TE Vwgh Beschluss 2021/11/12 Ra 2021/03/0279

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Veröffentlicht am 12.11.2021
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Index

L65002 Jagd Wild Kärnten
L94002 Sonstiges Gesundheitsrecht Kärnten
L94007 Sonstiges Gesundheitsrecht Tirol
21/07 Sonstiges Handelsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §10
AVG §9
COVID-19 Gesetz Krnt 02te 2020
COVID-19 Gesetz Krnt 2020
COVID-19 Gesetz Tir 2020
COVID-19-GesV 2020
COVID-19-NotmaßnahmenV 2020 §12 Abs1 Z5
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 02te 2020
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 03te 2020
JagdG Krnt 2000 §11
VwGVG 2014 §7

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Agrargemeinschaft „N“, vertreten durch den Obmann Dr. E K in L, dieser vertreten durch Dr. Karl Heinz Kramer, M.A.S., Rechtsanwalt in 9500 Villach, Italienerstraße 10b, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 23. Juli 2021, Zl. KLVwG-44/11/2021, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem Kärntner Jagdgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 2020 wurde die von der (nunmehr) revisionswerbenden Agrargemeinschaft „N“ mit Antrag vom 5. August 2019 begehrte Abrundung näher genannter Fremdgrundstücke aus dem Gemeindejagdgebiet der Marktgemeinde S für die ab 1. Jänner 2021 beginnende Jagdperiode gemäß § 11 Kärntner Jagdgesetz 2000 abgewiesen.

2        Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin, vertreten durch den Obmann und den Obmannstellvertreter, mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 Beschwerde.

3        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht diese Beschwerde zurück.

4        Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die revisionswerbende Agrargemeinschaft - nach dem Regelungsplan vom 3. August 1929 iVm der geltenden Satzung - körperschaftlich eingerichtet sei. Sie bestehe aus sechs Mitgliedern mit unterschiedlichen Anteilen; drei der Mitglieder seien an ihren Stammsitzliegenschaften wohnhaft.

5        Am 15. Juni 2020 habe eine Vollversammlung stattgefunden, in deren Rahmen der Beschluss zur Verpachtung der agrargemeinschaftlichen Eigenjagd OA gefasst worden sei.

6        Der die begehrte Abrundung abweisende Bescheid der belangten Behörde sei der Revisionswerberin am 20. November 2020 zugestellt worden. Ein Beschluss der Vollversammlung über die Erhebung einer Beschwerde dagegen existiere nicht.

7        Im Weiteren gab das Verwaltungsgericht die maßgebenden Bestimmungen der Satzung der Revisionswerberin wieder; diese lauten auszugsweise:

Organe der Agrargemeinschaft

§ 4

(1) Die Verwaltung der Agrargemeinschaft wird durch ihre Organe ausgeübt.

Organe sind:

a)   die Vollversammlung

b)   der Obmann

c)   der Obmannstellvertreter

...

Die Vollversammlung

§ 5

...

(3) Die Vollversammlung ist durch ortsübliche Verständigung unter Angabe der Tagesordnung vom Obmann einzuberufen, wobei die Einberufung den Mitgliedern mindestens 5 Tage vorher nachweislich zur Kenntnis zu bringen ist. ...

(4) Eine kürzere Einberufungsfrist ist nur in besonders dringenden Fällen zulässig.

(5) Mitglieder, die nicht ständig auf der beanteilten Liegenschaft wohnen, müssen dem Obmann einen Zustellbevollmächtigten am Sitz der Agrargemeinschaft bekannt geben. ...

§ 6

...

(2) Die Vollversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend bzw. durch Bevollmächtigte vertreten ist. Ist zur festgesetzten Stunde die erforderliche Anzahl der Mitglieder nicht anwesend, so wird eine viertel Stunde später die Vollversammlung abgehalten, die bei jeder Anzahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig ist.

...

§ 7

(1) Zu einem Beschluss der Vollversammlung ist die Mehrheit der Anteilsrechte der anwesenden Mitglieder erforderlich. ...

...

(3) Die Agrargemeinschaft hat ein Protokoll zu führen, in welches insbesondere einzutragen sind:

...

d)   Beschlüsse im Wortlaut unter genauer Angabe des Abstimmungsergebnisses; Gegenstimmen sind dabei namentlich anzuführen.

...

§ 9

(1) Das Stimmrecht kann entweder persönlich oder durch Bevollmächtigte ausgeübt werden. ...

...

Aufgaben der Vollversammlung

§ 10

(1) In den Wirkungskreis der Vollversammlung gehören

...

i)   die Einleitung gerichtlicher Schritte sowie die Erhebung von Rechtsmitteln in Gerichts- und Verwaltungsverfahren

...

Aufgaben des Obmannes

§ 15

(1) In den Wirkungskreis des Obmannes fallen:

a)   die Führung der ordentlichen Verwaltungsgeschäfte (Abs. 2) ...

...

§ 16

(1) Der Wirkungskreis des Obmannes und bei dessen Verhinderung des Obmannstellvertreters umfasst weitere folgende Angelegenheiten:

a)   die Vertretung der Agrargemeinschaft nach außen, in Angelegenheiten die der Beschlussfassung der Vollversammlung unterliegen, jedoch nur im Rahmen rechtskräftiger Beschlüsse;

...

f)   das Recht, unaufschiebbare Verfügungen unter seiner eigenen Verantwortung zu treffen, wobei die Vollversammlung darüber umgehend zu informieren sind;

...“

8        Der Obmann der revisionswerbenden Agrargemeinschaft sei mit Verfügung vom 5. Juli 2021 aufgefordert worden, einen Beschluss der Vollversammlung vorzulegen, der ihn zur Beschwerdeerhebung legitimiere. Er habe darauf mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021, dessen Inhalt vollinhaltlich wiedergegeben wurde, geantwortet.

Danach benötige die Organisation von Vollversammlungen wegen der notwendigen Rücksichtnahme auf die beruflichen Verpflichtungen der Mitglieder mit Lebensmittelpunkt außerhalb Kärntens eine lange Vorlaufzeit. Ein Mitglied (mit 6 von gesamt 29 Anteilsrechten) habe für den Zeitraum Dezember 2020 erklärt, unter den Bedingungen der 2. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung aus gesundheitlichen Gründen an keinen Versammlungen in geschlossenen Räumen teilnehmen zu wollen. Es verfüge - wie zwei weitere Mitglieder mit zusammen acht Anteilsrechten - über keine Möglichkeit zur Teilnahme an Videokonferenzen.

Der Obmann selbst sei seit mehr als 30 Jahren in der Schweiz berufstätig und habe dort auch einen Wohnsitz. Seit März 2020 seien Grenzübertritte zwischen der Schweiz und Österreich massiv erschwert, ab Dezember 2020 zudem mit zusätzlichen, wechselseitigen Test- und Quarantäneverpflichtungen belegt worden. Er habe deshalb auf eine anlassbedingte Reise nach Österreich (zusätzlich 2 x 8 Stunden Zugfahrt mit FFP2-Maske) zum Zweck der Einberufung und Abhaltung einer Vollversammlung auf Grund des hohen Zeit- und Sachaufwandes verzichtet. Die Beschwerde habe er deshalb an seinem schweizerischen Wohnsitz, unter Mithilfe seines Stellvertreters, verfasst und aus diesem Grund auch per E-Mail eingereicht.

9        Weiters heißt es in der Stellungnahme (wörtlich):

„Die Mitglieder der Agrargemeinschaft ... waren dabei jederzeit über den Stand der Dinge informiert und mit der Vorgehensweise einverstanden.

Diese war während der Vollversammlung vom 15.06.2020 festgelegt worden. Unter Punkt 4 der Tagesordnung wurde der Beschluss der Verpachtung der Eigenjagd ... gefasst. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren der Jagdgebietsfeststellung noch nicht abgeschlossen und alle Mitglieder waren dafür, den Antrag zur Anmeldung einer Eigenjagd vom 05.08.2019 aufrecht zu erhalten. Alle anwesenden Mitglieder haben in die vollständigen Unterlagen des Verfahrens Einblick genommen und waren mit der Zusammenstellung der begehrten Anschluss- und Abrundungsflächen, sowie der angebotenen Austauschflächen einverstanden.

Da die Abweisung der begehrten Abrundung des Eigenjagdgebietes zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar war, konnte an jenem 15.06.2020 auch kein formeller vorbereitender Beharrungsbeschluss gefasst werden. Es erging jedoch der Auftrag an den Obmann, die Interessen der Agrargemeinschaft bestmöglich zu wahren, insbesondere bei möglichen weiteren Verhandlungen über Austauschflächen.

Nach der Abweisung des Ansuchens um Abrundung des Jagdgebietes ... konnte aus obig genannten Gründen keine formelle Vollversammlung einberufen werden; es kam § 16 Abs. 1 lit. f der geltenden Satzung der Agrargemeinschaft ... zur Anwendung, welcher besagt:

...

Die Information der Mitglieder der Agrargemeinschaft ... erfolgte telefonisch, unmittelbar nach dem Erhalt des mehrfach genannten ablehnenden Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau. Für das Einbringen einer Beschwerde haben sich folgende Mitglieder spontan ausgesprochen: H-S, JB, HW, EK [hier anonymisiert]- somit 21 von 29 Anteilsrechten.“

10       Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte das Verwaltungsgericht zusammengefasst Folgendes dar:

11       Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Organe seien zur Erhebung eines Rechtsmittels bzw. einer Beschwerde dann berechtigt, wenn die Organisationsnormen von einer „Vertretung nach außen schlechthin“ sprechen. Auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen sei in einem solchen Fall nicht zurückzugreifen. Bänden die Organisationsnormen der juristischen Person das (Vertretungs-)Handeln der zur Vertretung berufenen Organe nach außen jedoch an eine Mitwirkung anderer Organe, könne von einer Befugnis „zur Vertretung nach außen schlechthin“ nicht gesprochen werden.

Ein Rechtsmittel namens der Agrargemeinschaft könne durch den Obmann nur dann rechtswirksam erhoben werden, wenn es durch einen entsprechenden Beschluss des zuständigen Organs der Agrargemeinschaft gedeckt sei, sofern nach der Verwaltungssatzung ein solcher erforderlich sei. Demnach sei die dem Obmann eingeräumte Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis dadurch beschränkt, dass sie sich im Rahmen der im jeweiligen (durch die Satzung bestimmten) Aufgabenbereich der Vollversammlung von diesem Organ gefassten Beschlüsse zu halten habe; der Obmann sei ohne Deckung durch einen entsprechenden Beschluss nicht in der Lage, ein solches Rechtsmittel rechtswirksam zu erheben (Verweis auf VwGH 19.12.2019, Ra 2019/07/0099, und VwGH 26.1.2017, Ra 2016/07/0069).

12       Die verfahrensgegenständliche Beschwerde sei vom Obmann und vom Obmannstellvertreter im Namen der revisionswerbenden Agrargemeinschaft erhoben worden, ein Vollversammlungsbeschluss liege ihr jedoch nicht zugrunde.

Da gemäß § 10 Abs. 1 lit. i der Satzung die Einleitung gerichtlicher Schritte sowie die Erhebung von Rechtsmitteln in Gerichts- und Verwaltungsverfahren in den Wirkungskreis der Vollversammlung gehörten und nach § 16 Abs. 1 lit. a der Satzung die Vertretungsbefugnis des Obmannes nicht eine solche „nach außen schlechthin“ sei, sondern - soweit es Angelegenheiten betreffe, die der Beschlussfassung der Vollversammlung unterliegen - nur im Rahmen rechtskräftiger Beschlüsse erfolgen dürfe, liege keine rechtswirksam erhobene Beschwerde vor.

Daran ändere auch nichts, wenn behauptet werde, dass bereits während der Vollversammlung am 15. Juni 2020 alle Mitglieder dafür gewesen sein sollten, den Antrag zur Anmeldung einer Eigenjagd aufrecht zu erhalten und alle anwesenden Mitglieder mit der Zusammenstellung der begehrten Anschluss- und Abrundungsflächen sowie mit den angebotenen Austauschflächen einverstanden gewesen seien.

Selbst wenn im Zuge dieser Vollversammlung ein entsprechender formeller Beschluss betreffend die weitere Vorgangsweise (inklusive eventueller Beschwerdeerhebung) gefasst worden wäre, wäre ein solcher Beschluss ohnehin von vornherein nicht zulässig gewesen, weil eine Beschlussfassung zur Erhebung eines Rechtsmittels die Kenntnis des Inhalts des Bescheides, gegen den Beschwerde erhoben werden solle, voraussetze und dem Beschluss klar zu entnehmen sein müsse, dass und welches Rechtsmittel gegen einen Bescheid erhoben werden solle (Verweis auf VwGH 24.11.2008, 2007/05/0238).

13       Das Verwaltungsgericht führte weiter aus, die vierwöchige Beschwerdefrist gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid habe mit Zustellung desselben am Freitag, dem 20. November 2020, zu laufen begonnen, und nach vier Wochen mit Ablauf des Freitag, 18. Dezember 2020, geendet.

Die in diesem Zeitraum in Geltung gestandenen Rechtsnormen hätten allesamt „unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist“, zugelassen (Verweis auf § 12 Abs. 1 Z 5 der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung und § 13 Abs. 3 Z 5 der 2. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnungbzw. der 3. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung).

Die Abhaltung einer Vollversammlung zur Beschlussfassung über ein fristgebundenes Rechtsmittel stelle eine derartige „unaufschiebbare Zusammenkunft eines statutarisch notwendigen Organs einer juristischen Person“ im Sinne dieser Bestimmungen dar.

14       Es treffe daher nicht - wie von der revisionswerbenden Agrargemeinschaft behauptet - zu, dass die Abhaltung einer Vollversammlung im Zeitraum, der für die Erhebung einer Beschwerde zur Verfügung gestanden habe, nicht möglich gewesen wäre. Im Zuge einer derartigen Vollversammlung hätten vielmehr (nur) die geforderten Schutzmaßnahmen an öffentlichen Orten (Tragen einer Mund- und Nasenbereich abdeckenden Schutzvorrichtung; sonstige Schutzmaßnahmen) eingehalten werden müssen.

Jenes Mitglied der revisionswerbenden Agrargemeinschaft, das aus gesundheitlichen Gründen an keinen Versammlungen in geschlossenen Räumen teilnehmen hätte wollen und über keine Möglichkeit zur Teilnahme an Videokonferenzen verfügt habe, hätte ein anderes Mitglied zu seiner Vertretung in der Vollversammlung bevollmächtigen können. Die beiden anderen Mitglieder, die angeblich über keine Möglichkeit zur Teilnahme an Videokonferenzen verfügten, hätten jedenfalls unter Einhaltung der an öffentlichen Orten geltenden COVID-19 Maßnahmen gegebenenfalls an einer Vollversammlung teilnehmen können.

15       Da die genannten COVID-19-Bestimmungen nach Möglichkeit in erster Linie die Abhaltung von digitalen Versammlungen vorgesehen hätten, sei der Einwand des Obmannes, wegen des hohen Sach- und Zeitaufwandes einer Anreise aus der Schweiz habe er auf die Einberufung und Abhaltung einer Vollversammlung verzichtet, keine taugliche Rechtfertigung für die Nichtabhaltung einer Vollversammlung. Zudem würden bei Verhinderung des Obmannes dessen Aufgaben auf den Obmannstellvertreter übergehen.

16       Das Verwaltungsgericht legte weiters dar, die Rechtsansicht der revisionswerbenden Agrargemeinschaft, bei der Erhebung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht handle es sich um eine im Sinne von § 16 Abs. 1 lit. f der Satzung in den Wirkungskreis des Obmannes fallende Verfügung, könne nicht geteilt werden, weil laut der Satzung die Entscheidung über die Erhebung von Rechtsmitteln ausdrücklich der Vollversammlung vorbehalten sei.

17       Eine telefonische Umfrage unter den Mitgliedern bzw. eine telefonische Zustimmung zur Beschwerdeerhebung, wie vom Obmann behauptet werde, entspreche nicht den Vorgaben der Satzung für das Zustandekommen eines wirksamen Beschlusses der Vollversammlung. Es sei keine nähere Dokumentation des Abstimmungsvorganges vorgelegt und auch keine Eintragung im Beschlussbuch behauptet worden. „Offensichtlich“ seien die Mitglieder „nicht zeitgleich bei der telefonischen Umfrage anwesend gewesen, um eventuell von einer Videotelefonie ausgehen zu können“.

18       Das Verwaltungsgericht führte abschließend aus, unter den im Beschwerdezeitraum geltenden COVID-19-Bestimmungen wäre es möglich und zumutbar gewesen, eine satzungsgemäße Vollversammlung anzuberaumen und abzuhalten sowie einen wirksamen Beschluss über die Erhebung der Beschwerde zu fassen. Die schon anberaumte mündliche Verhandlung habe entfallen können, weil die Beschwerde zurückzuweisen gewesen sei.

19       Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

20       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

21       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

22       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

23       Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung macht zusammengefasst Folgendes geltend:

24       Das Verwaltungsgericht habe tragende Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt und sei insofern von näher bezeichneter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es den im Schriftsatz vom 14. Juli 2021 gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt sei und - völlig überraschend - die bereits anberaumte mündliche Verhandlung, in der die Angaben der Revisionswerberin präzisiert und ergänzt werden hätten können, wieder abberaumt habe. Es habe daher entgegen seiner amtswegigen Verpflichtung nicht für die Klarstellung des Sachverhaltes gesorgt. Bei Unterbleiben dieser Mängel wäre es zum Ergebnis gelangt, dass „die Voraussetzungen der Satzung für die Einbringung des Rechtsmittels durch den Obmann vorgelegen“ seien.

25       Zudem ergäben sich Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wegen der Ausnahmesituation durch die COVID-19-Pandemie dahingehend, ob „die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die Abhaltung einer Vollversammlung als Notwendigkeit für die Einbringung von Rechtsmitteln, wenn dies in den Organisationsnormen juristischer Personen so vorgesehen ist, unbeschränkt aufrechterhalten werden“ könne. Tatsächlich werde - im Hinblick auf die Beschränkungen des öffentlichen Lebens wegen der Pandemie - die Judikatur „zu adaptieren sein“.

Im Revisionsfall sei die Durchführung einer formellen Vollversammlung unter Einhaltung der notwendigen Fristen organisatorisch kaum machbar und aus gesundheitlichen Erwägungen nicht ratsam gewesen. Man habe sich deshalb „digital behelfen [müssen], was im gegenständlichen Fall durch eine Telefonkonferenz und Bevollmächtigung des Obmannes der Agrargemeinschaft durch die Mitglieder“, ein Rechtsmittel gegen den behördlichen Bescheid zu erheben, erfolgt sei.

26       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

27       Weist - wie auch im Revisionsfall - die Satzung einer Agrargemeinschaft dem Obmann „die Vertretung der Agrargemeinschaft nach außen, in Angelegenheiten die der Beschlussfassung der Vollversammlung unterliegen, jedoch nur im Rahmen rechtskräftiger Beschlüsse“ zu, und zählt sie „die Erhebung von Rechtsmitteln in Gerichts- und Verwaltungsverfahren“ zum Wirkungsbereich der Vollversammlung, wird damit keine umfassende Ermächtigung des Obmanns normiert, sondern die Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels an das Vorliegen eines Beschlusses der Vollversammlung geknüpft. In derartigen Fällen kann ein Rechtsmittel namens der Agrargemeinschaft durch den Obmann nur dann erhoben werden, wenn das Rechtsmittel durch einen entsprechenden Beschluss des zuständigen Organs der Agrargemeinschaft - hier der Vollversammlung - gedeckt ist (ständige Judikatur, vgl. nur etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/07/0099; VwGH 26.1.2017, Ra 2016/07/0069).

28       Das wird insoweit auch von der Revision nicht (mehr) in Frage gestellt, die demgemäß das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattete Vorbringen, gestützt auf § 16 Abs. 1 lit. f der Satzung, wonach der Obmann auch „das Recht, unaufschiebbare Verfügungen unter seiner eigenen Verantwortung zu treffen“ habe, hätte der Obmann auch ohne vorangegangenen Beschluss der Vollversammlung eine wirksame Beschwerde erheben können, nicht mehr aufrecht hält.

29       Strittig ist vielmehr lediglich, ob ein solcher Beschluss der Vollversammlung vorlag, bzw. in welcher Form er gefasst werden konnte.

30       Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, dass eine Vollversammlung, in der die Beschwerdeerhebung beschlossen worden sei, nicht stattgefunden hat, weder in physischer Anwesenheit der Teilnehmer, noch virtuell (es seien die Mitglieder „nicht zeitgleich bei der telefonischen Umfrage anwesend gewesen, um eventuell von einer Videotelefonie ausgehen zu können“). Auf Basis der im Beschwerdezeitraum geltenden Bestimmungen wäre die Abhaltung einer Vollversammlung zulässig gewesen, wobei das Stimmrecht auch durch Bevollmächtigte ausgeübt werden hätte können.

31       Mit dem Verfahrensmängel geltend machenden Zulässigkeitsvorbringen der Revision wird schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil deren Relevanz nicht dargetan wird: Mit dem pauschalen und nicht näher konkretisierten Vorbringen, es hätten „die Voraussetzungen der Satzung für die Einbringung des Rechtsmittels durch den Obmann vorgelegen“, wird nicht dargelegt, welcher (andere) Sachverhalt bei einem von Mängeln freien Verfahren hätte erwiesen werden können.

32       Zudem: Das Verwaltungsgericht hat den Obmann der Revisionswerberin ausdrücklich aufgefordert, einen ihn zur Beschwerdeerhebung legitimierenden Beschluss der Vollversammlung vorzulegen. In seiner Antwort hat der Obmann auf diverse Schwierigkeiten bei der Organisation einer Vollversammlung verwiesen, die ihn von deren Einberufung abgehalten hätten. Er hat dabei aber nicht geltend gemacht, es sei - etwa im Rahmen einer „Telefonkonferenz“ - von der Vollversammlung ein entsprechender Beschluss gefasst worden, vielmehr auf § 16 Abs. 1 lit. f der Satzung verwiesen, der ihn als Obmann zur Beschwerdeerhebung (auch ohne vorangegangenen Beschluss der Vollversammlung) ermächtige. Es sei eine telefonische Information der Mitglieder erfolgt, bei der sich die Mehrheit für die Einbringung einer Beschwerde ausgesprochen habe.

Damit wurde jedenfalls nicht konkret geltend gemacht, dass von der Vollversammlung mittels einer „Telefonkonferenz“ ein entsprechender Beschluss gefasst worden sei. Bei dem erstmals in der Revision erstatteten, ohnehin nur pauschal gehaltenen Vorbringen, eine Beschlussfassung sei „durch eine Telefonkonferenz“ erfolgt, handelt es sich also um eine unbeachtliche Neuerung, mit der eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargestellt werden kann.

33       Vor diesem Hintergrund ist auch das weitere - die pandemiebedingten Beschränkungen ansprechende - Zulässigkeitsvorbringen nicht zielführend:

34       Im gesamten Zeitraum, in den die vierwöchige Beschwerdefrist fiel, also von 20. November 2020 bis 18. Dezember 2020, waren vom Verbot der Teilnahme an Veranstaltungen jeweils „unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist“, ausgenommen (vgl. § 12 Abs. 1 Z 5 der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 479/2020, in Kraft von 17. November 2020 bis 6. Dezember 2020, § 13 Abs. 3 Z 5 der 2. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 544/2020, in Kraft von 7. Dezember 2020 bis 16. Dezember 2020, bzw. § 13 Abs. 3 Z 5 der 3. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 566/2020, in Kraft von 17. Dezember 2020 bis 25. Dezember 2020).

35       Der Kärntner Landesgesetzgeber hat zwar - mit dem Kärntner COVID-19-Gesetz, LGBl. Nr. 29/2020, bzw. dem 2. Kärntner COVID-19-Gesetz, LGBl. Nr. 98/2020 - in einzelnen Gesetzen, nicht aber dem Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetz (K-FLG), Regelungen über die Beratung und Beschlussfassung von Kollegialorganen im Wege einer Videokonferenz bzw. unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung getroffen. Eine Regelung, wie sie etwa der Tiroler Landesgesetzgeber im Tiroler COVID-19-Gesetz, LGBl. Nr. 51/2020, geschaffen hat, wonach landesgesetzlich eingerichtete Kollegialorgane Sitzungen unter Verwendung vorhandener technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung in Form einer Videokonferenz auch dann durchführen können, wenn dies materiengesetzlich nicht vorgesehen ist, sofern näher genannte Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. § 15 leg. cit.), erfolgte aber nicht.

36       Da den maßgebenden Feststellungen nach nicht einmal eine „Telefonkonferenz“ (ein zeitgleiches Telefonat des Obmannes mit den Mitgliedern) stattgefunden hat, erübrigen sich weitere Ausführungen zur Zulässigkeit einer derartigen „virtuellen“ Versammlung, bei der nur eine akustische, nicht aber optische Verbindung besteht (vgl. etwa § 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz vom 8. April 2020, BGBl. II Nr. 140/2020, mit der nähere Regelungen zur Durchführung von gesellschaftsrechtlichen Versammlungen der in § 1 Abs. 1 COVID-19-GesG aufgezählten Rechtsformen ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer getroffen wurden).

37       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

38       Damit erübrigt sich die Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens zur Frage ihrer Rechtzeitigkeit ebenso wie ein Eingehen darauf, ob der Erhebung der Revision ein - nach dem oben Gesagten erforderlicher - Beschluss der Vollversammlung zu Grunde liegt (von der Revision wird nicht einmal vorgebracht, dass ein derartiger Beschluss gefasst worden sei).

39       Die Revision war nach dem Gesagten zurückzuweisen.

Wien, am 12. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030279.L00

Im RIS seit

06.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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