TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/20 W204 2205644-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2021
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Entscheidungsdatum

20.08.2021

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


1.) W204 2205641-1/17E

2.) W204 2205644-1/14E

3.) W204 2205619-1/13E

4.) W204 2205643-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde des Q XXXX XXXX A XXXX , geb. XXXX 1979, StA Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2018, Zl. 1149400805 – 170552108/BMI-BFA_SBG_AST_01, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und Q XXXX XXXX A XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass Q XXXX XXXX A XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde der S XXXX T XXXX , geb. XXXX 1989, StA Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2018, Zl. 1131044607 – 161312973/BMI-BFA_SBG_AST_01, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und S XXXX T XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass S XXXX T XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde des A XXXX A XXXX , geb. XXXX 2010, StA Afghanistan, vertreten durch die Mutter S XXXX T XXXX , geb. XXXX 1989, diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2018, Zl. 1131043207 – 161313031/BMI-BFA_SBG_AST_01, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und A XXXX A XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass A XXXX A XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde der K XXXX T XXXX , geb. XXXX 2015, StA Afghanistan, vertreten durch die Mutter S XXXX T XXXX , geb. XXXX 1989, diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Dr. Lennart BINDER, LL.M., Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2018, Zl. 1131043403 – 161313058/BMI-BFA_SBG_AST_01, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und K XXXX T XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass K XXXX T XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), afghanische Staatsangehörige, reisten in das Bundesgebiet ein und stellten am 29.09.2016 (BF2 bis BF4) beziehungsweise am 08.05.2017 (BF1) Anträge auf internationalen Schutz.

I.2. In ihren niederschriftlichen Erstbefragungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gaben der BF1 und die BF2 zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, der Vater der BF2 habe beim Militär gearbeitet. Dieser sei von den Taliban erschossen worden. Danach sei die Familie bedroht worden.

I.3. Am 18.05.2018 wurden der BF1 und die BF2 von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari, die BF2 außerdem in Anwesenheit einer Vertrauensperson, unter anderem zu ihrem Gesundheitszustand, ihrer Identität, ihren Lebensumständen in Afghanistan, ihren Familienangehörigen und ihren Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die die BF bewogen, ihre Heimat zu verlassen, gab der BF1 an, er habe im Wahlkampf 1393 Wahlwerbung für bekannte afghanische Politiker verteilt. Die Taliban hätten ihn deswegen bedroht und versucht, ihn umzubringen. Die BF2 gab an, sie habe in Afghanistan als Frau verschiedenste Probleme gehabt. Sie sei auch von ihrer Schwiegerfamilie geschlagen worden.

I.4. Mit Bescheiden vom 30.07.2018, den BF am 02.08.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA aus, die Fluchtgründe des BF1 seien wenig glaubhaft. Auch die BF2 habe „Verwestlichungstendenzen“ nur wenig überzeugend vorgebracht. Die BF könnten zwar nicht in ihre volatile Heimatprovinz zurückkehren, allerdings nach Herat oder Mazar-e Sharif. Die Anträge auf internationalen Schutz seien demzufolge abzuweisen. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich könnten auch keine Gründe festgestellt werden, wonach bei einer Rückkehr der BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen werde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

I.5. Mit Verfahrensanordnungen vom 31.07.2018 wurde den BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.6. Gegen den unter I.4. genannten Bescheid richtet sich die Beschwerde der BF vom 29.08.2018, in der beantragt wurde, den BF den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu die Bescheide zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an das BFA zurückzuverweisen, in eventu den BF den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, allenfalls die Rückkehrentscheidungen aufzuheben und eine Verhandlung anzuberaumen.

Zur Begründung verwiesen die BF einerseits auf das vom BF1 Vorgebrachte sowie darauf, dass die BF2 „westlich“ orientiert sei. Unabhängig von der Glaubhaftigkeit dieser Angaben sei den BF als vulnerabler Familie jedenfalls der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

I.8. Die Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.09.2018 vorgelegt.

I.9. Am 10.01.2019, am 15.04.2019, am 24.06.2021 und am 28.07.2021 legten die BF mehrere Integrationsunterlagen vor.

I.10. Am 05.07.2021 wurden die Rechtssachen der erkennenden Richterin neu zugewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-        Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend die BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-        Einsicht in die im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen;

-        Einsicht in die aktuellsten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;

-        Einsicht in das Strafregister, in das Grundversorgungssystem und in das Zentrale Melderegister.

II. Feststellungen:

II.1. Zu den BF:

Die BF führen die im Rubrum genannten Namen und die dortigen Geburtsdaten als Verfahrensidentität. Ihre Identität steht nicht fest. Sie sind afghanische Staatsangehörige. Sie gehören der Volksgruppe der Hazara und der Glaubensgemeinschaft der Schiiten an.

Die BF stammen aus Ghazni. Der BF1 kommt aus dem Dorf S XXXX im Distrikt Qarabagh. Er hat die Schule sechs Jahre besucht und kann Dari lesen und schreiben. Er arbeitete als selbstständiger Lebensmittelverkäufer sowie nebenbei ein wenig als Fahrer. Die BF2 kommt aus dem Dorf N XXXX im Gebiet Q XXXX im Distrikt Qarabagh. Sie hat in Afghanistan vier Jahre die Schule besucht und kann ein wenig Dari lesen und schreiben. Sie hat nie gearbeitet und hat keine Berufsausbildung. Der BF1 und die BF2 sind traditionell miteinander verheiratet. Seit ihrer Eheschließung lebten sie gemeinsam im Geburtsort des BF1. Der BF3 und die BF4 sind ihre dort geborenen Kinder. Die BF2 ist schwanger. Der errechnete Geburtstermin ist der XXXX 2021.

Die BF sind strafrechtlich unbescholten und beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

II.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

Die Taliban haben in Afghanistan so gut wie kampflos die Macht übernommen, während der Präsident und einige weitere Regierungsmitglieder ins Ausland geflohen sind. Der erste Vizepräsident der international anerkannten Regierung befindet sich nach seinen eigenen Angaben noch in Afghanistan und bezeichnet sich als rechtmäßiger Übergangspräsident. Er hat öffentlich aufgerufen, sich dem Widerstand anzuschließen, der versucht, sich im Pandschir-Tal zu organisieren. Im gesamten restlichen Staatsgebiet haben die Taliban die Staatsfunktionen übernommen. In einer Pressekonferenz erklärten die Taliban eine Generalamnestie für alle Regierungsmitarbeiter und alle Afghanen, die mit den ausländischen Militärs zusammengearbeitet hätten. Weiters gaben die Taliban in ihrer Pressekonferenz unter anderem an, dass auch die Frauenrechte geachtet werden würden und Mädchen Schulen besuchen dürften, dies allerdings nur innerhalb der Regeln der Scharia.

In der internationalen Staatengemeinschaft werden diese Versprechen der Taliban aufgrund der bisherigen Erfahrungen, ihrem Verhalten in ihrer früheren Herrschaft, aber auch wegen der Ermordung des Chefs des Informationszentrums der Taliban elf Tage vor der Pressekonferenz durch die Taliban selbst sowie der aktuellen Berichtslage über ausgesprochene Verbote und Tötungen stark angezweifelt. In mehreren Provinzen, etwa in Kunduz und Wardak, wurde Mädchen von den Taliban bereits der Schulbesuch untersagt.

Bei der BF4 handelt es sich um ein beinahe sechsjähriges und damit in Kürze schulpflichtiges Mädchen. Ihr wird als Mädchen, das überdies der Minderheit der Schiiten und Hazara angehört, durch die Taliban der Zugang zur Bildung verwehrt werden, obwohl ihre Eltern ihr diesen ermöglichen möchten.

III. Beweiswürdigung:

III.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

III.2. Zu den Feststellungen zu den BF:

Die Feststellungen zu den Verfahrensidentitäten wie auch zu ihrer Staatsangehörigkeit und ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit traf bereits das BFA aufgrund der nicht angezweifelten Angaben des BF1 und der BF2 vor dem BFA. Diese Umstände wurden auch noch einmal in der Beschwerde bestätigt, sodass daran auch im Beschwerdeverfahren keine Zweifel aufgekommen sind.

Das gleiche gilt im Wesentlichen für die Feststellungen zur Herkunft der BF, ihren Sprachkenntnissen und ihrer Schul- und Berufsbildung. Auch diese bereits vom BFA seiner Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen beruhen auf den insoweit jedenfalls glaubhaften Angaben der BF.

Das BFA stellte in den Bescheiden des BF1 und der BF2 fest, dass ihr Familienstand nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne. Beweiswürdigend führte es dazu aus, dass die BF jeweils angegeben hätten, traditionell verheiratet zu sein und zwei Kinder zu haben. Mangels Vorlage der Geburtsurkunden könne nicht festgestellt werden, dass die BF tatsächlich zwei Kinder hätten, allerdings hätten die BF Hochzeitsfotos vorgelegt. Das BFA zweifelte damit offensichtlich die traditionelle Hochzeit nicht an, sondern äußerte lediglich Zweifel daran, ob es sich tatsächlich um leibliche Kinder der beiden handle. Diese Zweifel sind allerdings wenig verständlich, wenn das BFA in den Bescheiden der Kinder dazu keine Stellung nimmt und insbesondere ein Familienverfahren des BF3 und der BF4 gemeinsam mit dem BF1 und der BF2 führt. Offensichtlich geht damit auch das BFA trotz der nicht eindeutigen Stellungnahme dazu in den Bescheiden der Eltern davon aus, dass der BF3 und die BF4 die leiblichen Kinder des BF1 und der BF2 sind. Auch das Bundesverwaltungsgericht konnte diese Feststellung seiner Entscheidung daher zugrunde legen. Die Schwangerschaft der BF2 und der errechnete Geburtstermin war aufgrund der Vorlage des unbedenklichen Mutter-Kind-Passes (OZ 13) festzustellen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit war – soweit die BF überhaupt bereits strafmündig sind – aufgrund aktueller Strafregisterauszüge festzustellen. Die Feststellung zum Bezug der Grundversorgung beruht auf einem aktuellen Auszug aus dem GVS.

III.3. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen der BF:

Die Feststellungen zur aktuellen Situation beruhen (mangels eines aktuellen Länderinformationsblatts) auf den aktuellsten und öffentlich zugänglichen Berichten angesehener seriöser Medien. Aufgrund dieser Vielzahl an übereinstimmenden Berichten, die zudem als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können, kann nur auf eine Auswahl verschiedener Artikel verwiesen werden (s. https://taz.de/Taliban-uebernehmen-Afghanistan/!5789645/; https://tolonews.com/index.php/afghanistan-174247; https://tolonews.com/index.php/afghanistan-174245; https://www.bbc.com/news/live/world-asia-58219963; https://www.diepresse.com/6021224/taliban-erreichen-kabul-prasidentenpalast-eingenommen?from=rss; https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-aktuell-taliban-kabul-evakuierung-1.5377155; https://www.derstandard.at/story/2000128937798/kabul-faellt-kampflos-an-die-taliban?ref=rec; https://www.diepresse.com/6021466/prasident-ghani-habe-afghanistan-verlassen-um-blutvergiessen-zu-vermeiden?from=rss; https://tolonews.com/afghanistan-174248; https://tolonews.com/afghanistan-174252; https://www.diepresse.com/6021482/taliban-der-krieg-in-afghanistan-ist-vorbei?from=rss; https://www.sueddeutsche.de/politik/konflikte-abdullah-afghanistans-praesident-aschraf-ghani-hat-das-land-verlassen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210815-99-850834; https://www.derstandard.at/story/2000128988237/taliban-geben-sich-in-pressekonferenz-mildevizechef-in-afghanistan-eingetroffen; https://www.diepresse.com/6022198/die-milden-worte-der-ersten-taliban-pressekonferenz?from=rss; https://orf.at/stories/3225195/; https://www.bbc.com/news/world-asia-58250607; https://twitter.com/courtneybody/status/1427650075602337792; https://www.sueddeutsche.de/politik/konflikte-taliban-uebernehmen-wichtigste-behoerden-in-afghanistan-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210817-99-874853; https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-wie-die-taliban-sich-um-vertrauen-bemuehen-17489392.html; https://tolonews.com/afghanistan-174273; https://www.sueddeutsche.de/politik/konflikte-taliban-machen-versprechungen-us-regierung-skeptisch-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210817-99-876345; https://tolonews.com/afghanistan-174269; https://twitter.com/AmrullahSaleh2/status/1427631191545589772; https://pajhwok.com/2021/08/17/i-am-legitimate-care-taker-president-saleh/; https://www.diepresse.com/6022442/das-panjshir-tal-eine-provinz-widersetzt-sich-den-taliban; Zugriff jeweils am 18.08.2021).

Speziell zum Thema Frauenrechte und geschlossenen Schulen für Mädchen trotz gegenteiliger Behauptungen durch die Taliban ist auf die folgenden Berichte zu verweisen (s. https://www.aihrc.org.af/home/research_report/91112; https://www.hrw.org/report/2020/06/30/you-have-no-right-complain/education-social-restrictions-and-justice-taliban-held#_ftn1; https://edition.cnn.com/2021/08/17/asia/afghanistan-women-taliban-intl-hnk-dst/index.html; https://pajhwok.com/2021/08/18/students-demand-reopening-of-schools-universities/;https://www.welt.de/politik/ausland/article233222925/Afghanistan-Dann-faengt-der-Schrecken-wieder-an.html; https://www.merkur.de/politik/taliban-afghanistan-kabul-gefahr-frauen-frauenrechte-heiratszwang-arbeitsverbot-flucht-90925914.html; https://eu.usatoday.com/in-depth/news/world/2021/08/05/afghanistan-withdrawal-taliban-takeover-leaves-women-constant-risk/7426022002/; https://www.nbcnews.com/news/world/afghan-women-fear-dark-future-loss-rights-taliban-gains-ground-n1276636; https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-taetowiererin-traut-sich-nicht-einmal-in-burka-raus-17489545.html; https://www.sueddeutsche.de/kultur/sahraa-karimi-angelina-jolie-frauen-afghanistan-kunst-film-taliban-1.5385133; https://taz.de/Aktivistin-ueber-Frauen-in-Afghanistan/!5789681/; https://www.bbc.com/news/world-asia-58244017; https://edition.cnn.com/2021/08/17/asia/afghanistan-kabul-streets-under-taliban-intl/index.html; https://www.bbc.com/news/world-asia-58249952; https://edition.cnn.com/videos/world/2021/08/13/taliban-former-us-military-base-afghanistan-ghazni-province-ward-dnt-lead-vpx.cnn; Zugriff jeweils am 18.08.2021).

Nach einigen Berichten droht jungen Mädchen zudem eine Zwangsverheiratung mit Kämpfern. Jedenfalls ist aus diesen Berichten klar abzuleiten, dass die Taliban trotz teils gegenteiliger Beteuerungen die Frauenrechte nicht achten werden und Mädchen den Schulbesuch verweigern. Es war daher eine entsprechende Feststellung zu treffen. Selbst wenn die Taliban ihre Ankündigungen tatsächlich umsetzten, ändert dies jedoch nichts am Ergebnis. Wie der Pressesprecher der Taliban in der Pressekonferenz nämlich mehrmals betonte, würden die Rechte den Frauen beziehungsweise Mädchen nur innerhalb der Scharia gewährt werden. Das bedeutet nach den oben angeführten Berichten, dass Mädchen nur die Volksschule beziehungsweise die Schule nur bis zum Beginn der Pubertät besuchen dürfen. Es würde nach Geschlechtern getrennte Klassen geben und der Unterricht für Mädchen bestünde im Wesentlichen lediglich in einer Alphabetisierung sowie aus religiösem Unterricht (sunnitischer Islam), wobei auch darauf zu verweisen ist, dass die BF dem schiitischen Islam angehören. Weitere Bildung würden Mädchen damit auch selbst dann nicht bekommen, wenn die Taliban ihre Ankündigungen umsetzten.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

IV.1. Zum Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge dieser Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472; 29.01.2020, Ra 2019/18/0228).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Mitbeteiligte bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Fremde im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (Aktualität der Verfolgung; vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0443; 25.09.2018, Ra 2017/01/0203).

Im gegenständlichen Fall sind diese Voraussetzungen, nämlich eine „begründete Furcht vor Verfolgung“ im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, bei der BF4 gegeben. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich bereits festgehalten hat, ist die Verweigerung des Schulbesuchs aufgrund des Geschlechts asylrelevant (VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0239). Dem Antrag der BF4 ist daher stattzugeben, zumal infolge der Machtübernahme in (beinahe) ganz Afghanistan auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht. Das Pandschir-Tal steht zwar aktuell noch unter Kontrolle der Regierung; unabhängig davon, ob dort noch Mädchenschulen offengehalten werden, ist eine sichere Anreise dorthin vor dem Hintergrund der Berichte über das Chaos am Flughafen in Kabul und die durch die Taliban kontrollierten Zufahrtsstraßen jedenfalls nicht möglich.

Der Beschwerde der (bald) schulpflichtigen BF4 (s. §§ 1 bis 3 Schulpflichtgesetz, Art. 14 Abs. 7a B-VG) ist daher stattzugeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass der Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Diese Entscheidung schlägt, weil die BF untereinander Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 lit a und c sind, gemäß § 34 Abs. 2, 4 (für den BF3 iVm Abs. 6 Z 2) AsylG auf alle BF durch (VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040), sodass auch deren Beschwerden stattzugeben und entsprechende Aussprüche zu treffen waren.

Den BF kommt damit – da sie ihre Anträge nach dem 15.11.2015 stellten– gemäß § 3 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte zu (§ 75 Abs. 24 AsylG). Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird (s. VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373).

Aufgrund der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und der damit verbundenen Aufenthaltsberechtigung liegen die Voraussetzungen für die weiteren Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide nicht mehr vor. Diese waren daher ersatzlos zu beheben.

IV.2. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge des Abs. 2 leg. cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung weder Bedenken ob Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Auch der EuGH führte aus, dass im Lichte des Art. 47 GRC und dessen Auslegung anhand von Art. 6 Abs. 1 EMRK keine absolute Verhandlungspflicht besteht. Die Durchführung einer Verhandlung ist im Zusammenhang mit einer umfassenden ex-nunc-Prüfung der angefochtenen Sache durch das Gericht zu verstehen. Ist das Gericht der Auffassung, dass es den Rechtsbehelf anhand des Akteninhalts - einschließlich der Niederschrift einer persönlichen Anhörung durch die Verwaltungsbehörde - prüfen kann, so muss keine mündliche Verhandlung erfolgen. Ist das Gericht dagegen der Auffassung, dass eine mündliche Verhandlung für die umfassende Beurteilung notwendig ist, so hat es eine solche durchzuführen und darf nicht etwa aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung darauf verzichten. Bei der Frage der Durchführung beziehungsweise des Verzichts auf eine mündliche Verhandlung kommt es vor allem darauf an, ob sich die Rechts- und Tatsachenfragen anhand des Akteninhalts lösen lassen und ob die Informationen aus vorangegangenen Anhörungen durch die Behörde entsprechend umfassend und vollständig sind (EuGH 26.07.2017, C-348/16, Sacko/Commissione Territoriale per il riconoscimento della protezione internazionale di Milano).

Zur vorrangig maßgeblichen Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG judiziert der Verwaltungsgerichtshof, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden ist. Er muss bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (VwGH 19.07.2021, Ra 2020/14/0574).

Dazu ist festzuhalten, dass dem Bundesverwaltungsgericht bewusst ist, dass es seiner Entscheidung aktualisierte Länderberichte zugrunde legte, was nach dem Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordert (siehe statt vieler nur VwGH 29.03.2021, Ra 2020/18/0346; 19.06.2020, Ra 2019/19/0562). Im konkreten Fall ist jedoch zu bedenken, dass durch die Heranziehung der aktuellen Medien- und Länderberichte die BF nicht beschwert sind. Vielmehr war aufgrund dieser ihren Anträgen – völlig unabhängig von ihrem eigentlichen Fluchtvorbringen – bereits stattzugeben. Die BF sind damit in ihren Rechten nicht verletzt.

Auch das BFA ist in seinen Parteirechten nicht verletzt, auch wenn ihm kein Parteiengehör zu den verwendeten Berichten gewährt wurde, weil die Berichte die Situation in Afghanistan allesamt übereinstimmend schildern, keine andere Beurteilung der derzeitigen Situation zulassen, das BFA in seiner jüngsten Sonderkurzinformation vom 17.08.2021 die Situation selbst derart darlegt und überdies eine entsprechende, richtungsweisende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Damit steht aber aufgrund der Aktenlage fest, dass der Bescheid aufzuheben ist, was nach § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG den Entfall der Verhandlung rechtfertigt.

IV.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr handelt es sich bei der Frage, ob der BF4 der Status der Asylberechtigten zu gewähren ist, im Wesentlichen um die Lösung von Tatfragen, zu deren Lösung der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen ist. Dass die Verweigerung des Schulbesuchs asylrelevant ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt. Ebenfalls geklärt sind die Fragen zur Asylgewährung im Rahmen des Familienverfahrens und zum rechtmäßigen Unterbleiben einer Verhandlung. Diese Entscheidung hält sich an die oben zitierte Judikatur, sodass die Revision nicht zuzulassen war.

Schlagworte

Asyl auf Zeit Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung ersatzlose Teilbehebung Familienangehöriger Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft Kassation Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W204.2205644.1.00

Im RIS seit

06.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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