TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 W108 2237134-1

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Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §1 Z1
GEG §6c Abs1 Z1
GGG Art1 §1 Abs1
GGG Art1 §14
GGG Art1 §18 Abs1
GGG Art1 §18 Abs2 Z1
GGG Art1 §19a
GGG Art1 §2 Z1 lita
GGG Art1 §32 TP1
JN §54
JN §60
RATG §7
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W108 2237134-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von 1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX und 5. XXXX , alle vertreten durch BRAUNEIS KLAUSER PRÄNDL Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Eisenstadt vom 07.10.2020, Zl. Jv 2496/20w-33-4 (309 Rev 927/20z), betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren zu Recht:

A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag der Beschwerdeführer auf Rückzahlung von Gerichtsgebühren in der Höhe von EUR 1.898,00 stattgegeben wird.

Der genannte Betrag ist den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertretung zurückzuzahlen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang/Sachverhalt:

1. Im Grundverfahren vor dem Landesgericht XXXX brachten die Beschwerdeführer am 01.10.2019 (verbessert mit Schriftsatz vom 17.10.2019) eine Leistungsklage gegen zwei beklagte Parteien ein und bezifferten den Gesamtstreitwert mit EUR 70.891,35 s.A bzw. EUR 70.167,43 s.A. (nach Verbesserung).

Das Klagebegehren lautete nach Verbesserung wie folgt:

" Die Kläger begehren daher das nachfolgende Urteil

A. Leistungsbegehren

1. Die erstbeklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen insgesamt Euro 45.319,54 samt 4 % Zinsen p.a. seit 17.08.2019 zu Händen der Klagevertreterin zu bezahlen, wobei sich dieser Betrag auf die einzelnen Kläger wie folgt aufschlüsselt:

Kläger 2 EU R 15.092,22

Kläger 4 EUR 18.124,42

Kläger 5 EUR 11.904,90 (Solidarforderung)

2. Beide beklagten Parteien sind darüber hinaus zur ungeteilten Hand schuldig, binnen 14 Tagen insgesamt weitere Euro 24.847,89 samt 4 % Zinsen p.a. seit 17.08.2019 zu Händen der Klagevertreterin zu bezahlen, wobei sich dieser Betrag auf die einzelnen Kläger wie folgt aufschlüsselt:

Kläger 1 EUR 14.722,55 (Solidarforderung)

Kläger 3 EUR 10.125,34

B. Kostenbegehren

Jedenfalls sind die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die Verfahrenskosten gemäß § 19a RAO zu Händen der Klagevertreterin zu ersetzen."

Für die Einbringung der Klage wurden im Einziehungs- und Abbuchungsweg, wie im Kostenverzeichnis der Klage angeführt, eine Pauschalgebühr nach TP 1 GGG sowie 30 % Streitgenossenzuschlag nach § 19a GGG in Höhe von gesamt EUR 3.794,70 entrichtet.

2. Mit Klagebeantwortung vom 25.11.2019 bemängelten die beklagten Parteien den Streitwert und konkretisierten diese Bemängelung mit Schriftsatz vom 20.02.2020 dahingehend, dass eine Festsetzung des Streitwertes in Höhe von EUR 49.727,90 nach § 7 RATG begehrt werde.

3. Mit Schriftsatz vom 15.06.2020 dehnten die Beschwerdeführer die Klage auf einen Betrag in Höhe von EUR 71.121,50 aus, wodurch sich für die (Höhe der) Gerichtsgebühren keine Änderung ergab.

4. In der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2020 erzielten die Parteien des Grundverfahrens Einvernehmen hinsichtlich des Streitwertes, sodass sich eine Beschlussfassung des Gerichtes nach § 7 Abs. 2 RATG erübrigte. Der Gesamtstreitwert beträgt nach dem Einvernehmen der Parteien wie im Verhandlungsprotokoll aufgeschlüsselt EUR 49.763,94.

5. In der Verhandlung vom 23.06.2020 wurde ferner der verfahrensgegenständliche Rückzahlungsantrag gestellt. Die Beschwerdeführer beantragten die teilweise Rückzahlung der für die Einbringung der Klage entrichteten Gerichtsgebühren im EUR 1.459,00 zuzüglich Streitgenossenzuschlag übersteigenden Betrag, da die Gerichtsgebühren bisher aufgrund der Gesamtsumme von Haupt- und Nebenforderung berechnet worden seien, richtigerweise aber nur auf Basis der Hauptforderung zu berechnen seien.

6. Mit „Note“ vom 04.08.2020 teilte das Gericht des Grundverfahrens dazu mit, dass im vorliegenden Fall eine sogenannte gebundene Bewertung des Streitgegenstands zu erfolgen habe. Das RATG wie auch das GGG enthielten keine Bestimmungen über Zinsen, sodass zufolge 4 RATG und § 14 GGG hier § 54 Abs. 2 JN gelte. Nach § 54 Abs. 2 JN würden Zinsen, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben. Für eine abweichende Bewertung durch den Kläger bestehe kein Raum, eine erfolgte Bewertung sei sogar unbeachtlich. Der von Amts wegen zu berücksichtigende Streitwert belaufe sich aktuell auf EUR 49.763,94. Ein Fall der Streitwertbemängelung nach § 7f RATG liege nicht vor.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab der Präsident des Landesgerichtes Eisenstadt (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) dem Rückzahlungsantrag der Beschwerdeführer nicht statt.

Begründend wurde ausgeführt: Ausgehend vom Streitwert von EUR 70.891,35 - nach Klagsausdehnung EUR 71.121,50 - betrage die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren 1. Instanz nach TP 1 GGG EUR 2.919,00. Da fünf Kläger zwei Beklagten gegenüberstünden, komme ein Streitgenossenzuschlag gemäß § 19a GGG von 30% oder EUR 875,70 hinzu. Die Pauschalgebühr für die Klage betrage daher insgesamt EUR 3.794,70.

Die zuständige Kostenbeamtin sei vom Urteilsantrag der Klage ausgegangen. Die Beschwerdeführer hätten den Streitwert explizit im Rubrum der Klage ausgewiesen und beziffert. Auch lasse die Klage eine Aufschlüsselung in Haupt- und Nebenforderung, woraus ein Zinsbegehren erkennbar gewesen wäre, vermissen. Zudem sei auch in das Kostenverzeichnis ein – auf dem angegebenen Streitwert beruhender – Betrag von EUR 3.794,70 an Pauschalgebühr aufgenommen worden. Unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Anknüpfung der Gerichtsgebührenpflicht an formale äußere Umstände zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei daher der angeführte Klagsbetrag maßgebend gewesen. Da ein Zinsbegehren nicht habe festgestellt werden können, sei § 54 Abs. 2 JN nicht anzuwenden.

Eine Teilrückzahlung von zuviel entrichteter Pauschalgebühr gemäß § 18 GGG sei nicht vorzunehmen: Werde der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert, so bilde - unbeschadet des § 16 - gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 GGG der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage. Bereits entrichtete Mehrbeträge seien zurückzuzahlen. Eine „Entscheidung“ nach § 7 RATG könne durch einen Gerichtsbeschluss oder auch durch Einigung der Parteien in der ersten Tagsatzung erfolgen. Im vorliegenden Fall könne jedoch weder aus der erfolgten Bezifferung der Kapitalforderungen für die jeweiligen Beschwerdeführer im Protokoll vom 23.06.2020 noch aus dem Umstand, dass das Urteilsbegehren nunmehr zusammengerechnet EUR 49.763,94 betrage, eine Streitwertbemängelung nach § 7 RATG abgeleitet werden, da das Gericht des Grundverfahrens eine solche in seiner Note vom 04.08.2020 ausdrücklich verneint habe. Es könne daher nur von einer Klagseinschränkung ausgegangen werden, wodurch aber gemäß § 18 Abs. 3 GGG eine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren nicht eintrete. Der Rückzahlungsanspruch erweise sich daher als unberechtigt.

7. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in welcher sie vorbrachten, dass die Rechtansicht der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid aus mehreren Gründen unrichtig sei. Gemäß § 54 Abs. 2 JN seien bei der Bewertung insbesondere Zinsen nicht miteinzubeziehen. Die von den Beschwerdeführern begehrten Vergütungszinsen seien daher aus materiellrechtlicher Sicht bereits seit Beginn des Verfahrens als Nebenforderung zu qualifizieren gewesen. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer die Vergütungszinsen zu Beginn des Verfahrens als Hauptforderung ausgewiesen hatten, vermöge daran nichts zu ändern, da es für die Qualifikation von Zinsen als streitwerterhöhende Hauptforderung oder als nicht streitwerterhöhende Nebenforderung nicht darauf ankomme, wie der Kläger die Forderung qualifiziere. Die Vergütungszinsen hätten daher bereits von Beginn an nicht in die Bemessungsgrundlage der Pauschalgebühren miteinbezogen werden dürfen. Zudem ergebe sich aus Punkt IV. E der Klagserzählung sehr deutlich, dass die Klagsforderung Zinsen enthalte. Die belangte Behörde hätte daher ebenso wie das Gericht des Grundverfahrens von Amts wegen prüfen müssen, welche Bestandteile der Klagsforderung Haupt- und Nebenforderung seien. Zudem habe das Gericht seine Anleitungspflicht gemäß § 182, 182a ZPO verletzt, indem vor Zustellung der Klage an die beklagten Parteien nicht darauf hingewiesen worden sei, dass die geltend gemachten Vergütungszinsen als Nebenforderung zu qualifizieren und die Ansprüche der Beschwerdeführer daher in Prämien und Vergütungszinsen aufzuschlüsseln seien. Ferner ergebe sich aus dem Protokoll der mündlichen Tagsatzung vom 23.06.2020, dass die Beschwerdeführer Haupt- und Nebenforderung auch ziffernmäßig aufschlüsselten. Hierbei handle es sich – entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde – nicht um eine Klagseinschränkung, sondern allenfalls um eine Konkretisierung der Klagsforderung. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführer ausdrücklich nicht um die Vergütungszinsen eingeschränkt hätten, sondern lediglich dargestellt hätten, dass es sich bei den Vergütungszinsen um Nebenforderungen handle, die bei der Bemessung des Streitwertes nicht zu berücksichtigen seien. Zusätzlich sei § 7 RATG iVm § 18 Abs. 2 GGG einschlägig, weil die beklagte Partei den Streitwert bemängelt und die Parteien sich infolge der Bemängelung ex tunc über den Streitwert geeinigt hätten. Die Bescheidbegründung sei auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 54 Abs. 2 JN sowie dem Vorliegen einer Streitwertbemängelung widersprüchlich. Der Rückzahlungsantrag sei daher berechtigt und hätten die Beschwerdeführer EUR 1.898,00 an zu viel bezahlten Pauschalgebühren zurückzuerhalten.

8. Die belangte Behörde sah von einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Ausführungen oben unter Punkt I. zum Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen) und Sachverhalt werden festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgeschehen bzw. der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der (verbesserten) Klage vom 17.10.2019, dem Protokoll über die öffentliche mündliche Verhandlung vom 23.06.2020, dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde. Die für die Entscheidung wesentlichen Umstände im Tatsachenbereich sind geklärt und die relevanten Urkunden und Ermittlungsergebnisse liegen in den Verwaltungsakten ein. Verfahrensgang und Sachverhalt wurden von der belangten Behörde im Einklang mit der Aktenlage im angefochtenen Bescheid festgestellt bzw. (auch) damit übereinstimmend von den Beschwerdeführern vorgebracht. In der Beschwerde wurde nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde bekämpft. Der relevante Sachverhalt steht anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens somit fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.

3.3. Sie ist auch berechtigt:

3.3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Gerichtsgebührengesetzes (GGG) unterliegt den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren die Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizverwaltungsbehörden einschließlich der an diese gerichteten Eingaben sowie die Führung der öffentlichen Bücher, Urkundensammlungen sowie einsichtsfähigen Register nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen und des angeschlossenen, einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs.

Gemäß § 2 Z 1 lit. a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage […] begründet.

Tarifpost (TP) 1 des § 32 GGG legt Gerichtsgebühren (Pauschalgebühren) in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz in abgestufter Höhe nach dem Wert des Streitgegenstandes fest.

Nach der TP 1 in der hier maßgebenden Fassung beträgt die Pauschalgebühr EUR 1.459,00 bei einem Streitwert über EUR 35.000,00 bis EUR 70.000,00 und EUR 2.919,00 bei einem Streitwert über EUR 70.000,00 bis EUR 140.000,00.

Gemäß § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.

Nach § 54 Abs. 2 JN bleiben Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, bei der Wertberechnung unberücksichtigt.

Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren von Amts wegen einzubringen.

Gemäß § 6c Z 1 GEG sind die nach § 1 einzubringenden Beträge mit Ausnahme der Beträge nach § 1 Z 6 zurückzuzahlen, soweit sich in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde und der Rückzahlung keine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht.

Die Rückzahlung ist von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Beträge entrichtet hat, zu verfügen. Insoweit sich jedoch der Rückzahlungsanspruch als nicht berechtigt erweist, ist er von der Behörde (§ 6 GEG) mit Bescheid abzuweisen (§ 6c Abs. 2 GEG).

3.3.2. Umgelegt auf den hier vorliegenden Sachverhalt ergibt sich daraus Folgendes:

3.3.2.1. Unstrittig ist, dass von den Beschwerdeführern für die Einbringung der (verbesserten) Klage vom 17.10.2019 eine Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG zu entrichten ist.

Strittig ist die Höhe der Pauschalgebühr.

Die belangte Behörde ist hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der Pauschalgebühr vom Urteilsantrag der Klage, die keine Aufschlüsselung der Klagsforderung in Haupt- und Nebenforderung enthält, ausgegangen. Die Beschwerdeführer wenden dagegen ein, dass es nicht darauf ankomme, wie die Forderung qualifiziert werde, die Vergütungszinsen hätten daher bereits von Beginn an nicht in die Bemessungsgrundlage der Pauschalgebühren miteinbezogen werden dürfen. Zudem ergebe sich aus der Klagserzählung sehr deutlich, dass die Klagsforderung Zinsen enthalte.

In dieser Hinsicht ist der belangten Behörde zu folgen:

Die Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühr ergibt sich - sofern (wie im vorliegenden Fall) keine gebührenrechtliche Sonderbestimmung nach § 15 oder 16 GGG zum Tragen kommt - gemäß § 14 GGG aus dem Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN. Danach hat der Kläger, wenn Gegenstand des Begehrens nicht ein Geldbetrag ist, den Streitgegenstand gemäß § 56 Abs. 2 erster Satz JN zu bewerten.

Im vorliegenden Fall ist Gegenstand der Klage ein ziffernmäßig bestimmtes Leistungsbegehren (Zahlungsbegehren), konkret eine Geldforderung von (zusammengerechnet) EUR 70.891,35 bzw. EUR 70.167,43 bzw. EUR 71.121,50. In einem solchen Fall ist die Höhe der Geldforderung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Für die Bewertung des Streitgegenstandes durch die Parteien nach § 56 Abs. 2 JN besteht demgegenüber kein Raum.

Der Sichtweise der Beschwerdeführer steht der Umstand entgegen, dass sie weder in der Klagserzählung noch im Urteilsantrag eine klare und übersichtliche Aufschlüsselung ihrer Klagsforderung vorgenommen haben. Es wurde kein bestimmter Betrag ausdrücklich als Nebenforderung angegeben bzw. ausgewiesen, sondern vielmehr die Geldforderung mit EUR 70.891,35 (bzw. in der verbesserten Klage mit EUR 70.167,43 bzw. in der Klagsausdehnung mit EUR 71.121,50) angegeben. Zudem wurde auch in das Kostenverzeichnis ein - auf diesen Klagsforderungen beruhender - Betrag von EUR 3.794,70 (inklusive 30% Streitgenossenzuschlag) an Pauschalgebühr aufgenommen.

Es war daher gerade nicht ersichtlich, ob bzw. in welcher Höhe die von den Beschwerdeführern angegebene Geldforderung auch Nebenforderungen enthielt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpft das Gerichtsgebührengesetz bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes durch den Kostenbeamten zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vorm Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes dem im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (vgl. VwGH 22.10.2015, Ro 2014/16/0021, VwGH 18.08.2020, Ra 2020/16/0088). Die Nebenforderungen hätten daher nur dann bei der Streitwertermittlung unberücksichtigt bleiben können, wenn sie durch entsprechende Aufschlüsselung erkennbar gewesen wären (vgl. VwGH 27.01.2005, 2004/16/0206). Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer besteht nach der zitierten Rechtsprechung auch keine Verpflichtung des zuständigen Richters und/oder Kostenbeamten, einen mit einem ziffernmäßigen Betrag ausgedrückten Klagsgegenstand ausführlich dahingehend zu untersuchen, ob in diesem allenfalls Zinsen und Kosten enthalten sind.

Zu prüfen bleibt jedoch, ob der Streitwert gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 GGG gerichtsgebührenrelevant geändert wurde.

Dies ist zu bejahen:

Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Allerdings werden in § 18 Abs. 2 GGG Ausnahmen hiervon normiert. So bildet gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 GGG dann, wenn der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert wird - unbeschadet des § 16 GGG - der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.

§ 7 Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG) bestimmt:

„(1) Findet der Beklagte die Bewertung des Streitgegenstandes nach den §§ 56 oder 59 der Jurisdiktionsnorm durch den Kläger zu hoch oder zu niedrig, so kann er spätestens bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung die Bewertung bemängeln. Wird der Wert des Verfahrensgegenstandes im außerstreitigen Verfahren von den Parteien unterschiedlich bezeichnet, so ist dies einer Bemängelung der Bewertung gleichzuhalten.

(2) Mangels einer Einigung der Parteien hat das Gericht möglichst ohne weitere Erhebungen und ohne die Erledigung wesentlich zu verzögern oder Kosten zu verursachen, den Streitgegenstand für die Anwendung dieses Bundesgesetzes im Rahmen der von den Parteien behaupteten Beträge zu bewerten. Gleiches gilt im außerstreitigen Verfahren für die Bewertung des Verfahrensgegenstandes. Dieser Beschluss kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.“

§ 60 Jurisdiktionsnorm (JN) bestimmt:

„(1) Erscheint bei einer Klage, welche bei einem Gerichtshofe erster Instanz angebracht wurde, die vom Kläger angegebene Summe, zu deren Annahme an Stelle der angesprochenen Sache er sich erboten hat (§ 56 Absatz 1), oder die im Sinne des §. 56 Absatz 2 erfolgte Bewertung des Streitgegenstandes übermäßig hoch gegriffen, so kann das Gericht, wenn es zugleich wahrscheinlich ist, dass bei richtigerer Bewertung des Streitgegenstandes dieser die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder für die Besetzung des Gerichtes (§ 7a) maßgebende Wertgrenze nicht erreichen dürfte, von amtswegen die ihm zur Prüfung der Richtigkeit der Wertangabe nötig erscheinenden Erhebungen und insbesondere die Einvernehmung der Parteien, die Vornahme eines Augenscheines und, wenn es ohne erheblichen Kostenaufwand und ohne besondere Verzögerung geschehen kann, auch die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Dies kann erforderlichenfalls auch schon vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung geschehen.

(2) Als Wert einer grund- oder hauszinssteuerpflichtigen unbeweglichen Sache ist jener Betrag anzusehen, welcher als Steuerschätzwert für die Gebürenbemessung in Betracht kommt.

(3) Muss infolge der Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen die Streitsache von dem Gerichtshofe an das Bezirksgericht abgetreten werden, so hat der Kläger die durch diese Erhebungen und Beweisführungen entstandenen Kosten zu tragen oder zu ersetzen. Dasselbe gilt, wenn nach dem Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen der mit mehr als 100 000 Euro angegebene Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 100 000 Euro nicht übersteigt (§ 7a).

(4) Außer dem in Absatz 1 bezeichneten Falle ist die in der Klage enthaltene Bewertung des Streitgegenstandes in Ansehung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes (§ 7a) sowohl für das Gericht als für den Gegner bindend.“

Wie bereits die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, kann eine Streitwertfestsetzung gemäß § 7 RATG nicht nur mittels eines gerichtlichen Beschlusses, sondern auch im Wege einer Parteienvereinbarung erfolgen (arg.: „ ... mangels einer Einigung der Parteien ...“) und würde auch eine auf diese Weise vorgenommene Streitwerterhöhung den zwingenden Erweiterungstatbestand nach § 18 Abs. 2 Z 1 GGG auslösen, weil diese Bestimmung keinen Spielraum der Prozessparteien dahin zulässt, die Wirkungen einer gemäß § 7 RATG vereinbarungsmäß vorgenommenen Streitwertfestsetzung auf den Anwendungsbereich des RAT zu beschränken und vom Anwendungsbereich des GGG auszunehmen (VwGH 23.10.2008, 2006/16/0143).

Die belangte Behörde verneinte im vorliegenden Fall eine Streitwertbemängelung gemäß § 7 RATG, da das Gericht eine solche ausdrücklich verneint habe. Es ist zwar zutreffend, dass § 7 RATG bei einer sogenannten gebundenen Bewertung nicht anwendbar ist (Obermeier, Kostenhandbuch3, 2.43 [Stand 8.1.2018, rdb.at]). Jedoch haben die Parteien des Grundverfahrens – nach der von den beklagten Parteien vorgenommenen Streitwertbemängelung und Konkretisierung, dass eine Festsetzung des Streitwertes nach § 7 RATG begehrt werde – in der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2020 den Gesamtstreitwert einvernehmlich mit EUR 49.763,94 festgesetzt und so – jedenfalls der Sache nach - eine dem § 7 RATG entsprechende Streitwertfestsetzung durch Parteienvereinbarung erzielt.

Es besteht kein Anlass, die hier vorgenommene Streitwertfestsetzung anders zu behandeln als eine solche nach § 7 RATG. § 18 Abs. 2 Z 1 GGG ist nämlich einer „erweiternden Interpretation“ (im Hinblick auf § 7 RATG gleichzuhaltende Streitwertänderungen) durchaus zugänglich (vgl. VwGH 21.12.2000, 97/16/0360 zu einer richterlichen Streitwertänderung nach § 197 Abs. 6 AktG). Darüber hinaus findet eine gerichtsgebührenrelevante Streitwertänderung auch in den Fällen des § 60 JN, auf den § 14 GGG verweist, statt (VwGH 21.12.2000, 97/16/0360; 16.12.1999, 99/16/0309).

Das von den Parteien des Grundverfahrens in der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2020 erzielte Einvernehmen hinsichtlich des Streitwertes ist daher einer vereinbarungsmäß vorgenommenen Streitwertfestsetzung nach § 7 RATG gleichzuhalten. Somit gelangt § 18 Abs. 2 Z 1 GGG zur Anwendung, wonach der (hier: durch Parteienvereinbarung) geänderte Streitwert in der Höhe von EUR 49.763,94 die Bemessungsgrundlage bildet.

Abgesehen davon hat aber auch das Gericht des Grundverfahrens in seiner „Note“ vom 04.08.2020 ausgesprochen, dass ein von Amts wegen zu berücksichtigender Streitwert im Gerichtsverfahren von EUR 49.763,94 vorliegt. Wenn das Gericht (wie im vorliegenden Fall) ohne Berücksichtigung der ziffernmäßig bestimmten Geldforderung in der Klage (oder Bewertung durch die Kläger) den Streitwert im Gerichtsverfahren von Amts wegen festlegt, hat auch die Justizverwaltungsbehörde von diesem auszugehen. Denn die Streitwertbestimmung des Gerichtes ist für die Berechnung der Gerichtsgebühr bindend und im Gebührenvorschreibungsverfahren bzw. Rückzahlungsverfahren nicht zu überprüfen (s. VwGH 21.12.2000, 97/16/0360; auch VwGH 30.06.2005, 2004/16/0274, 16.12.1999, 99/16/0309). Damit ist die Ausnahmebestimmung des § 18 Abs. 2 Z 1 GGG ebenfalls erfüllt.

Diese Auslegung ist auch vor folgendem Hintergrund zu sehen: Die Bemessung der Gerichtsgebühren nach dem Streitwert im Gerichtsverfahren dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens und ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Dies gilt letztlich auch für die Bindung an die richterliche Streitwertfestsetzung, womit die Gefahr einer Divergenz zwischen der vom Gebührenschuldner geschuldeten Gerichtsgebühr einerseits und der Höhe des vom Gericht in der Kostenentscheidung ihm zugesprochenen (bzw. dem unterlegenen Prozessgegner auferlegten) Ersatzes dieser Gebühr andererseits, und damit einer prozessualen Komplikation vermieden wird (vgl. VfGH 01.03.2007, B301/06, VfSlG. 18070). Sichtlich aus diesem Grund wurde gebührenrechtlich in § 18 Abs. 2 Z 1 GGG die Anknüpfung an die (richterliche) Streitwertfestsetzung bzw. Streitwertänderung nach § 7 RATG normiert.

Die Bemessungsgrundlage beträgt sohin EUR 49.763,94, die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG (EUR 1.459,00 bei einem Streitwert über EUR 35.000,00 bis EUR 70.000,00 inklusive eines – nicht bestrittenen – Streitgenossenzuschlages von 30%) dementsprechend EUR 1.896,70 und nicht den eingezogenen Betrag von EUR 3.794,70, sodass sich ein zu viel gezahlter Betrag von EUR 1.898,00 ergibt.

Für die Rückzahlung von Gebühren ist es erforderlich, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wird. Nach dem Gesagten schulden die Beschwerdeführer einen geringeren als den eingezogenen Betrag, womit sich der Rückzahlungsanspruch der Beschwerdeführer als berechtigt erweist.

Dem Rückzahlungsantrag der Beschwerdeführer war daher in Stattgabe der Beschwerde antragsgemäß im Umfang von EUR 1.898,00 Folge zu geben und der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern.

3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist, und VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132, wonach Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen).


Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden (vgl. etwa VwGH 25.09.2015, Ra 2015/16/0085, mwN). Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

äußere Formaltatbestände Bemessungsgrundlage Bescheidabänderung Gerichtsgebühren Klagebegehren Pauschalgebühren Rückzahlung Streitgenossenzuschlag Streitwert Streitwertänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W108.2237134.1.00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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