TE Vwgh Beschluss 1996/11/12 94/04/0160

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Veröffentlicht am 12.11.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §29 Abs1;
AWG 1990 §29 Abs2;
GewO 1994 §356 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, in der Beschwerdesache des Ing. D in S, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. März 1994, Zl. 317.073/1-III/A/2a/94, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: F-Gesellschaft m.b.H. in J, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Der Bürgermeister der Stadt St. Pölten erteilte mit Bescheid vom 31. März 1993 der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung eines gewerbebehördlich genehmigten Spanplattenwerkes im näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen.

Gegen diesen Bescheid erhoben eine Reihe von Nachbarn - u.a. der Beschwerdeführer - sowie die mitbeteiligte Partei Berufung.

Mit Bescheid vom 1. März 1994 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich der Berufung der mitbeteiligten Partei keine Folge; den Berufungen der Nachbarn - u.a. des Beschwerdeführers - wurde jedoch Folge gegeben und der angefochtene erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, "daß dem Ansuchen der F-Gesellschaft mbH um gewerbebehördliche Genehmigung für den Um- und Neubau des Spanplattenwerkes in U gemäß § 81 der Gewerbeordnung 1973 ... in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes, AWG ... nicht Folge gegeben wird".

Über die gegen diesen Bescheid von der mitbeteiligten Partei erhobene Berufung traf der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 25. März 1994 folgenden Abspruch:

"Über die Berufung der F-Gesellschaft mbH, vertreten durch ..., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 1.3.1994, ..., entscheidet der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 66 Abs. 4 AVG wie folgt:

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 74 GewO 1973 idgF. behoben."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, daß die Behörde zweiter Instanz die Abfalleigenschaft der zum Einsatz gelangenden Brennstoffe nicht mehr selbständig hätte überprüfen dürfen. Sie sei vielmehr an den rechtskräftigen Feststellungsbescheid (nach § 4 Abs. 1 AWG) des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten (vom 22. August 1991) gebunden gewesen. Darüber hinaus stünden die beiden Bereiche der verfahrensgegenständlichen Anlage (Energiezentrale und Spanplattenproduktion) in einem untrennbaren Zusammenhang. Der Gesetzeswortlaut des § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG normiere eine Zweckbeziehung zwischen dem Begriff der Anlage und dem Betriebszweck. Es sei daher zu fragen, was der Zweck der zu betrachtenden Anlage sei. Dies sei im vorliegenden Fall ohne Zweifel die Produktion von Spanplatten und nicht die Behandlung von Abfällen. Aus § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG könne nicht der Schluß gezogen werden, daß alle gewerblichen Betriebsanlagen, die zur Gewinnung der für die Produktion erforderlichen Energie nicht-konventionelle Brennstoffe (mögen diese auch Abfall sein) verfeuerten, dadurch zur Gänze als Abfallbehandlungsanlagen dem Abfallwirtschaftsgesetz unterlägen. Durch die getroffene Entscheidung werde der Weg frei für eine neuerliche Entscheidung der Behörde zweiter Instanz über das Genehmigungsansuchen und über die eingebrachten Berufungen in meritorischer Hinsicht, ohne daß dadurch in irgendeiner Weise in die Rechte der berufungswerbenden Nachbarn eingegriffen würde. Würde die Behörde dritter Instanz hingegen unter Überspringung der Behörde zweiter Instanz über die Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz meritorisch entscheiden, würde den Berufungswerbern, insbesondere den Nachbarn, eine Instanz genommen und damit in unzulässiger Weise der Instanzenzug verkürzt. Es sei auch keine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG zu treffen gewesen, weil der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf besonders schwere Fehler des Ermittlungsverfahrens beschränkt sei, die die Notwendigkeit der Neudurchführung einer mündlichen Verhandlung (die im Berufungsverfahren hinsichtlich Betriebsanlagen nicht zwingend vorgeschrieben sei) voraussetzen würde.

Der Beschwerdeführer erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 14. Juni 1994, B 1046/94-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Aus dem inhaltlichen Vorbringen der Beschwerde, die - entgegen dem hg. Verbesserungsauftrag vom 31. August 1994, Zl. 94/04/0160-2 - keine ausdrückliche Bezeichnung des Beschwerdepunktes enthält, läßt sich erkennen, daß sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten - nur - verletzt erachtet, weil kein gewerbebehördliches Genehmigungsverfahren sondern ein solches nach dem Abfallwirtschaftsgesetz - AWG durchzuführen (gewesen) wäre. Dabei handelt es sich aber nicht um ein solches subjektives Recht, welches im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (bzw. der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage) als Nachbarrecht im Sinne des § 356 GewO 1994 geltend gemacht werden könnte. Ein solches subjektives-öffentliches Nachbarrecht läßt sich auch nicht (etwa mittelbar) aus dem AWG ableiten. Dies schon deshalb, weil antragsbedürftige Verwaltungsakte nicht von Amts wegen gesetzt werden dürfen; wurde ein Antrag auf Genehmigung einer Anlage nach (hier) § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG nicht gestellt, so hat auch der Nachbar keinen Erledigungsanspruch (vgl. sinngemäß den hg. Beschluß vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0192).

Bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides kommt aber dem Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nach der Anordnung des § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgestellt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist. Vom Beschwerdepunkt zu unterscheiden und mit ihm nicht zu verwechseln sind die Beschwerdegründe des § 28 Abs. 1 Z. 5 und die Aufhebungstatbestände des § 42 Abs. 2 VwGG, an die keine Bindung des Verwaltungsgerichtshofes besteht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, VwSlg. N.F. Nr. 11.525/A).

Mag die ersatzlose Behebung des zweitinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG durch die belangte Behörde auch zur Folge haben, daß die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufungen u.a. des Beschwerdeführers unerledigt blieben (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0263), so ändert dies nichts daran, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem vom Beschwerdepunkt umfaßten subjektiv-öffentlichen Recht nicht verletzt sein konnte. Dabei sei noch darauf hingewiesen, daß selbst dann, wenn im Hinblick auf § 29 Abs. 2 AWG das vorliegende Ansuchen um gewerbebehördliche Genehmigung nicht Gegenstand einer (in Ansehung des erstinstanzlichen Abspruches) meritorischen Erledigung hätte sein dürfen, der Beschwerdeführer durch die Erteilung einer (bei Zutreffen dieser Annahme) nicht erforderlichen gewerbebehördlichen Genehmigung nicht in seinen aus der Gewerbeordnung 1994 erfließenden subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt sein konnte.

Die Beschwerde war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand der mitbeteiligten Partei.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994040160.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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