TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 W241 2230219-1

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Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W241 2230219-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Demokratische Volksrepublik Korea, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2020, Zl. 1164384106/191256951, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos erhoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) ist Staatsangehöriger der Demokratischen Volksrepublik Koreas (im Folgenden DVRK). Ihm wurde erstmals am 28.08.2017 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“, gültig bis 27.06.2018, erteilt. Dieser Aufenthaltstitel wurde zwei Mal verlängert, zuletzt am 01.08.2019 mit Gültigkeit bis 31.08.2020.

2. Der BF wurde am 10.12.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) niederschriftlich einvernommen. Gegenstand der Einvernahme war die Prüfung von fremdenrechtlichen Aspekten im Zusammenhang mit dem Erlass einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Dabei wurde der BF zu seinem Gesundheitszustand, seinen familiären Angehörigen, seinen Befürchtungen im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sowie seinen Lebensumständen in Österreich näher befragt. Der BF legte zur weiteren Verifizierung seines Vorbringens ein Konvolut an Unterlagen vor.

3. Mit Bescheid vom BFA vom 02.03.2020 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die DVRK zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

Begründend hielt die belangte Behörde fest, der BF besitze als Aufenthaltstitel eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“. Sie sei am 01.08.2019 zuletzt verlängert worden und bis zum 31.08.2020 gültig. Die Verlängerung des Aufenthaltstitels sei jedoch rechtswidrig gewesen; sie verstoße gegen den Art. 26a des Beschlusses (GASP) 2016/849 des Rates vom 27.05.2016 über restriktive Maßnahmen gegen die DVRK in Verbindung mit § 11 Abs. 2 NAG. Gemäß Art. 26a Abs. 1 dürfen Staatsangehörigen der DVRK keine Arbeitsgenehmigungen mehr erteilt werden. Die Ausnahmebestimmung des Abs. 3 sei auf den BF nicht anwendbar. Die Erteilung sei ein Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungen. Damit sei ein nachträglicher Versagungsgrund iSd § 11 Abs. 2 Z 5 NAG erfüllt. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK sei nicht zu erblicken gewesen. Es sei daher eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.

4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der DVRK. Er hält sich seit 24.08.2017 in Österreich auf.

Dem BF wurde erstmals am 28.08.2017 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“, gültig bis 27.06.2018, erteilt. Dieser Aufenthaltstitel wurde zwei Mal verlängert, zuletzt am 01.08.2019 mit Gültigkeit bis 31.08.2020.

Der BF war als XXXX bei einem österreichischen Verein beschäftigt. Sein erster Arbeitsvertrag wurde mit einer Gültigkeit von XXXX abgeschlossen. Ein weiterer Vertrag lief von XXXX .

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der Verwaltungsakten des Bundesamtes und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides

3.1.1. § 52 Abs. 4 FPG lautet:

„(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.“

3.1.2. Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid auf § 52 Abs. 4 FPG und führt aus, dass im gegenständlichen Fall der Versagungsgrund des § 11 Abs.2 Z 5 NAG erfüllt sei.

§ 11 Abs. 2 NAG lautet:

„(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.“

Die Rechtsansicht, dass § 11 Abs. 2 Z 5 NAG erfüllt sei, stützt die belangte Behörde auf den Beschluss (GASP) 2016/849 des Rates vom 27.05.2016 über restriktive Maßnahmen gegen die Demokratische Volksrepublik Korea und zur Aufhebung des Beschlusses 2013/183/GASP.

Der maßgebliche Art. 26a dieses Beschlusses lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten dürfen Staatsangehörigen der DVRK in ihrem Hoheitsbereich in Verbindung mit der Einreise in ihr Hoheitsgebiet keine Arbeitsgenehmigungen erteilen.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Sanktionsausschuss im Einzelfall im Voraus festgestellt hat, dass die Beschäftigung von Staatsangehörigen der DVRK im Hoheitsbereich eines Mitgliedstaats für die Erbringung humanitärer Hilfe, für die Entnuklearisierung oder für sonstige mit den Zielen der Resolutionen des VN-Sicherheitsrats 1718 (2006), 1874 (2009), 2087 (2013), 2094 (2013), 2270 (2016), 2321 (2016), 2356 (2017), 2371 (2017) oder 2375 (2017) vereinbare Zwecke erforderlich ist.

(3) Absatz 1 gilt nicht für Arbeitsgenehmigungen, für die vor dem 11. September 2017 schriftliche Verträge abgeschlossen wurden.

(4) Um die Überweisungen in die DVRK zu stoppen, erneuern die Mitgliedstaaten – vorbehaltlich anwendbarer nationaler Rechtsanforderungen und -verfahren — keine Arbeitserlaubnisse für Staatsangehörige der DVRK, die sich in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet befinden, ausgenommen Flüchtlinge und andere Personen, die internationalen Schutz genießen.

(5) Die Mitgliedstaaten sorgen sofort, spätestens jedoch bis zum 21. Dezember 2019, für die Rückführung in die DVRK aller Staatsangehörigen der DVRK, die im Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten Einkommen erzielen, sowie aller mit der Sicherheitsaufsicht betrauten Attachés der Regierung der DVRK, die Arbeitskräfte aus der DRVK im Ausland überwachen, es sei denn, ein Mitgliedstaat stellt fest, dass ein Staatsangehöriger der DVRK Staatsangehöriger dieses betreffenden Mitgliedstaats ist, oder dass die Rückführung eines DVRK-Staatsangehörigen aufgrund des geltenden nationalen Rechts oder des geltenden Völkerrechts, einschließlich des internationalen Flüchtlingsrechts, der internationalen Menschenrechtsnormen, des Amtssitzabkommens der Vereinten Nationen und des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen, untersagt ist.“

Es ist daher zur prüfen, ob dieser Beschluss des Rates für die belangte Behörde unmittelbar anwendbar ist.

Erklärtes Ziel der Europäischen Union ist die Gestaltung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Diese leistet einen Beitrag zur Entwicklung der europäischen Identität. Die gemeinsamen Standpunkte 2016/849, 2017/1838, 2018/293 sind als Beschlüsse iSd Art. 29 EUV erlassen worden. Die GASP-Beschlüsse bleiben trotz Völkerrechtssubjektivität der Union und des eigenständigen Charakters der GASP-Kompetenz intergouvernementaler Natur. Die GASP-Maßnahmen wirken nur völkerrechtlich, es bestehen keine unmittelbare Anwendbarkeit und kein Anwendungsvorrang (vgl. Stadlmeier in Beiträge zum 35. Österreichischen Völkerrechtstag, von Lissabon zum Raumfahrzeug: Aktuelle Herausforderungen im Völkerrecht S.121). Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist kein supranationales Recht (vgl. BGH 30.06.2009, 1010/08 Rz 390). Restriktive Maßnahmen im Rahmen der GASP verpflichten die Mitgliedsstaaten nur zu gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Einrichtungen (vgl. Schmalenbach in Jaeger/Störger (HRSG), EUV/AEUV Art. 29 EUV Rz 29). Beschlüsse zu unionalen Standpunkten sind nicht für den supranationalen Durchgriff auf Einzelne geeignet. Daher werden restriktive Maßnahmen und Sanktionen durch Verordnungen umgesetzt, der entsprechende Durchgriffswirkung zukommt (vgl. Schmalenbach in Jaeger/Störger (HRSG), EUV/AEUV Art. 29 EUV Rz 11).

3.1.3. Die Bestimmungen des Art. 26a des GASP-Beschlusses sind auf den BF, mangels entsprechender Durchgriffswirkung, nicht direkt anwendbar.

Die zum Beschluss des Rates dazugehörige verbindliche Verordnung (EU) 2017/1509 des Rates

vom 30.08.2017 über restriktive Maßnahmen gegen die DVRK und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 329/2007 sieht derartige administrative Verpflichtungen nicht vor. Die Verordnung umfasst Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen, Beschränkungen für bestimmte kommerzielle Tätigkeiten, Beschränkungen für Geldtransfers und Finanzdienstleistungen, Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen und Verkehrsbeschränkungen betreffend den Flug- und Schiffsverkehr. Arbeitsgenehmigungen oder Aufenthaltsgenehmigungen für Staatsbürger der Demokratischen Volksrepublik Korea sind nicht Gegenstand dieser Verordnung.

Zur Umsetzung internationaler Sanktionsmaßnahmen wurde das Bundesgesetz über die Durchführung internationaler Sanktionsmaßnahmen (Sanktionengesetz 2010 – SanktG), BGBl. I Nr. 36/2010 idF BGBl. I Nr. 37/2018 erlassen.

§ 1 SanktG lautet:

„Dieses Bundesgesetz regelt die Durchführung völkerrechtlich verpflichtender Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union, einschließlich unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union, soweit diese nicht in einem anderen Bundesgesetz geregelt ist.“

§ 2 Abs. 2 SanktG lautet:

„(2) Soweit dies zur Erfüllung von völkerrechtlich verpflichtenden Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union erforderlich ist, ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Verordnung oder Bescheid die nachstehend angeführten Maßnahmen anzuordnen:

1. die Beschlagnahme von Verkehrsmitteln, die sich mehrheitlich im Eigentum einer Person oder eines Unternehmens mit Sitz oder Tätigkeit in einem bestimmten Staat befinden oder von solchen Personen oder Unternehmen kontrolliert werden;

2. den Verfall der unter Z 1 angeführten Verkehrsmittel, wenn festgestellt wird, dass sie zur Begehung eines Verstoßes gegen bestehende Ein-, Aus- oder Durchfuhrbestimmungen verwendet wurden;

3. die Beschlagnahme von Verkehrsmitteln sowie von diesen beförderten Waren, wenn der Verdacht besteht, dass sie zur Begehung eines Verstoßes gegen bestehende Ein-, Aus- oder Durchfuhrbestimmungen verwendet beziehungsweise entgegen solchen Bestimmungen befördert wurden;

4. den Verfall der unter Z 3 angeführten Verkehrsmittel und Waren, wenn festgestellt wird, dass sie zur Begehung eines Verstoßes gegen bestehende Ein-, Aus- oder Durchfuhrbestimmungen verwendet beziehungsweise entgegen solchen Bestimmungen befördert wurden;

5. das Verbot der Erbringung von Dienstleistungen an natürliche oder juristische Personen zum Zweck der Ausübung geschäftlicher Tätigkeiten in einem bestimmten Staat;

6. die Befreiung von der Verpflichtung zur Erfüllung zivilrechtlicher Forderungen, wenn sie im Zusammenhang mit Verträgen oder sonstigen Rechtsgeschäften geltend gemacht werden, deren Erfüllung durch Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union beeinträchtigt wurde.

Die Erlassung von Verordnungen nach diesem Absatz bedarf des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrats.“

§ 2 Abs. 2 SanktG enthält somit keine Ermächtigung der Bundesregierung betreffend Einreise oder Aufenthalt von Staatsbürgern der DVRK.

§ 7 SanktG lautet:

„Soweit gegen Personen in völkerrechtlich verpflichtenden Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union Reisebeschränkungen erlassen wurden, kann die Bundesministerin für Inneres diesen Personen die Ein- und Durchreise in oder durch die Republik Österreich untersagen.“

§ 7 betrifft Reisebeschränkungen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen. Im Fall der DVRK sind die entsprechenden Personen oder Personengruppen in Art. 23 des og. Beschlusses des Rates angeführt:

„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um die Einreise folgender Personen in oder die Durchreise dieser Personen durch ihr Hoheitsgebiet zu verhindern:

a) in Anhang I aufgeführte Personen, die vom Sanktionsausschuss oder vom VN-Sicherheitsrat als verantwortlich für die Politik der DVRK — auch Unterstützung und Förderung der Politik — im Zusammenhang mit den Nuklearprogrammen, Programmen für ballistische Flugkörper oder anderen Massenvernichtungswaffenprogrammen der DVRK benannt werden, sowie ihre Familienangehörigen oder Personen, die in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung handeln;

b) nicht von Anhang I erfasste Personen gemäß Anhang II, die

i) für die Nuklearprogramme, die Programme für ballistische Flugkörper oder andere Massenvernichtungswaffenprogramme der DVRK verantwortlich sind — wozu auch Unterstützung und Förderung gehört — oder Personen, die in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung handeln;

ii) Finanzdienste bereitstellen oder für den Transfer finanzieller oder anderer Vermögenswerte und Ressourcen, die zu den Nuklearprogrammen, Programmen für ballistische Flugkörper oder anderen Massenvernichtungswaffenprogrammen der DVRK beitragen könnten, in oder durch das Hoheitsgebiet oder ausgehend von dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sorgen oder Staatsangehörige der Mitgliedstaaten oder nach ihrem Recht gegründete Einrichtungen oder Personen oder Finanzinstitute in ihrem Hoheitsgebiet in solche Aktivitäten einbeziehen;

iii) auch durch Bereitstellung von Finanzdiensten an der Lieferung von Rüstungsgütern und dazugehörigem Material jeglicher Art an die oder aus der DVRK beteiligt sind, oder die an der Lieferung von Artikeln, Materialien, Ausrüstungen, Gütern und Technologien, die zu den Nuklearprogrammen, Programmen für ballistische Flugkörper oder anderen Massenvernichtungswaffenprogrammen der DVRK beitragen könnten, an die oder aus der DVRK beteiligt sind;

c) nicht von Anhang I oder Anhang II erfasste Personen, die im Namen oder auf Anweisung einer in Anhang I oder Anhang II aufgeführten Person oder Einrichtung handeln, oder Personen, die bei der Umgehung der Sanktionen oder bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Resolutionen 1718 (2006), 1874 (2009), 2087 (2013), 2094 (2013), 2270 (2016), 2321 (2016), 2356 (2017), 2371 (2017), 2375 (2017) oder 2397 (2017) des VN-Sicherheitsrates oder des vorliegenden Beschlusses helfen; diese Personen sind in Anhang III des vorliegenden Beschlusses aufgeführt;

d) der Personen, die nicht von den Anhängen I, II oder III erfasst sind und im Namen oder auf Anweisung der Einrichtungen der Regierung der DVRK oder der Arbeiterpartei Koreas handeln, wenn der Rat feststellt, dass sie mit den Nuklearprogrammen oder den Programmen für ballistische Flugkörper der DVRK oder anderen nach den Resolutionen 1718 (2006), 1874 (2009), 2087 (2013), 2094 (2013) 2270 (2016), 2321 (2016), 2356 (2017), 2371 (2017), 2375 (2017) oder 2397 (2017) des VN-Sicherheitsrates verbotenen Aktivitäten verbunden sind; diese Personen und Einrichtungen sind in Anhang V des vorliegenden Beschlusses aufgeführt.

(2) Absatz 1 Buchstabe a gilt nicht, wenn der Sanktionsausschuss im Einzelfall feststellt, dass die betreffenden Reisen aus humanitären Gründen, einschließlich religiöser Verpflichtungen, gerechtfertigt sind, oder wenn er zu dem Schluss kommt, dass eine Ausnahmeregelung auf sonstige Weise die Ziele der Resolutionen 1718 (2006), 1874 (2009), 2087 (2013), 2094 (2013), 2270 (2016), 2321 (2016), 2356 (2017), 2371 (2017), 2375 (2017) oder 2397 (2017) des VN-Sicherheitsrates fördern würde.

(3) Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, ihren eigenen Staatsangehörigen die Einreise in ihr Hoheitsgebiet zu verweigern.

(4) Absatz 1 berührt nicht die Fälle, in denen ein Mitgliedstaat durch eine völkerrechtliche Verpflichtung gebunden ist, und zwar

a) als Gastland einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation;

b) als Gastland einer internationalen Konferenz, die von den VN einberufen worden ist oder unter deren Schirmherrschaft steht;

c) im Rahmen einer multilateralen Übereinkunft, die Vorrechte und Befreiungen verleiht;

d) im Rahmen des 1929 zwischen dem Heiligen Stuhl (Staat Vatikanstadt) und Italien geschlossenen Lateranvertrags.

(5) Absatz 4 gilt auch in den Fällen als anwendbar, in denen ein Mitgliedstaat Gastland der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist.

(6) Der Rat wird in allen Fällen, in denen ein Mitgliedstaat eine Ausnahme aufgrund der Absätze 4 oder 5 gewährt, ordnungsgemäß unterrichtet.

(7) Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen von den Maßnahmen nach Absatz 1 Buchstabe b in den Fällen zulassen, in denen die Reise aufgrund einer humanitären Notlage oder aufgrund der Teilnahme an Tagungen auf zwischenstaatlicher Ebene und solcher, die von der Union unterstützt oder ausgerichtet werden oder von einem Mitgliedstaat, der zu dem Zeitpunkt den OSZE-Vorsitz innehat, ausgerichtet werden, gerechtfertigt ist, wenn dort ein politischer Dialog geführt wird, durch den die politischen Ziele der restriktiven Maßnahme, einschließlich Demokratie, Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit in der DVRK unmittelbar gefördert werden.

(8) Ein Mitgliedstaat, der Ausnahmen nach Absatz 7 zulassen möchte, unterrichtet den Rat schriftlich hiervon. Die Ausnahme gilt als gewährt, wenn nicht von einem oder mehreren Mitgliedern des Rates innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Mitteilung über die vorgeschlagene Ausnahme schriftlich Einwand erhoben wird. Sollte von einem oder von mehreren Mitgliedern des Rates Einwand erhoben werden, so kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, die vorgeschlagene Ausnahme zu gewähren.

(9) Absatz 1 Buchstabe c gilt nicht im Falle der Durchreise von Vertretern der Regierung der DVRK zum Amtssitz der VN zum Zweck der Wahrnehmung von Dienstgeschäften betreffend die VN.

(10) In den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat nach den Absätzen 4, 5, 7 und 9 den in Anhang I, II oder III aufgeführten Personen die Einreise in oder die Durchreise durch sein Hoheitsgebiet genehmigt, gilt die Genehmigung nur für den Zweck, für den sie erteilt wurde, und nur für die davon betroffenen Personen.

(11) Die Mitgliedstaaten üben Wachsamkeit und Zurückhaltung in Bezug auf die Einreise in oder die Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet von Personen, die im Namen oder auf Anweisung einer benannten, in Anhang I aufgeführten Person oder Einrichtung handeln.

(12) Die Mitgliedstaaten ergreifen die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Einreise von Mitgliedern und Vertretern der Regierung der DVRK und von Mitgliedern der Streitkräfte der DVRK in ihr Hoheitsgebiete oder ihre Durchreise durch ihre Hoheitsgebiete zu beschränken, wenn diese Mitglieder oder Vertreter mit den Nuklearprogrammen oder den Programmen für ballistische Flugkörper der DVRK oder mit anderen nach den Resolutionen 1718 (2006), 1874 (2009), 2087 (2013), 2094 (2013), 2270 (2016) und 2321(2016) des VN-Sicherheitsrates verbotenen Aktivitäten in Verbindung stehen.“

Der BF ist keine der in Anhang I angeführten Personen und es liegen keine Hinweise darauf vor, dass er unter die in lit. b, c und d angeführten Personenkreise fallen könnte. § 7 SanktG ist daher ebenfalls auf den BF nicht anwendbar. Abgesehen davon betrifft § 7 die Ein- oder Durchreise von Personen, nicht den weiteren Aufenthalt von bereits rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Personen.

Da, wie oben ausgeführt, die Beschlüsse im Rahmen der GASP nicht unmittelbar anwendbar sind und weder eine Verordnung der Europäischen Union noch ein Bundesgesetz oder eine Verordnung der Bundesregierung erlassen wurden, die den Aufenthalt von Staatsbürgern der DVRK regeln, besteht keine rechtliche Grundlage für die Annahme, dass § 11 Abs. 2 Z 5 NAG im gegenständlichen Fall erfüllt ist. Eine Beeinträchtigung von Beziehungen zu einem anderen Staat bzw. Völkerrechtssubjekt iSd § 11 Abs. 2 Z 5 kommt damit nicht in Betracht.

Die von der Behörde ins Treffen geführten Bestimmungen sind damit auf den BF nicht anwendbar. Damit kommt eine Entziehung des Aufenthaltstitels nicht in Betracht. Gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 ist ein Versagungsgrund tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Ein solcher liegt jedoch gegenständlich nicht vor.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass ein Versagungsgrund vorliegt, wenn die Behörde nachträglich von Umständen Kenntnis erlangt, die der Erteilung eines Aufenthaltstitels bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Erteilung entgegengestanden wäre, oder nachträglich ein Versagungsgrund eintritt, der die Versagung des Aufenthaltstitels rechtfertigt (vgl. VwGH 11.10.2001, 99/18/0100). Die aktuelle Verlängerung des Aufenthaltstitels (01.08.2019) wurde jedenfalls nach dem 11.10.2017 (Kundmachung des neu eingefügten Art. 26a Abs. 1 bis 3 des GASP Beschlusses) und nach dem 27.02.2018 (Kundmachung von Art. 26a Abs. 5) verfügt. Im Zeitpunkt der Erteilung waren somit die GASP-Beschlüsse bereits kundgemacht. Die Behörde hat damit weder nachträglich von einem Versagungsgrund Kenntnis erlangt, noch hat der BF damit nachträglich ein Verhalten gesetzt, welches die Versagung des Aufenthaltstitels rechtfertigt.

Der angefochtene Bescheid war somit ersatzlos zu heben.

3.2. Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt aus Sicht des Verwaltungsgerichts an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 11 Abs. 2 Z 5 NAG und damit zu der Frage, unter welchen Umständen die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsubjekt durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels wesentlich beeinträchtigt werden. Die belangte Behörde vertritt im gegenständlichen Fall die Rechtsansicht, dass diese Beurteilung durch die Behörde auf Grundlage von Beschlüssen des Rates der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auch ohne deren Umsetzung durch Verordnung der Europäischen Union, durch Bundesgesetz oder durch Verordnung der Bundesregierung vorgenommen werden kann.


Schlagworte

Aufenthaltsrecht Behebung der Entscheidung Entziehung ersatzlose Behebung rechtmäßiger Aufenthalt Rückkehrentscheidung behoben Versagungsgrund Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W241.2230219.1.00

Im RIS seit

09.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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