RS Vfgh 2021/10/6 E3811/2020 ua

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Veröffentlicht am 06.10.2021
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art130 Abs1 Z2
COVID-19-MaßnahmenG §2a
V der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 09.04.2020 betr die Untersagung des Betretens und des Verlassens der Betreuungsstelle Ost
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde gegen das polizeiliche "Ersuchen", die Betreuungsstelle Ost nicht zu verlassen; Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt auf Grund der Gesamtbetrachtung und der Evaluierung der konkreten Umstände vor Ort

Rechtssatz

Zwar ist dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) insoweit zu folgen, dass gegen die Beschwerdeführer objektiv keine unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- oder Zwangsgewalt ausgeübt wurde. Der Auffassung des LVwG, die Beschwerdeführer hätten auf Grund des Gesprächsablaufes nicht damit rechnen müssen, dass bei Nichtbefolgung des "Ersuchens", in der Betreuungsstelle Ost zu verbleiben, Zwang ausgeübt worden wäre, und sie freiwillig vom Verlassen des Geländes Abstand genommen hätten, ist jedoch nicht beizutreten.

Denn bei einer Gesamtbetrachtung und Evaluierung der konkreten Umstände vor Ort - mit Schranken und "Securities" gesicherter Ausgangsbereich, Verbots- bzw Stoppschilder mit Hinweisen auf das COVID-19-bedingte Verlassensverbot, mehrere Exekutivbeamte vor Ort - hätte das LVwG davon ausgehen müssen, dass die Beschwerdeführer den Eindruck haben mussten, dass dem "Ersuchen" der Exekutivorgane ein Befolgungsanspruch innewohnt, der bei Verlassen der Betreuungsstelle Ost unmittelbar und zwangsweise (nicht nur strafweise) durchgesetzt worden wäre. Dass die Anordnung zur Abstandnahme des Verlassens des Geländes in einem bloßen Gespräch stattgefunden hat, ändert auf Grund der konkreten Umstände vor Ort, die im Übrigen auch die Annahme der Freiwilligkeit ausschließen, nichts am Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt.

Bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Aktes wird zu berücksichtigen sein, dass das in §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 09.04.2020 untersagte Betreten und Verlassen des Geländes der Betreuungsstelle Ost gesetzwidrig war (E v 30.09.2021, V88/2021 ua).

Entscheidungstexte

  • E3811/2020 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 06.10.2021 E3811/2020 ua

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Verordnung, VfGH / Anlassverfahren, VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E3811.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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