TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/18 LVwG-1-558/2020-R18

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Veröffentlicht am 18.11.2021
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Entscheidungsdatum

18.11.2021

Norm

GewO 1994 §373a Abs4
GewO 1994 §94 Z72
VStG §44a Z1

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Magdalena Honsig-Erlenburg über die Beschwerde der A Z P, SLO-M, vertreten durch Grasch + Krachler Rechtsanwälte OG, Leibnitz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft D vom 16.09.2020 betreffend eine Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten vorgeworfen, sie habe als gemäß § 9 VStG Verantwortliche der Firma P, M, zu verantworten, dass das angeführte Unternehmen zumindest am 26.02.2019, um 13:10 Uhr, auf dem Standort H, M-Straße, Baustelle „S H“ das reglementierte Gewerbe „Überlassung von Arbeitskräften“ (§ 94 Z 72 GewO) selbständig, regelmäßig und in der Absicht ausgeübt habe, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl das angeführte Unternehmen dafür keine Gewerbeberechtigung besitze, da keine Dienstleistungsanzeige gemäß § 367a Abs 1 GewO 1994 (sic) erstattet worden sei. Die Bezirkshauptmannschaft erblickte darin eine Übertretung des § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994. Es wurde eine Geldstrafe von 500 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen und 21 Stunden festgesetzt.

2.   Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdeführerin Verantwortliche der P, M sei. Das Unternehmen P sei im Februar 2019 als Subunternehmer für die A GmbH, S, auf der Baustelle „S H“ an der Adresse M-Straße, H, tätig gewesen. Für die P sei an dieser Baustelle der Mitarbeiter N M tätig gewesen. Für diesen Mitarbeiter sei eine ZKO3 Entsendemeldung verfasst und eingebracht worden.

Die Bezirkshauptmannschaft D vertrete augenscheinlich die Ansicht, dass eine Arbeitskräfteüberlassung vorliege. Tatsächlich habe eine Entsendung vorgelegen. Das Unternehmen P habe im Kalenderjahr 2019 einen Gesamtumsatz von € XXX erzielt. Davon sei ein Umsatz von € YYY in S und in der EU der Betrag von € ZZZ erzielt worden. Der erzielbare Stundensatz für Arbeiter betrage in Österreich € XX, in S € YY. Rein rechnerisch sei der erzielbare Umsatz in Österreich sohin um 4,375 Mal höher als in S. Aus diesem Grund sei der in Österreich erzielte Umsatz verhältnismäßig höher als die tatsächlich geleisteten Stunden. Arbeitnehmer der P hätten im Jahr 2019 in Österreich X Stunden und in S Y Stunden erbracht. Der Anteil der in S erbrachten Stunden betrage 36 %. Das Unternehmen P habe sohin eine nennenswerte Geschäftstätigkeit in S erbracht. Entgegen der Ansicht der BH D liege sohin eine Entsendung vor, für die eine ZKO3-Meldung eingebracht worden sei. Die Beschwerdeführerin habe die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen.

Zudem legte die Beschuldigte im Zuge des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens eine ZKO3-Meldung, ein A1-Formular, eine Vereinbarung über den grenzüberschreitenden Arbeitseinsatz und eine Ablichtung des Reisepasses und des Personalausweises hinsichtlich des betroffenen Arbeitnehmers vor.

3.   Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:

Zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt (am 26.02.2019) war die Beschuldigte Geschäftsführerin der P, M, S.

N M war zum Tatzeitpunkt Arbeitnehmer der Firma P und auf der Baustelle „S H“, M-Straße, H, tätig.

Am 26.02.2019 fand auf der Baustelle „S H“, M-Straße, H, eine Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei statt. In der im Zuge der Kontrolle erstatteten Anzeige wurde ausgeführt, dass es sich bei N M um einen überlassenen Arbeitnehmer der Firma P handle, wobei die Firma lediglich eine Dienstleistungsanzeige für die „Ausführung von Bauten“ für den Zeitraum von 29.10.2018 bis 28.10.2019 eingebracht habe. Jedoch sei für das Ausüben des Gewerbes „Überlassung von Arbeitskräften“ im Baubereich keine Dienstleistungsanzeige nach § 373a Abs 4 GewO vor der Aufnahme der Tätigkeit ihres Unternehmens im Inland erstattet worden. Diese Anzeige wurde der belangten Behörde mit der Bitte um Überprüfung und gegebenenfalls weitere Veranlassung übermittelt.

4.   Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der Aktenlage und der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 15.11.2021 als erwiesen angenommen.

5.   Gemäß § 44a Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991, hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Die als erwiesen angenommene Tat ist der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt (VwGH 29.10.2015, Ra 2015/07/0097). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl VwGH 18.10.2018, Ra 2018/15/0065, mwN).

Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0048; VwGH 20.11.2018, Ra 2017/02/0242, mwN).

Das unter obigen Punkt 1. wiedergegebene Tatbild beschreibt die Übertretung nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994, indem ausgeführt wird, dass die Beschuldigte als gemäß § 9 VStG Verantwortliche der Firma P, M, zu verantworten habe, „dass das angeführte Unternehmen zumindest am 26.02.2019, um 13:10 Uhr, auf dem Standort H, M-Straße, Baustelle „S H“ das reglementierte Gewerbe „Überlassung von Arbeitskräften“ (§ 94 Z 72 GewO) selbständig, regelmäßig und in der Absicht ausgeübt [hat], einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl das angeführte Unternehmen dafür keine Gewerbeberechtigung besitzt“. Dem widersprechend wird in der Subsumtion zu der von der Behörde angenommenen verletzten Verwaltungsvorschrift nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO jedoch in der Tatumschreibung hinsichtlich der als erwiesen angenommenen Tat ausgeführt, dass „keine Dienstleistungsanzeige gemäß § 367a Abs 1 GewO 1994 (sic) erstattet“ worden sei. Es ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, inwiefern diese von der Behörde im Spruch als erwiesen angenommene Tat (Nichterstattung einer Dienstleistungsanzeige) einen Verstoß gegen die zitierte Übertretungsnorm des § 366 Abs 1 Z 1 GewO darstellen soll. Dieses der Beschuldigten zur Last gelegte verwaltungsstrafrechtlich relevante Verhalten stimmt nicht mit dem vorgeworfenen Tatbild überein, zumal die Nicht-Erstattung einer Anzeige (richtigerweise) nach § 373a Abs 4 GewO eine Übertretung nach § 368 GewO darstellt. Aus der Umschreibung der Tathandlung ist nicht eindeutig auf eine bestimmte Übertretung zu schließen und lässt diese Tatumschreibung jedenfalls Zweifel daran entstehen, wofür die Beschuldigte bestraft werden soll, da bei dem in Betracht kommenden Tatbild von der belangten Behörde von einer Übertretung nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO ausgegangen wurde.

Außerdem ist die Umschreibung der Tathandlung mit der bloßen Wortfolge „da keine Dienstleistungsanzeige gemäß § 367a Abs 1 GewO 1994 erstattet wurde“ unter der Angabe einer nicht-existenten Bestimmung der Gewerbeordnung, nämlich § 367a Abs 1 GewO 1994, zu wenig konkretisiert, um auf eine konkrete Übertretung nach § 373a Abs 4 GewO 1994 zu schließen, welche erfordert, dass bei einer vorübergehenden grenzüberschreitenden Tätigkeit, welche ein im § 94 GewO angeführtes Gewerbe oder Tätigkeit zum Gegenstand hat, dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die erstmalige Aufnahme der Tätigkeit vorher schriftlich anzuzeigen ist. Um dem in § 44a Z 1 VStG enthaltenen Konkretisierungsgebot zu entsprechen, ist es erforderlich, der Beschuldigten die Tathandlung mit allen wesentlichen Tatbestandsmerkmalen vollständig und richtig vorzuhalten. Die Tathandlung wurde entgegen des Konkretisierungsgebotes des § 44a Z 1 VStG nicht ausreichend – mit Beschreibung der wesentlichen Tatbestandselemente (Beschreibung der vorübergehenden, grenzüberschreitenden Dienstleistung, Nennung des betroffenen Arbeitnehmers der Firma der Beschuldigten) – umschrieben.

Da hinsichtlich dieser einen Spruch tragenden, wesentlichen Tatbestandselemente von Seiten der Behörde innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG keine diesbezügliche – die Verfolgungsverjährung unterbrechende – Verfolgungshandlung gegen die Beschuldigte gerichtet wurde, blieb dem Verwaltungsgericht eine Sanierung dieses Mangels verwehrt. Das Verwaltungsstrafverfahren war daher einzustellen.

6.              Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gewerberecht, Tatumschreibung, vorübergehende grenzüberschreitende Dienstleistung, Anzeige Aufnahme der Tätigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2021:LVwG.1.558.2020.R18

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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