TE Vfgh Erkenntnis 2021/10/6 V17/2021 ua (V17-18/2021-10)

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Veröffentlicht am 06.10.2021
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art139 Abs1 Z3
StGG Art2
COVID-19-MaßnahmenG §3, §7
EpidemieG 1950 §5c, §43a
COVID-19-MaßnahmenV des Landeshauptmannes von Vorarlberg LGBl 92/2020 §2
2. COVID-19-NotmaßnahmenV BGBl II 598/2020 §3, §4, §7
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch eine Vorarlberger COVID-19-MaßnahmenV betreffend das Speisen- und Getränkeabholverbot (take away) von Gastronomiebetrieben, die nicht über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße erreichbar sind; Unsachlichkeit des (ausschließlichen) Kriteriums der Erreichbarkeit von "Schihütten" durch ein Kfz garantiert nicht, Speisen und Getränke unter Einhaltung des Mindestabstands konsumieren zu können

Spruch

I. 1. §2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19, LGBl für Vorarlberg Nr 92/2020, war gesetzwidrig.

2. Die als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

II. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, den Antragstellern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.357,60 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

Gestützt auf Art139 B-VG begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge §2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 92/2020, als verfassungs- und gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 104/2020 lauteten wie folgt:

"Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln

§3. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung

1. das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,

2. das Betreten und das Befahren von Arbeitsorten oder nur bestimmten Arbeitsorten gemäß §2 Abs3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und

3. das Benutzen von Verkehrsmitteln oder nur bestimmten Verkehrsmitteln

geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

(2) In einer Verordnung gemäß Abs1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten und befahren oder Verkehrsmittel benutzt werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.

[…]

Zuständigkeiten

§7. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.

(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs1 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §5 bedürfen der Zustimmung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers.

(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs1 oder 2 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §5 bedürfen der Zustimmung des Landeshauptmanns.

(4) In einer Verordnung gemäß Abs1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.

(5) Durch Verordnung gemäß Abs1 können Verordnungen gemäß Abs2 und 3 oder Teile davon aufgehoben werden. Durch Verordnung gemäß Abs2 können Verordnungen gemäß Abs3 oder Teile davon aufgehoben werden.

(6) Verordnungen gemäß Abs2 und 3 sind vor deren Inkrafttreten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mitzuteilen."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Notsituation auf Grund von COVID-19 getroffen werden (2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung – 2. COVID-19-NotMV), BGBl II 598/2020, lauteten auszugsweise:

"Massenbeförderungsmittel

§3. In Massenbeförderungsmitteln und den dazugehörigen U-Bahn-Stationen, Bahnsteigen, Haltestellen, Bahnhöfen und Flughäfen zuzüglich deren Verbindungsbauwerke ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Ist auf Grund der Anzahl der Fahrgäste sowie beim Ein- und Aussteigen die Einhaltung des Abstands von mindestens einem Meter nicht möglich, kann davon ausnahmsweise abgewichen werden.

Fahrgemeinschaften, Gelegenheitsverkehr, Seil- und Zahnradbahnen

§4. […]

(3) Für die Benützung von Seil- und Zahnradbahnen gilt:

1. §3 gilt sinngemäß, wobei in geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln (Gondeln, Kabinen, abdeckbaren Sesseln) und in geschlossenen Zugangsbereichen von Seil- und Zahnradbahnen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine äquivalente bzw einem höheren Standard entsprechende Maske zu tragen ist.

2. In geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln dürfen höchstens so viele Personen gleichzeitig befördert werden, dass die Hälfte der Beförderungskapazität des Fahrbetriebsmittels nicht überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn ausschließlich Personen aus demselben Haushalt befördert werden.

(4) Der Betreiber von Seil- und Zahnradbahnen hat basierend auf einer Risikoanalyse ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19- Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und umzusetzen. Das COVID-19-Präventionskonzept hat insbesondere zu enthalten:

1. spezifische Hygienevorgaben,

2. Regelungen zum Verhalten bei Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion,

3. Risikoanalyse,

4. Regelungen betreffend die Nutzung sanitärer Einrichtungen,

5. Regelungen betreffend die Konsumation von Speisen und Getränken,

6. Regelungen zur Steuerung der Kundenströme und Regulierung der Anzahl der Kunden,

7. Entzerrungsmaßnahmen, wie Absperrungen und Bodenmarkierungen,

8. Vorgaben zur Schulung der Mitarbeiter in Bezug auf Hygienemaßnahmen.

Der Betreiber hat die Einhaltung dieser Bestimmungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.

[…]

Gastgewerbe

§7. (1) Das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes ist untersagt.

(2) Abs1 gilt nicht für Gastgewerbebetriebe, die innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1. Krankenanstalten und Kuranstalten,

2. Alten-, Pflege- und Behindertenheimen,

3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten,

4. Betrieben

wenn diese ausschließlich durch die dort betreuten, untergebrachten oder nicht zum bloßen Besuch aufhältigen Personen oder durch Betriebsangehörige genutzt werden.

(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht bzw ausgeschenkt werden. Die Verabreichung und Konsumation hat tunlichst in der Wohneinheit zu erfolgen.

(4) Abs1 gilt nicht für öffentliche Verkehrsmittel, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Benutzer des öffentlichen Verkehrsmittels verabreicht bzw ausgeschenkt werden.

[…]

(7) Abweichend von Abs1 ist die Abholung von Speisen und alkoholfreien sowie in handelsüblich verschlossenen Gefäßen abgefüllten alkoholischen Getränken zwischen 06.00 und 19.00 Uhr zulässig. Die Speisen und Getränke dürfen nicht im Umkreis von 50 Metern um die Betriebsstätte konsumiert werden. Bei der Abholung ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten sowie eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

(8) Abs1 gilt nicht für Lieferservices."

3. Die Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 (Landes-COVID-19-Maßnahmenverordnung – Landes-COVID-19-MV), LGBl 92/2020, (der angefochtene §2 ist hervorgehoben) lautete wie folgt:

"Auf Grund des §3 Abs1 Z1 und §7 Abs2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020, in der Fassung BGBl I Nr 16/2020, Nr 23/2020 und Nr 104/2020, sowie des §5c und §43a Abs2 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, in der Fassung BGBl I Nr 104/2020 und Nr 136/2020, wird verordnet:

Erhebung von Kontaktdaten in Gastronomiebetrieben

§1. (1) Der Betreiber eines Gastronomiebetriebes gemäß §7 Abs2 der 3. COVID-19-SchuMaV bzw nach §7 Abs2 der 2. COVID-19-NotMV oder eines Gastronomiebetriebes in einem Beherbergungsbetrieb gemäß §7 Abs3 der 3. COVID-19-SchuMaV bzw §7 Abs3 der 2. COVID-19-NotMV, hinsichtlich derer eine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe erforderlich ist, hat von Personen, die sich länger als 15 Minuten im Gastronomiebetrieb aufhalten, zum Zweck der Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit von Kontakten zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 folgende personenbezogenen Daten schriftlich zu erheben:

a) den Familien- und den Vornamen; und

b) die Telefonnummer oder die E-Mail-Adresse.

Im Fall von Besuchergruppen, die ausschließlich aus im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen bestehen, genügt die Erhebung der personenbezogenen Daten von nur einer dieser Besuchergruppe angehörigen erwachsenen Person.

(2) Der Betreiber hat die personenbezogenen Daten nach Abs1 mit Datum und Uhrzeit des Betretens der Betriebsstätte bzw der gastronomischen Einrichtung im Beherbergungsbetrieb zu versehen und, soweit vorhanden, auch die Nummer des Verabreichungsplatzes zu vermerken und diese Daten geordnet für die Dauer von 28 Tagen aufzubewahren. Er hat dafür zu sorgen, dass die erhobenen Daten nicht durch Dritte einsehbar sind.

(3) Der Betreiber hat der Bezirkshauptmannschaft auf deren Verlangen die Daten nach Abs1 und 2 ohne unnötigen Aufschub zu übermitteln. Die Daten sind in elektronischer Form zu übermitteln, wenn diese vom Betreiber entsprechend verarbeitet worden sind.

(4) Der Betreiber darf die Daten nach Abs1 und 2 ausschließlich zu dem im Abs1 genannten Zweck verarbeiten und der Bezirkshauptmannschaft im Umfang ihres Verlangens übermitteln. Die Bezirkshauptmannschaft darf die Daten nur zu dem im Abs1 genannten Zweck verarbeiten.

(5) Die Verarbeitung der Daten nach Abs1 und 2 einschließlich der Übermittlung an die Bezirkshauptmannschaft hat unter angemessener Berücksichtigung der Erfordernisse des Datenschutzes zu erfolgen. Dazu hat der Betreiber geeignete Datensicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.

(6) Der Betreiber hat die Daten nach Abs1 und 2 nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist (Abs2) unverzüglich zu löschen.

(7) Den Pflichten nach Abs1 bis 3 kann der Betreiber auch durch Verwendung eines digitalen Registrierungssystems nachkommen, sofern sichergestellt ist, dass auf Verlangen der Bezirkshauptmannschaft zumindest verifizierte Daten nach Abs1 litb in Verbindung mit Abs2 übermittelt werden.

Ergänzendes Verbot der Abholung von Speisen und Getränken

§2. Die Abholung von Speisen und Getränken ist bei solchen Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten unzulässig, die durch Gäste nicht mit Kraftfahrzeugen über Straßen erreicht werden können, deren Benutzung durch die Allgemeinheit vom Willen des Grundeigentümers oder Straßenerhalters unabhängig ist.

Verweise

§3. (1) Verweise auf die 3. COVID-19-SchuMaV beziehen sich auf die 3. COVID-19- Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 566/2020, in der Fassung BGBl II Nr 598/2020.

(2) Verweise auf die 2. COVID-19-NotMV beziehen sich auf die 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl II. Nr 598/2020.

Inkrafttreten, Außerkrafttreten, Übergangsbestimmung

§4. (1) Diese Verordnung tritt am 24. Dezember 2020 in Kraft.

(2) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung des Landeshauptmannes über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19, LGBl.Nr 63/2020, in der Fassung LGBl.Nr 70/2020, Nr 74/2020, Nr 78/2020 und Nr 84/2020, außer Kraft."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragsteller betreiben jeweils eine Hütte im Schigebiet Bödele.

1.1. Zu ihrer Antragslegitimation führen sie zusammengefasst aus, sie würden eine Hütte im genannten Schigebiet in der Nähe des Sesselliftes Lank betreiben. Im Gebiet dieser Hütten befände sich eine Langlaufloipe, es handle sich um ein beliebtes "Tourengehergebiet"; die Lifte seien geöffnet. Die Hütten seien mit Personenkraftwagen nicht erreichbar. Das Bödele werde durch eine Passstraße erschlossen. Am Pass befänden sich Parkplätze für Schifahrer und Wanderer, von denen die Hütten zu Fuß ca 10 bzw 13 Minuten entfernt seien.

1.2. An der Passstraße befänden sich ein (näher bezeichnetes) Berggasthaus und die Talstation des Schleppliftes Hochälpele (Umkreis zu den Hütten ca 300 bis 400 m), welche Gastronomie betrieben und mit Take Away geöffnet hätten.

1.3. Die Antragsteller hätten für die Wintersaison 2020/2021 im Vertrauen auf die Öffnung ihrer Schihütten in Form eines Take Away-Standes Waren eingekauft sowie Umbauten vorgenommen. Durch die bekämpfte Verordnung seien sie unmittelbar und individuell betroffen, da es ihnen verboten sei, ihre Schihütten für Gäste aufzusperren. Falls sie die Schihütten aufsperren würden, drohe ihnen ein Verwaltungsstrafverfahren. Wenn sie dies für mehrere Tage täten, könnte für jeden Tag eine eigene Strafe verhängt werden, was den wirtschaftlichen Ruin der Antragsteller bedeuten würde. Schon aus diesem Grund sei es für die Antragsteller unzumutbar, ein Verwaltungsstrafverfahren abzuwarten. Es sei den Antragstellern auch im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht zumutbar, eine strafbare Handlung zu setzen, um ein Verfahren zu provozieren (VfSlg 12.379/1990, 14.260/1995, 17.731/2005 uva.). Hinzu komme, dass durch die Öffnung der Schihütten ein Konkurrent oder ein Verein gegen den unlauteren Wettbewerb eine Klage mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung – gestützt auf das UWG – einbringen könnte, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genehmigt werden würde.

1.4. Die Antragsteller hegen Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz, das Bestimmtheitsgebot und das Legalitätsprinzip sowie das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

1.5. Zum Gleichheitssatz halten die Antragsteller das Folgende fest:

1.5.1. Unsachliche Differenzierungen seien nach dem Grundsatz des allgemeinen Sachlichkeitsgebotes verboten (VfSlg 15.836/2000). Unter dem Gesichtspunkt, dass in Österreich Restaurants und andere Gastronomiebetriebe sehr wohl ihre Produkte über Take Away verkaufen könnten, sei es nicht nachvollziehbar, warum Schihütten, die keinen Zugang mit einem Kraftfahrzeug über eine Straße hätten, dies nicht dürfen sollten. Der vor Erlassung der Verordnung und in Medien genannte Grund, dass damit ein Ansturm in Schigebiete verhindert werden sollte, habe sich als "absurd" erwiesen. Die Bilder im Fernsehen, in den Printmedien und auch in den sozialen Medien zeigten, dass die Schigebiete und Schilifte wie selten zuvor von den Menschen gestürmt worden seien, obwohl die Schihütten geschlossen gewesen seien. Es habe sich somit erwiesen, dass dieses Verbot unwirksam, willkürlich und ohne entsprechende Begründung erlassen worden sei. Es sei auch kein weiterer Grund aus den bisher veröffentlichten Stellungnahmen ersichtlich, warum bei Schihütten Take Away nicht erlaubt sein sollte.

1.5.2. Es sei willkürlich und auch nicht gesundheitspolitisch erklärbar, dass Gastronomiebetriebe, die nicht mit einem Kraftfahrzeug über eine Straße erreicht werden könnten, nicht öffnen dürften, jeder andere schon. Die Reduzierung auf die Frage des Zugangs, um, wie das Gesetz fordere, die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern, sei mit keinem nachvollziehbaren Argument erklärbar. Die vom Gesetz geforderte Erforderlichkeit sei ebenfalls nicht nachvollziehbar.

1.5.3. Auch eine sinnvolle Unterscheidung zwischen normaler Gastronomie und Schihütten, die nicht mit einem Kraftfahrzeug über eine Straße erreicht werden können, sei bis zum heutigen Tage nicht getroffen worden; selbst unter Anwendung von "Denksportaufgaben" (siehe VfSlg 12.420/1990) sei eine nachvollziehbare Erklärung nicht möglich. Die Verordnung sei somit willkürlich erlassen worden.

1.6. Zum Bestimmtheitsgebot führen die Antragsteller Folgendes aus:

1.6.1. Der Begriff "Schigebiet" sei in der Verordnung nicht genau definiert. Umgangssprachlich umfasse ein "Schigebiet" nicht nur die Schipisten samt den dazugehörigen Gastronomiebetrieben, sondern auch die Ortschaften. So spreche man zum Beispiel vom Schigebiet Obertauern, Arlberg, Stubaital etc. Auch das zugrunde liegende Gesetz (COVID-19-MG) kenne den Begriff "Schigebiet" nicht. Eine Legaldefinition in einem Bundesgesetz sei nicht zu finden. In mehreren Landesgesetzen, insbesondere im Schischulrecht, werde der Begriff "Schigebiet" verwendet. Diese Definitionen könnten jedoch nicht als Grundlage für eine Verordnung in der mittelbaren Bundesverwaltung herangezogen werden.

1.6.2. Schon unter diesem Gesichtspunkt verstoße die Verordnung gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG. Der Verordnungsgeber hätte bei richtiger Anwendung den Begriff "Schigebiet" definieren müssen, so wie dies in vielen anderen generellen Normen der Fall sei. Bei den Normen der Europäischen Union sei es seit Jahrzehnten üblich, dass am Anfang Definitionen der verwendeten Begriffe gegeben würden. Auch der österreichische Gesetzgeber habe diese Technik schon des Öfteren angewendet. Ohne eine entsprechende Definition könne gerade bei mehreren möglichen Definitionen nicht davon gesprochen werden, dass dem Bestimmtheitsgebot Genüge getan worden sei.

1.7. Das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sehen die Antragsteller aus folgenden Gründen verletzt:

1.7.1. Das Grundrecht der Erwerbsfreiheit in Art6 StGG regle neben dem Erwerbsantritt die Erwerbsausübung jedweder Form (VfSlg 19.909/2014). Der Verfassungsgerichtshof unterscheide in seiner Rechtsprechung zwischen dem Antritt und der Ausübung, "dabei wird die Zulässigkeit der Einschränkung differenziert". Wenn die Ausübung soweit eingeschränkt werde, dass es einem Verbot der Ausübung gleichkomme, wie im vorliegenden Fall, so verlange der Verfassungsgerichtshof dieselben Kriterien wie bei den Beschränkungen des Zuganges (VfSlg 20.002/2015). Zwar vertrete der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der Einschränkung der Erwerbstätigkeit eine strikte Linie. Dennoch sei darauf zu verweisen, dass nach neuester Rechtsprechung (VfSlg 20.090/2016) "eine weitere Interpretation" als gegeben angenommen werde. Das faktische Verbot des Öffnens der Schihütte, wenn auch nur für einen bestimmten Zeitraum, sei ein solcher Eingriff.

1.7.2. Bei der Prüfung des öffentlichen Interesses könne der Gesundheitsschutz der Bevölkerung herangezogen werden (vgl VfSlg 20.151/2017). Die angefochtene Verordnung verweise wohl auf das COVID-19-MG, es sei jedoch nicht ersichtlich, wodurch der Gesundheitsschutz gerade bei den Schihütten, die nicht mit einem Kraftfahrzeug über eine Straße erreichbar seien, im Vergleich zu anderen Gastronomiebetrieben erreicht werden solle. Die Bilder vom Semmering und von anderen Schiorten in Österreich würden sehr deutlich zeigen, dass auch ohne Gastronomie die Pisten bevölkert würden. Ein Nachweis des effektiven Gesundheitsschutzes sei auch nicht erbracht worden. Die Meldungen in den Medien vor dem Erlass der Verordnung zeige eine Vorgehensweise, gemäß der die Schilifte um jeden Preis geöffnet werden sollten, jedoch die anderen Betriebe gesperrt werden mussten, um einen Ansturm von Gästen zu vermeiden. Ein Andrang bei den Liften sei viel stärker und gesundheitsgefährdender als eine wohl durchdachte Take Away-Station an einer Piste.

1.7.3. Hinsichtlich der Eignung und Adäquanz stelle sich die Frage, ob die Verordnung das öffentliche Interesse umsetze. Wenn es das Ziel sei, die Ausbreitung von COVID-19 zu verlangsamen oder zu verhindern, stelle sich bei der Prüfung der Verordnung heraus, dass eine bloß teilweise Einschränkung des Take Away-Kaufs in bestimmten Bereichen weder adäquat noch geeignet sei. Es würden keinerlei nachweisbare gesundheitsbezogene Aspekte vorliegen, die eine solche Einschränkung (beschränkt auf Schigebiete) als nachvollziehbar erscheinen ließen. Wenn wirklich eine Gefahr durch Take Away-Gastronomie bestünde, hätte der Gesetzgeber ein generelles Verbot erlassen müssen und nicht die Landeshauptleute ermächtigen dürfen, für ihr Bundesland solche Verordnungen zu erlassen.

1.7.4. Auch die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben. "Die Stärke der Einschränkung – faktisches Verbot der Ausübung – noch der nicht nachweisbare Gesundheitsschutz, wie die Verordnung es vermeint, sind miteinander in Einklang zu bringen." Grundsätzlich sei nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes der Gesundheitsschutz ein sehr wichtiger Aspekt, jedoch könne hier keine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden, da keinerlei Aspekte zu finden seien, die eine Sperre in irgendeiner Form rechtfertigen würden.

1.8. Zum Legalitätsprinzip (Art18 Abs2 B-VG) bringen die Antragsteller vor, es stelle sich die Frage, ob die Erlassung der angefochtenen Verordnung in Bezug auf die Schigebiete eine entsprechende gesetzliche Grundlage gehabt habe, wodurch die vorgenommene Einschränkung auf "Schigebiete" gerechtfertigt sei. Wie oben dargestellt, fehle eine solche.

2. Der Landeshauptmann von Vorarlberg hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er den Bedenken der Antragsteller zusammengefasst wie folgt entgegentritt:

2.1. Zur Zulässigkeit führt die verordnungserlassende Behörde aus, die angefochtene Bestimmung sei mit Ablauf des 14. März 2021 außer Kraft getreten und daher zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht mehr unmittelbar wirksam. Die Anträge seien daher als unzulässig zurückzuweisen.

2.2. In der Sache führt die verordnungserlassende Behörde aus, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vbg Landes-COVID-19-MV am 24. Dezember 2020 sei die 3. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (3. COVID-19-SchuMaV) in Kraft gewesen, der am 26. Dezember 2020 durch die 2. COVID-19-NotMV derogiert worden sei. Auf die 2. COVID-19-NotMV seien die 3. und 4. COVID-19-NotMV gefolgt; seit 8. Februar 2021 sei die 4. COVID-19-SchuMaV in Kraft. Mit der 3. COVID-19-SchuMaV sei die Benützung von Seil- und Zahnradbahnen auch Breitensportlern zur Sportausübung zugänglich gewesen. Von der 3. COVID-19-SchuMaV bis zur 4. COVID-19-SchuMaV finde sich in sämtlichen Schutz- und Notmaßnahmenverordnungen des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ein Verbot des Betretens und Befahrens von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes (§7 Abs1), wobei eine Ausnahme für die Abholung von Speisen und Getränken unter näher genannten Voraussetzungen vorgesehen sei; die Speisen und Getränke dürften nicht im Umkreis von 50 Metern um die Betriebsstätte konsumiert werden und bei der Abholung gegenüber haushaltsfremden Personen sei ein Mindestabstand einzuhalten.

2.3. Zur epidemiologischen Situation in Vorarlberg sei auszuführen, dass die 7-Tages-Inzidenz mit Stand 21. Dezember 2020 auf einem hohen Niveau von 200 gelegen und Vorarlberg damit österreichweit im oberen Spitzenfeld gelegen sei. Die 7-Tages-Inzidenz sei damit im Bereich des sehr hohen Risikos gelegen (vgl die Empfehlung der Corona-Kommission vom 22.12.2020 im Verwaltungsakt). Die Hospitalisierung mit COVID-19-Patienten sei im Vergleich zu Anfang Dezember zwar langsam rückläufig gewesen, habe sich jedoch weiterhin auf einem sehr hohen kritischen Niveau befunden. Die ICU-Auslastung der Intensivstationen sei bei 48 % gelegen (vgl die Prognose Spitalsbelag COVID-19/Prognose Intensivstation im Verwaltungsakt). Die Corona-Kommission habe sich am 22. Dezember 2020 einstimmig für die Einstufung "sehr hohes Risiko" für Vorarlberg und das gesamte Bundesgebiet ausgesprochen. Auch die zunehmende Verbreitung von neuartigen Varianten von SARS-CoV-2 sei zu dieser Zeit mit der gebotenen Vorsicht zu beobachten gewesen. Die Einstufung als Gebiet mit "sehr hohem Risiko" habe bedeutet, dass insbesondere im Bereich spezifischer Gefährdungslagen im Zusammenhang mit der Attraktivität Vorarlbergs in Schigebieten zusätzliche Schutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen gewesen seien.

2.4. Der angefochtenen Verordnung fehle es nicht an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage: Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz habe die 3. COVID-19-SchuMaV erlassen, die mit 17. Dezember 2020 in Kraft getreten sei. In §7 Abs1 leg cit werde ein umfassendes Betretungsverbot von Gastgewerbebetrieben normiert, wobei jedoch gemäß §7 Abs7 das Abholen von Speisen und Getränken unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werde. Auf Grund der Öffnung der Zahn- und Seilradbahnen für den Breitensport ab dem 24. Dezember 2020 sowie der dargestellten epidemiologischen Situation habe sich für die verordnungserlassende Behörde die Notwendigkeit ergeben, von seiner ihr gemäß §7 Abs2 COVID-19-MG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, zusätzliche Maßnahmen zum Betretungsverbot von Gastgewerbebetrieben zu erlassen. Die angefochtene Bestimmung finde daher in den §§3 Abs1 Z1 und 7 Abs2 COVID-19-MG ihre gesetzliche Grundlage.

2.5. Der in der Vbg Landes-COVID-19-MV verwendete Begriff "Schigebiet" sei hinreichend klar bestimmt: In den Erläuterungen zur Verordnung werde ausgeführt, dass als Schigebiete jene Gebiete zu verstehen seien, die nach Kauf einer Liftkarte und unter Zuhilfenahme der Liftanlagen, zu deren Benutzung die Liftkarte berechtigt, durch Schiabfahrten erreichbar seien. Nicht darunter fielen etwa Fußgängerzonen in Talorten. Das in den Materialien erläuterte Verständnis sei auch mit dem Regelungszweck der bekämpften Bestimmung in Einklang zu bringen, gehe es doch darum, dass gerade in jenen Gebieten zusätzliche Schutzmaßnahmen für erforderlich erachtet worden seien, die durch Liftanlagen im Zusammenhang mit der Ermöglichung von Take Away bei fehlender Verkehrsanbindung durch Kraftfahrzeuge mit einem gehäuften Zusammentreffen von Menschen zu rechnen sei. Zudem decke sich das in den Materialien erläuterte Verständnis des Begriffes "Schigebiet" weitestgehend mit dem Begriffsverständnis anderer Rechtsvorschriften (vgl §§5 Abs3, 13 Abs3, 17 Abs8 Vbg Schischulgesetz; Anhang 1 zum UVP-G 2000, Fußnote 1a zu Z12).

2.6. Dem Vorwurf der unsachlichen Differenzierung werde Folgendes entgegnet: Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten, "Schihütten", die nicht mit Kraftfahrzeugen über öffentliche Straßen erreicht werden können, hätten insbesondere in den Wintermonaten eine große Anziehungskraft auf erholungs- aber auch gesellschaftssuchende Personen. Dementsprechend groß sei der Andrang auf diese Schihütten bereits vor Öffnung der Schilifte für den Breitensport durch Winterwanderer, Rodler, Schitourengeher usw gewesen. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Personen, die bei Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten ohne Zufahrtsmöglichkeiten im Rahmen eines Take Away Speisen und Getränke erwerben, diese in unmittelbarer Nähe zu diesen konsumieren wollen, zumal es den Gästen auch um das gemeinsame und gesellige Beisammensein und das Genießen des Bergpanoramas gehe. Die Annehmlichkeiten der Gastgewerbebetriebe würden genutzt, um sich von den Anstrengungen des Sports kürzer oder länger zu erholen, sodass – bedingt durch die potentiell hohe Personenanzahl in Schigebieten – mit einer Situation zu rechnen sei, die das Einhalten des Mindestabstandes praktisch unmöglich machen würde. Daher vermöge die allgemeine Regelung des §7 Abs7 3. COVID-19-SchuMaV nicht zu vermeiden, dass es im Nahbereich dieser Betriebsstätten zu größeren Menschenansammlungen komme. Dabei sei auch das oft sehr beengte Platzangebot rund um Gastgewerbebetriebe inmitten des Schigebietes, aber abseits der unmittelbaren Piste, zu berücksichtigen. Ein mit Einhaltung der gebotenen Mindestabstände verbundenes Abdrängen der Pause- und Jausesuchenden auf die Schipiste wäre auch aus dem Aspekt der Sicherheit problematisch. Auch dies unterscheide die "Schihütte" vom Gastgewerbebetrieb bei einer Talstation. Bei Betriebsstätten des Gastgewerbes bei Talstationen, die eine direkte Zufahrtsmöglichkeit für Kraftfahrzeuge iSd KFG 1967 hätten, sei regelmäßig eine entsprechend große befestigte Fläche als Parkplatz angeschlossen. Dies schmälere die Attraktivität für einen längeren Aufenthalt, die Personen könnten sich leichter verteilen und die Gäste könnten ihre Kraftfahrzeuge aufsuchen, um die Speisen zu konsumieren oder sie könnten am Ende des Schitages Essen und Getränke für die Fahrt nach Hause mitnehmen. Für diese Ausgabestellen bestehe daher nicht dieselbe Wahrscheinlichkeit einer über eine gewisse Zeit anhaltenden Anhäufung von Menschen unter Nichteinhaltung des Mindestabstandes, sodass ein generelles Take Away-Verbot in Schigebieten als nicht notwendig erachtet worden sei. Auch sei die Situation bei Gastronomiebetrieben in Fußgängerzonen grundlegend anders gelagert, da es – auch abseits der pandemischen Situation – der Lebenserfahrung entspreche, dass bei dort ansässigen gastronomischen Betrieben regelmäßig Speisen und Getränke zum Verzehr abgeholt werden, um diese nicht in unmittelbarer Nähe zur Gaststätte zu konsumieren. Dementsprechend würden die Erläuterungen zu §2 Vbg Landes-COVID-19-MV ausführen, dass es ohne das darin normierte Verbot zu größeren Menschenansammlungen kommen würde, wenn das Mitgenommene nicht wie bei anderen außerhalb von Schigebieten gelegenen Gastronomiebetrieben mit einem Kraftfahrzeug über das öffentliche Straßennetz abtransportiert werden könne. Zwar könnte auch eine Mitnahme von Speisen und Getränken in einem Rucksack während der Gondelfahrt erfolgen, doch sei dies nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen.

2.7. Die angefochtene Regelung sei auch erforderlich gewesen: Die grundsätzliche Zielsetzung des COVID-19-MG sei durch den allgemeinen Regelungszusammenhang ausreichend erkennbar. Durch Betretungsverbote für Betriebsstätten würden die das Infektionsgeschehen befördernden Kontakte von Menschen, wenn diese zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen eine Betriebsstätte aufsuchen, eingedämmt. Dabei habe ein Abwägungsprozess von öffentlichen Interessen und grundrechtlich geschützten Einzelinteressen vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens stattzufinden. Das Schifahren bzw der Wintersport hätten in Vorarlberg einen sehr hohen Stellenwert. Selbst dann, wenn auf Grund der epidemiologischen Situation die Beherbergungsbetriebe geschlossen seien und nicht mit ausländischen Wintersporttouristen gerechnet werden könne, sei mit einem großen Andrang in die Schigebiete zu rechnen. Demgegenüber stehe der großen Anzahl an Wintersportlern nur eine begrenzte Anzahl an Gastgewerbebetrieben in den Schigebieten zur Verfügung. Das angefochtene Verbot des Abholens von Speisen und Getränken in Schihütten sei geeignet, um das Ziel der Maßnahme zu erreichen. Das Verbot sei auf Grund der dargestellten epidemiologischen Situation erforderlich und angemessen, da ohne ein entsprechendes Verbot Menschenansammlungen im Umkreis von 50 Metern um die Gastronomiebetriebe vorprogrammiert wären, wobei die Einhaltung des Mindestabstandes von zwei Metern bei beengtem Platzangebot und das Tragen eines Mund-Nasenschutzes bzw einer FFP2-Maske bei der Konsumation von Speisen und Getränken nicht möglich seien. Weniger einschneidende Maßnahmen hätten nicht gefunden werden können; auch die Antragsteller hätten kein gelinderes Mittel aufgezeigt. Überlegungen, das Take Away-Verbot nur für jene Wintersportler vorzusehen, die die Schilifte benutzen, nicht aber für Winterwanderer, Schitourengeher, Rodler usw, seien in der Praxis weder überprüf- noch vollziehbar. Zeitliche Beschränkungen – etwa ein Verbot während der Mittagszeit – würden die Menschenmengen lediglich in die Vormittags- oder Nachmittagsstunden verlagern.

2.8. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass krisenhafte Situationen wie die vorliegende Pandemie dadurch gekennzeichnet seien, dass staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Ursache, Auswirkungen und Verbreitung der Krankheit unter erheblichem Zeitdruck und insofern unter Unsicherheitsbedingungen getroffen werden müssen, als Wissen darüber zu einem großen Teil erst nach und nach gewonnen werden könne und Auswirkungen wie Verbreitung von COVID-19 notwendig einer Prognose unterliegen (VfGH 1.10.2020, V405/2020, Rz 27). Es sei faktisch fast unmöglich, die Wirksamkeit einer einzelnen Maßnahme zu evaluieren. Nur der Effekt eines Maßnahmenbündels schlage sich in der Regel im Infektionsgeschehen nieder. Die laufend erhobene Infektionslage für Vorarlberg zeige auf, dass die getroffenen Maßnahmen in ihrer Zusammenschau teilweise als effektiv erachtet werden könnten. Ausgehend von den ungünstigen Zahlen zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung habe sich die epidemiologische Lage in Vorarlberg seither etwas entspannt. Seit Anfang Februar 2021 verzeichne Vorarlberg eine 7-Tages-Inzidenz von unter 100, durch die Corona-Kommission sei eine Einstufung mit "hohem Risiko" erfolgt (Stand 25. Februar 2021).

2.9. Zur behaupteten Verletzung des Grundrechtes auf Erwerbsfreiheit sei festzuhalten, dass die angefochtene Bestimmung nicht als dauerhafte Maßnahme konzipiert sei, sondern nur so lange in Kraft stehe, als dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sei. Mit der angefochtenen Bestimmung werde die bislang von den Antragstellern rechtmäßig ausgeübte Tätigkeit nicht zur Gänze eingestellt, vielmehr führe die Maßnahme zu deren vorübergehenden Unterbrechung. Den Antragstellern wäre es auch grundsätzlich möglich, Getränke und Speisen in Form eines Lieferservice (§7 Abs8 3. COVID-19-SchuMaV) anzubieten. Weiters seien nur ganz bestimmte Betriebsstätten des Gastgewerbes von der angefochtenen Bestimmung erfasst. Die Maßnahme sei zudem im Lichte des umfangreichen Maßnahmen- und Rettungspaketes zu betrachten, das in seiner Gesamtheit darauf abziele, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Betretungsverbotes auf die betroffenen Unternehmer bzw die allgemeinen Folgen der Pandemie abzufedern, sodass nach dem Ende der Pandemie ein Weiterbetrieb möglich sein sollte. Die angefochtene Bestimmung diene dem öffentlichen Interesse des Schutzes der Gesundheit und sei zur Zielerreichung geeignet, weil sie Menschenansammlungen bei beengten Platzverhältnissen zur Konsumation von Speisen und Getränken verhindere. Es bestehe kein gleichwertiges alternatives oder gelinderes Mittel, das in vergleichbarer Weise der Minimierung des Infektionsrisikos dienen könne. Die wertende Abwägung zwischen den Rechtsschutzinteressen zeige, dass der Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit auf Grund des öffentlichen Interesses erfolge. In der Zusammenschau zeige sich die Adäquanz der angefochtenen Maßnahme, womit auch deren Verhältnismäßigkeit gegeben sei.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat die zu V17/2021 und V18/2021 protokollierten Verfahren in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

1.2. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

1.3. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.4. §2 Vbg Landes-COVID-19-MV untersagte ab dem 24. Dezember 2020 die Abholung von Speisen und Getränken bei solchen Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten, die durch Gäste nicht mit Kraftfahrzeugen über Straßen erreicht werden können, deren Benutzung durch die Allgemeinheit vom Willen des Grundeigentümers oder Straßenerhalters unabhängig ist. Die Antragsteller betreiben Gastgewerbebetriebe im Schigebiet Bödele, die nicht über eine Straße mit Kraftfahrzeugen erreichbar sind, und sind daher durch die in §2 Vbg Landes-COVID-19-MV angeordnete Maßnahme unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen.

1.5. §2 Vbg Landes-COVID-19-MV, LGBl 92/2020, stand im Zeitpunkt der Antragstellung (15. Jänner 2021) in Kraft, ist jedoch mit LGBl 17/2021 mit Ablauf des 14. März 2021 außer Kraft gesetzt worden (siehe §3 Abs6 Vbg Landes-COVID-19-MV idF LGBl 17/2021). Dies schadet in der vorliegenden Konstellation mit Blick auf die mit VfSlg 20.399/2020 beginnende Rechtsprechung nicht (vgl auch VfSlg 20.397/2020; VfGH 1.10.2020, V392/2020; 10.3.2021, V573/2020; 24.6.2021, V593/2020).

1.6. Im Hinblick auf die Verwaltungsstrafdrohung in §8 Abs3 COVID-19-MG (idF BGBl I 104/2020) steht den Antragstellern auch kein anderer zumutbarer Weg offen, die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

1.7. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.7.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.972/2015).

1.7.2. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).

1.7.3. Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

1.8. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzung zweifeln ließe. Die Bedenken der Antragsteller richten sich gegen §2 Vbg Landes-COVID-19-MV; die übrigen Bestimmungen der Vbg Landes-COVID-19-MV stehen in keinem untrennbaren Zusammenhang mit der angefochtenen Bestimmung und mussten daher nicht mit angefochten werden. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Die Anträge sind begründet.

Die Antragsteller bringen dieselben Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung vor, wie sie der – durch denselben Rechtsanwalt vertretene – Antragsteller in dem zu V5/2021 protokollierten Verfahren betreffend die inhaltlich gleichlautende Bestimmung in der Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete, LGBl für Oberösterreich 141/2020, geltend gemacht hat.

Der Verfassungsgerichtshof kann daher sinngemäß auf die diesbezüglichen Erwägungen zur Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung im Erkenntnis zu dieser Zahl verweisen (siehe Punkt IV.4. des Erkenntnisses vom 23. September 2021, V5/2021).

Der angefochtene §2 Vbg Landes-COVID-19-MV, LGBl 92/2020, erweist sich daher als gleichheitswidrig.

2.3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine weitere Prüfung, ob die angefochtene Bestimmung auch aus anderen Gründen gesetzwidrig war, insbesondere ob die verordnungserlassende Behörde ihrer Dokumentationspflicht im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nachgekommen ist (vgl grundlegend VfSlg 20.398/2020, 20.399/2020; weiters VfGH 24.6.2021, V592/2020; 24.6.2021, V593/2020).

2.4. Da §2 Vbg Landes-COVID-19-MV, LGBl 92/2020, mit Ablauf des 14. März 2021 außer Kraft getreten ist, genügt es festzustellen, dass die Bestimmung gesetzwidrig war (Art139 Abs4 B-VG).

V. Ergebnis

1. §2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 92/2020, war gesetzwidrig.

2. Der Ausspruch, dass die unter Punkt 1. genannte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art139 Abs6 B-VG.

3. Die Verpflichtung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche in Punkt 1. und 2. erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §61a VfGG. Da die Antragsteller durch denselben Rechtsanwalt vertreten sind (die Anträge sind nahezu ident), ist ihnen der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen 10-prozentigen Streitgenossenzuschlag, zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von €&

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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