TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/11 LVwG-2021/22/1875-4

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Veröffentlicht am 11.11.2021
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Entscheidungsdatum

11.11.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde des Herrn AA, geb. **.**.****, Adresse 1, **** Z, v.d. Rechtsanwälte BB, **** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 2.6.2021, Zl. ***, wegen Übertretungen nach der GewO 1994

zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

„1. Datum/Zeit: 15.07.2020 -12.08.2020

      Ort:             **** X, Adresse 2

Sie haben es als Verantwortlicher des Restaurantes "CC" am Standort in **** X, Adresse 2, zu verantworten, dass die angeführte Betriebsanlage zumindest im Zeitraum zwischen 15.07.2020 und 12.08.2020, zumindest an den Tagen: 15.07.2020, 09.08.2020, 11.08.2020 und 12.08.2020 geändert wurde, in dem jeweils an den genannten Tagen nach 23.00 Uhr der ggst. Gastgarten ohne entsprechende gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung betrieben wurde und nicht auszuschließen ist, dass durch den Betrieb des Gastgartens nach 23.00 Uhr die Schutzinteressen der Nachbarschaft gern. § 74 Abs. 2 GewO, insbesondere durch Lärm und Geruch, negativ beeinträchtigt werden.

2.  Datum/Zeit: 15.07.2020 -12.08.2020

    Ort:            **** X, Adresse 2

Sie haben es als Verantwortlicher des Restaurantes "CC" am Standort in **** X, Adresse 2, zu verantworten, dass die angeführte Betriebsanlage zumindest im Zeitraum zwischen 15.07.2020 und 12.08.2020, zumindest an den Tagen: 15.07.2020, 09.08.2020, 11.08.2020 und 12.08.2020, in geänderter Art und Weise betrieben wurde, in dem jeweils an den genannten Tagen nach 23.00 Uhr der ggst. Gastgarten ohne entsprechende gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung betrieben wurde und nicht auszuschließen ist, dass durch den Betrieb des Gastgartens nach 23.00 Uhr die Schutzinteressen der Nachbarschaft gern. § 74 Abs. 2 GewO, insbesondere durch Lärm und Geruch, negativ beeinträchtigt werden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 366 Abs. 1 Zif. 3 1. Fall GewO 1994 i.V.m. § 81 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 GewO 1994

2.   § 366 Abs. 1 Zif. 3 2. Fall GewO 1994 i.V.m. § 81 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 GewO 1994

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. € 300,00

2 Tage(n) 0 Stunde(n)

0 Minute(n)

 

§ 366 Abs. 1 GewO 1994

2. € 300,00

2 Tage(n) 0 Stunde(n)

0 Minute(n)

 

§ 366 Abs. 1 GewO 1994

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 60,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 660,00“

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde zusammenfassend der Tatvorwurf bestritten.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol holte zunächst bei der Behörde ergänzende Unterlagen (Schreiben vom 20.7.2021) ein und richtete sodann nach entsprechender Einsicht in den vorgelegten Gesamtakt folgendes, mit 5.10.2021 datiertes, Schreiben an die belangte Behörde:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dem vorgelegten Akt ist der Gastgarten des Restaurants „CC“ in **** X, Adresse 2, ehemaliges „DD“, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.06.1995, Zl. *** gewerbebehördlich genehmigt worden. Dieser Gastgarten weist 30 Sitzplätze auf. Eine Betriebszeit ist nicht angegeben. Hier wird in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Behörde davon auszugehen sein, dass entsprechend der Betriebsart der Anlage selbst eine Betriebszeit auch des Gastgartens bis 02:00 Uhr anzunehmen ist (vgl. da do. Schreiben vom 29.9.2020).

Eine Änderung dieser Betriebszeit ist – soweit ersichtlich – dem Akt nicht zu entnehmen. Weder hat der Inhaber der Betriebsanlage darum angesucht noch wurden auf Grundlage des § 79 GewO 1994 (siehe dazu § 76a Abs 8 GewO 1994) entsprechende Auflagen zu Einschränkung der Betriebszeit vorgeschrieben. Die Bezugnahme der belangten Behörde auf die „Betriebszeitengarantie“ für Gastgärten (aktuell § 76a GewO 1994) geht fehl: Dieses Regelungsregime ist eine Möglichkeit für den Anlageninhaber, einen Gastgarten betreiben zu können. Keinesfalls besteht ein „Automatismus“ dahingehend, dass über die dort festgelegten Zeiten hinaus genehmigte Gastgärten nur im Rahmen des § 76a GewO 1994 betrieben werden dürften, selbst wenn der Betreiber faktisch diese Zeiten einhält.

Keinesfalls ist der Anlageninhaber also gezwungen, sich quasi diesem Regime zu unterwerfen, sondern kann er, je nach Lage des Falles, auch über die dort normierten Zeiten hinaus um gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung ansuchen. Bestehende Genehmigungen über diese Zeiten hinaus bleiben – wie erwähnt – davon unberührt.

Eine Bestrafung des Anlageninhabers wegen des Betriebes des Gastgartens über 23:00 Uhr hinaus scheidet daher aus. Andererseits scheint hier ein Gastgarten vorzuliegen, der vom Ausmaß her größer ist als jener, der im Jahre 1995 genehmigt wurde. Dies stellt jedoch eine andere Tat dar - eine Auswechslung durch das Landesverwaltungsgericht Tirol scheidet daher aus.

Nach dem Stand des bisherigen Ermittlungsverfahrens ist daher davon auszugehen, dass das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen ist.

Es wird Ihnen hiermit die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen einer Frist von drei Wochen ab Erhalt dieser Zuschrift eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.“

Bis heute ist dazu keine Stellungnahme der belangten Behörde eingelangt.

Beweis wurde weiters aufgenommen durch Einsicht in den behördlichen Akt.

II.      Erwägungen:

Die im oben angeführten Schreiben des Landesverwaltungsgericht Tirol vom 5.10.2021 eingehend dargelegten Erwägungen bleiben nach wie vor vollinhaltlich aufrecht. Die belangte Behörde hat dagegen keine Einwände erhoben. Im Ergebnis steht sohin fest, dass der Beschuldigte nicht dafür bestraft werden kann, den gegenständlichen Gastgarten über eine Zeit von 23:00 Uhr hinaus betrieben zu haben. Weiters wird die Behörde zu berücksichtigen haben, dass aufgrund eines dem Gericht zugekommenen Konzessionsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.10.1982, Zl.*** behufs § 376 Z 14b Abs 1 GewO 1994 der Schluss naheliegt, dass der gegenständliche Gastgarten sogar im Umfang von „ca 50 Sitzplätzen“ als genehmigt anzusehen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

III.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist sowohl im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren als auch im gegenständlichen führerscheinrechtlichen Verfahren unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

falscher Tatvorwurf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.22.1875.4

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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