TE Vfgh Beschluss 1994/12/15 G245/93

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Veröffentlicht am 15.12.1994
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8300 Wohnbauförderung

Norm

B-VG Art116 Abs2
B-VG Art118 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
F-VG 1948 §7 Abs3
FAG 1993 §14 Abs1 Z1
FAG 1993 §15 Abs1
FAG 1993 §16 Abs1
Nö WohnungsförderungsG §32a

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags einer Gemeinde auf Aufhebung einer Bestimmung des Nö WohnungsförderungsG betreffend Grundsteuerbefreiung mangels Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. §32a des NÖ Wohnungsförderungsgesetzes, LGBl. 8304-1, sieht vor, daß die Gemeinde auf Antrag mit Bescheid eine Befreiung von der Grundsteuer gewähren muß, wenn zum Steuergegenstand ein Wohnhaus gehört, für welches eine Zusicherung für eine Förderung nach Abschnitt II des genannten Gesetzes und eine rechtskräftige Benützungsbewilligung vorliegen.

2. Die Marktgemeinde Bisamberg beantragt aufgrund eines Beschlusses des Gemeinderates, der Verfassungsgerichtshof möge die Bestimmung des §32a des NÖ Wohnungsförderungsgesetzes, LGBl. 8304-1, als verfassungswidrig aufheben, da der Landesgesetzgeber damit das Recht der Gemeinde auf Besorgung einer bestimmten Angelegenheit im eigenen Wirkungsbereich schlechthin verneine und das Recht auf Ausschreibung von Abgaben mittels freien Beschlusses der Gemeindevertretung einschränke; diese Bestimmung widerspreche dem Finanzausgleichsgesetz 1989, indem sie Ausmaß und Dauer der zeitlichen Grundsteuerbefreiung regle, und sei auch insoferne "problematisch und bedenklich", als Maßnahmen der Wohnbauförderung, die als Teil der Privatwirtschaftsverwaltung anzusehen seien, mit Maßnahmen der Hoheitsverwaltung, nämlich einer (Grund-)Steuerbefreiung, verknüpft würden.

3. Die NÖ Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung, allenfalls die Abweisung dieses Antrages begehrt. Sie führt dazu im wesentlichen aus, daß §32a NÖ Wohnungsförderungsgesetz nur den gesetzlichen Rahmen abstecke, innerhalb dessen die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich tätig werden könne, jedoch nicht in das Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung eingreife. Im übrigen sei auch die behauptete unzulässige Vermengung von Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung nicht gegeben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei ist vom Antragsvorbringen auszugehen (vgl. VfSlg. 12097/1989).

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß ein Eingriff in das

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in diesem Zusammenhang allein in Frage kommende (s. zur Rechtssphäre der Gemeinde als Gebietskörperschaft VfSlg. 11873/1988; vgl. auch VfSlg. 8394/1978) - Recht auf Selbstverwaltung einer Gemeinde nur vorliegt, wenn eine nach Inhalt der Gesetze oder Verordnungen des Bundes oder Landes zu besorgende Angelegenheit der Gemeinde als Selbstverwaltungskörper

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entgegen der Bundesverfassung - vorenthalten oder entzogen und einer staatlichen Behörde oder der Gemeinde im übertragenen Wirkungsbereich zur Besorgung zugewiesen oder von einer solchen Behörde tatsächlich besorgt wird (s. VfSlg. 11873/1988, 12097/1989). Wird einer Gemeinde durch Gesetz oder Verordnung aufgetragen, eine bestimmte Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches auf bestimmte Weise im eigenen Wirkungsbereich hoheitlich zu besorgen, so liegt darin kein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht.

2.2.1. Das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 - F-VG 1948, BGBl. 45, zuletzt geändert durch BGBl. 818/1993 (kurz: F-VG 1948), überträgt in seinem §3 die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden) in die Kompetenz der Bundesgesetzgebung. Die Qualifikation von Abgaben iS des in §6 leg.cit. vorgegebenen Gliederungsschemas - wie etwa als ausschließliche Gemeindeabgabe (§6 Abs1 Z5) - und deren Regelung ist gemäß den Bestimmungen der §§7 und 8 F-VG 1948 Sache der Bundes- und der Landesgesetzgebung. §7 Abs5 F-VG 1948 und §8 Abs5 F-VG 1948 zufolge kann der Bundes- bzw. Landesgesetzgeber die Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben. Ein auf einer solchen Ermächtigung beruhendes freies Beschlußrecht der Gemeinden fällt in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art118 Abs2 B-VG iVm. Art116 Abs2 B-VG, der u.a. darin besteht, (nur) im Rahmen der Finanzverfassung Abgaben auszuschreiben, wobei unter "Ausschreibung" das Recht der Gemeinden zu verstehen ist, Steuerquellen zu erschließen und sie zu nutzen (vgl. hiezu mwH VfSlg. 8394/1978).

Für den Bereich der Grundsteuer sieht §7 Abs3, vorletzter Satz, F-VG 1948 insoferne eine Besonderheit vor, als deren Erhebung und Verwaltung "zur Gänze oder hinsichtlich der Grundsätze" einer Regelung durch den Bund vorbehalten werden kann. Unter "Erhebung" ist hier die Erschließung einer Einnahmequelle durch Einführung einer bestimmten Steuerart für Zwecke der Finanzverwaltung, unter "Verwaltung" die Bemessung, Einhebung und zwangsweise Einbringung zu verstehen (vgl. VfSlg. 8394/1978, 10068/1984).

2.2.2. Nach den bisher aufgrund des F-VG 1948 erlassenen Finanzausgleichsgesetzen ist die Grundsteuer eine ausschließliche Gemeindeabgabe (s. etwa §14 Abs1 Z1 iVm. Abs2 Finanzausgleichsgesetz 1993 - FAG 1993, BGBl. 30, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. 959/1993). Während die Gemeinden (nur) ermächtigt werden, durch Beschluß der Gemeindevertretung die Hebesätze der Grundsteuer bis zum Ausmaß von 500 vH festzusetzen (§15 Abs1 FAG 1993 bzw. dessen Vorgänger), wird dem Bund die Regelung der Erhebung und Verwaltung der Grundsteuer mit Ausnahme der Gebiete der zeitlich befristeten Grundsteuerbefreiungen und des Verfahrens in Grundsteuerangelegenheiten zugewiesen. Hinsichtlich der beiden Ausnahmen jedoch wird den Ländern eine Gesetzgebungskompetenz eingeräumt, die in Durchführung des Grundsteuergesetzes 1955, BGBl. 149, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. 649/1987, und der Bestimmungen des §21 Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes, BGBl. 130/1948, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. 830/1992 (s. auch die Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. 917/1993), und des Bundesgesetzes betreffend Grundsätze über eine zeitliche Befreiung von der Grundsteuer für Neu-, Zu-, Auf-, Um- und Einbauten, BGBl. 157/1951, ausgeübt werden kann. Die Feststellung der Dauer und des Ausmaßes der zeitlichen Grundsteuerbefreiungen - die, wie dargelegt, von den Ländern in Ausführung von Grundsatzgesetzen des Bundes geregelt werden - wiederum obliegt den Gemeinden, ebenso die Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages der Grundsteuer sowie deren Einhebung und zwangsweise Einbringung (§16 Abs1 FAG 1993 bzw. dessen Vorgänger). Daß eine vom zuständigen Gesetzgeber festgelegte Steuerbefreiung notwendigerweise zahlenmäßige Auswirkungen auf den Steuerertrag dieser ausschließlichen Gemeindeabgabe hat, vermag die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung nicht zu beeinflussen (vgl. VfSlg. 8152/1977, 8394/1978).

Die Gemeinden als abgabeberechtigte Gebietskörperschaften haben also keinen Rechtsanspruch darauf, daß diese Grundsteuer von dem für ihre Regelung zuständigen Gesetzgeber auf eine bestimmte Weise geregelt wird. Insbesondere können die Gemeinden - es sei denn als Abgabepflichtige - durch gesetzliche Steuerbefreiungen und durch die Regelung von Steuertatbeständen nicht in ihrer Rechtssphäre berührt sein (vgl. VfSlg. 8394/1978, S 157).

3. Der Antrag war daher schon deshalb zurückzuweisen, ohne daß geprüft werden mußte, ob auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht, Wirkungsbereich eigener, Abgaben Gemeinde-, Wohnbauförderung, Grundsteuer, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G245.1993

Dokumentnummer

JFT_10058785_93G00245_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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