TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/28 W211 2233997-1

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Veröffentlicht am 28.10.2021
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Entscheidungsdatum

28.10.2021

Norm

Auskunftspflichtgesetz §4
AVG §13 Abs8
AVG §66 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W211 2233997-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Bescheid der (damaligen) Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend vom XXXX wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Mit Email vom XXXX 2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag nach §§ 2 und 3 Auskunftspflichtgesetz an die (damalige) Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend die Namen aller Unternehmen, die im Zuge der Covid19 Pandemie Kurzarbeitsbeihilfe beantragt hätten, sowie betreffend die Summen der bisherig genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen. Für den Fall der vollständigen oder teilweise Nichterteilung der Auskunft werde die Ausstellung eines Bescheids gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz beantragt.

Mit Bescheid vom XXXX 2020 wies die (damalige) Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend das Auskunftsbegehren ab.

Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt mit Schreiben vom XXXX 2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Am XXXX 2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch.

Mit Schreiben vom XXXX 2020 modifizierte der Beschwerdeführer seinen verfahrenseinleitenden Antrag.

Mit Erkenntnis vom XXXX 2021 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde mit der Maßgabe statt, dass die belangte Behörde die beantragte Auskunft betreffend das im Beschwerdeverfahren modifizierte Begehren zu Unrecht verweigert habe.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die belangte Behörde eine Amtsrevision.

Mit Erkenntnis vom XXXX 2021, dem Bundesverwaltungsgericht zugestellt am XXXX 2021, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX 2021 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts auf (VwGH, XXXX 2021, Ro 2021/11/0005-4).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte mit Email vom XXXX 2020 die folgende Anfrage an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend (in der Folge BMAFJ):

„Hiermit beantrage ich gemäß §§ 2, 3 AuskunftspflichtG die Namen aller Unternehmen, die im Zuge der Covid 19 Pandemie Kurzarbeit beantragt haben, und die jeweiligen Summen der bisher genehmigten Hilfen für jedes Unternehmen. Für den Fall einer vollständigen oder teilweisen Nichterteilung der Auskunft (zB Verweigerung) beantrage ich die Ausstellung eines Bescheides gemäß § 4 AuskunftspflichtG Ihres Ministeriums.“

Mit Schriftsatz vom XXXX 2020 modifizierte der Beschwerdeführer seinen verfahrenseinleitenden Antrag, sodass er lautete:

„Hiermit beantrage ich gemäß Auskunftspflichtgesetz die Namen aller Unternehmen, denen im Zuge der Covid-19-Pandemie Kurzarbeitsbeihilfe genehmigt wurden, sofern die Summe der pro Arbeitgeber_in genehmigten Kurzarbeitsbeihilfen einen Betrag übersteigt, der höher als die untersten 10% aller genehmigten Kurzarbeitsbeihilfen ist, sowie die Summen der genehmigten Hilfen für diese Unternehmen.“

Die im Rahmen der Covid19 – Pandemie zur Verfügung gestellten Kurzarbeitsmodelle werden über das Arbeitsmarktservice (AMS) abgewickelt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind nicht weiter strittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Eine wesentliche Antragsänderung (die also das "Wesen" der Sache betrifft) ist als Stellung eines neuen Antrages unter konkludenter Zurückziehung des ursprünglichen Antrages zu werten. Erfolgt eine solche Änderung während des Rechtsmittelverfahrens, bewirkt die (konkludente) Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht ist somit angehalten, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. VwGH 12.09.2016, Ra 2014/04/0037 mit Hinweis auf VwGH 19.11.2014, Ra 2014/22/0016).

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren modifizierte der Beschwerdeführer seinen verfahrensleitenden Antrag. Dazu sprach der VwGH in seinem Erkenntnis vom XXXX 2021, Ro 2021/11/0005-4 aus, dass das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung über die geänderte Sache nicht zuständig war und ist:
„2.4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Antragsänderung (im Sinn des § 13 Abs. 8 AVG) auch im Berufungsverfahren grundsätzlich zulässig, allerdings zieht § 66 Abs. 4 AVG solchen Projektmodifikationen engere Grenzen als der bloß auf das Wesen der Sache abstellende § 13 Abs. 8 AVG. So ist die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf die „Sache“ des erstinstanzlichen Verfahrens beschränkt (vgl. zu allem den - zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte erster Instanz ergangenen - Beschluss VwGH 18.8.2017, Ro 2015/04/0006, mwN). Da die Verwaltungsgerichte funktionell an die Stelle der Berufungsbehörden getreten sind, die sie insofern abgelöst haben, gilt dies gleichermaßen für Antragsänderungen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/22/0086, mwN). So hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit Anlagenverfahren ausgesprochen, dass Modifikationen eines Projektes grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren zulässig sind, allerdings nur so weit, als nicht der Prozessgegenstand, der den Inhalt des Spruches des verwaltungsbehördlichen Bescheides dargestellt hat, ausgewechselt wird (vgl. VwGH 28.4.2021, Ra 2019/04/0027, mwN).
Für das Auskunftsverweigerungsverfahren ergeben sich in diesem Zusammenhang allerdings Besonderheiten, die mit der Sache des Verfahrens vor der Behörde und dem Verwaltungsgericht zusammenhängen. Mit einem Auskunftsverweigerungsbescheid gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz wird ausschließlich über die Frage abgesprochen, ob ein subjektives Recht des Auskunftswerbers auf Erteilung der begehrten Auskunft besteht oder nicht (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2017/02/0141, Rn 30, mwN). Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung der Auskunft nicht vor, ist Inhalt der Entscheidung der Behörde der Ausspruch, dass die Auskunft verweigert wird (vgl. VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, Rn 43, mwN).
Da der erteilten Auskunft als bloßer Wissenserklärung kein Bescheidcharakter zukommt, kann eine Auskunft selbst nicht Gegenstand des in der Sache zu treffenden Spruchs des Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts sein. Das Verwaltungsgericht ist allein zu der spruchmäßigen Feststellung zuständig, dass die mit einem Auskunftsbegehren befasste Behörde eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert hat. Gelangt das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass die belangte Behörde die Auskunft zu Unrecht verweigert hat, so kann es lediglich diesen (feststellenden) Ausspruch treffen (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038, Rn 41, mwN; 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, Rn 39).
„Sache“ des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist daher allein die Frage, ob die mit einem Auskunftsbegehren befasste belangte Behörde eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigert hat (vgl. VwGH XXXX 2020, Ra 2020/01/0239, Rn 61 f). Damit wäre aber eine Änderung jenes Auskunftsbegehrens, welches dem Auskunftsverweigerungsbescheid gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz zu Grunde liegt, im Beschwerdeverfahren nicht vereinbar. Eine solche Änderung ist daher vom Verwaltungsgericht nicht mehr zu berücksichtigen.
2.4.4. Das Verwaltungsgericht hätte daher seiner Entscheidung, die Revisionswerberin habe die beantragte Auskunft zu Unrecht verweigert, das erst im Beschwerdeverfahren geänderte Auskunftsbegehren nicht zu Grunde legen dürfen. Dadurch hat es die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten.

In der gegenständlichen Konstellation ist die Antragsänderung im Beschwerdeverfahren, die, wie vorstehend ausgeführt, im Auskunftspflichtverfahren durch das Verwaltungsgericht nicht behandelt werden kann, weil sie eine Überschreitung der Sache des Verwaltungsverfahrens darstellt, als „wesentliche Antragsänderung“ zu werten, die eine konkludente Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages und somit dem Wegfall der Zuständigkeit der Behörde bewirkt, weshalb der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben ist.

3.2. Darüber hinaus sprach der VwGH im zitierten Erkenntnis ebenso aus, dass die (damalige) Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend schon deshalb nicht zur Erteilung der begehrten Auskünfte betreffend die Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfen gemäß § 37b AMSG verpflichtet war, weil der Beschwerdeführer diese Auskünfte nach dem Auskunftspflichtgesetz direkt beim AMS beantragen hätte können. Dementsprechend bestand für die Auskunftserteilung durch die (damalige) Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend keine Zuständigkeit (vgl. zum Begriff der Verpflichtung zur Auskunftserteilung iSe Zuständigkeit VwGH, XXXX 2020, Ra 2020/01/0239-11, RZ 78), und wäre der Bescheid vom XXXX 2020 auch deshalb ersatzlos zu beheben.

3.3. Der Beschwerdeführer gab zwischenzeitlich selbst über social media bekannt, ein Auskunftsbegehren an das AMS gestellt zu haben, weshalb von einer Weiterleitung des modifizierten Antrags gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG abgesehen werden kann.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. VwGH, XXXX 2021, Ro 2021/11/0005); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragsänderung Auskunftsbegehren Auskunftspflicht Auskunftsverweigerung Bescheidbehebung ersatzlose Behebung Rechtsanschauung des VwGH Sache des Verfahrens Unzuständigkeit wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W211.2233997.1.01

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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