TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/28 96/11/0179

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.1996
beobachten
merken

Index

24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2 litb;
KFG 1967 §66 Abs3;
StGB §206;
StGB §207;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Mai 1996, Zl. MA 65-8/510/95, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm vor Ablauf von 24 Monaten von der Zustellung des Erstbescheides der Bundespolizeidirektion Wien (am 23. September 1995) an ohne Einrechnung von Haftzeiten, keine neue Lenkerberechtigung mehr erteilt werden darf.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 15. April 1994 der Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen (§ 206 Abs. 1 StGB), der Unzucht mit Unmündigen (§ 207 Abs. 1 erster Deliktsfall) und des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 Abs. 1 erste Alternative) sowie der Vergehen der versuchten Blutschande (§§ 15, 211 Abs. 1) und der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1) für schuldig erkannt worden war. Über ihn wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verhängt; davon wurden zwei Jahre unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Dieses Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 20. Oktober 1994 bestätigt. Verbrechensopfer der Sittlichkeitsdelikte waren seine beiden, in den Jahren 1975 bzw. 1976 geborenen, ehelichen Töchter, der Gewaltdelikte seine - inzwischen geschiedene - Ehefrau. Die strafbaren Handlungen ereigneten sich im Zeitraum 1975 bis 1993.

In den strafbaren Handlungen nach § 206 und 207 StGB erblickte die belangte Behörde bestimmte Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967, die die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers ausschlössen.

Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, die strafbaren Handlungen lägen bereits so lange zurück, daß daraus auf seine aktuelle relevante Sinnesart nicht mehr geschlossen werden könnte. Lediglich die im Rahmen seiner zerrütteten Ehe gesetzen Agressionshandlungen reichten bis in das Jahr 1993; diese stellten aber keine bestimmten Tatsachen dar.

Damit vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Zum einen ist Voraussetzung dafür, daß strafbare Handlungen nicht mehr als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 gelten, u.a. daß seit der Vollstreckung der zuletzt verhängten Strafe oder Maßnahme im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens in erster Instanz mehr als ein Jahr vergangen ist (§ 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967). Andererseits wurden auch die Sittlichkeitsdelikte während eines langen Zeitraumes, nämlich von 1981 bis 1990, begangen, sodaß das Wertungskriterium der seit den strafbaren Handlungen verstrichenen Zeit im Sinne des ersten Satzes des § 66 Abs. 3 KFG 1967 für den Beschwerdeführer nicht entscheidend ins Gewicht fällt. Ganz abgesehen davon wurden in dieser Zeit das gerichtliche Strafverfahren und das Administrativverfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung durchgeführt und hat der Beschwerdeführer seine Strafhaft verbüßt, was zur Folge hat, daß diese Zeit und das während dieser Zeit an den Tag gelegte Verhalten für die Beurteilung der aktuellen Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers weitgehend bedeutungslos ist.

Daß sich der Beschwerdeführer im Straßenverkehr wohlverhalten habe, ist angesichts der bei ihm festgestellten Sinnesart im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 (sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig zu machen) ohne Relevanz. Die von ihm begangenen Sittlichkeitsdelikte sind teilweise vom Gesetzgeber als strafbare Handlungen, deren Begehung typischerweise durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen erleichtert wird, eingestuft worden. Dazu kommt, daß - wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hervorhebt - einige dieser Delikte im Zusammenhang mit der Benützung eines Kraftfahrzeuges begangen worden sind.

Daß die Opfer der Verbrechen ausschließlich seine engsten Familienangehörigen waren, vermindert die Verwerflichkeit der Taten des Beschwerdeführers keinesfalls und kann von ihm nicht zu seinen Gunsten ins Treffen geführt werden.

Der Beschwerdeführer ist ferner darauf zu verweisen, daß die Strafgerichte bei der Strafbemessung und die Kraftfahrbehörden bei der Wertung bestimmter Tatsachen und der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 von unterschiedlichen Überlegungen auszugehen haben. Die Kraftfahrbehörden sind daher in keiner Weise daran gebunden, daß das Strafgericht unter den von ihm zu beurteilenden Gesichtspunkten eine teilbedingte Freiheitsstrafe für ausreichend befunden hat.

Schließlich bestehen angesichts der hohen Verwerflichkeit der Sittlichkeitsdelikte des Beschwerdeführers, insbesondere angesichts des langen Tatzeitraumes, und seiner ebenfalls verkehrsrelevanten Neigung zu Aggressionshandlungen gegen die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 keine Bedenken.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996110179.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten