TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/21 95/20/0343

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Veröffentlicht am 21.11.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §2 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1995, Zl. 4.344.397/3-III/13/95, betreffend

1) Wiederaufnahme eines Verfahrens in einer Asylangelegenheit und 2) Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesh, reiste am 24. November 1992 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte mit Schriftsatz vom selben Tag (Postaufgabestempel 30. November 1994) einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Dezember 1992 abgewiesen, weil der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Rumänien Sicherheit vor Verfolgung erlangt habe. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21. Dezember 1992 zugestellt. Der Beschwerdeführer erhob dagegen mit Schriftsatz vom 16. Mai 1994 Berufung. Mit einer Berufungsergänzung vom 13. Juni 1994 legte er Dokumente zur Untermauerung seiner Verfolgungssituation vor. Darunter befinden sich ein Haftbefehl vom 23. März 1993, ein Bericht über polizeiliche Erhebungen vom 23. März 1993, eine Anklageschrift vom 18. März 1993, eine Bestätigung des Generalsekretärs der Jatiyo Party vom 12. Mai 1994 und ein Brief seines Anwaltes A vom 12. Mai 1994. Der letztgenannte Brief hat folgenden Inhalt:

"Dear M,

I came to know from your guardian that your have become too much eager to come back to Bangladesh. But a sad news for you that you were involved with a criminal conspiracy in a false Political criminal case vide Dohar P.S.Case No-47(9)92 dt.27.09.92,U/s.141/147/324/326/427/436/307/302/34 B.P.C. 19(A) & (F) Arms Act. and XIV/74 Special Power act.W/A has already been issued against you. Police is searching to secure you are. If you are arrested, you will be harassed and tortured and remended to Jail custody. You have no safety and security in Bangladesh. For the safety and security of your life, you should pray for political asylum in any noble country.

I am dealing your case.

I wish you good luck."

Die belangte Behörde wies die Berufung mit Bescheid vom 28. Juni 1994 als verspätet zurück.

Am 3. März 1995 stellte der Beschwerdeführer den wie folgt begründeten Antrag:

"Soeben hat mich ein Schreiben aus Bangladesch erreicht, aus welchem einst hervorgeht, daß ich fälschlich bezichtigt werde und mit Folter und Todesstrafe zu rechnen habe. Der Verfolgungstatbestand ist derzeit gegeben und ist eine Rückkehr nach Bangladesch aus diesem Grunde nicht möglich. Ich beantrage daher meinen abgeschlossenen Asylfall wieder aufzunehmen in eventu stelle ich neuerlich den Antrag auf Gewährung des Asyls, da das Schreiben erst am 28.2.1995 zugestellt wurde. Innerhalb der sieben tägigen Asylantragsfrist bzw. 14 tägigen Wiederaufnahmsfrist stelle ich daher die nachfolgende Anträge

1. auf Wiederaufnahme des abgeschlossenen Asylverfahrens gem. § 69 AVG in eventu substitär zweite auf Gewährung des politischen Asyl im Sinne des § 3 Asylgesetz innerhalb der 7 tägigen Antragsfrist."

Das im Antrag erwähnte "Schreiben" lag bei. Es handelt sich dabei um ein Schreiben des Anwaltes A vom 11. Februar 1995, das in weiten Teilen wortgleich mit dem oben wiedergegebenen Schreiben des Anwaltes vom 12. Mai 1994 ist.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 3. April 1995 in seinem Spruchpunkt I. den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab und in seinem Spruchpunkt II. den (Eventual-)Antrag auf Gewährung von Asyl vom 3. März 1995 zurück.

Das Bundesasylamt begründete zu Spruchpunkt I., daß die Asylbehörde zweiter Instanz durch die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers lediglich eine prozessuale Entscheidung gefällt habe, weshalb zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag das Bundesasylamt berufen sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens seien nicht erfüllt, da sich der "Wiedereinsetzungsantrag" auf eine vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung in seinem Heimatland beziehe, der durch den gegenständlichen Antrag bekämpfte Asylbescheid jedoch auf § 2 Abs. 2 Z. 3 des Asylgesetzes 1991 beruhe. Deshalb seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen, die einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Zu Spruchpunkt II. begründete das Bundesasylamt, daß gemäß § 2 Abs. 3 Asylgesetz 1991 Fremden kein Asyl gewährt werde, die bereits einen Asylantrag in Österreich gestellt hatten und deren Antrag abgewiesen worden sei. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG seien Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrten, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 fände, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Der Antrag auf Asylgewährung vom 30. November 1992 sei mit Bescheid vom 17. Dezember 1992, der seit 4. Jänner 1993 in Rechtskraft erwachsen sei, abgewiesen worden, sodaß der (zweite) Asylantrag vom 3. März 1995 zurückzuweisen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß sein Antrag auf Wiederaufnahme auf dem Hervorkommen neuer Umstände und Tatsachen beruhe. Aufgrund des Briefes aus Bangladesh habe sich ein neuer Verfolgungstatbestand konkretisiert. Die Ablehnung seines ersten Asylantrages, gestützt auf die Sicherheit vor Verfolgung in Rumänien, dürfe nicht darüber "hinwegtäuschen, daß der Verfolgungstatbestand aufgrund des Schreibens jedenfalls manifest ist und eine Rückschiebung nach Rumänien nicht in Frage" komme. Dort bestehe keine Sicherheit vor Verfolgung. Der Beschwerdeführer habe nunmehr im Bundesgebiet von Österreich Verfolgungssicherheit erlangt. Aufgrund des "nunmehr nachgewiesenen Verfolgungstatbestandes" sei eine eminente Verfolgungsgefahr seiner Person aus politischen Gründen in Bangladesh gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie begründete, daß das anläßlich des Antrages auf Wiederaufnahme vorgelegte Schreiben mit 11. Februar 1995 datiert sei, weshalb diese Urkunde im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG nicht neu hervorgekommen sei, sondern nach rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens neu entstanden sei.

Zum "neuen Asylantrag" führte die belangte Behörde aus, daß § 2 Abs. 3 iVm Abs. 4 Asylgesetz 1991 die Rechtswirkung einer abweislichen Entscheidung im Asylverfahren über das gemäß allgemeinem Verwaltungsrecht Geltende hinaus erstrecken würde. Gemäß § 2 Abs. 3 AsylG 1991 sei einem Fremden, der bereits einen Asylantrag in Österreich gestellt habe und dessen Antrag abgewiesen worden sei, kein Asyl zu gewähren. Gemäß § 2 Abs. 4 AsylG 1991 finde § 2 Abs. 3 AsylG 1991 auf Fremde keine Anwendung, die nach rechtskräftiger Abweisung in ihren Heimatstaat zurückgekehrt seien und ihren Asylantrag auf Umstände stützen, die nach diesem Zeitpunkt eingetreten seien. Daraus ergebe sich, daß § 2 Abs. 3 AsylG 1991 in jedem Fall anwendbar sei, in dem der rechtskräftig abgewiesene Fremde nova producta geltend mache, die vor seiner Rückkehr in den Heimatstaat eingetreten seien. Das Gesetz immunisiere somit rechtskräftige Abweisungsbescheide im Asylverfahren gegenüber späteren Nachfluchtgründen, in dem es die Rechtskraft jener gegenüber diesen durchdringen lasse. Mangels Rückkehr des Beschwerdeführers in den Heimatstaat vor der neuerlichen Asylantragstellung könne Asyl nicht gewährt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 69 Abs. 1 Z. 2 AVG lautet:

"Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten."

§ 69 Abs. 2 bestimmt, daß der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde einzubringen ist, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des durch den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Dezember 1992, welcher mit Ablauf des 4. Jänner 1993 in Rechtskraft erwuchs, abgeschlossenen Verfahrens, kann aus mehreren Gründen nicht zum Erfolg führen:

a) Der Beschwerdeführer stützt seinen Antrag auf Wiederaufnahme - entgegen seiner Ansicht - auf Tatsachen (nämlich die in der Berufungsergänzung vom 13. Juni 1994 vorgebrachte politische Verfolgung durch Behörden seines Heimatstaates, zu deren Untermauerung Bescheinigungsmittel vorgelegt wurden), die ihm bereits durch das Schreiben des Anwaltes A vom 12. Mai 1994 bekanntgeworden sind (vgl. diesbezüglich die Identität der wesentlichen Passagen des anläßlich der Wiederaufnahme vorgelegten Briefes des gleichen Anwaltes vom 11. Februar 1995 mit dem anläßlich der Berufung vorgelegten Brief vom 12. Mai 1994). Selbst unter der Annahme, daß dem Beschwerdeführer die Verfolgung durch die Behörden seines Heimatstaates als Tatsache erst durch den ersten Brief des Anwaltes A vom 12. Mai 1994 bekanntgeworden wäre (was angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers anläßlich der erstinstanzlich aufgenommenen Niederschrift ohnehin zweifelhaft ist), waren diese Tatsachen und auch die anläßlich der Berufung vorgelegten Beweismittel zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht neu im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG. Da dem Beschwerdeführer die Tatsachen spätestens mit Einbringung der Berufungsergänzung vom 13. Juni 1994 bekannt waren, lief die Frist des § 69 Abs. 2 AVG spätestens ab diesem Zeitpunkt; sie war daher im Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Antrages vom 3. März 1995 bereits abgelaufen.

b) Rein als Beweismittel gesehen ist das Schreiben des Anwaltes A vom 11. Februar 1995 kein neu hervorgekommenes, sondern ein neu entstandenes Beweismittel.

c) Letztlich übersieht der Beschwerdeführer aber auch, daß sein Vorbringen weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeiführen hätte können. Das Bundesasylamt hat dem Beschwerdeführer die Asylgewährung ausschließlich deshalb versagt, weil der Beschwerdeführer in Rumänien sicher vor Verfolgung gewesen und ihm daher gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 kein Asyl zu gewähren sei. Selbst dann, wenn dem Beschwerdeführer tatsächlich die Flüchtlingseigenschaft zukäme, könnte dies nichts am Vorliegen des zitierten Ausschlußgrundes ändern. Auch die Bezweiflung der Annahme der Sicherheit vor Verfolgung anläßlich der Berufung gegen den den Wiederaufnahmeantrag abweisenden Bescheid kann daran nichts ändern, da im Antrag auf Wiederaufnahme keine Tatsachen oder Beweismittel zur Debatte stehen, welche sich auf die Sicherheit vor Verfolgung in Rumänien beziehen, und es dem Beschwerdeführer sohin rechtlich verwehrt ist, gegen die rechtskräftige Entscheidung des Bundesasylamtes vom 17. Dezember 1995 im Rahmen der Berufung im Wiederaufnahmeverfahren neu anzukämpfen.

Der zweite (Eventual-)Asylantrag des Beschwerdeführers stützt sich auf behauptete Gründe des Fortdauerns seiner Verfolgungssituation in der Heimat. Anders als in dem dem hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0221, zugrundegelegenen Fall, in welchem der Asylantrag des dortigen Beschwerdeführers durch einen anderen Staat deshalb abgewiesen worden war, weil er in Österreich sicher vor Verfolgung gewesen war, ist hier der Fall zu beurteilen, daß eine rechtskräftige Abweisung des ersten Asylantrages des Beschwerdeführers aus dem Grunde seiner Sicherheit vor Verfolgung in Rumänien vor seiner Einreise nach Österreich vorliegt. Während im Falle der Abweisung eines Asylantrages durch einen anderen Staat aus dem Grund der Sicherheit vor Verfolgung in Österreich dann, wenn der Fremde sich im Anschluß daran in Österreich aufhält, das Schutzbedürfnis als Voraussetzung für seine Asylgewährung gerade in Österreich gegeben ist, liegt dieses Schutzbedürfnis nicht vor, wenn der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in einem anderen Staat sicher vor Verfolgung war. Im konkreten Fall liegt daher keine Ausnahme vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 Asylgesetz vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zl. 94/01/0685). Dann - wie bereits oben erwähnt - kommt für den Beschwerdeführer aber selbst im Falle, daß er tatsächlich Flüchtling wäre, bei einem im Hinblick auf die rechtskräftig festgestellte Sicherheit vor Verfolgung des Beschwerdeführers in Rumänien unveränderten Sachverhalt - von welchem hier auszugehen ist - eine Asylgewährung in Österreich nicht in Betracht.

Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers zielt im übrigen darauf ab, einen bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 17. Dezember 1992 vorgelegenen und unverändert andauernden asylrelevanten Verfolgungstatbestand glaubhaft zu machen. Damit handelt es sich auch nicht um den behaupteten Eintritt von asylrelevanten Nachfluchtgründen. Nur letztere könnten - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - auch ohne Rückkehr in den Verfolgerstaat (§ 2 Abs. 4 Asylgesetz 1991) geltend gemacht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0052). Durch die Bestätigung der Zurückweisung seines neuerlichen Asylantrages wurde der Beschwerdeführer daher nicht in seinen Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200343.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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