TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/30 LVwG-AV-755/001-2021

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Veröffentlicht am 30.09.2021
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Entscheidungsdatum

30.09.2021

Norm

BauO NÖ 2014 §5 Abs3
VwGG §30 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Biedermann als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn B und der Frau C, beide ***, ***, vertreten durch die A Rechtsanwalts GmbH & Co KG in ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 25.02.2021, Zl. ***, mit dem ihr Antrag vom 07.01.2021 ihrer Beschwerde gegen den Baubewilligungsbescheid (Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 09.12.2020, Zl. ***) die aufschiebende Wirkung nach der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) zuzuerkennen, als unbegründet abgewiesen worden ist,

zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach

Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt (in weiterer Folge: belangte Behörde) vom 25.02.2021, Zl. ***, wurde der Antrag des B und der C, beide vertreten durch die A Rechtsanwalts GmbH & Co KG, vom 07.01.2021 der Beschwerde gegen den Baubewilligungsbescheid (Bescheid des Stadtsenats der Stadt Wiener Neustadt vom 09.12.2020, Zl. ***) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde hierzu zusammengefasst ausgeführt, dass von den Antragstellern vorgebracht worden sei, dass von einer statischen Gefährdung der ihnen bewilligten Bauwerke auszugehen sei. Es gebe Bedenken gegen die Standsicherheit, zumal es dazu im Bescheid keine nachvollziehbaren und gesetzmäßig begründeten Ausführungen gebe. Bei einer fehlerhaften Beurteilung der Standsicherheit und der daraus resultierenden Schäden sei die Möglichkeit von Schäden an Bauwerken und letztlich auch von Verletzungen von ihnen evident. Ihre grundlegenden Interessen an der Unversehrtheit von Eigentum, körperlicher Unversehrtheit und Leben können durch kein berechtigtes Interesse der Bauwerberin überwogen werden.

Auch wenn der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zwingend öffentliche Interessen entgegenstehen sollten, liege jedenfalls die zweite kumulativ erforderliche Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vor.
Denn bereits den Ausführungen des Berufungsbescheides sei zu entnehmen, dass die statische Sicherung der benachbarten Bauwerke berücksichtigt worden sei. Die Antragsteller seien der statischen Vorbemessung der tragenden Struktur nie auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Zudem sei nicht erkennbar, worin für die Antragsteller ein unverhältnismäßiger Nachteil liege, da die bloße Ausführung des bewilligten Bauvorhabens während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden könne. Zudem sei dieser nicht bloß zu behaupten, sondern auch durch konkrete Angaben zu erhärten. Die Antragsteller haben jedoch in keinster Weise dargelegt, auf Grund welcher konkreten baulichen Maßnahmen die Standsicherheit des ihnen im Miteigentum stehenden Bauwerks gefährdet sein solle.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 03.03.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Bescheid seinem gesamten Inhalt nach wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten werde.

Nach wörtlicher Wiedergabe ihres Antrags vom 07.01.2021 wurde von B und C (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) ausgeführt, dass sie damit dargelegt haben, durch welche baulichen Maßnahmen, nämlich durch das bewilligte Bauwerk, die Standsicherheit gefährdet sei. Die Ausführungen, wonach sie der statischen Vorbemessung der tragenden Struktur nie auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten seien, seien rechtlich unbeachtlich, da lediglich dem Gutachten eines Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden müsse. Auch die im Bescheid zitierte Stellungnahme des Geschäftsbereiches V, Gruppe V/1, erfülle die Anforderungen an ein mangelfreies Gutachten nicht, da der Sachverständige keine eigenen Ausführungen zur möglichen Beeinträchtigung getroffen habe, sondern sich mit dem Verweis auf vorgelegte Unterlagen begnüge. Der Sachverständige habe diese Unterlagen offenkundig nicht oder zumindest völlig unzureichend überprüft. Er stelle auch gerade nicht fest, ob die Berechnungen und Ausführungen in den Einreichunterlagen nachvollziehbar und richtig seien und dass die statische Sicherung berücksichtigt worden sei.

Es wurde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass in Stattgebung der Beschwerde vom 07.01.2021 die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Beweisergänzung sowie Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückzuverweisen.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Am 16.04.2021 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde zur Entscheidung vor.

Am 20.07.2021 (einlangend) legte die belangte Behörde dem erkennenden Gericht eine Kopie der Einladung samt Tagesordnung für die Sitzung des Stadtsenates vom 19.02.2021, eine Kopie der Einladungskurrende, einen Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 19.02.2021 sowie den Zustellnachweis zu dem angefochtenen Bescheid vom 25.02.2021 im Original vor.

4.   Feststellungen:

4.1. Die D GmbH (in weiterer Folge: Bauwerberin) ist grundbücherliche Alleineigentümerin des GSt.Nr. ***, inneliegend in EZ ***, KG *** (in weitere Folge: Baugrundstück).

4.2. B und C (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) sind Miteigentümer des GSt.Nr. ***, EZ ***, KG ***, welches unmittelbar nördlich an das Baugrundstück angrenzt.

4.3. Mit Bauansuchen vom 11.10.2018 beantragte die Bauwerberin bei der Baubehörde erster Instanz die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 137 Wohnungen und 137 Tiefgaragenabstellplätzen auf dem Baugrundstück.

4.4. Nach einer ersten Vorprüfung der Antragsbeilagen, u.a. in Bezug auf die Einhaltung der Anforderungen der Bautechnik einschließlich des bautechnischen Brandschutzes an Planung und Bauausführung, und einer diesbezüglich erstatteten Stellungnahme vom 13.12.2018, wurde der Bauwerberin mit Schreiben der Baubehörde erster Instanz vom 14.12.2019 ein Verbesserungsauftrag erteilt.

4.5. Aufgrund der in der Folge vorgelegten geänderten Antragsbeilagen wurde in dem von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten Vorverfahren von E, Amtssachverständiger für Bautechnik des Geschäftsbereiches ***, Gruppe *** – Amtssachverständige, beim Magistrat der Stadt Wiener Neustadt, am 14.01.2019 eine bautechnische Stellungnahme zu den Einreichunterlagen erstattet und hierin u.a. ausgeführt:

„Untersuchungsgegenstand:
Ansuchen um Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 137 Wohnungen und 137 Garagenabstellplätzen

Beweisthema:
Prüfung der übermittelten Unterlagen hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen der Bautechnik einschließlich des bautechnischen Brandschutzes an Planung und Bauausführung gemäß den in II. A) und B) angeführten Unterlagen, Sachverhalten und Beurteilungsgrundlagen ohne Lokalaugenschein.
[…]
Stellungnahme zu dem Projekt:
Bei plan- und beschreibungsgemäßer Umsetzung des Vorhabens sowie bei Einhaltung der nachstehenden Auflagen, stehen vom Standpunkt der Bautechnik und des bautechnischen Brandschutzes einer baubehördlichen Genehmigung keine Bedenken entgegen.

[…]
Auflagen:
[…]
4. Vor der Durchführung der Bauarbeiten sind die angrenzenden Bauwerke im Einvernehmen mit deren Eigentümern zu besichtigen, hierüber ist zur Beweissicherung ein Protokoll und nötigenfalls auch Fotos anzufertigen, mit Datum zu versehen und ordnungsgemäß zu unterfertigen.
[…]
7. Das Bauvorhaben ist unter Berücksichtigung der möglichen Einwirkungen auf tragende bzw. mechanisch beanspruchte Bauteile gemäß einschlägiger technischer Regelwerke (Eurocodes, ÖNORMEN, …) mit ausreichender mechanischer Festigkeit und Standsicherheit auszuführen. Diesbezügliche, vor Baubeginn von einer befugten Person oder Firma zu erstellende Berechnungen, Konstruktionszeichnungen sowie Überprüfungsberichte sind dem Bauwerber spätestens bei der behördlichen Fertigstellungsmeldung zur Verwahrung zu übergeben.
[…].“

4.6. Nach Vorprüfung durch die Baubehörde erster Instanz wurden mit Schreiben derselben vom 15.01.2019 die Nachbarn des Baugrundstücks, so auch die Beschwerdeführer, gemäß § 21 Abs 1 NÖ BO 2014 von dem geplanten Bauvorhaben verständigt. Es wurde ihnen die Möglichkeit gegeben, in den Antrag und seine Beilagen Einsicht zu nehmen und schriftlich binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Verständigung bei der Baubehörde erster Instanz allfällige Einwendungen gegen das Bauvorhaben einzubringen, andernfalls die Parteistellung erlischt.

In der Folge erhoben u.a. die Beschwerdeführer innerhalb der eingeräumten Frist Einwendungen gegen das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben.

4.7. Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 07.11.2019, Zl. ***, wurde der Bauwerberin die beantragte baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 137 Wohnungen und 137 Tiefgaragenabstellplätzen auf dem Baugrundstück entsprechend der vorgelegten Pläne unter Vorschreibung diverser, unter anderem der beiden oben angeführten Auflagen erteilt.

Begründend wurden die im Verfahren von der Baubehörde erster Instanz aufgrund der erhobenen Einwendungen eingeholten ergänzenden Stellungnahmen des F zu den Einwendungen betreffend die Bebauungsweise, das Bezugsniveau und Emissionen, des G zu den Einwendungen betreffend PKW-Verkehr und Emissionen sowie des E vom 20.03.2019 zu den Einwendungen betreffend Brandschutz, Statik und Schäden an Nachbargebäuden und die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik beim Amt der NÖ Landesregierung, H, vom 26.09.2019 zu den Einwendungen, wiedergegeben.

Bezüglich der Standsicherheit wurde die Stellungnahme des E vom 20.03.2019 zitiert:


„Bezüglich statischer Bedenken wurde gemäß Anlage 14 der Einreichunterlagen eine statische Vorbemessung von Fa. I GmbH durchgeführt und es wird auf den Auflagenpunkt 7.) der Stellungnahme vom 14.01.2019 verwiesen.
[…]
Bezüglich Schäden an Nachbargebäuden wird auf den Auflagenpunkt 4.) der Stellungnahme vom 14.01.2019 verwiesen.“

4.8. Mit Schriftsatz vom 26.11.2019 erhoben u.a. die Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht Berufung und führten hierin unter anderem begründend aus, dass sie ihre subjektiv-öffentlichen Rechte auf Einhaltung der Vorschriften zur Gewährleistung der Standsicherheit ihrer bewilligten Bauwerke geltend gemacht haben.

4.9. Mit Schreiben vom 16.01.2020 bestätigte die I GmbH, dass von ihnen für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben auf dem Baugrundstück eine statische Vorbemessung der tragenden Struktur entsprechend § 19 NÖ BO 2014 durchgeführt wurde. Grundlage für diese statische Vorbemessung waren die Einreichpläne der J GmbH vom 11.10.2018. Weiters wurde bestätigt, dass Rückverankerungen nur im Bereich des öffentlichen Guts sowie im Bereich des GSt.Nr. ***, KG ***, im Einvernehmen mit dessen Eigentümer, geplant sind.

4.10. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.12.2020, Zl. ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Begründend wurde hierzu nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes zusammengefasst ausgeführt, dass mit Stellungnahme vom 17.12.2019 von K, Amtssachverständiger für Bautechnik des Geschäftsbereiches ***, Gruppe *** – Amtssachverständige, beim Magistrat der Stadt Wiener Neustadt, ausgeführt wurde, dass aus den Projektunterlagen hervorgeht, dass die I GmbH in *** eine statische Vorbemessung der tragenden Struktur entsprechend § 19 NÖ BO 2014 auf Grundlage der Einreichpläne durchgeführt hat. Diesen ist zu entnehmen, dass das gesamte Baugrundstück mit tangentialen Bohrpfählen entlang der Grenze zu allen benachbarten Liegenschaften bis zu einer Tiefe von ca. 14 m umfasst wird.
Daraus wurde gefolgert, dass die statische Sicherung der benachbarten Bauwerke im Projekt durchaus berücksichtigt wurde.

4.11. In der von den Berufungswerbern gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 07.01.2021, über welche in einem gesonderten Verfahren beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich abgesprochen werden wird, wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und wurde hierzu begründend ausgeführt, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine Aussagen zur Standsicherheit des fertig errichteten Bauwerks getroffen habe und die Planunterlagen und die Einreichung als solche offensichtlich unvollständig seien. Damit sei eine Gefährdung der Standsicherheit evident und drohe ihnen bei Ausübung der Rechte aus der Baubewilligung ein unverhältnismäßiger Nachteil. Dieser Nachteil sei schon in den durch die Bauausführung zu erwartenden, notorischen Immissionen während der Bauausführung gelegen und sei bei einer fehlerhaften Beurteilung der Standsicherheit und daraus resultierender Schäden die Möglichkeit von Schäden an ihren Bauwerken und Verletzungen von ihnen evident.

4.12. Vor Vorlage dieser Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wies die belangte Behörde mit dem nun verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 25.02.2021, Zl. ***, den gleichzeitig mit der Beschwerde eingebrachten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 5 Abs 3 NÖ BO 2014 als unbegründet ab.

5.   Beweiswürdigung:

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes, in dem der Verfahrensablauf chronologisch, übersichtlich und nachvollziehbar dargestellt ist. Im Übrigen ist der Verfahrensgang, insbesondere im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen des Gerichts, auch gar nicht bestritten worden.

Die Eigentumsverhältnisse an den verfahrensgegenständlichen Grundstücken ergeben sich insbesondere aus den im vorgelegten Akt einliegenden Grundbuchauszügen vom 14.01.2019 und einer vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgenommenen Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.

6.   Rechtslage:

Rechtlich gelangen folgende Bestimmungen zur Anwendung:

Gemäß § 27 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das

Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 5 Abs 3 NÖ BO 2014, LGBl 1/2015 idF LGBl 12/2018, hat in Baubewilligungsverfahren (§ 14) und damit in Zusammenhang stehenden Verfahren nach § 7 Abs 6 die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung.
Die Baubehörde hat jedoch auf Antrag der beschwerdeführenden Partei die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Eine dagegen erhobene Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Dasselbe gilt sinngemäß ab Vorlage der Beschwerde für das Landesverwaltungsgericht.

7.   Erwägungen:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes und der zitierten gesetzlichen Bestimmungen in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:

Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, dass der das verwaltungsbehördliche Verfahren einleitende Antrag, nämlich der Antrag auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 137 Wohnungen und 137 Tiefgaragenabstellplätzen auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, am 11.10.2018, somit nach Inkrafttreten der NÖ BO 2014 per 01.02.2015, gestellt wurde, sodass für dieses Verfahren eben die NÖ BO 2014 anzuwenden ist.

Gemäß § 5 Abs 3 NÖ BO 2014 hat in solchen Baubewilligungsverfahren (§ 14) – wie dem verfahrensgegenständlichen - die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung. Dies wurde auch in der Rechtsmittelbelehrung des baubehördlichen Bewilligungsbescheides, gegen den sich die diesem Verfahren zugrundliegende Beschwerde mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung richtet, richtig festgehalten.

Der Stadtrat der Stadt Wiener Neustadt hat mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid dem in der Beschwerde gegen den baubehördlichen Bewilligungsbescheid gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen, keine Folge gegeben und den Antrag als unbegründet abgewiesen.

Als Baubehörde im Sinne der Bestimmung des § 5 Abs 3 NÖ BO iVm § 9 Abs 2 Z 1 VwGVG kann in diesem Zusammenhang wohl nur die belangte Behörde gemeint sein, sodass der Stadtrat der Stadt Wiener Neustadt zur Erlassung dieses nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides auch zuständig war.

Zu den Voraussetzungen, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist Folgendes auszuführen:

Die Baubehörde hat der Beschwerde aufgrund des Antrages der beschwerdeführenden Parteien die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn

1.   dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und

2.   nach Abwägung der wechselseitigen Interessen mit der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Wie vom Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach festgehalten wurde, ist im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht die Rechtmäßigkeit des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides zu prüfen (VwGH 14.04.2009, AW 2009/05/0007); im Gegenteil ist auch die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (VwGH 31.01.2005, AW 2005/17/0012).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss der Antragsteller nämlich bereits im Antrag den unverhältnismäßigen Nachteil behaupten und durch konkrete Angaben erhärten. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt somit von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorigen Zustandes ab (VwGH 21.03.2013, AW 2013/05/0011).

Diese einhellige Judikatur bezieht sich zwar auf die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Aufgrund der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 30 Abs 2 VwGG mit dem § 5 Abs 3 NÖ BO 2014 ist diese Judikatur jedoch analog auf das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht anzuwenden.

Von den Beschwerdeführern wurde nun im konkreten Fall in ihrem Antrag begründend lediglich ausgeführt, dass für sie im Falle der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung, zum einen durch die aufgrund der Bauausführung zu erwartenden notorischen Immissionen während der Bauausführung sowie zum anderen aufgrund ihrer Bedenken gegen die Standsicherheit, ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen würde. Im angefochtenen Bescheid gebe es keine Ausführungen zur Standsicherheit des fertig errichteten Bauwerks und sei bei einer fehlerhaften Beurteilung der Standsicherheit und daraus resultierender Schäden die Möglichkeit von Schäden an ihren Bauwerken und Verletzungen von ihnen evident.

Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer aber die zuvor zitierten konkreten Abgaben schuldig geblieben. Die bloße Behauptung der Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid allein rechtfertigt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht, liegt doch gerade in einer solchen Behauptung das Wesen einer Parteibeschwerde und wäre andernfalls nicht einzusehen, weshalb der Gesetzgeber für den Regelfall die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Erteilung einer Baubewilligung durch die Berufungsbehörde ausgeschlossen hat.
Dies steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Beschwerden gegen Baubewilligungen, wonach die bloße Ausübung der mit einer Baubewilligung eingeräumten Berechtigung während eines vor dem Gericht anhängigen Beschwerdeverfahrens für sich allein, d.h. wenn nicht besondere Umstände vorliegen, welche eine über das übliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Interessensphäre des Anrainers herbeizuführen geeignet sind, nicht als ein dem beschwerdeführenden Anrainer drohender unverhältnismäßiger Nachteil betrachtet werden könne (VwGH 17.10.1980, 3092/79, mwN).

Aus dem Vorbringen ergibt sich jedoch nicht und ist dies auch nicht erkennbar, dass durch einen Baubeginn unverhältnismäßige, nicht mehr rückgängig machbare Nachteile im Sinne von irreversiblen Veränderungen durch Schäden an ihrer Bausubstanz erwachsen würden. Insbesondere ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Bauwerberin nicht in der Lage sein sollte, tatsächlich entstandene Schäden – eben auch solche, deren Eintritt die Beschwerdeführer bei Durchführung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens befürchten – im Wege des Schadenersatzes zu beheben und/oder ersetzen zu können. Sollten außerdem die Beschwerdeführer mit ihrer gegenständlichen Beschwerde durchdringen, hätte alleine die Bauwerberin die Folgen einer dann allenfalls vorliegenden Konsenslosigkeit des Baus und demnach insbesondere auch die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen (VwGH 16.01.2015, Ra 2014/05/0059). Wenn tatsächlich in diesem Fall die Bauwerberin nicht von sich aus einen Rückbau vornimmt, stehen den Beschwerdeführern entsprechende rechtliche Möglichkeiten offen, eben dies zu erzwingen. Von einem unwiederbringlichen Nachteil kann somit keine Rede sein.

Weiters kann der Umstand, dass Bauausführungen typischerweise geeignet sind, Immissionsbelästigungen auf Nachbargrundstücken herbeizuführen, für sich allein nicht zur Gewährung der aufschiebenden Wirkung führen, weil mit einem Vorbingen, das keine subjektiv-öffentlich rechtlichen Nachbarrechte betrifft, kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aufgezeigt werden kann (VwGH 16.01.2015, Ra 2014&05/0059; LVwG NÖ 23.05.2018, LVwG-AV-269/002-2018; 12.04.2018, LVwG-AV-375/001-2018).

Im vorliegenden Fall stehen somit dem Antrag der Beschwerdeführer zwar keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen, doch liegt jedenfalls die zweite kumulativ vorzuliegende Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vor. Das erkennende Gericht vermag nämlich nicht zu erkennen und ergibt sich dies auch nicht aus dem Antragsvorbringen, worin für die Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil liegen soll.

Da somit aufgrund des Antragsvorbringens nicht erkennbar ist, dass durch die Ausübung der Berechtigung ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf Seiten der Beschwerdeführer zu erwarten ist (VwGH 13.03.2006, AW 2006/05/0016), konnte ihrem Antrag kein Erfolg beschieden sein und ist der Beschwerde somit keine Folge zu geben.

8.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, BGBl I 33/2013 idF BGBl I 138/2017, kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben, da dies von keiner der Parteien beantragt wurde und die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal im vorliegenden Fall der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von den Verwaltungsbehörden vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017).

Zudem werden auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0102).

9.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Besonderen wird auf die zitierte Judikatur verwiesen und kommt der gegenständlichen Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Baubewilligung; Verfahrensrecht; Antrag; aufschiebende Wirkung; unverhältnismäßiger Nachteil;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.755.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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