TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/4 W159 2230470-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2021
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Entscheidungsdatum

04.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W159 2230470-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.08.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Vorliegendes Verfahren beginnt mit dem Ersuchen vom 15.11.2017 der Stadt XXXX an die Landespolizeidirektion Kärnten um Überprüfung des Verdachtes der Aufenthaltsehe des Beschwerdeführers, da die Ehefrau des Beschwerdeführers, XXXX , geb. XXXX , St.A. Tschechien, nach der Eheschließung ihren Namen behalten habe. Außerdem seien im Facebook-Account sehr viele vergleichbare Abläufe und Zusammenhänge mit ihrer Schwester erkennbar. Zusätzlich bestehe der Verdacht, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers, XXXX mit Herrn XXXX , geb. XXXX liiert sei.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 29.06.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer und seine Ehefrau vom Verdacht eine Aufenthaltsehe geschlossen zu haben freigesprochen.

Im Auskunftsverfahren zum Stichtag 15.11.2018 war der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin XXXX als Angehöriger mitversichert.

Mit Aktenvermerk vom 10.09.2019, Zl. XXXX wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer seit dem 18.07.2016 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet sei. Seit dem 26.06.2018 durchgehend als Arbeiter beschäftigt sei, in Österreich unbescholten sei und aufgrund seiner Heirat mit einer tschechischen Staatsangehörigen als begünstigter Drittstaatsangehöriger gelte. Aufgrund des Urteils des BG XXXX sei das Verfahren einzustellen gewesen.

Mit Schreiben vom 07.01.2020, XXXX teilte das BG XXXX mit, dass kein Scheidungsverfahren, weder strittig noch einvernehmlich mit den Parteien, den Beschwerdeführer und seiner Ehefrau anhängig sei.

Am 11.02.2020 sei auf dem Meldezettel des Beschwerdeführers, die Änderung des Familienstandes auf „geschieden“ ersichtlich gewesen.

Im Auskunftsverfahren zum Stichtag 12.02.2020 bezog der Beschwerdeführer aufgrund der Angehörigeneigenschaft vom 21.12.2019 bis 12.01.2020 Arbeitslosengeld.

Mit Schreiben vom 12.02.2020, Zl. XXXX wurde Parteiengehör zwecks beabsichtigter Erlassung einer Ausweisung gem. § 66 Abs. 1 FPG gewährt und der Beschwerdeführer ersucht die Stellungnahme schriftlich einzubringen. Binnen offener Frist langte keine Stellungnahme ein.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2020, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. gem. § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, und unter Spruchteil II. gem. § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt.

Es wurde angegeben, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehen würde. Er besitze eine Aufenthaltskarte für „Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer-Bürgers“ ausgestellt durch das Magistrat XXXX , gültig bis 07.11.2022. Er sei geschieden, es habe jedoch nicht festgestellt werden können, ob er Kinder habe. Der Beschwerdeführer beziehe Arbeitslosengeld vom AMS XXXX und sei im Bundesgebiet unbescholten.

Der Beschwerdeführer sei mit 18.07.2016 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Er sei im Jahr 2017 drei Wochen als geringfügig-beschäftigter Arbeiter gemeldet gewesen. Er sei vom 26.06.2018 bis 13.02.2019 als Arbeiter bei der XXXX sowie vom 14.02.2019 bis 20.12.2019 und vom 13.01.2020 bis 31.01.2020 bei XXXX als Arbeiter gemeldet gewesen. Der Beschwerdeführer habe vom 21.12.2019 bis 12.01.2020 Arbeitslosengeld bezogen und beziehe dieses seit 11.02.2020 vom AMS XXXX . Es wurde angeführt, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass er die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde über seine Scheidung von XXXX , geb. XXXX in Kenntnis gesetzt habe. Der Beschwerdeführer habe sein Recht zum Aufenthalt als Angehöriger eines EWR-Bürgers mit seiner Scheidung von XXXX verloren.

Zu seinem Privat- und Familienleben stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer kein Familienleben und kein schützenswertes Privatleben in Österreich führen würde. Die gegenständliche Ausweisung würde nicht in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifen.

In der rechtlichen Beurteilung unter Spruchpunkt I. wurde angegeben, dass der Beschwerdeführer XXXX , eine tschechische StA. am 09.08.2017 geehelicht habe. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe das genaue Scheidungsdatum nicht eruiert werden können, zumal der Beschwerdeführer der schriftlichen Aufforderung des Parteiengehörs nicht nachgekommen sei. Es sei jedoch festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer und XXXX letztmalig am 25.08.2018 an derselben Adresse als Hauptwohnsitz gemeldet gewesen seien. Der Beschwerdeführer sei danach nach XXXX und seine Ex-Frau nach XXXX verzogen. Selbst unter der Annahme, dass die Ehe mit dem Tag des Bescheides geschieden worden wäre, sei er lediglich 2 Jahre und 6 Monate verheiratet gewesen und habe mit der Scheidung das Recht zum Aufenthalt als Angehöriger eines EWR-Bürgers verloren. Er sei lediglich zum weiteren Aufenthalt für touristische Zwecke (90 in 180 Tagen) berechtigt. Weiters wurde angeführt, es hätten keine Anhaltspunkte auf ein tatsächlich gelebtes Familien- und Privatleben iSd Art. 8 EMRK festgestellt werden können.

Im Spruchpunkt II. wurde angeführt, dass es ausreichend sei, wenn der Beschwerdeführer binnen einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Maßnahme ausreisen würde.

Gegen alle Spruchpunkte dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin XXXX , fristgerecht am 03.04.2020 Beschwerde. Begründend wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer sprachlichen Barriere keine Stellungnahme zum eingeräumten Parteiengehör abgegeben habe. Die belangte Behörde hätte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Integrationsmerkmale des Beschwerdeführers von Amts wegen erheben müssen, um den vorliegenden Sachverhalt tatsächlich einer umfassenden Beurteilung zuführen zu können.

Der Beschwerdeführer sei seit rund vier Jahren im österreichischen Bundesgebiet aufhältig, habe Grundkenntnisse der deutschen Sprache, sei am Arbeitsmarkt integriert und habe sich einen entsprechende Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aufgebaut.

Es wurde der Antrag der Ehegatten auf eine einvernehmliche Scheidung gem. § 55a EHEG an das BG XXXX , der Mietvertrag des Beschwerdeführers sowie eine Arbeitsbestätigung für XXXX Estriche und Isolierungen, XXXX mit der Beschwerde vorgelegt.

Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W 159 zugewiesen.

Am 19.05.2021 wurde der Scheidungsbeschluss dem BVwG übermittelt.

Am 08.06.2021 langte in Hinblick auf die Aufforderung des Bundesverwaltungsgericht vom 25.05.2021, die Stellungnahme und Urkundenvorlage der rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtsanwältin gab an, dass sie den Beschwerdeführer nach wie vor rechtsfreundlich vertrete und ein regelmäßiger Kontakt bestehe. Der Beschwerdeführer sei in Österreich aufhältig und in XXXX wohnhaft. Es wurde der Meldezettel und auszugsweise der Mietvertrag übermittelt. Hinsichtlich der Integration des Beschwerdeführers wurden die Lohnzettel vom März und April 2021 vorgelegt. Der Beschwerdeführer sei in der Lage selbstständig für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Er sei auch vermögensrechtlich gebunden, indem er einen Kredit bei der XXXX aufgenommen habe und auch eine fondsgebundene Lebensversicherung bei der XXXX abgeschlossen habe. Die Tatsache der Scheidung sei bekannt, ebenso, dass die Ehe weniger als drei Jahre gedauert habe.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 10.08.2021 an, zu welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertreterin, Rechtsanwältin XXXX und eine Dolmetscherin für die bosnische Sprache erschienen. Ein Vertreter des BFA, RD Kärnten ist nicht erschienen.

Der Beschwerdeführer gab befragt an, er halte seine Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er wolle keine Ergänzungen oder Korrekturen vorbringen.

Er sei Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, komme aus der Stadt XXXX in der moslemisch-kroatischen Föderation. Er sei am XXXX in XXXX geboren worden, sei Moslem und gehöre der bosniakischen Volksgruppe an. Er habe außer in seiner Heimatstadt auch etwa eineinhalb Jahre in Italien gelebt. Von dort aus sei er nach Österreich gekommen und er halte sich Bundesgebiet seit Juli 2016 auf. Der Beschwerdeführer gab des Weiteren an, er sei in seiner Heimat nur zu Urlaubszwecken und manchmal auch für ein verlängertes Wochenende gewesen

Auf die Frage des Richters, welche schulische oder sonstige Ausbildung er erhalten habe, führte der Beschwerdeführer aus, er sei Dipl. Bautechniker, er habe 8 Jahre die Grundschule und 4 Jahre eine höhere technische Schule besucht. Er habe immer von seiner Arbeit gelebt. In Bosnien habe er für eine Betonfabrik gearbeitet. In Österreich habe er Estrich verlegt. Er habe seit dem Sommer 2017 in Österreich gearbeitet.

Zwischen seiner Ankunft in Österreich und seiner Arbeitsaufnahme habe er von Ersparnissen aus Italien gelebt. Er habe in Italien als Schlosser gearbeitet. Er sei nach Österreich gekommen, weil er seine Freundin, XXXX im Jahr 2016 in Italien kennengelernt habe.

Er hätte in Bosnien keine Probleme mit der Polizei gehabt. Zum ersten Mal sei er bei der Polizei, in Österreich, im Zuge der Ermittlungen zu der angeblichen Scheinehe gewesen.

Es würden in Bosnien seine Eltern, eine verheiratete Schwester und noch weitere Verwandte leben, mit welchen er in Kontakt stehe. Er würde ein Haus in Bosnien besitzen, in welchem man auch wohnen könne.

Der verhandelnde Richter erkundigte sich, wann und wie der Beschwerdeführer seine Ex-Frau XXXX kennengelernt habe. Der Beschwerdeführer erzählte: „Ich habe in Italien gearbeitet und zwar in einer Küstenstadt. Wenn ich frei hatte, bin ich zum Strand gegangen, sie war dort als Touristin. Die Stadt hieß XXXX , in der Nähe von XXXX . … Im Sommer 2016.“

Er würde nicht sehr viel über seine Ex-Frau wissen. Er gab an: „Sie war davor nicht verheiratet. Sie kam als Touristin aus Österreich. Sie hat im Gastgewerbe gearbeitet, das war bevor sie mich kennengelernt hat. Später hat sie dann in einer Putzfirma gearbeitet.“

Der Beschwerdeführer bestätigte, dass seine Ex-Frau tschechische Staatsangehörige sei, sie habe auch bosnische oder Ex-Jugoslawische Wurzeln. Die Eheleute hätten sich in bosnischer oder serbischer Sprache unterhalten. Auf die Frage, wie es zur Hochzeit gekommen sei, erlärte der Beschwerdeführer: „Nach dem Kennenlernen bin ich zu ihr nach Österreich gekommen. Ich habe sie zuerst ein paar Mal in Österreich besucht. Dann haben wir beschlossen auch diesen Schritt zu machen und zu heiraten.“

Sie hätten etwas mehr als ein Jahr zusammengelebt. Seine Ex-Frau habe den Job wechseln wollen und sei oft nach XXXX gefahren, mit der Begründung, sie wolle ihre Cousine unterstützen und so hätten die Anspannungen zwischen ihnen begonnen. Der Beschwerdeführer erklärte, er habe XXXX geheiratet, weil „Wir haben einander gefallen, aus Liebe.“ Es sei kein Geld geflossen.

Der Richter erkundigte sich: „Und aus welchen Gründen ist es dann zur Scheidung gekommen?“ Der Beschwerdeführer antwortete: „Also sie hat schon einen Rucksack mitgenommen an Problemen aus früheren Beziehungen.“ Seine Ex-Ehefrau hätte aus einer früheren Beziehung kein Kind gehabt. Sie habe den Beschwerdeführer betrogen, wenn sie nach XXXX gefahren sei. Sie hätte dort einen alten und neuen Freund gehabt, den wahren Grund habe sie den Beschwerdeführer nicht verraten. Der angebliche Grund für die Trennung sei gewesen, dass seine Ex-Frau von einem anderen Mann schwanger gewesen sei. Er habe jedenfalls ein Schreiben eines Anwaltes bekommen, dass sie die Scheidung wolle. Das letzte Mal sei er vor einem Jahr mit seiner Ex-Frau in Kontakt gestanden.

Befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe zurzeit eine Freundin, die in Österreich leben würde. Sie sei auch österreichische Staatsbürgerin. Die Beziehung sei noch relativ neu.

Der Beschwerdeführer erzählte, es würden auch Verwandte in Österreich wohnen, sie gehörten wohl nicht zur engsten Familie - die Kinder seiner Tante vs, auch Cousins 2. Grades seien in Österreich aufhältig. Seine Tante würde jedoch in Bosnien leben.

Er habe auch österreichische Freunde. Er habe einige Freunde, mit denen er zusammen Fußball spiele, es sei jedoch kein offizieller Verein. Er sei auch Mitglied in einem Fitnessclub. Er würde über eine fixe Arbeitsstelle verfügen. Sein Arbeitgeber stamme ursprünglich auch aus Bosnien. Er würde nunmehr das dritte Jahr bei der Firma XXXX arbeiten.

Nach seinen Plänen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe Pläne, so wie jeder andere junge Mann, er möchte eine Familie gründen und hier in Österreich arbeiten. XXXX sei seine neue Heimat. Das Erlernen der deutschen Sprache sei im Baugewerbe ein bisschen schwieriger, denn alle würden serbisch oder bosnisch sprechen. Mit seiner zukünftigen Frau könne er dann besser Deutsch lernen.

Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers in dem keine Verurteilung aufschien.

Die Rechtsvertreterin übermittelte mit 23.08.2021 einlangend die aktuelle Arbeitsbestätigung, der Fa. XXXX , Estriche und Isolierungen, XXXX und den Lohnzettel Juni 2021 an das BVwG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat, wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , wurde am XXXX in XXXX geboren und ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Er gehört der bosniakischen Volksgruppe an und ist Moslem. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer hielt sich in seinem Heimatstaat auf, lebte etwa eineinhalb Jahre in Italien und lebt seit 2016 in Österreich. Der Beschwerdeführer war als diplomierter Bautechniker, in Bosnien in einer Betonfabrik beschäftigt und verlegt nunmehr in Österreich Estriche.

Der Beschwerdeführer lerne XXXX , eine tschechische Staatsangehörige mit bosnischen Wurzeln 2016 bei ihrem Urlaub, in XXXX , in der Nähe von XXXX , kennen. XXXX war im Gastgewerbe und später in einer Putzfirma beschäftigt. Das Paar unterhielt sich in bosnischer oder serbischer Sprache. Das Paar verliebte sich und beschloss zu heiraten. Der Beschwerdeführer heiratete XXXX , eine tschechische St.A. am 09.08.2017. Sie lebten ungefähr ein Jahr zusammen, als XXXX beschloss den Job zu wechseln und anfing nach XXXX zu pendeln. Sie gab hierbei an, sie müsse ihre Cousine unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt begannen die Spannungen zwischen dem Paar. XXXX hatte jedoch Freunde in XXXX und wurde schwanger, was zur Trennung vom Beschwerdeführer führte. Der Beschwerdeführer erhielt ein Schreiben ihres Anwaltes, dass sie die Scheidung wolle.

Der Beschwerdeführer ist nunmehr in einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Er lebt in XXXX , in einer 50 m² Wohnung. Er bezieht seinen Lebensunterhalt in Höhe von etwa 1.750,-- € durch seine fixe Anstellung bei der Firma XXXX , Estriche und Isolierungen, XXXX . Er ist bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen.

Der Beschwerdeführer hat eine Lebensversicherung abgeschlossen und einen Kredit bei der XXXX zu begleichen.

Im aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers schien keine Verurteilung auf.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 29.06.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer und XXXX vom Verdacht eine Aufenthaltsehe geschlossen zu haben, freigesprochen. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht von einer Liebesheirat und NICHT von einer Aufenthaltsehe aus.

In Anbetracht des Umstandes, dass keinerlei Verfolgung oder Bedrohung im Herkunftsstaat vorgebracht wurde, war es auch nicht erforderlich, eigene Länderfeststellungen zu treffen.

Beweis wurde erhoben durch schriftliches Parteiengehör durch die belangte Behörde und Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes am 10.08.2021, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertreterin XXXX , durch Einsichtnahme in die gesamten Verfahrensakten des Beschwerdeführers sowie Einsichtnahme in den, den Beschwerdeführer betreffenden Strafregisterauszug.

2. Beweiswürdigung:

Das Geburtsdatum sowie die Staatsangehörigkeit. des Beschwerdeführers ist durchgehend im Akt und in allen Dokumenten, u.a. im Reisepass gleichbleibend enthalten.

Was den persönlichen Eindruck betrifft, so konnte sich das Bundesverwaltungsgericht einen persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers ermitteln. Er erzählte in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft und nach vollziehbar über sein privates Verhältnis zu XXXX .

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund dieser Erzählung, genauso wie das Bezirksgericht XXXX vom 29.06.2018, Zl. XXXX NICHT von der Eingehung einer Aufenthaltsehe aus.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich in der Verhandlung davon überzeugen, dass die aus Liebe eingegangene Ehe vom Beschwerdeführer und XXXX aufgrund von Alltagsproblemen und der Untreue von XXXX zerbrach.

Der Beschwerdeführer konnte aufgrund des persönlichen Eindrucks und der lebensnahen Schilderung vor dem Bundesverwaltungsgericht einen glaubhaften Eindruck hinterlassen. Aus den vorgelegten Dokumenten ist der Abschluss einer Lebensversicherung bei XXXX und eines Kredites bei der XXXX und die aktuelle unselbstständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers sichtbar.

Im aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers schien keine Verurteilung auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige – Aufenthaltsverbot

§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

[…]

§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub

§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn
1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;
2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder
3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.

Der Beschwerdeführer heiratete XXXX , eine tschechische Staatsangehörige und war somit begünstigter Drittstaatsangehöriger.

Das Paar lernte sich in Italien, in welchem der Beschwerdeführer arbeitete und XXXX auf Urlaub war, kennen. Beide verliebten sich in einander. XXXX war eine tschechische Staatsangehörige mit bosnischen Wurzeln, so konnte sich das Paar in serbischer bzw. bosnischer Sprache unterhalten. Das Paar lernte sich durch persönliche Besuche des Beschwerdeführers in Österreich näher kennen, „sie gefielen einander“ und beschlossen zu heiraten. Der Beschwerdeführer heiratete XXXX , eine tschechische St.A. am 09.08.2017. Sie lebten ungefähr ein Jahr zusammen, als XXXX beschloss den Job zu wechseln und anfing nach XXXX zu pendeln. Sie gab hierbei an, sie müsse ihre Cousine unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt begannen die Spannungen zwischen dem Paar. XXXX hatte jedoch Freunde in XXXX und wurde schwanger, was zur Trennung vom Beschwerdeführer führte. Der Beschwerdeführer erhielt ein Schreiben ihres Anwaltes, dass sie die Scheidung wolle.

Der Beschwerdeführer ist nunmehr in einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Er lebt in XXXX in einer 50 m² Wohnung. Der Beschwerdeführer ist als diplomierter Bautechniker in Österreich bedacht seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er verdient etwa 1.750,-- € durch seine fixe Anstellung bei der Firma XXXX , Estriche und Isolierungen, XXXX . Er ist bemüht die deutsche Sprache zu erlernen.

Der Beschwerdeführer hat eine Lebensversicherung bei XXXX abgeschlossen und einen Kredit bei der XXXX zu begleichen.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 29.06.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer und XXXX vom Verdacht eine Aufenthaltsehe geschlossen zu haben freigesprochen. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht von einer Liebesheirat und NICHT von einer Aufenthaltsehe aus.

Es war spruchgemäß zu entscheiden und der Bescheid ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Vielmehr stützt sich die gegenständliche Entscheidung auf die jüngste Judikatur des Verwaltungsgerichthofes (basierend auf der Judikatur des EGMR).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsehe Ausweisung Ausweisung aufgehoben begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung Freispruch Integration Scheidung Selbsterhaltungsfähigkeit Strafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2230470.1.00

Im RIS seit

09.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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