TE Vfgh Erkenntnis 1994/12/14 B2160/93

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Veröffentlicht am 14.12.1994
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7400 Fremdenverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
BeitragsgruppenO (iSd Stmk TourismusG 1992), LGBl 28/1993
Stmk TourismusG 1992 §1 Z5 idF LGBl 61/1994

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die rückwirkende Änderung des Stmk TourismusG 1992 hinsichtlich des Kreises der Abgabepflichtigen; keine Bedenken gegen das Stmk TourismusG 1992 und die BeitragsgruppenO unter den Gesichtspunkten dieses Falles; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Einbeziehung eines Rechtsanwaltes und einer Maschinenleasinggesellschaft in den Kreis der abgabepflichtigen Tourismusinteressenten

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer Dr. J H ist Rechtsanwalt in Graz.

Er richtete am 27. September 1993 an das Stadtamt Graz folgende Eingabe:

"In außen bezeichneter Rechtssache" (gemeint: "Einspruch gem. §10 Abs3 des Tourismusgesetzes 1992, LGBl. 55/1992") "gebe ich bekannt, daß ich durch .... rechtsfreundlich vertreten werde. Gegen das Wählerverzeichnis des Tourismusverbandes Graz, in welchem ich aus mir nicht erfindlichen Gründen eingereiht wurde, erhebe ich

Einspruch

und begründe diesen wie folgt:

1. Die von mir ausgeübte Tätigkeit läßt mich unter keinen Umständen als Tourismusinteressent im Sinne einer verfassungsmäßig gebotenen Interpretation dieses Wortes erscheinen.

Ich kann nicht ersehen, was meine Tätigkeit mit dem Fremdenverkehr zu tun haben soll. ...

2. Aus den genannten Gründen stelle ich den

Antrag

die Streichung meiner Einordnung vorzunehmen."

2. Über diesen Einspruch entschied die Steiermärkische Landesregierung mit dem an Dr. J H adressierten Bescheid vom 9. November 1993 wie folgt:

"S p r u c h

Dem Einspruch von Dr. J H, vom 27.9.1993, gerichtet gegen die Aufnahme in das Verzeichnis der gesetzlichen Mitglieder des Tourismusverbandes Graz, wird gemäß §10 Abs3 und §27 Abs2 des Stmk. Tourismusgesetzes 1992 hinsichtlich der E & H Maschinenleasing OHG und Dr. E - Dr. H OHG

nicht stattgegeben.

B e g r ü n d u n g

....(Wiedergabe des §1 Z5 und des §8 Abs1 des Stmk. Tourismusgesetzes 1992)

Der Einspruch von Dr. J H kann sich nur auf folgende beitragsbegründende Tätigkeiten beziehen.

E & H Maschinenleasing OHG, Handelsgewerbe gem. §103 Abs1 litb) Z. 25 GewO 1973.

Dr. E - Dr. H OHG, Rechts- und Wirtschaftsdienste."

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

   4. Die Steiermärkische Landesregierung als jene Behörde, die

den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte den Akt des

Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in

der sie primär die Zurückweisung der Beschwerde begehrt, weil der

angefochtene Bescheid "für den Beschwerdeführer ... nicht

bestimmt" gewesen sei. Im übrigen verteidigt sie die Rechtmäßigkeit der angewendeten Rechtsvorschriften.

II.                                 Die hier maßgebende

Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Steiermärkisches TourismusG 1992 in der Stammfassung, LGBl. 55

§1 enthält die Begriffsbestimmungen, darunter in der Z5 die Definition des "Tourismusinteressenten":

"5. Tourismusinteressenten: alle natürlichen oder juristischen Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts sowie verwandte rechtsfähige Gesellschaftsformen, die in Steiermark eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des §2 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223, in der Fassung BGBl. Nr. 695/1991, selbständig ausüben und zu diesem Zweck in einer Tourismusgemeinde des Landes einen Sitz (Standort) oder eine Betriebsstätte im Sinne der §§25, 27 und 28 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung (LAO), LGBl. Nr. 158/1963, i.d.g.F., haben. Bei einer Erwerbstätigkeit ohne festen Standort ist der Wohnsitz im Sinne des §24 LAO des Inhabers der Berechtigung im Land Steiermark maßgebend."

Dem §8 Abs1 zufolge sind die Tourismusinteressenten sowie die Gemeinde(n) im Gebiet des Tourismusverbandes dessen gesetzliche Mitglieder.

Nach §10 Abs2 hat die Gemeinde alle gesetzlichen Mitglieder des Tourismusverbandes zu erheben und nach §10 Abs3 in einem (kundzumachenden) Verzeichnis festzuhalten. Gegen die Aufnahme oder Nichtaufnahme kann nach §10 Abs3 Einspruch erhoben werden, über den die Steiermärkische Landesregierung zu entscheiden hat.

Dem §27 Abs1 zufolge haben alle Tourismusinteressenten (§1 Z5) für jedes Kalenderjahr (Beitragszeitraum) Interessentenbeiträge zu entrichten. Näheres regeln die nachfolgenden Bestimmungen, so insbesondere §34 über die Beitragshöhe.

Gemäß §42 Abs1 trat dieses Landesgesetz mit 1. September 1992 in Kraft. Das (erste) Beitragsjahr begann mit 1. Jänner 1993.

2. Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. März 1993, LGBl. 28/1993 (Beitragsgruppenordnung)

"Auf Grund der §§29 und 30 des Steiermärkischen Tourismusgesetzes 1992, LGBl. Nr. 55/1992, wird verordnet:

§1

Für die Leistung von Interessentenbeiträgen werden die als Tourismusinteressenten in Betracht kommenden Berufsgruppen nach Maßgabe der einen wesentlichen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Anlage in Beitragsgruppen eingereiht.

§2

Berufsgruppen, die in der Anlage nicht angeführt sind, sind in allen Ortsklassen in Beitragsgruppe 5, solche des Großhandels in die Beitragsgruppe 6 eingereiht.

§3

..."

3. Gesetz vom 14. Juni 1994, LGBl. 61, mit dem das Stmk. TourismusG 1992 geändert wird (Stmk. TourismusG-Novelle 1994)

"Artikel I

Das Steiermärkische Tourismusgesetz 1992, LGBl. Nr. 55, wird geändert wie folgt:

1. §1 Z. 5 lautet:

'5. Tourismusinteressent: alle natürlichen und juristischen Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts, verwandte rechtsfähige Gesellschaftsformen sowie Erwerbsgesellschaften bürgerlichen Rechts, die

a) in der Steiermark eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des §2 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223, in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993, selbständig ausüben,

b) wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Tourismus in der Steiermark interessiert sind und

c) zu diesem Zweck in einer Tourismusgemeinde des Landes einen Sitz, Standort oder eine Betriebsstätte im Sinne der §§25, 27 und 28 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung (LAO), LGBl. Nr. 158/1963, in der jeweils geltenden Fassung, haben; bei einer Erwerbstätigkeit ohne festen Standort ist der Wohnsitz im Sinne des §24 LAO des Inhabers der Berechtigung und bei Vermietung und Verpachtung der Ort des in Bestand gegebenen Objektes im Land Steiermark maßgebend.'

2. - 5. ...

6. §8 Abs1 lautet:

'(1) Die Tourismusinteressenten sowie die Gemeinde bzw. im Falle des §4 Abs3 die Gemeinden im Gebiet des Tourismusverbandes sind seine gesetzlichen Mitglieder. Diese sind von der Gemeinde zu erheben. Keine gesetzlichen Mitglieder sind Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts sowie verwandte rechtsfähige Gesellschaftsformen, deren Umsätze zur Gänze gemäß §31 Abs1 von der Beitragspflicht ausgenommen sind, sowie jene, die gemäß §33 Abs1 keinen Interessentenbeitrag zu leisten haben. Über die gesetzliche Mitgliedschaft zu einem Tourismusverband entscheidet das Amt der Landesregierung auf Antrag des Betroffenen oder des Vorsitzenden des Tourismusverbandes oder von Amts wegen.'

7. - 36. ...

37. Nach §43 wird folgender §44 eingefügt:

'§44

Übergangsbestimmung

(1) §1 Z. 5 lautet:

''5. Tourismusinteressent: alle natürlichen und juristischen Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts, verwandte rechtsfähige Gesellschaftsformen sowie Erwerbsgesellschaften bürgerlichen Rechts, die

a) in der Steiermark eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des §2 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223, in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993, selbständig ausüben,

b) wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Tourismus in der Steiermark interessiert sind und

c) zu diesem Zweck in einer Tourismusgemeinde des Landes einen Sitz, Standort oder eine Betriebsstätte im Sinne der §§25, 27 und 28 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung (LAO), LGBl. Nr. 158/1963, in der jeweils geltenden Fassung, haben; bei einer Erwerbstätigkeit ohne festen Standort ist der Wohnsitz im Sinne des §24 LAO des Inhabers der Berechtigung und bei Vermietung und Verpachtung der Ort des in Bestand gegebenen Objektes im Land Steiermark maßgebend.''

(2) §44 tritt mit 1. September 1992 in Kraft und mit 31. Dezember 1993 außer Kraft.'

Artikel II

...

Artikel III

Dieses Gesetz tritt mit 1. Jänner 1994 in Kraft."

III. Der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid erging über einen Einspruch, der von Dr. J H als Person - also nicht etwa als Gesellschafter einer oder zweier Offener Handelsgesellschaft(en) - erhoben worden war. Er ist ausschließlich an Dr. H (als Person) gerichtet und gibt diesem (von Dr. H als Person erhobenen) Einspruch nicht statt. Damit steht fest, daß Dr. H als Person - und nicht etwa eine oder zwei Gesellschaft(en), vertreten durch Dr. H - Bescheidadressat(en) ist (sind).

Durch den Bescheid wird jedenfalls (auch) seine Rechtsstellung unmittelbar beeinflußt, zumal nach den unwidersprochen gebliebenen Beschwerdebehauptungen die "Dr. E-Dr. H - Rechts- und Wirtschaftsdienste OHG" gar nicht existiert (vgl. hiezu zB VfSlg. 11851/1988, S 276). Daraus folgt, daß Dr. H legitimiert ist, gegen den Bescheid Beschwerde zu erheben.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2.a) Der angefochtene Bescheid wurde zwar aufgrund des Stmk. TourismusG 1992 in der Stammfassung (s.o. II.1) erlassen. Die hier in erster Linie wesentliche Bestimmung (§1 Z5) wurde aber durch die Novelle 1994 (s.o. II.3) rückwirkend auf den 1. September 1992 (§44) geändert. Maßstab für die Beurteilung des bekämpften Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof ist also §1 Z5 in der novellierten Fassung.

b) Der Verfassungsgerichtshof hegt unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die rückwirkende Gesetzesänderung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese gesetzgeberische Maßnahme erfolgte - anders als in dem dem Erkenntnis VfSlg. 10091/1984 (s. insbes. S 707) zugrundeliegenden Fall - nicht in der Absicht, ein anhängiges Gesetzesprüfungsverfahren zu vereiteln. Die rückwirkende Änderung der Rechtslage kann sich nicht zu Ungunsten der Abgabepflichtigen auswirken, sondern - sofern sie überhaupt von Bedeutung ist - nur zu deren Gunsten. Eine vertrauensverletzende Wirkung kann daher nicht eintreten (vgl. zu dieser Problematik etwa VfSlg. 12186/1989, 12322/1990, 12325/1990, 12479/1990, 12673/1991, 13197/1992).

3. Gemessen an §1 Z5 Stmk. TourismusG 1992 idF der Nov. 1994 erweist sich die Annahme des bekämpften Bescheides, der Beschwerdeführer sei "Tourismusinteressent" und sei als solcher in das Verzeichnis der gesetzlichen Mitglieder des Tourismusverbandes Graz aufzunehmen, zumindest als vertretbar. Nach der litb dieser Gesetzesbestimmung ist nämlich eines der Definitionsmerkmale des "Tourismusinteressenten", daß die betreffende Person "wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Tourismus in der Steiermark interessiert" ist; bei einem Rechtsanwalt kann dieses Interesse nicht von vornherein negiert werden.

4. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den hier maßgebenden Fragen hegt der Verfassungsgerichtshof ob der Rechtmäßigkeit der präjudiziellen Bestimmungen des Stmk. TourismusG und der Beitragsgruppenordnung weder wegen der Rückwirkung (s.o. III.2.b) noch aus anderen Gründen Bedenken (so zur Selbstverwaltung z.B. VfSlg. 8136/1977, 8644/1979, 8771/1980, 9737/1983, 10306/1984, 12021/1989 - von dieser Judikatur abzugehen besteht trotz des Vorbringens in der vorliegenden Beschwerde kein Anlaß; zur Verknüpfung von Tourismus- oder Fremdenverkehrsabgaben mit dem Umsatz: z.B. VfSlg. 10165/1984, 10455/1985, 11025/1986, 12419/1990; zum "unmittelbaren oder mittelbaren Interesse" am Fremdenverkehr:

z. B. VfSlg. 8919/1980, 9008/1981, 12419/1990; zur Einbeziehung von Rechtsanwälten in diese Abgabepflicht: VfSlg. 11025/1986, 12419/1990; zur Einreihung in eine bestimmte Beitragsgruppe:

VfSlg. 7082/1973, 10165/1984). Daß eine Maschinenleasinggesellschaft aus dem Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar Nutzen ziehen kann, ist offenkundig.

5. Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (etwa in jenen auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz) noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Fremdenverkehr, Abgaben Fremdenverkehr, Vertrauensschutz, Rückwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B2160.1993

Dokumentnummer

JFT_10058786_93B02160_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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