TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/30 W203 2243492-1

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Veröffentlicht am 30.09.2021
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Entscheidungsdatum

30.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
PrivSchG §1
PrivSchG §14 Abs1 lita
PrivSchG §14 Abs2
PrivSchG §15
PrivSchG §16 Abs1
PrivSchG §2 Abs1
PrivSchG §8

Spruch


W203 2243492-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde des Vereins „ XXXX “ gegen den Bescheid des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 05.05.2021, GZ. 2021-0.120.087, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der Privatschule „ XXXX “ das Öffentlichkeitsrecht für die 9. Schulstufe für das Schuljahr 2020/21 verliehen.

Das Mehrbegehren auf Verleihung des Öffentlichkeitsrechts auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Schreiben vom 11.08.2020 beantragte der beschwerdeführende Verein als Schulerhalter der Privatschule „ XXXX “ in XXXX (im Folgenden: gegenständliche Privatschule) die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes ab dem Schuljahr 2020/21 auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen.

2. Aus einem anlässlich dieses Antrages erstellten Inspektionsbericht des zuständigen Schulqualitätsmanagers vom 09.12.2020 geht u.a. hervor, dass zu diesem Zeitpunkt ein Schüler und eine Schülerin auf der 9. Schulstufe unterrichtet wurden. Zu Beginn des Schuljahres habe die Gesamtschüleranzahl noch drei betragen, ein Schüler sei aber inzwischen wieder von der Schule abgemeldet worden. In Bezug auf die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes wurde in dem Bericht wie folgt Stellung genommen: „Auf Grund der Tatsachenfeststellung und da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden und eine entsprechende Kontinuität gegeben ist, wird die Gewährung des Öffentlichkeitsrechts für die 9. Schulstufe für das Schuljahr 2020/21 empfohlen. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass die Schule nur von zwei Schüler/innen besucht wird.“

3. Der Umstand, dass nach Ansicht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur (im Folgenden: belangte Behörde) durch das Unterrichten von lediglich zwei Personen noch keine anstaltliche Organisationsform gegeben sei, weswegen gegenständlich derzeit die Definition einer Privatschule nicht erfüllt sei, folglich auch keine Führung dieser erfolgen könne und somit eine Verleihung des Öffentlichkeitsrechts nicht möglich sei, wurde dem beschwerdeführenden Verein vorgehalten und diesem die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.

4. Am 16.02.2021 nahm der beschwerdeführende Verein zum Vorhalt der belangten Behörde auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt Stellung:

Der Privatschule sei in den Schuljahren 2018/19 und 2019/20 jeweils das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden und seitens der Bildungsdirektion für Niederösterreich werde die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes auch für das Schuljahr 2020/21 befürwortet.

Die Anzahl der an der Schule unterrichteten Schülerinnen und Schüler spiele in einer ersten „gewissen Anlaufzeit“ nur eine untergeordnete Rolle, sondern sei primär auf das Vorliegen einer anstaltlichen Organisationform abzustellen. Privatschulen seien meist sehr kleine Bildungseinrichtungen und gemäß den Bestimmungen des Privatschulgesetzes würden zwei Schülerinnen bzw. Schüler ausreichen, um als „Schule“ zu gelten. Die Auffassung der belangten Behörde, dass ein „Massenunterricht“ vorliegen müsse, sei somit willkürlich.

Die Auffassung, dass gegenständlich keine Privatschule vorliege, verstoße gegen Art. 14 Abs. 7 B-VG.

5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.05.2021, GZ. 2021-0.120.087 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde der Antrag des beschwerdeführenden Vereins vom 11.08.2020 zurückgewiesen (Satz 1) und der gegenständlichen Privatschule das Öffentlichkeitsrecht für das Schuljahr 2020/21 nicht verliehen (Satz 2).

Begründend wurde ausgeführt, dass unter „Mehrzahl“ iSd § 2 Abs. 1 PrivSchG nicht das Gegenteil des grammatikalischen Begriffs „Einzahl“, sondern „mehrere Schülerinnen und Schüler“ zu verstehen sei und in diesem Zusammenhang auch auf Mischler-Ulbrich, Staatswörterbuch, 3. Band, Seite 994 zur Auslegung des historischen Privatschulbegriffs verwiesen. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass unter dem Begriff „mehrere Schülerinnen und Schüler“ zumindest drei Personen zu verstehen seien. Bei zwei Personen handle es sich keinesfalls um eine „Masse“ iS eines „Massenunterrichts“ gemäß dem historischen Privatschulbegriff. Die gegenständliche Schule existiere seit dem Schuljahr 2016/17 und habe in den Schuljahren 2016/17, 2017/18 und 2020/21 eine Gesamtschüleranzahl von 2, im Schuljahr 2018/19 von 3 und im Schuljahr 2019/20 von 4 aufgewiesen. In den beiden Schuljahren 2018/19 und 2019/20 habe der gegenständlichen Schule aufgrund der Anzahl der Schülerinnen und Schüler das Öffentlichkeitsrecht verliehen werden können. Im Schuljahr 2020/21 sei aber aufgrund der Anzahl von nur einem Schüler und einer Schülerin die Eigenschaft als Privatschule verloren gegangen. Die gegenständliche Privatschule könne somit nicht unter die Bestimmungen des Privatschulgesetzes subsumiert werden.

6. Am 31.05.2021 brachte der beschwerdeführende Verein Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ein und begründete diese auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt:

Bereits aus der Wortinterpretation in Verbindung mit einer grammatikalischen Auslegung des hier einschlägigen § 2 Abs. 1 PrivSchG sowie den Gesetzesmaterialien zum PrivSchG ergebe sich, dass mit einer „Mehrzahl von Schülern“ nur zwei oder mehr als zwei Schülerinnen bzw. Schüler gemeint sein könnten. Auch ein Vergleich mit anderen Materiengesetzen – wie z.B. dem Umgründungssteuergesetz und dem Wohnungseigentumsgesetz – zeige, dass der Gesetzgeber immer dann von einer „Mehrzahl“ spreche, wenn er eine Anzahl größer als eins meine. Ab einer Anzahl von mindestens zwei gehe der Gesetzgeber demnach von einer „Mehrzahl“ aus, ab einer Anzahl von mindestens drei von einer „Vielzahl“ (z.B. im Arbeitsruhegesetz und im Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz). Auch der Inspektionsbericht des Schulqualitätsmanagers vom 09.12.2020, der ein Amtssachverständigengutachten darstelle, würde die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes empfehlen. Weiters sei die Annahme einer „gewissen Anlaufzeit“, mit der die belangte Behörde argumentiere, gesetzwidrig, weil sich eine solche dem Privatschulgesetz nicht entnehmen lasse. Bei einer Betrachtung der letzten fünf Schuljahre lasse sich eine eindeutige Tendenz zur Erhöhung der Gesamtzahl der an der Schule unterrichteten Kinder herauslesen, sodass eine punktuelle Verringerung dieser Anzahl im Schuljahr 2020/21 nicht dazu führen könne, dass die Eigenschaft „Schule“ verlorengeht. Außerdem wären die Bemühungen, die Schüler- und Schülerinnenanzahl ab November 2020 wieder zu erhöhen, lediglich an den außergewöhnlichen Umständen aufgrund der Covid-19-Pandemie gescheitert, sodass die Schule daran kein Verschulden treffe. Insofern sich die belangte Behörde auf die Ausführungen in „Mischler-Ulbrich, Staatswörterbuch, 3. Band, Seite 994“ beziehe, sei anzumerken, dass die gegenständliche Schule alle darin geforderten Eigenschaften eines Privatschulunterrichts besitze. Würde man der Argumentation der belangten Behörde folgen, würde dies die absurde Konsequenz haben, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem die Anzahl der unterrichteten Kinder auf zwei oder weniger sinkt, die verbliebenen Kinder ihre Schulpflicht nicht mehr an dieser Einrichtung erfüllen könnten.

7.       Einlangend am 16.06.2021 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Führung der gegenständlichen Einrichtung als Privatschule ab dem Schuljahr 2016/17 wurde mit Bescheid der damals zuständigen Schulbehörde nicht untersagt.

Die gegenständliche Einrichtung wies in den einzelnen Schuljahren folgende Gesamtanzahl an Schülerinnen und Schülern auf:

Schuljahr 20216/17: 2

Schuljahr 2017/18: 2

Schuljahr 2018/19: 3

Schuljahr 2019/20: 4

Schuljahr 2020/21: zunächst 3, ab dem 23.10.2020 nur mehr 2.

In den beiden Schuljahren 2018/19 und 2019/20 wurde der gegenständlichen Privatschule jeweils für ein Jahr das Öffentlichkeitsrecht verliehen.

Das Recht zur Schulführung wurde dem beschwerdeführenden Verein bis dato nicht entzogen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A) (Abweisung der Beschwerde)

3.2.1. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

Gemäß § 14 Abs. 2 Privatschulgesetz (PrivSchG), BGBl. Nr. 244/1962, idgF, ist Privatschulen, die keiner öffentlichen Schulart entsprechen, das Öffentlichkeitsrecht zu verleihen, wenn

a)       die Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. a vorliegen,

b)       die Organisation, der Lehrplan und die Ausstattung der Schule sowie die Lehrbefähigung des Leiters und der Lehrer mit einem vom zuständigen Bundesminister erlassenen oder genehmigten Organisationsstatut übereinstimmen,

c)       die Privatschule sich hinsichtlich ihrer Unterrichtserfolge bewährt hat und

d)       die Privatschule über für die Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schule geeignete Unterrichtsmittel verfügt.

Gemäß Abs. 1 lit. a leg. cit. ist Privatschulen, die gemäß § 11 eine gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung führen, das Öffentlichkeitsrecht zu verleihen, wenn der Schulerhalter (bei juristischen Personen dessen vertretungsbefugte Organe), der Leiter und die Lehrer Gewähr für einen ordnungsgemäßen und den Aufgaben des österreichischen Schulwesens gerecht werdenden Unterricht bieten.

Gemäß § 15 PrivSchG darf das Öffentlichkeitsrecht an Privatschulen vor ihrem lehrplanmäßig vollen Ausbau jeweils nur für die bestehenden Klassen (Jahresstufen) und jeweils nur für ein Schuljahr verliehen werden. Nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues kann das Öffentlichkeitsrecht nach Maßgabe der Unterrichtserfolge auch auf mehrere Schuljahre verliehen werden. Wenn Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen besteht, ist das Öffentlichkeitsrecht nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues der Schule auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen zu verleihen.

Gemäß § 16 Abs. 1 PrivSchG ist - wenn die im § 14 genannten Voraussetzungen während der Dauer des Öffentlichkeitsrechtes nicht mehr voll erfüllt werden - dem Schulerhalter unter Androhung des Entzuges beziehungsweise der Nichtweiterverleihung des Öffentlichkeitsrechtes eine Frist bis längstens zum Ende des darauffolgenden Schuljahres zur Behebung der Mängel zu setzen. Werden die Mängel innerhalb der gesetzten Frist nicht behoben, so ist das Öffentlichkeitsrecht zu entziehen beziehungsweise nicht weiterzuverleihen.

Gemäß § 1 PrivSchG regelt dieses Bundesgesetz die Errichtung und Führung von Privatschulen – mit Ausnahme der land- und forstwirtschaftlichen Schulen – sowie die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes und die Gewährung von Subventionen an solche Privatschulen.

Gemäß § 2 Abs. 1 PrivSchG sind Schulen im Sinne dieses Bundesgesetzes Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wenn im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird.

Gemäß § 8 Abs. 1 PrivSchG erlischt das Recht zur Führung einer Schule

a)       mit der Auflassung der Schule durch den Schulerhalter,

b)       mit dem Wegfall einer der im § 4 Abs. 1 oder 2 genannten Bedingungen,

c)       nach Ablauf eines Jahres, in dem die Schule nicht geführt wurde,

d)       mit der Überlassung des Schulvermögens an eine andere Person in der Absicht, die Schulerhalterschaft aufzugeben, oder

e)       mit dem Tode des Schulerhalters (bei juristischen Personen mit deren Auflösung); die Verlassenschaft beziehungsweise die Erben des Schulerhalters können die Schule jedoch bis zum Ende des laufenden Schuljahres weiterführen, wobei sie die Rechte und Pflichten des Schulerhalters übernehmen; sie haben die Weiterführung der Schule der zuständigen Schulbehörde anzuzeigen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat - werden nach der Eröffnung der Schule die im § 5 Abs. 1, 2 oder 4 (unter allfälliger Bedachtnahme auf § 5 Abs. 5) oder im § 6 genannten Bedingungen nicht mehr erfüllt - die zuständige Schulbehörde dem Schulerhalter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel zu setzen. Werden die Mängel innerhalb dieser Frist nicht behoben, so hat die Schulbehörde die weitere Führung der Schule zu untersagen.

3.2.2. Aus dem mit „Geltungsbereich“ überschriebenem § 1 PrivSchG sowie aus der systematischen Gliederung des Privatschulgesetzes geht klar hervor, dass zwischen den Bereichen „Errichtung und Führung von Privatschulen“, „Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes“ und „Gewährung von Subventionen“ an diese klar zu unterscheiden.

Verfahrensgegenstand ist ausschließlich die Frage der Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes an die gegenständliche Privatschule. Nicht Verfahrensgegenstand ist somit insbesondere der Themenbereich „Errichtung und Führung von Privatschulen“.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei – der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsauffassung folgend - nicht, dass primäre Voraussetzung für die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes an eine Privatschule ist, dass es sich bei der Einrichtung, der dieses Recht verliehen werden soll, überhaupt um eine „Schule“ handelt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde gelangt das Bundesverwaltungsgericht aber zu dem Ergebnis, dass es sich bei der vom beschwerdeführenden Verein erhaltenen Einrichtung im Schuljahr 2020/21 tatsächlich um eine Schule handelt bzw. gehandelt hat, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Unstrittig ist, dass die gegenständliche Privatschule, deren Errichtung von der (damals) zuständigen Schulbehörde nicht untersagt wurde, im Schuljahr 2016/17 errichtet wurde. Nach dem dem Privatschulgesetz zugrundeliegenden Konzept hört eine einmal errichtete Privatschule erst dann auf zu existieren, wenn das Recht zur Führung der Privatschule entweder ex lege erlischt (§ 8 Abs. 1 PrivSchG) oder dieses Recht von der zuständigen Behörde entzogen wird (§ 8 Abs. 2 und 3 PrivSchG). Aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich keine Hinweise darauf, dass dem beschwerdeführenden Verein das Recht auf Führung der gegenständlichen Privatschule entzogen worden wäre und wird Derartiges auch von der belangten Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides nicht herangezogen. Ebenso wenig sind seit Errichtung der Privatschule ab dem Schuljahr 2016/17 Umstände eingetreten, die zu einem ex-lege-Erlöschen des Rechts zur Führung der gegenständlichen Schule geführt hätten. Die Erlöschensgründe gemäß den lit. a, b, d und e der einschlägigen Bestimmung des § 8 Abs. 1 PrivSchG scheiden von vorneherein aus, sodass allenfalls zu prüfen wäre, ob es zu einem Erlöschen gemäß § 8 Abs. 1 lit. c PrivSchG (Nichtführung der Schule) gekommen ist. Nur diese Erlöschensbestimmung käme bei einer etwaigen Unterschreitung der für die Erfüllung des Schulbegriffes erforderlichen Anzahl von Schülerinnen und Schülern in Betracht. So nimmt auch die belangte Behörde im Begründungsteil des angefochtenen Bescheids auf diese Bestimmung Bezug, in dem sie ausführt: „Allerdings bestimmt § 8 Abs. 1 lit. c PrivSchG, dass das Recht zur Schulführung erst nach Ablauf eines Jahres erlischt, indem die Schule nicht geführt wurde. Laut Inspektionsbericht verließ am 23. Oktober 2020 ein Schüler die gegenständliche Bildungseinrichtung und ging damit aufgrund der Unterschreitung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler von 2 die Eigenschaft als Privatschule vorerst verloren. Sollte jedoch zu Beginn des Schuljahres 2021/22 die Anzahl wieder auf 3 steigen, handelt es sich wieder um eine Privatschule iSd Privatschulgesetzes, da der Ablauf des Jahres erst am 23. Oktober 2021 ist. Das Recht zur Führung der Privatschule ist derzeit noch nicht erloschen.“ Dabei verkennt die belangte Behörde, dass sich aus § 8 Abs. 1 lit. c PrivSchG nicht etwa ableiten lässt, dass das Recht zur Führung einer Schule unmittelbar zu dem Zeitpunkt erlöschen würde, ab dem die Schule nicht geführt wird, und dieses Erlöschen durch Wiederaufnahme der Schulführung rückgängig gemacht werden könne, sondern tritt gerade im Gegenteil zu dieser irrigen Rechtsauffassung die ex-lege-Rechtsfolge – nämlich das Erlöschen des Rechts zur Schulführung – erst nach Ablauf eines Jahres, verfahrensgegenständlich somit frühestens ab 23. Oktober 2021, ein. Sollten die Erwägungen der belangten Behörde darauf fußen, dass nach ihrer Ansicht zwischen dem „Recht auf Schulführung“ und dem „Bestehen einer Schule“ zu unterscheiden ist, so kann sich das Bundesverwaltungsgericht dem nicht anschließen, da ein „Recht auf Führung einer – derzeit – nicht existenten Schule“ ins Leere gehen und geradezu absurd anmuten würde. Ein solches Verständnis der einschlägigen Bestimmung des § 8 Abs. 1 lit. c PrivSchG kann dem Gesetzgeber daher nicht unterstellt werden.

Auch aus einer systematischen Betrachtungsweise der Regelungen des Privatschulgesetzes lässt sich ableiten, dass bei der Beurteilung der Frage, ab wann eine bereits bestehende Schule wieder aufhört, „Schule“ zu sein, keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen sind. So wurde bereits in der ursprünglichen Fassung des Privatschulgesetzes 1962 dessen § 8 Abs. 1 lit. e gegenüber der Fassung der Regierungsvorlage dahingehend ergänzt, dass im Falle des Ablebens des Schulerhalters während des Schuljahres dessen Verlassenschaft bzw. Erben die Schule bis zum Ende des Schuljahres weiterführen können, um den davon betroffenen Schülern die Möglichkeit zu geben, das laufende Schuljahr zu beenden (AB 787 zu RV 735 BlgNR, IX. GP). Auch die Regierungsvorlage selbst spricht davon, dass eine zu enge Fassung der Begriffsbestimmung „Privatschule“ im Hinblick auf die Tatsache, dass gerade das private Schulwesen eine Vielfalt von Formen aufweist und in der geschichtlichen Entwicklung oftmals auch dem öffentlichen Schulwesen vorausgegangen ist, nicht zweckmäßig erscheint (vgl. RV 735 BlgNR, IX. GP, EB zu § 2 PrivSchG) und an anderer Stelle davon, dass zum Schutz der Schüler, die eine derartige Schule besuchen, vorgesehen wird, dass der Entzug bzw. die Nichtweiterverleihung des Öffentlichkeitsrechtes erst erfolgen, wenn eine Frist zur Behebung der Mängel ungenützt verstreicht (vgl. RV 735 BlgNR, IX. GP, EB zu § 16 PrivSchG). Aus dem Gesagten lässt sich ableiten, dass Schülerinnen und Schüler einer Privatschule möglichst zu Beginn eines Schuljahres wissen sollten, ob die Einrichtung, die sie besuchen, einerseits überhaupt als „Schule“ zu qualifizieren ist und andererseits, um welche Art von Schule – nämlich mit oder ohne Öffentlichkeitsrecht – es sich dabei handelt. In diesem Sinn erschiene es auch geboten, diese Fragen möglichst rasch abzuklären. Weiters lässt sich aus dem oben Gesagten der Grundsatz ableiten, dass die Bestimmungen des Privatschulgesetzes, insbesondere dessen § 8 betreffend das Erlöschen und den Entzug des Rechtes zur Schulführung, tunlichst so auszulegen sind, dass im Ergebnis eine maßgebliche Änderung der Rahmenbedingungen – wie etwa der Verlust der Schuleigenschaft - während eines laufenden Schuljahres zu Ungunsten der Schülerinnen und Schüler möglichst vermieden wird und diese darauf vertrauen können, dass sie das Schuljahr in der Form und an der Art von Schule, wie sie sie zu Beginn des Schuljahres vorgefunden haben, auch absolvieren und abschließen können. Dieses Vertrauen gilt es umso mehr zu schützen, wenn es sich bei der gegenständlichen Schule um eine bereits seit mehreren Jahren bestehende, nicht untersagte und gut etablierte Privatschule handelt, der in den letzten beiden Jahren sogar das Öffentlichkeitsrecht jeweils für ein Schuljahr verliehen wurde, wobei hier insbesondere auch anzumerken ist, dass das Öffentlichkeitsrecht entsprechend der Systematik und der Gliederung des Privatschulgesetzes in eine „gewisse Stufenfolge“ nur an jene Privatschulen zu verleihen ist, welche die „höchste Stufe der Anforderungen“ erfüllen (vgl. RV 735 BlgNR, IX. GP, EB zu Abschnitt I PrivSchG).

Zusammenfassend gelangt das Bundesverwaltungsgericht somit zu der Ansicht, dass die gegenständliche Privatschule nicht am 23. Oktober 2020 durch Abmeldung eines Schülers aufgehört hat, „Schule“ iSd Privatschulgesetzes zu sein und die Schuleigenschaft jedenfalls bis dato gegeben ist.

Damit ist aber auch das von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid für die Nichtverleihung des Öffentlichkeitsrechtes herangezogene Argument – nämlich, dass selbiges nicht an Einrichtungen, die dem Schulbegriff des Privatschulgesetzes nicht (mehr) entsprechen, verliehen werden könne – hinfällig. Wie sich aus den vorliegenden Unterlagen – insbesondere dem Inspektionsbericht des zuständigen Schulqualitätsmanagers vom 09.12.2020 – ergibt, erfüllt die gegenständliche Privatschule alle sonstigen für die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes erforderlichen Kriterien iSd § 14 Abs. 2 PrivSchG.

Da der „lehrplanmäßig volle Ausbau“ der Schule nicht erreicht ist und dies auch vom Schulerhalter nicht behauptet wird, war das Öffentlichkeitsrecht nicht auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen, sondern nur für ein Schuljahr zu verleihen.

3.2.3. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).

3.2.4. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B) (Zulässigkeit der Revision)

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung insbesondere folgender Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt:

3.3.2.1. Was bedeutet „Mehrzahl“ iSd § 2 PrivSchG?

3.3.2.2. Hört eine Privatschule, an der sich während eines laufenden Schuljahres die Anzahl der dort unterrichteten Schülerinnen und Schüler – z.B. durch Schulabmeldungen – derart reduziert, dass keine „Mehrzahl“ von Kindern mehr unterrichtet wird, ab dem Tag der Unterschreitung der erforderlichen Anzahl von Schülerinnen und Schülern auf, „Schule“ iSd § 2 PrivSchG zu sein?

3.3.2.3. Zu welchem Zeitpunkt bzw. über welche Zeiträume müssen die Voraussetzungen für die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes gemäß § 14 Abs. 2 PrivSchG vorliegen?

Da es zu diesen Fragen an einer einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung mangelt und da sich die hier anzuwendenden Regelungen des Privatschulgesetzes auch nicht als so klar und eindeutig erweisen (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90), dass sich daraus die vorgenommenen Ableitungen zwingend ergeben würden, ist die Revision zuzulassen.

3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

Mehrbegehren Öffentlichkeitsrecht Privatschule Revision zulässig Schule Schülerzahl Schuljahr Teilstattgebung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2243492.1.00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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