TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/5 W238 2247893-1

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Veröffentlicht am 05.11.2021
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Entscheidungsdatum

05.11.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §25 Abs1
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13

Spruch


W238 2247893-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Robert STEIER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice St. Pölten vom 14.09.2021, XXXX , betreffend Verpflichtung zum Rückersatz der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von € 1.380,12 gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG sowie betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice St. Pölten (im Folgenden: AMS) vom 10.06.2021 wurde gemäß § 10 iVm § 38 AlVG der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 26.05.2021 bis 06.07.2021 ausgesprochen. Begründend wurde ausgeführt, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung ab 26.05.2021 als Verkaufshelferin beim Dienstgeber XXXX vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 09.08.2021 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.06.2021 mit näherer Begründung abgewiesen.

4. Die per RSb-Sendung übermittelte Beschwerdevorentscheidung wurde laut Rückschein von der Beschwerdeführerin am 10.08.2021 persönlich übernommen.

5. Es wurde kein Vorlageantrag eingebracht.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14.09.2021 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von € 1.380,12 verpflichtet (Spruchpunkt A). Diesbezüglich wurde die Einbehaltung der Leistung im Falle eines fortdauernden Leistungsbezuges in Aussicht gestellt. Für den Fall, dass die Beschwerdeführerin nicht im Leistungsbezug steht, wurde die Einzahlung des Betrages binnen vierzehn Tagen auf ein näher bezeichnetes Konto gefordert. Des Weiteren wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt B).

Zu Spruchpunkt A des Bescheides führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, dass die Verpflichtung zum Rückersatz des angeführten Betrages aufgrund der rechtskräftigen Beschwerdevorentscheidung vom 09.08.2021 bestehe. Der in Spruchpunkt B verfügte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurde wie folgt begründet: Da bereits eine Entscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache vorliege, würde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausschließlich dazu führen, dass die Eintreibung der offenen Forderung zu Lasten der Versichertengemeinschaft verzögert werde, obwohl mit einer anderslautenden Entscheidung in der Sache zu Gunsten der Beschwerdeführerin nicht mehr zu rechnen sei. Aus diesem Grund überwiege in der gegenständlichen Angelegenheit das öffentliche Interesse an der Einbringlichkeit der offenen Forderung. Die aufschiebende Wirkung sei daher abzuerkennen.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin führte die Beschwerdeführerin mit näherer Begründung aus, dass ihr bezüglich der in Rede stehenden Beschäftigung leider ein Fehler unterlaufen sei. Sie habe mehrmals versucht, mit der Firma XXXX Kontakt aufzunehmen, um sich zu entschuldigen und um eine neue Chance zu bitten. Dies sei seitens der Firma jedoch abgelehnt worden.

8. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben der belangten Behörde vom 04.11.2021 vorgelegt. Mitgeteilt wurde, dass das AMS auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichte. Der Bezugsverlauf und eine Dokumentation der an die Beschwerdeführerin erfolgten Auszahlungen wurden am selben Tag von der Behörde nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des AMS vom 10.06.2021 wurde gemäß § 10 iVm § 38 AlVG der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 26.05.2021 bis 06.07.2021 ausgesprochen.

Der dagegen erhobenen Beschwerde kam aufschiebende Wirkung zu. Die Beschwerdeführerin hat im Zeitraum vom 26.05.2021 bis 06.07.2021 (= 42 Tage) vorläufig weiterhin Notstandshilfe im Ausmaß von € 32,86 täglich erhalten. Daraus ergibt sich in Summe ein Bezug von Notstandshilfe in Höhe von € 1.380,12.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.08.2021 wurde die Beschwerde abgewiesen.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde der Beschwerdeführerin durch persönliche Übernahme des Bescheides am 10.08.2021 rechtswirksam zugestellt. Sie enthält eine korrekte Rechtsmittelbelehrung.

Dieser Bescheid wurde mit dem ungenützten Ablauf der zweiwöchigen Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags am 24.08.2021 unanfechtbar und somit formell rechtskräftig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14.09.2021 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von € 1.380,12 verpflichtet (Spruchpunkt A). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt B).

2. Beweiswürdigung:

Der Gegenstand des Bescheides vom 10.06.2021 und der Beschwerdevorentscheidung vom 09.08.2021 ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Der festgestellte Zeitraum sowie die festgestellte Höhe des Bezuges der Notstandshilfe gründen sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes. Der Höhe der von ihr bezogenen (und nunmehr rückgeforderten) Notstandshilfe ist die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten.

Die rechtswirksame Zustellung bzw. Erlassung der Beschwerdevorentscheidung ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Zustellnachweis (RSb-Rückschein) und war im vorliegenden Verfahren nicht strittig. Die Rechtsmittelbelehrung ist Bestandteil der Beschwerdevorentscheidung. Hinsichtlich der festgestellten Rechtskraft der Beschwerdevorentscheidung wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Dass der gegen den Bescheid vom 10.06.2021 erhobenen Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukam, ergibt sich aus § 13 Abs. 1 VwGVG und dem Fehlen von Hinweisen auf einen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.

Der Gegenstand des nunmehr angefochtenen Bescheides ist dem Verwaltungsakt zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. § 25 Abs. 1 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 38/2017, lautet wie folgt:

„§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.“

3.3. Zum Rückersatz der unberechtigt empfangenen Leistung

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 10.06.2021, aufgrund deren aufschiebender Wirkung insgesamt Leistungen in Höhe von € 1.380,12 vorläufig weiter ausbezahlt wurden, mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.08.2021 abgewiesen.

Ein Bescheid wird nicht bereits mit seiner Erlassung, sondern mangels Rechtsmittelverzichts erst mit ungenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/12/0023; 21.12.2016, Ra 2014/10/0054).

Die Beschwerdevorentscheidung vom 09.08.2021 wurde der Beschwerdeführerin am 10.08.2021 durch persönliche Übernahme des Bescheides rechtswirksam zugestellt. Innerhalb der gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG vorgesehenen zweiwöchigen Frist wurde kein Vorlageantrag eingebracht. Der Bescheid wurde somit nach ungenütztem Ablauf der zweiwöchigen Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags am 24.08.2021 unanfechtbar und formell rechtskräftig.

Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen die Rückforderung einer unberechtigt empfangenen Leistung im angefochtenen Bescheid richtet, erweist sie sich somit als nicht berechtigt. Die belangte Behörde stützte die Rückforderung zu Recht auf § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG, welcher die Verpflichtung zum Rückersatz von Leistungen anordnet, die wegen „Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels“ weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.

Ein solcher Sachverhalt liegt dem gegenständlichen Fall zugrunde, da die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Zeitraum der Ausschlussfrist vom 26.05.2021 bis 06.07.2021 im Ausmaß von insgesamt € 1.380,12 nur wegen der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.06.2021 vorläufig weiterhin an die Beschwerdeführerin ausbezahlt wurde und das Verfahren mit der rechtskräftigen Entscheidung des AMS vom 09.08.2021 geendet hat, dass der Verlust der Notstandshilfe zu Recht ausgesprochen wurde.

Das Vorbringen in der Beschwerde, welches das Verfahren betreffend die Bezugssperre betrifft, vermag daran nichts zu ändern, da dieses – wie festgestellt – rechtskräftig abgeschlossen ist. Bezüglich der vom AMS ausgesprochenen Rückzahlungsverpflichtung wird die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit verwiesen, bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS die Gewährung von Zahlungserleichterungen (z.B. Ratenzahlungen) zu beantragen.

3.4. In Anbetracht der vorliegenden Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein Eingehen auf den in Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides verfügten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

Die Beschwerde war zur Gänze als unbegründet abzuweisen.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Beschwerdeführerin hat einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Das Gericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aber auch von Amts wegen nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war. Im vorliegenden Fall liegen keine widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschafft (vgl. zu den Fällen, in denen von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, etwa VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0171). Die Beschwerdeführerin hat lediglich die – rechtskräftig entschiedene und nicht den Gegenstand dieses Verfahrens bildende – Bezugssperre thematisiert. Sie trat weder der Rechtskraft der Beschwerdevorentscheidung vom 09.08.2021 noch der Höhe des Rückforderungsbetrages entgegen. Bei Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung handelt es sich zwar um „civil rights“ iSd Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra 2016/08/0142, mwN). Da jedoch im gegenständlichen Fall keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten, stehen dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (vgl. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Notstandshilfe Rechtskraft der Entscheidung Rückforderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W238.2247893.1.00

Im RIS seit

03.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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