herkunftsstaat des Antragstellers dem Artikel 11 Buchstabe c, d oder e der Richtlinie 2005/36/EG entspricht.

(4) Der Antragsteller hat

1.   einen Nachweis der Staatsangehörigkeit,

2.   den Qualifikationsnachweis, den Nachweis über die Berufsberechtigung im Herkunftsstaat und gegebenenfalls den Nachweis über erworbene Berufserfahrung,

3.   eine Bescheinigung des Herkunftsstaats, dass die Berufsausübung nicht vorübergehend oder endgültig untersagt wurde,

4.   einen Nachweis der für die Erfüllung der Berufspflichten erforderlichen gesundheitlichen Eignung,

5.   einen Nachweis der für die Erfüllung der Berufspflichten erforderlichen Vertrauenswürdigkeit und

6.   einen Nachweis eines Wohnsitzes oder eines Zustellungsbevollmächtigten in Österreich vorzulegen sowie

7.   den in Aussicht genommenen Berufssitz oder Dienstort anzugeben.

Über eine Änderung des Wohnsitzes oder des Zustellungsbevollmächtigten (Z 6) hat der Antragsteller das Bundesministerium für Gesundheit umgehend zu benachrichtigen.

(5) Der Antrag kann auch in elektronischer Form über den einheitlichen Ansprechpartner (Art. 57a Richtlinie 2005/36/EG) oder das Bundesministerium für Gesundheit eingebracht werden. Im Fall begründeter Zweifel und soweit unbedingt geboten, können durch die Behörde zusätzlich beglaubigte Kopien der Nachweise verlangt werden.

(6) § 6 Dienstleistungsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2011, (Verfahren über den einheitlichen Ansprechpartner) ist entsprechend anzuwenden.

(7) Der Bundesminister für Gesundheit hat im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2005/36/EG mit den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten der EU oder einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft zusammenzuarbeiten, Amtshilfe zu leisten und die erforderlichen Auskünfte unter Sicherstellung der Vertraulichkeit der ausgetauschten Informationen, insbesondere im Wege des Binnenmarktinformationssystems (IMI) im Sinne der IMI-Verordnung, einzuholen und zu erteilen.

(8) Sofern im Rahmen des Verfahrens zur Anerkennung von Berufsqualifikationen festgestellt wird, dass der Antragsteller gefälschte Berufsqualifikationsnachweise verwendet hat, hat der Bundesminister für Gesundheit die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten der EU oder einer sonstigen Vertragspartei des EWR-Abkommens oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Wege des EU-Binnenmarktinformationssystems (IMI) binnen drei Tagen nach rechtskräftiger Entscheidung des ordentlichen Gerichts nach den Bestimmungen des Artikel 56a der Richtlinie 2005/36/EG und der Durchführungsverordnung (EU) 2015/983 zu informieren. Hierüber ist der Antragsteller schriftlich zu unterrichten, der eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Meldung in einem bescheidmäßig zu erledigenden Verfahren beantragen kann. Wird im Rahmen der Überprüfung die Rechtswidrigkeit der Meldung festgestellt, so ist die Meldung richtigzustellen oder zurückzuziehen.

(9) Ab der Eintragung in die Liste der Gesundheitspsychologinnen und Gesundheitspsychologen bzw. die Liste der Klinischen Psychologinnen und Klinischen Psychologen sind die Bestimmungen des Psychologengesetzes 2013 anzuwenden.“

Die hier relevante Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl 51/1991, idF BGBl I Nr 57/2018, lautet wie folgt:

„Anbringen

§ 13

[…]

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

[…]“

IV.      Erwägungen:

1.   Bekämpfter Bescheid

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass für die Anerkennung der Berufsqualifikation nach den Bestimmungen des EWR-Psychologengesetzes und der EWR-Psychologenverordnung, welche die Berufsqualifikationsrichtlinie 2005/36/EG in nationales österreichische Recht umsetzen, bedürfe es eines Qualifikationsnachweises gemäß §§ 1 oder 2 EWR-Psychologengesetz für den reglementierten Beruf des Klinischen Psychologen oder, sollte der Beruf im Herkunftsstaat nicht reglementiert sein, eines entsprechenden, von der zuständigen Behörde ausgestellten Befähigungs- oder Ausbildungsnachweises für die Tätigkeit eines Klinischen Psychologen sowie eine Arbeitsbestätigung über diese Tätigkeit nach § 3 leg cit. Über diese Erfordernisse habe die belangte Behörde die Beschwerdeführerin in Kenntnis gesetzt und sie mit Verbesserungsauftrag zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert. Die in der Folge von der Beschwerdeführerin übermittelten Unterlagen seien entweder für die Prüfung der vorliegenden Frage nicht relevant (Unterlagen 2., 3., 4. und 7.), bzw würden sie keine Nachweise im Sinne der §§ 1-3 EWR-Psychologengesetz darstellen.

2.   Beschwerdevorbringen

Die Beschwerdeführerin brachte zusammengefasst vor, dass sie dem Verbesserungsauftrag der belangten Behörde bestmöglich nachgekommen sei, letztere ihr jedoch nicht mitgeteilt habe, welche weiteren Informationen Unterlagen sie konkret zusätzlich benötigt hätte (es sei diesbezüglich auch keine Anleitung erfolgt, weshalb für sie als Nicht-Juristin kein weiterer Handlungsbedarf erkennbar gewesen sei). Tatsächlich seien die von ihr vorgelegten Unterlagen vollständig und ausreichend, um eine Sachentscheidung zu treffen. Ihr sei daher zu Unrecht die Entscheidung der Sache selbst verweigert worden.

In Hinblick auf die von ihr beigebrachten Unterlagen erklärte die Beschwerdeführerin, dass bei deren umfänglicher Berücksichtigung und richtiger Bewertung die belangte Behörde in einer Prüfung nach § 4 EWR-Psychologengesetz die Gleichwertigkeit ihrer fachlichen Qualifikation zu bejahen gehabt hätte.

Die Beschwerdeführerin führte weiter aus, es stehe nicht nur fest, dass der Beruf des klinischen Psychologen in Deutschland nicht reglementiert sei, sondern auch, dass tatsächlich in Deutschland keine zuständige staatliche Behörde zur Bestätigung der nämlichen Befähigung existiere. Diesbezüglich verweist sie auf die der Beschwerde angeschlossene E-Mail der obersten deutschen Gesundheitsbehörde („eine zuständige Stelle für die Anerkennung zum Berufszugang gibt es daher nicht.“) Die Ausstellung eines Befähigungsnachweises durch eine Behörde sei daher gar nicht möglich und deshalb auch nicht notwendig.

Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass aufgrund der Richtlinie 2005/36/EG in Verbindung mit der von ihr eingeholten Stellungnahme der europäischen Kommission, JJ, KK, der Befähigungsnachweis auch über die Bestätigung des Arbeitgebers im Herkunftsmitgliedstaat erfolgen könne. Das von ihr mit E-Mail vom 25.05.2021 nachgereicht ausführliche Arbeitszeugnis ihres deutschen Arbeitgebers weise ihre langjährige Tätigkeit als klinische Psychologin nach und stelle somit einen Befähigungsnachweis nach europarechtlichen Maßstäben dar. Würde ausschließlich ein von einer staatlichen Behörde ausgestellter Befähigungsnachweis anerkannt, würden Art 13 BQR und die diese Bestimmung umsetzen der österreichischen Regelung tatsächlich obsolet und werde diesem absoluten Berufsschutz gleichzusetzen.

Außerdem habe sie, so die Beschwerdeführerin weiter, ihre Befähigung zu klinischen Psychologin durch die für sie zuständige Standesvertretung, den GG nachgewiesen. Dies entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde – die europäische Kommission, JJ, habe dazu jedoch eine deutlich andere Position eingenommen. Die belangte Behörde habe nicht ausreichend begründet, warum der GG nicht als zuständige Stelle anzusehen sei.

Die Beschwerdeführerin wies außerdem noch auf die prekäre kinder- und jugendpsychiatrische Versorgungslage in Tirol hin und legte hierzu Unterlagen vor.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung in der Sache selbst gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG – Stattgebung ihres Antrags; in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG.

3.   In der Sache

a.   Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang des Landesverwaltungsgerichts fest – dieser ist jedenfalls durch die Sache des behördlichen Verfahrens beschränkt. Gegenstand des angefochtenen Bescheids ist keine materielle Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag der Beschwerdeführerin vom 19.02.2021, sondern eine Zurückweisung dieses Antrags gemäß § 13 Abs 3 AVG. Dementsprechend ist das Landesverwaltungsgericht nicht berufen und befugt, über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 19.02.2021 materiell zu entscheiden; es hat lediglich darüber abzusprechen, ob die Zurückweisung mittels des angefochtenen Bescheids zu Recht erfolgte. Dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Sachentscheidung war daher nicht stattzugeben.

b.   Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts

Ebenso wenig kam eine Zurückverweisung der Angelegenheit nach § 28 Abs 3 VwGVG in Betracht. Dies, da in der vorliegenden Angelegenheit der relevante Sachverhalt bereits feststeht – für eine Anwendung des § 28 Abs. 3 leg cit („[…] Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen […]“) verblieb somit kein Raum. Darum war auch diesem Antrag der Beschwerdeführerin nicht stattzugeben.

c.   3 Abs. 2 Verbesserung mangelhafter Anbringen gemäß § 13 Abs 3 AVG

Zur Regelung des § 13 Abs 3 AVG ist grundsätzlich festzuhalten, dass diese die Parteien vor Rechtsnachteilen schützen soll, welche ihr aufgrund eines mangelhaften Anbringens entstehen könnten. So darf die Behörde bei Vorliegen „verbesserungsfähiger Mängel“ iSd Vorschrift ein Anbringen nicht sofort zurückweisen, sondern muss sie zunächst die Verbesserung des Mangels veranlassen.

Erteilt die Behörde hierzu einen förmlichen Verbesserungsauftrag, muss in diesem konkret angegeben werden, worin der Mangel des Anbringens besteht. (vgl Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz2 § 13 Rz 25 ff und die dort zitierte Judikatur). Die höchstgerichtliche Rechtsprechung stellt außerdem bei unvertretenen Parteien besondere Anforderungen an die Formulierung von Verbesserungsaufträgen – ergeht der Auftrag jedoch an berufsmäßige Parteienvertreter, darf ein niedrigerer Maßstab angelegt werden. Entsprechend dem Wortlaut des § 13 Abs 3 AVG „auftragen“, reicht es demnach nicht aus, unvertretenen Parteien lediglich die „Möglichkeit“ der Ergänzung eines Anbringens einzuräumen. Vielmehr ist die Behebung des Mangels von der Behörde anzuordnen (Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz2 § 13 Rz 29). Andererseits erachtete der Verwaltungsgerichtshof einen einer vertretenen Partei erteilten Auftrag, welcher sich ausdrücklich auf § 13 Abs 3 AVG berief, trotz zumindest sprachlich unglücklicher Ausdrucksweise als wirksam (VwGH 2007/17/0105 vom 04.09.2008; in diesem Fall wurde „Gelegenheit gegeben“, eine „Begründung nachzureichen“). Wenngleich in § 13 Abs 3 AVG nicht ausdrücklich vorgesehen, ist es zudem aufgrund der Regelung des § 13a AVG erforderlich, unvertretene Parteien ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass nach fruchtlosem Ablauf der bestimmten Frist eine Zurückweisung erfolgt (VwGH 2012/07/0200 vom 18.12.2014, VwGH 99/10/0203 vom 19.03.2002).

Verbesserungsfähig können sowohl formelle als auch inhaltliche Mängel sein, nicht jedoch Mangelhaftigkeiten, welche zur Abweisung – also zu einer negativen Sachentscheidung – führen würden, wie zB die mangelnde Übereinstimmung eines Bauansuchens mit den Bauvorschriften (vgl Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 119). Des Weiteren kommt ein Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG nur dann infrage, wenn das betreffende Anbringen für die Partei erkennbar von Anforderungen des Materiegesetzes oder des AVG abweicht (VwGH 2013/07/0099 vom 25.07.2013) oder – so sich die Erforderlichkeit der Vorlage nicht ausdrücklich genannter Unterlagen aufgrund des anzuwendenden Materiengesetzes ergibt – dies dem Antragsteller von der Behörde bekannt gegeben wurde (vgl zB VwGH 2012/07/0108 vom 28.05.2015).

In Hinblick auf die obigen Ausführungen ist zunächst auf die zu Punkt III. zitierte maßgebliche Gesetzesgrundlage zu verweisen. Des Weiteren darauf, dass der Beruf der Klinischen Psychologin in Deutschland nicht reglementiert ist. Demnach ist die Berechtigung zur Berufsausübung als Klinische Psychologin in Österreich ausschließlich im Wege des § 3 Abs 2 EWR-Psychologengesetz zu erlangen. Hierzu muss dem eindeutigen Gesetzestext zufolge entweder ein Befähigungsnachweis oder ein Ausbildungsnachweis – jeweils von der zuständigen Behörde ausgestellt – vorgelegt werden. Andere Möglichkeiten, diese Nachweise zu erbringen, insbesondere durch Bestätigungen anderer Stellen bzw. Arbeitsbestätigungen sieht das Gesetz nicht vor. Insofern, als die Beschwerdeführerin vermeint, derartiges aus der BQR selbst ableiten zu können, ist einerseits darauf zu verweisen, dass es sich beim EWR-Psychologengesetz (sowie der EWR-Psychologenverordnung) gerade um die Umsetzung dieser Richtlinie handelt, andererseits sind die diesbezüglichen, zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde zu unterstreichen.

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 19.02.2021 enthielt erwiesenermaßen keinen von der zuständigen Behörde ausgestellten Befähigung- oder Ausbildungsnachweis.

Im nachweislich zugestellten Verbesserungsauftrag vom 24.03.2021 wurde der Beschwerdeführerin ausdrücklich aufgetragen, entweder einen Qualifikationsnachweis (dieser wäre gemäß § 1 EWR-Psychologengesetz der Anerkennung zu Grunde zu legen, würde es sich bei dem Beruf der Klinischen Psychologin in Deutschland um einen reglementierten Beruf handeln) bzw „Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise, ausgestellt von der entsprechend den deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften benannten zuständigen staatlichen Behörde in Deutschland“ vorzulegen. Dies unter Setzung einer Frist von 6 Wochen ab Erhalt des Verbesserungsauftrags sowie Androhung der sonstigen Zurückweisung nach § 13 Abs. 3 AVG.

Ein Qualifikations-, Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis, ausgestellt von der zufälligen Behörde, wurde von der Beschwerdeführerin jedoch nicht nachgereicht. Die zuständige Behörde äußerte sich lediglich dahingehend, dass der Beruf der Klinischen Psychologin in Deutschland kein reglementierter Beruf ist (siehe E-Mail von EE, FF, X vom 27.04.2021).

V.       Ergebnis

Zusammenfassend ergibt sich, dass der Antrag der Beschwerdeführerin vom 19.02.2021 die im Gesetz ausdrücklich genannten erforderlichen Beilagen nicht enthielt. Der von der belangten Behörde erteilte Verbesserungsauftrag entsprach nicht nur hinsichtlich Bestimmtheit und Aufklärung über die Rechtsfolgen, sondern auch in Bezug auf die gesetzte Frist und nachweisliche Zustellung den oben dargestellten Erfordernissen. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, sie hätte den Vorgang als Nicht-Juristin nicht verstehen können, kann vom erkennenden Gericht hingegen in keinster Weise nachvollzogen werden. Die Beschwerdeführerin kam dem Verbesserungsauftrag nicht nach, weshalb die belangte Behörde ihren Antrag vom 19.02.2021 zu Recht nach § 13 Abs. 3 AVG zurückwies.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

VI.      Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Trotz des Parteiantrags konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs 4 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grundlage der Akten ersichtlich war, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und weder Menschenrechte und Grundfreiheiten oder Grundrechte dem entgegenstanden. Es waren ausschließlich rechtliche Fragen zu erörtern und keinerlei zusätzliche Sachverhaltsermittlungen vonnöten (vgl zB VwGH Ra 2019/08/0101 vom 09.07.2019).

VII.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Schmalzl

(Richterin)

Schlagworte

Ausstellung Qualifikationsnachweis
Befähigungsnachweis
Ausbildungsnachweis
Verbesserungsauftrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.43.2785.1

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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