TE Vwgh Beschluss 2021/11/4 Ra 2021/14/0337

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Veröffentlicht am 04.11.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §12
AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §12a Abs4
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2021, W152 2214356-2/20E, betreffend Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Usbekistans, stellte am 14. Juli 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. Dezember 2018 zur Gänze abgewiesen wurde. Es wurde gegen ihn - verbunden mit der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Usbekistan - eine Rückkehrentscheidung und im Hinblick auf eine strafrechtliche Verurteilung ein mit vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die Behörde gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise.

2        Mit Erkenntnis vom 27. März 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht letztlich die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wurde.

3        Am 1. September 2021 stellte der inzwischen zweifach erneut straffällig gewordene und nunmehr in Schubhaft angehaltene Revisionswerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005. Begründend führte er an, dass sein bisheriger Fluchtgrund weiterhin bestehe.

4        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hob nach Einvernahme des Revisionswerbers mit dem mündlich verkündeten Bescheid vom 22. September 2021 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf. Die Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sei, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt unverändert geblieben und kein neuer Sachverhalt vorgebracht worden sei.

5        Nach Vorlage der Akten an das Bundesverwaltungsgericht stellte dieses mit dem angefochtenen Beschluss fest, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) rechtmäßig sei. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2019 ebenso wenig festgestellt werden könne wie das Vorliegen einer maßgeblichen Bedrohung des Revisionswerbers in Usbekistan. Wenn der Revisionswerber seinen nunmehrigen Antrag (auch) mit Problemen seiner Ehegattin mit dem Vorbringen, die Probleme seiner Frau hätten mit Geld zu tun und würden ihn als Familienmitglied betreffen, begründe, seien diese zu vage und unsubstantiiert, um ein konkretes Bedrohungsbild hinsichtlich seiner Person aufzuzeigen. Auch das Verfahren der Ehegattin - diese stellte nach illegal erfolgter Einreise ins Bundesgebiet am 5. September 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 - sei nicht verfahrensrelevant, weil die Zuerkennung des gleichen Schutzumfanges für den Revisionswerber im Hinblick auf einen allfällig gewährten Schutz seiner Ehegattin gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 bzw. § 34 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 aufgrund seiner Straffälligkeit von vornherein nicht in Betracht komme. Auch hinsichtlich des faktischen Abschiebeschutzes sei das Verfahren der Ehegattin nicht relevant, weil die Gewährung des gleichen Schutzumfanges in Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 sich auf die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeantragen im Fall des § 12a Abs. 4 AsylG 2005 beziehe. Somit sei eine Erstreckung des faktischen Abschiebeschutzes der Ehegattin (aufgrund ihres Erstantrags) auf den Revisionswerber nicht vorgesehen.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit - unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 4 letzter Satz AsylG 2005 - vor, eine Einschränkung dahingehend, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Erstreckung des faktischen Abschiebeschutzes für einen straffällig gewordenen Familienangehörigen nicht gelten soll, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Lediglich im Schutzumfang bestehe für den straffällig gewordenen Angehörigen eine gesetzliche Ausschlussklausel. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verlange eine gemeinsame Führung von Verfahren von Familienangehörigen, erkenne aber die gesetzliche Vorgabe eines unterschiedlichen Schutzumfanges bei straffällig gewordenen Angehörigen.

11       Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist die Frage der Rechtsmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im Rahmen eines Folgeantrags des Revisionswerbers.

12       Gemäß § 34 Abs. 4 letzter Satz AsylG 2005 ist in dem Fall, in dem einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 leg. cit. zuzuerkennen ist, dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

13       Die Revision verkennt mit ihren Ausführungen, dass die Ehegattin des Revisionswerbers einen Erstantrag auf internationalen Schutz gestellt hat und somit faktischen Abschiebeschutz nach § 12 AsylG 2005 genießt. Die Bestimmung des § 34 Abs. 4 letzter Satz AsylG 2005 sieht dagegen ausdrücklich nur eine Erstreckung des im Rahmen eines Folgeantrags gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 zuerkannten faktischen Abschiebeschutzes vor. Schon aus diesem Grund fehlt einer, von der Revision intendierten, Erstreckung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12 AsylG 2005 die gesetzliche Grundlage, ohne dass es auf die Straffälligkeit des Revisionswerbers ankäme.

14       Soweit die Revision rügt, der angefochtene Beschluss sei in Verletzung von grundlegender Verfahrensgarantien ergangen und es liege ein qualifizierter Begründungsmangel in Bezug auf die Gefährlichkeit des Revisionswerbers vor, macht sie Verfahrensmängel geltend. Dabei reicht es aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (VwGH 10.9.2021, Ra 2021/14/0256, mwN).

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140337.L00

Im RIS seit

06.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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