TE Vwgh Beschluss 2021/11/12 Ra 2020/03/0097

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2021
beobachten
merken

Index

L65006 Jagd Wild Steiermark
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

JagdG Stmk 1986 §1 Abs1
JagdG Stmk 1986 §50
JagdG Stmk 1986 §50 Abs4
JagdG Stmk 1986 §50 Abs5
JagdG Stmk 1986 §50 Abs8
VStG §22 Abs2
VStG §22 Abs2 idF 2013/I/033
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und den Hofrat Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ing. F F in A, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 4. März 2020, Zlen. 1. LVwG 30.28-1398/2019-13 und 2. LVwG 30.28-1399/2019-13, betreffend Übertretungen des Stmk JagdG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird in dem Umfang, als damit über die Spruchpunkte 3. bis 6. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 23. April 2019 betreffend den 7. Dezember 2017 als Tatzeit abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit zwei Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Liezen jeweils vom 23. April 2019 wurden dem Revisionswerber als Eigenjagdbesitzer und Aufsichtsorgan mehrere Übertretungen des § 77 in Verbindung mit § 50 Abs. 5, 7 und 8 Steiermärkisches Jagdgesetz 1986 (Stmk JagdG) angelastet, weil am 7. Dezember 2017 an einem näher bestimmten Tatort zwei Rehwildfütterungen im Eigenjagdgebiet des Revisionswerbers nicht rotwildsicher eingezäunt gewesen seien (Spruchpunkt 1. und 2.), an zwei näher bezeichneten Orten jeweils eine unerlaubte Vorlage von Futtermitteln außerhalb der genehmigten Rehwildfütterungsanlage durchgeführt worden sei (Spruchpunkte 3. und 4.) und jeweils eine Lockfütterung für Schalenwild angelegt worden sei (Spruchpunkte 5. und 6.) sowie am 19. Februar 2018 an einem näher bezeichneten Tatort eine unerlaubte Vorlage von Futtermitteln außerhalb der genehmigten Rehwildfütterung durchgeführt worden sei. Über ihn wurden deshalb gemäß § 77 Stmk JagdG insgesamt sieben Geldstrafen von jeweils 300,- Euro (bzw. Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2        Gegen diese beiden Straferkenntnisse erhob der Revisionswerber Beschwerden, die mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts als unbegründet abgewiesen wurden. Zudem wurde der Revisionswerber zum Ersatz eines Beitrags zu den Kosten des (verbundenen) Beschwerdeverfahrens verpflichtet und die ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

3        In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei Jagdausübungsberechtigter sowie Miteigentümer des betroffenen Reviers und für dieses Revier auch als Aufsichtsjäger bestellt. Zu den Tatzeiten hätten in diesem Revier zwei Rehwildfütterungen bestanden. Am 7. Dezember 2017 sei an zwei Stellen im Revier außerhalb der Rehwildfütterungen die Vorlage von Futtermitteln erfolgt. Eine Überprüfung der Rehwildfütterungen am 19. Februar 2018 habe ergeben, dass diese nicht rotwildsicher eingezäunt gewesen seien. Zudem seien außerhalb der Rehwildfütterungen Futtermittel vorgelegen. Sämtliche vorgelegte Futtermittel seien für Rotwild als attraktiv einzustufen und geeignet, Rotwild anzulocken.

4        Im Zuge der rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht fest, entgegen der Bezeichnung im Spruch der Straferkenntnisse sei dem Revisionswerber kein Verstoß gegen Befugnisse oder Pflichten als Jagdschutzpersonal vorgeworfen worden, sondern der illegale Betrieb von Rehwildfütterungen und Futtervorlagen, die Schalenwild anlocken würden. Dass sich Rotwild Zugang zu den von ihm betriebenen Rehwildfütterungen verschafft habe und sich Futter an den genannten Stellen außerhalb der Fütterungsanlage befunden habe, werde vom Revisionswerber nicht bestritten. In der vorliegenden Konstellation, dass nicht der Jagdausübungsberechtigte selbst, sondern sein Vater sowohl die Rehwildfütterungen betreut als auch das Schalenwild lockende Futtermittel ausgebracht habe, habe der Revisionswerber Überwachungsaufgaben, deren schuldhafte Vernachlässigung ihm verwaltungsstrafrechtlich vorgeworfen werden könne. Hätte er die Handlungen seines Vaters pflichtgemäß als Jagdausübungsberechtigter überwacht, hätte er das angesichts des Zuzugs von Rotwild aus der Nachbarjagd unsachgemäß ausgelegte, Schalenwild anlockende Futter sowie die unzulässigen freien Kirrfütterungen zu beenden und die effektiv rotwildsichere Einzäunung zu veranlassen gehabt. Die Bezeichnung als „Eigenjagdbesitzer und Aufsichtsorgan“ in den Tatumschreibungen bzw. Tatvorwürfen der Straferkenntnisse schade nicht.

5        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der jeweilige Spruch in den angefochtenen Straferkenntnissen bereits deshalb rechtswidrig sei, weil der Revisionswerber weder als Eigenjagdbesitzer noch als Aufsichtsorgan Adressat der ihm vorgeworfenen Übertretungen nach § 50 Abs. 5, 7 und 8 Stmk JagdG sei. Zudem habe das Verwaltungsgericht § 50 Abs. 5 Stmk JagdG überschießend interpretiert. Aus der Diktion dieser Bestimmung ergebe sich, dass nicht der Revisionswerber, sondern der direkt Handelnde zur Verantwortung zu ziehen sei. Auch sei das Sachverständigengutachten in diesem Punkt mangelhaft, weil es - wie auch das Verwaltungsgericht in seinen Feststellungen - nicht nach Tatzeiten und Tatbeständen differenziere. Betreffend die mangelnde rotwildsichere Einzäunung habe das Verwaltungsgericht keine nachvollziehbare Beweiswürdigung durchgeführt, weil es die Angaben eines Zeugen sowie des Revisionswerbers als glaubhaft und als Bestätigung des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalts gewertet habe, obwohl diese im Widerspruch zu dem ebenfalls herangezogenen Sachverständigengutachten stünden. Das Verwaltungsgericht habe sich auch nicht mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt, wonach in Folge der Auflassung einer bestimmten (näher gelegenen) Fütterung sowie eines massiven Wintereinbruchs eine starke Bedrängung der Rehwildfütterungen durch Rotwild stattgefunden habe. Hinsichtlich des Vorwurfs der Lockfütterung („Kirrung“) habe das Verwaltungsgericht keine ausreichenden Feststellungen zu den Umständen getroffen, welche auf eine „Ankirrung“ hinwiesen, wodurch es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.

6        Die belangte Behörde hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7        Die Revision ist bereits im Hinblick auf die vorgebrachte Rechtsfrage betreffend die Verantwortlichkeit des Jagdausübungsberechtigten zulässig; sie ist aber nur teilweise berechtigt.

Zur Abweisung:

8        § 50 Stmk JagdG, LGBl. Nr. 23/1986, in der Fassung LGBl. Nr. 9/2015, lautet (auszugsweise):

„Wildfütterungen

§ 50. (1) Die/Der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wildstand und natürlichem Nahrungsangebot zu sorgen. Im Bereiche von Fütterungen ist wildgerecht zu füttern.

[...]

(5) Außerhalb genehmigter Fütterungen, außerhalb der genehmigten Fütterungszeiten und außerhalb von Rehwildfütterungen und Schwarzwildkirrungen dürfen Futtermittel und eingebrachte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die geeignet sind, Schalenwild anzulocken, von niemandem diesem zugänglich gemacht werden. Die übliche fachgerechte Lagerung und Verwendung von Futtermitteln und von eingebrachten landwirtschaftlichen Erzeugnissen sind davon ausgenommen. Die Bezirksverwaltungsbehörde kann, wenn erforderlich, die Vorlage bestimmter Futtermittel, die besonders geeignet sind, Schalenwild anzulocken, mittels Bescheid für einzelne oder mehrere Jagdgebiete oder Jagdgebietsteile oder mit Verordnung für alle Jagdgebiete verbieten. Das Füttern von Gams-, Stein-, Schwarz-, Muffel- und Damwild ist jedermann verboten. In Notfällen können von der Bezirksverwaltungsbehörde zeitlich befristete Ausnahmen von den Fütterungsverboten genehmigt werden.

[...]

(7) Rehwildfütterungen sind, wo erforderlich, rotwildsicher einzuzäunen und zu erhalten. Die Einzäunung ist jedenfalls erforderlich, wenn Rotwild als Standwild vorhanden ist oder zumindest wiederholt als Wechselwild auftritt. Innerhalb der Einzäunung hat die Futtermittelvorlage so zu erfolgen, dass Rotwild nicht zu den Futtermitteln gelangen kann. Eine Fütterung von Rehwild in der Zeit vom 15. Mai bis 15. September ist jedermann verboten.

(8) Das Anlegen von Kirrungen (Lockfütterungen oder Ausbringung von anderen Lockstoffen) für Schalenwild ist jedermann verboten. [...]

[...]“

9        Der Revisionswerber bringt zunächst vor, aus der Diktion des § 50 Abs. 5 Stmk JagdG ergebe sich, dass nicht der Revisionswerber (als Jagdausübungsberechtigter), sondern sein Vater (als direkt Handelnder) zur Verantwortung zu ziehen sei, weil nach dieser Bestimmung die unerlaubte Vorlage von Futtermittel „von niemandem“ vorgenommen werden dürfe.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 50 Abs. 4 Stmk JagdG in der Fassung LGBl. Nr. 71/1991, welcher das Verbot jedes Fütterns von Rotwild außerhalb genehmigter Fütterungsanlagen und des Betreibens einer Lockfütterung normierte, bereits ausgesprochen, dass zur Wildfütterung grundsätzlich der Jagdausübungsberechtigte verpflichtet (und berechtigt) ist, wie der § 50 Abs. 1 erster Satz Stmk JagdG zeige, der die grundsätzliche Anordnung enthält, dass der Jagdberechtigte verpflichtet ist, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wildstand und natürlichem Nahrungsangebot zu sorgen. Damit steht im Einklang, wenn im § 1 Abs. 1 zweiter Satz Stmk JagdG bestimmt wird, dass das Jagdausübungsrecht (u.a.) in der ausschließlichen Berechtigung besteht, innerhalb des zustehenden Jagdgebietes Wild unter Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen in der im weidmännischen Betrieb üblichen Weise zu hegen, das Recht zu hegen also nur dem zur Jagdberechtigten zukommt (vgl. VwGH 17.6.1998, 96/03/0130).

11       Mit der Jagdgesetznovelle LGBl. Nr. 42/2012 wurde der § 50 Abs. 5 Stmk JagdG eingeführt, mit dem das vormals in Abs. 4 geregelte Verbot des Fütterns von Rotwild außerhalb genehmigter Fütterungsanlagen neu formuliert wurde. Nach den Gesetzesmaterialien sind diese Bestimmungen Präzisierungen des ursprünglichen Abs. 4, die insbesondere der Vermeidung von Wildschäden durch unsachgemäße Fütterungen, Kirrungen etc. dienen.(ErlRV 910/6, XVI. GPStLT, 3). Die zum ursprünglichen Abs. 4 ergangenen Überlegungen können daher auf die geltende Rechtslage übertragen werden.

12       Die Einführung der Wortfolge „von niemandem“ führt unabhängig von einer allfälligen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit der unmittelbar handelnden Person nicht dazu, dass nicht auch den Jagdausübungsberechtigten die grundsätzliche Verpflichtung trifft, für die Einhaltung der in § 50 Stmk JagdG normierten Gebote und Verbote betreffend Wildfütterungen Sorge zu tragen.

13       Hinzu kommt im gegenständlichen Fall, dass der Revisionswerber nach seinen eigenen Angaben im Verfahren selbst seinen Vatermit der Durchführung der Fütterungen beauftragt habe. Derjenige, der sich bei der Erfüllung einer ihm obliegenden gesetzlichen Verpflichtung der Hilfe eines Dritten bedient, bleibt verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, soweit ihn ein Verschulden iSd § 5 VStG trifft. Kein Verschulden ist regelmäßig dann gegeben, wenn ein Beschuldigter im Rahmen seines Betriebs bzw. Unternehmens ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, sodass er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 9.12.2019, Ra 2019/03/0123, mwN).

14       Das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems wurde im vorliegenden Fall vom Revisionswerber, der vorbrachte, dass es sich bei seinem Vater um einen ausgebildeten Jäger handle, der aufgrund seiner Ausbildung Kenntnis von der Fütterung habe, weshalb er ihn hinsichtlich der zugewiesenen Tätigkeit nicht kontrollieren habe müssen, jedoch nicht einmal behauptet.

15       Der Revisionswerber kann sich mit dem Vorbringen, er habe die Fütterungen nicht selbst vorgenommen, daher nicht wirksam von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit befreien.

16       Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das erfordert in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens. Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2020/03/0163, mwN). Soweit die Strafbarkeit das Vorliegen bestimmter in der Person des Täters gelegener Merkmale voraussetzt, sind insbesondere auch diese Merkmale zu bezeichnen (vgl. idS VwGH 16.10.2017, Ra 2015/05/0052, mwN; 19.5.1994, 94/17/0007).

17       Wenn der Revisionswerber moniert, im jeweiligen Spruch der durch das angefochtene Erkenntnis bestätigten Straferkenntnisse seien ihm rechtswidrigerweise die näher umschriebenen Tathandlungen in seiner Eigenschaft als „Eigenjagdbesitzer und Aufsichtsorgan“ angelastet worden, so trifft es zwar zu, dass die Merkmale, aus denen sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Revisionswerbers iSd § 50 Abs. 5, 7 und 8 Stmk JagdG („Jagdausübungsberechtigter“) ergibt, im Spruch nicht richtig bezeichnet wurden. Aus den Ausführungen zu Tatzeit, Tatort und den Angaben zur Tathandlung lässt sich jedoch klar erkennen, weshalb dem Revisionswerber Übertretungen nach dem Stmk JagdG vorgeworfen wurden. Zudem ergibt sich aus der Begründung der jeweiligen Straferkenntnisse, dass die belangte Behörde davon ausging, der Revisionswerbers sei „als Jagdberechtigter und Aufsichtsorgan auch für die Einhaltung der Jagdvorschriften in seinem Revier verantwortlich“. Angesichts der klaren Tatanlastung sowie dieser Begründung ist weder erkennbar, dass die Gefahr einer Doppelbestrafung bestünde, noch, dass der Revisionswerber sich nicht entsprechend verteidigen hätte können.

18       Sofern der Revisionswerber in Zusammenhang mit dem Vorwurf der mangelnden rotwildsicheren Einzäunung der bestehenden Rehwildfütterungen (Spruchpunkte 1. und 2. des angefochtenen Straferkenntnisses betreffend den Tatzeitpunkt 7. Dezember 2017) zudem Verfahrensmängel geltend macht, erweisen sich diese nicht als relevant.

19       Das Verwaltungsgericht folgte in seiner Begründung nämlich erkennbar dem Gutachten des bestellten jagdfachlichen Sachverständigen, wonach für eine rotwildsichere Einzäunung - sofern wie vorliegend horizontale Stangen verwendet werden - der Stangenabstand maximal 30 cm und die Höhe nicht weniger als 220 cm betragen dürfen, während bei den Einzäunungen der vorliegenden Rehwildfütterungen der Abstand zwischen den Stangen 30 bis 40 cm und der Abstand zum Boden an mehreren Stellen mehr als 50 cm betragen habe und es dem Rotwild aufgrund der mangelnden Höhe auch möglich gewesen sei einzuspringen, weshalb die Rehwildfütterungen nicht rotwildsicher eingezäunt gewesen seien. Dass der Revisionswerber in der Verhandlung angab, der angenommene Abstand könne nicht stimmen, ohne dies näher zu begründen, vermag das - in der Revision ebenfalls nicht substantiiert bestrittene - Sachverständigengutachten nicht zu entkräften.

20       Dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe die behauptete massive Bedrängnis der Rehwildfütterungen aufgrund der Auflassung einer näher gelegenen Fütterung sowie des massiven Winterbruchs nicht berücksichtigt, ist entgegenzuhalten, dass - wie auch im Sachverständigengutachten festgehalten - eine rotwildsichere Einzäunung grundsätzlich so stabil sein muss, dass sie dem Druck des durch attraktive Futtermittel angelockten Rotwilds standhält.

21       Wenn sich der Revisionswerber des Weiteren gegen die Nichtanwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG wendet, wirft er keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, zumal die Revision nicht aufzuzeigen vermag, dass das Verwaltungsgericht die Wertungsfragen nach dieser gesetzlichen Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. dazu etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0098, mwN) beantwortet hätte (vgl. VwGH 21.1.2020, Ra 2019/09/0158, mwN).

22       Die Revision erweist sich daher, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte 1. und 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 23. April 2019 betreffend den Tatzeitpunkt 7. Dezember 2017 sowie die Bestätigung des Straferkenntnisses vom 23. April 2019 betreffend den Tatzeitpunkt 19. Februar 2018 wendet, als nicht begründet.

Zur Aufhebung:

23       Die Revision ist jedoch insofern im Recht, als sie geltend macht, das Verwaltungsgericht habe nicht die für die Annahme einer Lockfütterung erforderlichen Feststellungen getroffen.

24       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes versteht man unter Lockfütterung („Kirrung“) das Auslegen oder Ausstreuen von Futtermitteln, die dazu dienen, Wild an bestimmten Stellen anzulocken, unter Umständen mit der Absicht verbunden, es dort zu erlegen. Es ist daher nicht jedes Füttern von Rotwild außerhalb der genehmigten Fütterungsanlagen das Betreiben einer Lockfütterung; es bedarf auch konkreter Feststellungen dazu, dass die Fütterung den Zweck verfolgte, Wild an bestimmten Stellen anzulocken (vgl. etwa VwGH 30.7.2018, Ra 2018/03/0076; 29.1.2009, 2007/03/0139 sowie zum Stmk JagdG VwGH 17.11.1993, 93/03/0069).

25       Fallbezogen hat das Verwaltungsgericht lediglich festgestellt, die außerhalb der Rehwildfütterungen vorliegenden Futtermittel seien für Rotwild als attraktiv einzustufen und geeignet Rotwild anzulocken. Die bloße Eignung Rotwild anzulocken ist nach der zitierten Rechtsprechung jedoch nicht ausreichend, um eine Kirrung anzunehmen. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht auch Feststellungen dazu treffen müssen, zu welchem Zweck die Futtermittel ausgebracht wurden. Erfolgte die Fütterung - wie vom Revisionswerber behauptet - nicht, um Rotwild anzulocken, sondern um Schäden durch das bereits anwesende Rotwild zu verhindern, scheidet eine Übertretung des § 50 Abs. 8 Stmk JagdG aus.

26       Indem das Verwaltungsgericht das Erfordernis entsprechender Feststellung verkannte, hat es sein Erkenntnis in diesem Punkt mit vorrangig wahrzunehmender inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

27       Da der Revisionswerber wegen desselben Sachverhalts (Vorlage von Futtermitteln) sowohl nach § 50 Abs. 8 Stmk JagdG als auch nach § 50 Abs. 5 Stmk JagdG bestraft wurde, stellt sich zudem die Frage nach dem Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander. Zu prüfen ist im vorliegenden Fall, ob die beiden von der belangten Behörde herangezogenen Strafdrohungen einander ausschließen bzw. insoweit eine Scheinkonkurrenz gegeben ist. 

28       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass es im Falle einer Scheinkonkurrenz, also wenn der gesamte Unrechtsgehalt eines Delikts von jenem eines anderen, ebenfalls verwirklichten in jeder Beziehung mitumfasst ist, unzulässig ist, dem Täter ein und denselben Unwert mehrmals zuzurechnen; sie führt zu einem Zurücktreten eines Tatbestandes hinter einen anderen, wenn sich aus den konkreten Umständen des Tatgeschehens dessen Vorrang ergibt (vgl. VwGH 23.6.2021, Ro 2019/03/0020, 0021, mwN).

29       Der Begriff „Scheinkonkurrenz“ bringt zum Ausdruck, dass in Wahrheit keine Konkurrenz von Strafbestimmungen vorliegt, sondern eben nur eine Bestimmung, nach der bestraft werden kann. Zu den Fällen der Scheinkonkurrenz zählen die Subsidiarität, die Spezialität und die Konsumtion (vgl. VwGH 29.3.2021, Ra 2020/02/0298, mwN).

30       Konsumtion liegt vor, wenn die wertabwägende Auslegung der formal (durch eine Handlung oder durch mehrere Handlungen) erfüllten zwei Tatbestände zeigt, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter den einen der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhalts bereits für sich allein abgegolten ist. Voraussetzung ist, dass durch die Bestrafung wegen des einen Delikts tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst wird (vgl. VwGH 25.6.2020, Ra 2020/02/0046, 0047, mwN).

31       Wie bereits ausgeführt handelt es sich bei einer „Lockfütterung“ nach § 50 Abs. 8 Stmk JagdG um eine Fütterung, die den Zweck verfolgte, Wild an bestimmten Stellen anzulocken (vgl. Rn. 24). Der Tatbestand des § 50 Abs. 5 Stmk JagdG umfasst die Fütterung von Schalenwild außerhalb genehmigter Fütterungen, außerhalb der genehmigten Fütterungszeiten und außerhalb von Rehwildfütterungen und Schwarzwildkirrungen unabhängig vom Zweck dieser Fütterung.

32       Ist der Tatbestand des Anlegens von Kirrungen für Schalenwild - im vorliegenden Fall für Rotwild - erfüllt, handelt es sich daher zwangsläufig auch um eine Fütterung von Schalenwild außerhalb genehmigter Fütterungen, da eine Kirrfütterung für Rotwild jedermann verboten ist und daher nie eine genehmigte Fütterung darstellen kann. Der Tatbestand des § 50 Abs. 8 Stmk JagdG unterscheidet sich von jenem des § 50 Abs. 5 leg. cit. allein dadurch, dass das Ausstreuen von Futtermitteln, die geeignet sind, Schalenwild anzulocken, auch zu diesem Zweck erfolgt.

33       Damit bringt in der hier vorliegenden Situation das Anlegen einer Lockfütterung für Rotwild zwingend auch die unerlaubte Fütterung außerhalb genehmigter Fütterungen, außerhalb der genehmigten Fütterungszeiten und außerhalb von Rehwildfütterungen und Schwarzwildkirrungen mit sich, weshalb eine Übertretung des § 50 Abs. 8 Stmk JagdG zur Konsumtion der Übertretung des § 50 Abs. 5 Stmk JagdG führt. Das Anlegen einer Lockfütterung hat dabei im Vergleich zur unerlaubten Fütterung den höheren deliktischen Gesamtunwert und das Tatbild der unerlaubten Fütterung tritt hinter das Tatbild des Anlegens einer Lockfütterung zurück.

34       Das Verwaltungsgericht hat im fortgesetzten Verfahren demnach zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber nur nach einer der genannten Bestimmungen bestraft werden kann.

35       Das angefochtene Erkenntnis war daher auch aufgrund des unberücksichtigt gelassenen Scheinkonkurrenzverhältnisses zwischen den Tatbeständen der Spruchpunkte 3 und 5 bzw. 4 und 6 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 23. April 2019 betreffend den 7. Dezember 2017 als Tatzeit in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

36       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. November 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020030097.L00

Im RIS seit

06.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten