TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/20 L519 2177114-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2021
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Entscheidungsdatum

20.09.2021

Norm

AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L519 2177114-4/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.3.2020, Zl. 1104291803-200200533, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 1.9.2021 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1991 idgF und § 15b Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Irak stellte am 3.2.2016 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag erstbefragt und von einem Organwalter des BFA am 30.8.2017 und am 12.10.2017 niederschriftlich einvernommen.

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte der BF bei seiner Erstbefragung zusammengefasst vor, dass der IS nunmehr auch im Nordirak kämpfe. Außerdem habe er Probleme mit seinem Vater gehabt, er sei Alleinverdiener gewesen und der Vater habe ihm sein Geld abgenommen und ausgegeben.

Beim BFA gab er zusammengefasst an, er habe in der Erstbefragung nicht gemeint, dass ihm der Vater das Geld wegnehme, sondern dass ihn der Vater nicht zur Schule gehen lasse. Darüber hinaus habe er noch weitere Probleme. Er habe etwa zwei Monate vor seiner Ausreise in XXXX , eine Frau kennengelernt, sich mit ihr manchmal getroffen und Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt. Am 23.12.2015 sei er mit dieser Frau im Park gewesen und dort von ihrem Bruder gesehen worden. Dieser habe den BF mit einem Messer an der Schulter verletzt. Der BF sei sodann zu einem Freund in der Ortschaft XXXX geflohen, welcher ihn versorgt habe. Er habe sich weder getraut, ins Krankenhaus zu gehen, noch seine Familie über die Wunde zu informieren. Einige Stunden nach diesen Vorkommnissen habe ihn der Bruder der Frau angerufen und ihm mit dem Tod gedroht. Er habe aus Angst, Nachteile zu erleiden, keine Anzeige erstattet, da es sich bei den Vorkommnissen um Angelegenheiten des Stammes gehandelt habe. Vom Bruder seiner Freundin sei er verfolgt worden und habe sich bis zur Ausreise versteckt gehalten. Die Familie des BF sei vom Bruder der Freundin nicht bedroht worden.

Am 12.10.2017 fand vor der belangten Behörde abermals eine niederschriftliche Einvernahme des BF statt. Zu seinem Ausreisegrund in Zusammenhang mit seiner Beziehung befragt führte der BF aus, er habe seine Freundin in XXXX auf dem Markt kennengelernt. Dabei sei sie alleine auf dem Markt gewesen. Daraufhin hätten sie telefonisch Kontakt aufgenommen und in öffentlichen Parks in XXXX mehrmals Geschlechtsverkehr gehabt. Die Frau gehöre der Volksgruppe der Kurden an. Er habe die Telefonnummer aus Angst aus seinem Handy gelöscht und das Handy selbst verloren. Die Familie des Mädchens sei streng gläubig, darum hätten sich die beiden nur heimlich in öffentlichen Parks in XXXX treffen können, diese hätten sie ungesehen mit dem Taxi erreicht. Seine Freundin habe ihrer Familie gegenüber vorgegeben, sie besuche einen Kurs. Welcher Kurs dies gewesen sei, wisse der BF nicht. Weder die Familie des BF noch die Familie seiner Freundin hätten von der Beziehung gewusst, da man in der Region nicht offen mit der Familie sprechen könne. Beim letzten Treffen habe der Bruder der Frau die beiden im Park gesehen, worauf es zum Angriff durch den Bruder gekommen sei. In seiner Befragung gab der BF an, er habe zunächst nicht um die Hand der Frau anhalten wollen, hätte sich dies dann aber überlegt. Nach dem Vorfall mit dem Bruder der Frau habe er seine Meinung geändert.

2.Mit Bescheid des BFA vom 12.10.2017, dem BF zugestellt am 16.10.2017, wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und stellte die belangte Behörde fest, dass seine Abschiebung nach Irak gem. § 46 FPG zulässig sei. Auch wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.1.2018, G 305 2177114-1, als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte das BVwG im Wesentlichen wie folgt aus:

„Sein Vorbringen zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Vernehmungsorganen der Sicherheitsbehörde im Rahmen der Erstbefragung und der belangten Behörde in den niederschriftlichen Einvernahmen vom 30.08.2017 und vom 12.10.2017 sowie auf seinen Angaben in der Beschwerde und den vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben. Wie sich aus der Erstbefragung und den weiteren Einvernahmen im Verfahren vor der belangten Behörde ergibt, hatte er ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe mehrfach umfassend und im Detail darzulegen und allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde er von der belangten Behörde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage von allfälligen Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

In der niederschriftlichen Einvernahme vom 30.08.2017, in jener vom 12.10.2017 und in der mündlichen Verhandlung brachte der BF folgendes zu seinen Fluchtgründen vor:

Er habe im Herbst 2015 eine Frau kennengelernt und mit dieser eine sexuelle Beziehung begonnen, die zwei Monate gedauert haben soll. Diese Beziehung habe ein jähes Ende gefunden, als der Bruder der Frau den BF in einem öffentlichen Park mit einem Messer attackiert haben soll, woraufhin dieser den Irak aus Furcht, Opfer eines Ehrenmordes der Familie der Frau zu werden, verlassen haben will. Den vom BF geschilderten Ereignissen und Abläufen, die zu seiner Ausreise geführt haben sollen, ist in weiterer Folge nähere Beachtung zu schenken.

Zum Beginn der Beziehung des BF:

Der in XXXX wohnhaft gewesene BF habe zwei Monate vor seiner am 28.12.2016 erfolgten Ausreise auf einem Bazar in der ca. 30 min Autofahrt entfernt liegenden Stadt XXXX eine dort wohnhafte Frau kennengelernt, mit der er zunächst telefonisch und danach auch persönlich Kontakt aufgenommen haben will.

Zum Kennenlernen führte er in der niederschriftlichen Einvernahme vom 12.10.2017 aus, dass die Frau alleine am Markt gewesen sei. In der Beschwerde (AS 233) änderte er seine Schilderung des Kennenlernens dahingehend ab, dass die Frau gemeinsam mit ihrer Mutter am Markt gewesen sei und er der Frau heimlich seine Handynummer gegeben habe. Dass er in seiner Erinnerung nicht mehr zu unterscheiden vermag, ob er seine spätere Freundin allein auf dem Markt getroffen oder ihr die Handynummer am Markt heimlich „zugesteckt“ habe (AS 233), wirft im Lichte dessen, dass er in der Einvernahme vom 12.10.2017 ausführte, dass er die Frau geliebt habe (AS 117), erhebliche Zweifel am vom BF dargestellten Ablauf der Ereignisse auf, zumal es naheliegt, dass sich eine Person an den Beginn einer tiefgreifenden, intimen und in diesem Fall auch folgenreichen Beziehung erinnern kann.

Zu den Treffen des BF mit der Frau:

Zu den Treffen zwischen ihm und dieser Frau führte er im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass seine Freundin einer sehr konservativen und strenggläubigen Familie entstamme, weshalb sie sich mit ihm nur im Geheimen treffen habe können. Als Vorwand, das Haus alleine verlassen zu können, will die Frau ihren Eltern erzählt haben, sie besuche einen Kurs. Er und seine Freundin seien jedes Mal mit dem Taxi zu den Treffpunkten gefahren. Der BF soll nicht gewusst haben, um welchen Kurs es sich dabei gehandelt habe.

Die von ihm beschriebenen Modalitäten der Treffen, z.B. die Fahrten mit dem Taxi in eine andere Stadt, führen zu dem Schluss, dass diese Treffen sehr gut durchgeplant gewesen sein mussten. Wenn sich dies tatsächlich in dieser Form so zugetragen habe, so erscheint es unwahrscheinlich, dass er keine Kenntnisse darüber gehabt hätte, welchen Kurs seine Freundin vorgab, zu besuchen.

Zu den Örtlichkeiten der Treffen mit der Frau gab er in der Befragung vom 12.10.2017 an, er habe seine Freundin abgeholt und sei mit ihr nach XXXX , also seiner Heimatstadt, jeweils in einen Park gegangen (AS 117). In der mündlichen Verhandlung gab der BF jedoch an, die Treffen hätten in XXXX stattgefunden.

Zum Verhältnis des BF zu seiner Freundin:

Der BF und seine Freundin hätten sich, nach den Angaben des BF, regelmäßig heimlich in Parks in der Stadt XXXX getroffen und dort - versteckt an nicht einsehbaren Stellen und manchmal nur ca. vier Meter vom nächsten Weg entfernt - miteinander Geschlechtsverkehr gehabt. Der BF will mit der Frau sieben Mal in der Öffentlichkeit Geschlechtsverkehr gehabt haben und will dabei niemals entdeckt worden sein. Im Kontext der vom BF dargestellten und aus den Länderberichten hervorgehenden streng konservativen Verhältnisse im Herkunftsstaat entbehrt die Darstellung des öffentlich praktizierten Geschlechtsverkehres des BF mit einer Frau aus strenggläubigen Verhältnissen immens an Glaubwürdigkeit. Auch hat der BF angegeben, selbst aus einer streng konservativen Familie zu stammen und seiner eigenen Familie nichts von der Beziehung (AS 117) oder dem vermeintlich fluchtauslösenden Vorfall mit dem Bruder der Frau erzählt zu haben (AS 89).

In seinen Aussagen macht er deutlich, dass bereits außerehelicher Kontakt mit Personen des anderen Geschlechtes eine verpönte Verhaltensweise darstelle und eine außereheliche Beziehung in seinem Herkunftsstaat streng untersagt (AS 89) und mit dem Risiko, Opfer eines Ehrenmordes zu werden, verbunden sei. Dies hat er mit seinem Vorbringen, dass er nach dem Angriff durch den Bruder der Frau die dadurch entstandene Verletzung aus Angst vor der Polizei nicht im Krankenhaus behandeln lassen hätte, zusätzlich untermauert. Aus demselben Grund will er den Vorfall auch nicht zur Anzeige gebracht haben (AS 89).

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 12.10.2017 gab der auch an, dass er bei Aufnahme der Beziehung nicht die Intention gehabt hätte, die Frau zu heiraten (AS 119). Somit will er angesichts des ihm bekannten Risikos, gegen die Werte der Gesellschaft im Herkunftsstaat und gegen jene seiner eigenen Familie verstoßen zu haben, Opfer eines Ehrverbrechens geworden sein, vor dem ihn nicht einmal die Polizei schützen könne bzw. diese ihn deswegen sogar verfolgen würde, die geschlechtliche Beziehung mit seiner Freundin aufgenommen und in einem öffentlichen Park fortgeführt haben, obwohl er keine Intention gehabt habe, diese Frau zu heiraten.

In diesem Kontext erscheint es nicht plausibel, dass er sich mit seiner Freundin in der nur 10 km von XXXX entfernt liegenden Stadt XXXX mehrfach getroffen und sieben Mal an einem öffentlichen Ort, nur vier Meter vom Gehweg entfernt, mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt haben will, zumal ihm die Konsequenzen des Bekanntwerdens dieser Handlungen nach eigenen Angaben bewusst waren. Auch ist es nicht wahrscheinlich, dass eine junge, aus einer streng gläubigen Familie stammende Frau (AS 117) ein derartiges Verhalten setzen würde, zumal auch ihr (nach den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung) die möglichen Konsequenzen des Bekanntwerdens eines solchen Verhaltens bewusst waren. Damit entbehrt das Vorbringen des BF, er habe mit seiner Freundin sieben Mal in einem öffentlichen Park - hinter Büschen versteckt - Geschlechtsverkehr praktiziert jeglicher Nachvollziehbarkeit und erscheint ein derartiges Verhalten nicht glaubhaft.

Zudem gibt der BF zu der Dauer dieser Treffen in der niederschriftlichen Einvernahme vom 12.10.2017 eine Zeitspanne von 30 bis 40 Minuten an. Die Glaubhaftigkeit seiner Angaben im Hinblick auf die Dauer der Treffen ist schon in Anbetracht des Umstandes, dass XXXX und XXXX ca. 10 km entfernt liegen und eine Strecke mit dem Auto in ca. 20

Minuten zu bewältigen ist, in Frage gestellt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beziehung des BF zu seiner Freundin bzw. der Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit - also ein wesentliches Element des Fluchtvorbringens des BF - sehr widersprüchlich ist und damit vom erkennenden Gericht nicht als nachvollziehbar erachtet werden kann.

Jedoch scheint es dem Vorbringen des BF nicht nur hinsichtlich des öffentlich praktizierten

Geschlechtsverkehrs an Glaubhaftigkeit zu mangeln. Auch hat er sich im Hinblick auf die Darstellung der Beziehung selbst in Widersprüche verstrickt. In der niederschriftlichen Einvernahme vom 12.10.2017 gab er auf Befragung an, er kenne weder das Geburtsdatum, noch die Familienverhältnisse, bzw. die Anzahl der Geschwister seiner vermeintlichen Freundin (AS 115 f). In der mündlichen Verhandlung gab er allerdings an, dass ihn die Brüder der Frau verfolgen würden. Diese Angabe passt allerdings nicht zur angeblichen Unkenntnis der Familienverhältnisse der Frau und ist daher als widersprüchlich zu werten. Darüber hinaus führte er in der mündlichen Verhandlung aus, er kenne deren vollen Namen nicht. Zur Unkenntnis des Geburtsdatums und der Familienverhältnisse der Frau wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass er die Frau zu diesem Zeitpunkt erst zwei Monate gekannt hätte und er sich mit ihr nicht regelmäßig treffen konnte (AS 233).

Dem ist entgegen zu halten, dass er vor dem BFA angegeben hat, mit der Frau telefonisch Kontakt gehalten zu haben (AS 85) und mit ihr auch ein paar Mal „gemeinsam fortgegangen“ zu sein (AS 115). In dieser Einvernahme und auch in der mündlichen Verhandlung führte er aus, innerhalb von zwei Monaten Beziehungsdauer sieben Mal mit seiner Freundin geschlafen zu haben. Wenn die Beziehung tatsächlich in der vom BF dargestellten Form stattgefunden hätte, würde dies bedeuten, dass er sich und seine Freundin in den zwei Monaten Beziehungsdauer mindestens einmal wöchentlich persönlich gesehen hätten und es darüber hinaus auch telefonisch Kontakt gegeben hätte. Damit wäre ihm genug Zeit geblieben, die Frau näher kennenzulernen, zumindest aber, ihren Nachnamen zu erfahren. Im Kontext des dem BF und der Frau bekannten Risikos, sich mit einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung der großen Gefahr eines Ehrverbrechens auszusetzen, müsste die Beziehung für die Betroffen einen hohen Grad an Wichtigkeit und Intimität gehabt haben, der allerdings mit der Unkenntnis des Namens, des Geburtsdatums und der Familienverhältnisse der Frau nicht in Einklang zu bringen ist. Daraus ergibt sich, dass das Vorbringen des BF in Bezug auf seine Beziehung Widersprüche aufweist, welche am dargestellten Ablauf dieser Beziehung erhebliche Zweifel aufkommen lassen.

Zum Angriff auf den BF:

Beim letzten der dargestellten Treffen am 23.12.2015 - der BF will sich mit seiner Freundin nach Beendigung der sexuellen Handlungen in der Parkanlage aufgehalten haben und auf einer Bank gesessen sein - sei der BF vom Bruder der Frau unvermittelt von hinten mit dem Messer attackiert, an der Schulter verletzt und gleich darauf erneut angegriffen worden.

Daraufhin seien nach seiner Darstellung die anderen Parkbesucher dazwischen gegangen und hätten die beiden auseinandergezogen.

Im Hinblick auf den Ablauf dieser Ereignisse stellt sich zunächst die Frage, wie der Bruder der Freundin des BF diese von hinten hätte erkennen können, wenn der BF, wie er beschreibt, mit dem Rücken zum Bruder auf einer Parkbank gesessen sei, zumal die Frau nach Angaben des BF ein Kopftuch getragen hätte (AS 119). Darüber hinaus ist fraglich, warum sich der Bruder der Frau überhaupt und mit einem Messer bewaffnet in diesem Park aufgehalten haben soll, zumal die Stadt XXXX ca. 10 km von der Heimatstadt entfernt liegt. Denkbar wäre eine zufällige Begegnung oder eine vom Bruder ausgehende geplante Verfolgung.

Bei einem zufälligen Aufeinandertreffen hätte der Bruder der Frau die beiden lediglich bei einer Unterhaltung auf der Parkbank angetroffen. Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Bruder den BF ohne eine weitere Erklärung von hinten angreift, zumal er in dieser Situation keinen Grund für eine solche Reaktion gehabt hätte. Diese Schlussfolgerung wird durch den Umstand gestützt, dass die Frau von ihrer Familie aus alleine einen Kurs besuchen hätte dürfen und damit schlichte Unterhaltungen der Frau mit Personen des anderen Geschlechtes zumindest tolerierbar gewesen wären.

Hätte der Bruder der Frau den BF und diese verfolgt, ist davon auszugehen, dass dieser in Anbetracht seiner moralischen Vorstellungen das Paar von der Vollziehung des Geschlechtsverkehrs abgehalten hätte und nicht erst gewartet hätte, bis sie auf der Parkbank sitzen.

Der BF gab in der niederschriftlichen Einvernahme vom 30.08.2017 an, er habe bei dem Angriff gestanden (AS 87), erläuterte jedoch in der mündlichen Verhandlung, er sei während des Angriffes auf einer Parkbank gesessen. In der niederschriftlichen Einvernahme vom 12.10.2017 führte er aus, er wisse nicht, wie der Bruder der Frau die beiden finden habe können, da sie sich versteckt hätten (AS 119). Dem widerspricht das Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung, wonach er und die Frau nach dem Geschlechtsverkehr auf einer öffentlichen Parkbank gesessen seien.

Im Hinblick auf den Ablauf des Angriffs ist darauf hinzuweisen, dass der BF in der mündlichen Verhandlung vorbringt, er und seine Freundin seien zum Angriffszeitpunkt lediglich auf einer Parkbank gesessen, wodurch sich nicht erklärt, warum der Bruder den BF wortlos und ohne vorhergehende Erklärung mit einem Messer angreifen hätte sollen. Zur konkreten Ausführung des Angriffes wurde in der mündlichen Verhandlung beschrieben, dass der Bruder den BF von hinten nach vorne in Richtung des linken Schlüsselbeines getroffen habe. Dahingehend legt der BF in der mündlichen Verhandlung die vermeintlich durch den Angriff entstandene, kreisrunde Narbe frei. Bei Wahrunterstellung, dass diese Narbe überhaupt von einem Messer stamme, ist diese Wunde jedoch mit der beschriebenen Ausführung des Angriffes nicht in Einklang zu bringen. So weist die Wunde auf einen präzisen, vertikalen, im rechten Winkel geführten Angriff hin, welcher sich in dieser Präzision Zeit gebraucht hätte und sich in dieser Form nicht als Überraschungsangriff hätte ereignen können.

Der BF habe gleich nach dem Angriff einen Freund kontaktiert und sei zu diesem nach Hause gefahren, um dort die Wunde zu versorgen. Er sei aus Angst vor der Polizei nicht ins Krankenhaus gegangen und habe die Tat nicht zur Anzeige gebracht, da „es für ihn schlecht ausgegangen [wäre], weil es auch eine Angelegenheit des Stammes“ sei (AS 89), zudem seien dies Handlungen strafbar. Er habe auch seiner Familie nicht von der Tat berichtet und stattdessen die folgende Nacht bei seinem Freund verbracht (AS 119). Einige Stunden nach dem Vorfall habe ihn der Bruder der Frau angerufen und ihn mit dem Tod bedroht. Der BF habe sodann sein Handy und seine SIM-Karte zerstört und am 28.12.2015 den Entschluss gefasst, den Irak zu verlassen, da er dort vom Bruder seiner Freundin verfolgt werde.

Im Lichte der oben dargestellten Länderberichte ist es nicht plausibel, dass der BF aus Angst, die Polizei würde ihn festnehmen, nicht in ein Krankenhaus ging; so gibt es in der kurdischen Autonomieregion grundsätzlich Gesetze gegen Ehrverbrechen und will der BF seinem Vorbringen nach Opfer eines solchen geworden sein. Dazu ist es unwahrscheinlich, dass seiner Familie, wie er im Rahmen der mündlichen Verhandlung erläuterte, die nach dem vermeintlichen Angriff blutgetränkte Kleidung nicht aufgefallen wäre und diese angesichts dessen schweren Verletzung und der blutigen Kleidung über den Vorfall nicht Bescheid gewusst hätten.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 30.08.2017 brachte der BF vor, er habe die Zeit bis zu seiner Ausreise bei seinem Freund oder bei Verwandten zugebracht (AS 91), in seiner Einvernahme vom 12.10.2017 gab er allerdings an, er habe die Zeit bis zu seiner Ausreise nur zu Hause verbracht (AS 119). In der Einvernahme vom 30.08.2017 führte er zudem aus, der Bruder seiner Freundin habe diese bedroht, um von dieser den Wohnort des BF zu erfahren und dass er aus genau diesem Grund geflohen sei. Es geht allerdings aus der Beschreibung der Beziehung zur der Frau in beiden niederschriftlichen Einvernahmen und aus dem Vorbringen in der Beschwerde eindeutig hervor, dass die Frau die Wohnadresse des BF überhaupt nicht kannte; sie war daher nicht in der Lage, diese Information ihrem Bruder zu geben. Das ergibt sich auch aus der Behauptung des BF, dass der Bruder im Zeitraum zwischen dem Angriff am 23.12.2015 und der Einvernahme am 30.08.2017 niemals an die Familie des BF herangetreten wäre (AS 91).

Im Zuge seiner Erstbefragung gab der BF in Hinblick auf seine Fluchtgründe an, dass im Irak nunmehr auch IS-Kämpfer seien, dass zwischen ihm und seinem Vater ein monetärer Konflikt geherrscht habe und er sich das Verhalten des Vaters „nicht mehr gefallen lassen“ wolle. Eine konkrete Bedrohungssituation hat er dabei nicht beschrieben bzw. glaubhaft gemacht. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 30.08.2017 hat er zu seinem Ausreisegrund befragt, wiederum Probleme mit dem Vater angegeben, es sei kein Konflikt um Geld gewesen, der sich zwischen ihnen zugetragen hätte, sondern ein Streit im Hinblick auf seine schulische Ausbildung.

Aufgrund der Differenzen zwischen den Angaben des BF in seiner Erstbefragung vom 03.02.2016 und den späteren Einvernahmen leidet die Glaubwürdigkeit des BF, zumal es nicht verständlich ist, weshalb eine schutzsuchende Person in ihrer Erstbefragung, die zeitlich noch näher bei dem fluchtauslösenden Ereignis steht, nicht jedes fluchtauslösende Ereignis, vor allem wenn es sich wie in diesem Fall um ein Erlebnis kurz vor der Ausreise handelt, vorbringt. Abgesehen konnte er sich - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen Bedrohungssituation - nicht mehr in einer Stresssituation befinden. Wenn der BF vorbringt, er habe Angst gehabt, so ist nicht ersichtlich und gibt er auch nicht an, wovor er im Rahmen der Erstbefragung Angst hatte. Dabei vermag sein Beschwerdevorbringen, dass er in der Einvernahme vom 30.08.2017 klargestellt habe (AS 235), dass er im Rahmen der Erstbefragung nicht alles angegeben habe, den beim Gericht entstandenen Eindruck seiner Unglaubwürdigkeit und der Widersprüchlichkeit der in der Einvernahme vom 30.08.2017, vom 12.10.2017 und in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben nicht zu beseitigen.

Insoweit er in der niederschriftlichen Einvernahme die Furcht vor Verfolgung seitens einer Privatperson im Fall der Rückkehr in den Irak vorbrachte, ist festzuhalten, dass - selbst bei Wahrunterstellung - die behauptete Furcht vor Verfolgung nicht von staatlichen Organen ausgeht oder dem Herkunftsstaat sonst zurechenbar wäre.

Dass der BF wegen seiner außerehelichen Beziehung von der Polizei verhaftet und wegen seiner Beziehung betraft worden wäre, findet in den Länderberichten keinerlei Deckung, zumal Ehrverbrechen in den autonomen Regionen Kurdistan für strafbar erklärt wurden. In diesem Zusammenhang geht aus seinem Vorbringen nicht hervor, dass er es versucht hätte, bei den Sicherheitskräften Schutz vor dem Bruder der Frau zu suchen, indem er diesen den angeblichen Vorfall zur Anzeige gebracht hätte.

Aus den angeführten Gründen waren die Konstatierungen zum Vorbringen des BF im Rahmen der dem Gericht zukommenden freien Beweiswürdigung zu treffen. Festzuhalten ist weiter, dass es ihm nicht gelang, die von ihm behaupteten Verfolgungs- bzw. Bedrohungsszenarien glaubhaft darzulegen. Es konnte weder eine aktuell und konkret gegen den BF gerichtete Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen hätten lassen.“

4. In weiterer Folge reiste der BF weiter in die BRD, von wo er am 2.8.2018 nach Österreich rücküberstellt wurde.

5. Der 2. vom BF am 8.8.2018 in Österreich eingebrachte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 2.1.2019, Zl. 1104291803-180752147, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

6. In weiterer Folge reisete der BF erneut illegal in die BRD, von wo er am 28.10.2019 erneut nach Österreich rücküberstellt wurde.

7. Am 28.10.2019 brachte der BF seinen 3. Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher mit Bescheid des BFA vom 20.11.2019, Zl. 1104291803-191098787, erneut wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Weiter wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Irak zulässig ist. Zudem wurde ein 2-jähriges Einreiseverbot verhängt.

8. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 11.12.2019, I419 2177114-3, als unbegründet abgewiesen.

9. Der BF reiste anschließend illegal nach Frankreich, von wo er am 20.2.2020 nach Österreich rücküberstellt wurde.

10. Am 28.10.2019 brachte der BF den verfahrensgegenständlichen 4. Antrag auf internationalen Schutz ein.

Bei der Erstbefragung am 20.2.2020 gab er zum Ausreisegrund im Wesentlichen an, dass sich nichts geändert habe und seine alten Fluchtgründe nachwievor aufrecht wären. Wenn ihn Österreich nicht wolle, solle man ihm die Möglichkeit geben, woanders um Asyl anzusuchen. Er habe in Österreich bereits 4 oder 5 negative Asylbescheide bekommen.

Beim belangten Bundesamt gab er am 5.3.2020 zum Ausreisegrund zusammengefasst an, dass er in Österreich bereits 5 negative Bescheide erhalten habe und er erschöpft und lebenmüde sei. Er habe auch Schlafstörungen, habe aber nie einen Arzt aufgesucht. Er wolle in Österreich bleiben und hier die Schule besuchen.

11. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz erneut gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Gem. § 15b Abs. 1 AsylG wurde dem BF aufgetragen, ab 20.2.2020 in der AIBE XXXX Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt hervorgekommen sei, zumal der BF sich auf jene Gründe stütze, die er in den bereits rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren vorbrachte. Diesen Fluchtgründen kam keine Glaubhaftigkeit bzw. Asylrelevanz zu.

Im nunmehrigen Verfahren brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er keine anderen Gründe habe als jene in den Vorverfahren. Über diese sei jedoch bereits 2 Mal rechtskräftig abgesprochen worden.

Zum Gesundheitszustand des BF führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sich keine Hinweise ergeben haben, dass der BF an einer körperlichen Krankheit oder einer psychischen Störung leidet. So gab er bei der Erstbefragung weder körperliche Beschwerden noch psychische Beeinträchtigungen an. Zu Beginn der Einvernahme sei er befragt worden, ob er psychisch und physisch in der Lage ist, an dieser teilzunehmen, ob er sich in ärztlicher Behandlung befindet oder ob er regelmäßig Medikamente einnehme. All das verneinte der BF. Erst zu den Fluchtgründen befragt, steigerte der BF seinen vermeintlichen Status dahingehend, dass er Schlafstörungen und Albträume habe. Zum Zeitpunkt der Einvernahmen befand sich der BF bereits den 14. Tag in der Betreuungsstelle Ost, welche auch eine Ärztestation hat. Befragt, ob der BF wegen seiner vermeintlichen Beschwerden bereits beim Arzt vorstellig wurde, verneinte der BF. Gefragt, weshalb er das nicht gemacht habe, antwortete er völlig unschlüssig, dass er keinen Arzt besucht habe, da er ja ständig unterwegs sei. Das Bundesamt nehme daher an, dass der BF damit seine illegalen Reisebewegungen während seiner Asylverfahren meinte. Eine Begründung dafür, weshalb der BF seit seiner Unterbringung in der Betreuungsstelle Ost keinen Arzt aufgesucht hat, lieferte diese Antwort aber nicht. Darauf hingewiesen, steigerte der BF seinen vermeintlichen gesundheitlichen Status ins Negative, indem er nunmehr behauptete, dass er zu nichts fähig sei, nicht einmal dazu, zu sprechen. Er habe keine Lust auf Kommunikation und könne sich nicht einmal mit seinem Freund unterhalten. Spätestens diese Angabe widerspreche seiner initialen Angabe, psychisch und physisch in der Lage zu sein, an der Einvernahme teilzunehmen. Ebenso stehe dieser Aussage entgegen, dass der BF ohne für den einvernehmenden Referenten erkennbare Probleme der Einvernahme folgen und auf die gestellten Fragen rasch zielgerichtete Antworten geben konnte. Insgesamt zeichnete der BF durch seine Angaben einen Zustand schwerer psychischer Beeinträchtigung, welcher sich durch den gewonnenen Eindruck während der Einvernahme nicht nachvollziehen lasse. Auch werde darauf hingewiesen, dass der BF bis zur Bescheiderlassung keine ärztlichen Schriftstücke zu seinen vermeintlichen Beschwerden beim Bundesamt einbrachte. Es sei für das Bundesamt nach der allgemeinen Logik nicht nachvollziehbar, dass jemand, der sich unter derart starkem psychischen Druck befindet, nicht von sich aus Behandlung sucht, besonderes wenn diese ortsnah ohne besonderen Aufwand erreichbar ist. Das BFA gehe daher davon aus, dass die Angaben des BF zum Gesundheitszustand nicht den Tatsachen entsprechen, weshalb auch von einem seitens der Rechtsberatung beantragten Gutachten PSY III abgesehen werden konnte.

Das BFA konnte auch keine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung des BF im Falle einer Rückkehr in den Irak erkennen. Auch habe sich die allgemeine maßgebliche Lage im Irak seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht geändert.

Zu Art 8 EMRK wurde ausgeführt, dass der BF keine nenneswerten familiären Bindungen in Österreich habe. In einer Gesamtabwägung würden daher jedenfalls die öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung überwiegen.

Zur angeordneten Unterkunftnahme führte das BFA im Wesentlichen aus, dass diese aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung und aus Gründen der zügigen Bearbeitung des Antrages auf internationalen Schutz aufzutragen war.

12. Mit Schriftsatz vom 15.5.2020 wurde gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Neben Wiederholungen und allgemeinen Ausführungen wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich die Sicherheitslage im kurdischen Nordirak drastisch verschlechtert habe. Außerdem hätten sich auch wesentliche Änderungen im Privatleben des BF ergeben: Er habe sich fortschrittenene Deutschkenntnisse angeeignet und habe sich ehrenamtlich betätigt. Weiter spiele er bei einem Verein Fußball und habe er zahlreiche österreichische Freunde. Die herangezogenen Länderberichte würden sich nicht ausreichend mit der Herkunftsregion des BF auseinandersetzen und seien auch nicht individualisiert. Verwiesen werde auf den Jahresbericht von HRW vom Jänner 2019, die Wochenübersicht von Musings on Iraq vom 11.1.2019, Artikel von Reuters vom 23.7.2018 und 9.9. 2018, einen Bericht von BBC vom 26.1.2019, den AA-Bericht vom 19.2.2019 sowie die Reisewarnungen des BMEIA.

13. Hinsichtlich des Verfahrensinhalts im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer

Beim BF handelt es sich um einen ledigen, kinderlosen, männlichen irakischen Staatsbürger, dessen Muttersprache Kurdisch ist. Der BF gehört zur Volksgrupppe der Kurden und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben.

Die Identität des BF steht aufgrund des vorgelegten irakischen Reisepasses fest.

Der BF ist gesund und benötigt keine Medikamente. Er ist bislang strafgerichtlich unbescholten und arbeitsfähig.

Sein privater und familiärer Lebensmittelpunkt befand sich bis zur Ausreise im Irak. Mit seinen Eltern, 5 Schwestern und einem Bruder verfügt der BF nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte in XXXX . Der Vater ist Angestellter der Stromversorgung, die Schwestern besuchen Schulen und der Bruder arbeitet als Hilfsarbeiter. Darüber hinaus hat der BF in seiner Heimatstadt auch noch Onkel und Tanten. Zu seinen Angehörigen hat der BF etwa alle 2 Wochen Kontakt über Internet.

Der BF kam nahe XXXX zur Welt, wo er auch aufwuchs und bis zur Ausreise bei seinen Eltern lebte. Er besuchte die Schule bis zur 6. Klasse und ging danach Gelegenheitsarbeiten nach, insbesondere dem Verlegen von Fliesen und Mosaiken. Er war auch als Tischler tätig. Er wurde auch von seiner Mutter finanziell unterstützt.

Der BF reiste am 28.12.2015 legal von Erbil nach Istanbul und gelangte spätestens Ende Jänner 2016 illegal nach österreich.

Der 1. Antrag des Bf auf internationalen Schutz vom 3.2.2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 12.10.2017, Zl. 1104291803-160173959, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Weiter wurde eine Rückkehrentscheidung gefällt und die Abschiebung des BF in den Irak für zulässig erklärt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des BF wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 26.1.2018, G305 2177114-1, als unbegründet abgewiesen.

In der Folge reiste der Bf illegal in die BRD, von wo er am 2.8.2018 nach Österreich rücküberstellt wurde.

Der 2. vom BF am 8.8.2018 in Österreich eingebrachte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 2.1.2019, Zl. 1104291803-180752147, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

In weiterer Folge reisete der BF erneut illegal in die BRD, von wo er am 28.10.2019 erneut nach Österreich rücküberstellt wurde.

Am 28.10.2019 brachte der BF seinen 3. Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher mit Bescheid des BFA vom 20.11.2019, Zl. 1104291803-191098787, erneut wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Weiter wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Irak zulässig ist. Zudem wurde ein 2-jähriges Einreiseverbot verhängt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 11.12.2019, I419 2177114-3, als unbegründet abgewiesen.

Der BF reiste anschließend illegal nach Frankreich, von wo er am 20.2.2020 nach Österreich rücküberstellt wurde.

Am 20.2.2020 brachte der BF den 4. Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.

Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umständen.

Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.

Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

In Bezug auf die individuelle Lage des BF im Falle einer Rückkehr in den Irak konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in seinem Heimatland Irak droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.

Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Irak eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

Zur Lage im Irak

Kurdische Region im Irak (KRI) / Autonome Region Kurdistan

Letzte Änderung: 14.05.2020

Die Kurdische Region im Irak (KRI) wird in der irakischen Verfassung, in Artikel 121, Absatz 5 anerkannt (Rudaw 20.11.2019). Die KRI besteht aus den Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah. sowie aus dem im Jahr 2014 durch Ministerratsbeschluss aus Sulaymaniyah herausgelösten Gouvernement Halabja, wobei dieser Beschluss noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Verwaltet wird die KRI durch die kurdische Regionalregierung (KRG) (GIZ 1.2020a).

Das Verhältnis der Zentralregierung zur KRI hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der KRI und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil „umstrittener Gebiete“ ab dem 25.9.2017 deutlich verschlechtert. Im Oktober 2017 kam es sogar zu lokal begrenzten militärischen Auseinandersetzungen (AA 12.1.2019). Der langjährige Präsident der KRI, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat als Konsequenz zurück (GIZ 1.2020a).

Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI (AA 12.1.2019).

Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird (France24 22.2.2020; vgl. KAS 2.5.2018). Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Sulaymaniyah. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018 (CRS 3.2.2020). Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad (GIZ 1.2020a). Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert (KAS 2.5.2018; vgl. WI 8.7.2019), sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien (KAS 2.5.2018).

Auch nach dem Rücktritt von Präsident Masoud Barzani teilt sich die Barzani Familie die Macht. Nechirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter seinem Onkel Masoud, beerbte ihn im Amt des Präsidenten der KRI. Masrour Barzani, Sohn Masouds, wurde im Juni 2019 zum neuen Premierminister der KRI ernannt (GIZ 1.2020a) und im Juli 2019 durch das kurdische Parlament bestätigt (CRS 3.2.2020).

Proteste in der KRI gehen auf das Jahr 2003 zurück. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind dabei gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018). Insbesondere in der nordöstlichen Stadt Sulaymaniyah kommt es zu periodischen Protesten, deren jüngste im Februar 2020 begannen (France24 22.2.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        CRS - Congressional Research Service (3.2.2020): Iraq and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/IF10404.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        France24 (22.2.2020): Iraqi Kurds rally against 'corruption' of ruling elite, https://www.france24.com/en/20200222-iraqi-kurds-rally-against-corruption-of-ruling-elite, Zugriff 13.3.2020

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

?        KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

?        LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        Rudaw (20.11.2019): Will the Peshmerga reform – or be integrated into the Iraqi Army?, https://www.rudaw.net/english/analysis/201120191, Zugriff 13.3.2020

?        WI - Washington Institute (8.7.2019): Gorran and the End of Populism in the Kurdistan Region of Iraq , https://www.washingtoninstitute.org/fikraforum/view/gorran-and-the-end-of-populism-in-the-kurdistan-region-of-iraq, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 14.05.2020

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html, Zugriff 13.3.2020

?        Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02, Zugriff 13.3.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

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?        Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

?        MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/, Zugriff 13.3.2020

?        New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020

Islamischer Staat (IS)

Letzte Änderung: 14.05.2020

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) durch den damaligen Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 (USCIRF 4.2019; vgl Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019) und kehrte zu Untergrund-Taktiken zurück (USDOS 1.11.2019; vgl. BBC 23.12.2019; FH 4.3.2020). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (Portal 9.10.2019) und einen neuerlichen Machtzuwachs im Norden des Landes (PGN 11.1.2020).

Der IS unterhält ein Netz von Zellen, die sich auf die Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala konzentrieren, während seine Taktik IED-Angriffe auf Sicherheitspersonal, Brandstiftung auf landwirtschaftlichen Flächen und Erpressung von Einheimischen umfasst (Garda 3.3.2020). Der IS führt in vielen Landesteilen weiterhin kleinere bewaffnete Operationen, Attentate und Angriffe mit improvisierten Sprengkörpern (IED) durch (USCIRF 4.2019). Er stellt trotz seines Gebietsverlustes weiterhin eine Bedrohung für Sicherheitskräfte und Zivilisten, einschließlich Kinder, dar (UN General Assembly 30.7.2019). Er ist nach wie vor der Hauptverantwortliche für Übergriffe und Gräueltaten im Irak, insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din (USDOS 11.3.2020; vgl. UN General Assembly 30.7.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 2.10.2019a). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019).

Der IS setzt weiterhin auf Gewaltakte gegen Regierungziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter (ACLED 2.10.2019a; vgl. USDOS 1.11.2019), dies unter Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und Schusswaffen sowie mittels gezielten Morden (USDOS 1.11.2019), sowie Brandstiftung. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (ACLED 2.10.2019a).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Im Mai 2019 hat der IS im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern einzuheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salah ad-Din - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und infolge lokaler Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Jänner 2020 hat der IS eine Büffelherde in Baquba im Distrikt Khanaqin in Diyala abgeschlachtet, um eine Stadt einzuschüchtern (Joel Wing 3.2.2020; vgl. NINA 17.1.2020).

Mit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 stellte der IS seine Operation weitgehend ein, wie er es stets während Demonstrationen getan hat, trat aber mit dem Nachlassen der Proteste wieder in den Konflikt ein (Joel Wing 6.1.2020).

Quellen:

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        BBC News (23.12.2019): Isis in Iraq: Militants 'getting stronger again', https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50850325, Zugriff 13.3.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

?        Garda World (3.3.2020): Iraq Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/iraq, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 13.3.2020

?        Military Times (7.7.2019): Iraqi forces begin operation against ISIS along Syrian border, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2019/07/07/iraqi-forces-begin-operation-against-isis-along-syrian-border/, Zugriff 13.3.2020

?        NINA - National Iraqi News Agency (17.1.2020): ISIS Elements executed a herd of buffalo by firing bullets northeast of Baquba. http://ninanews.com/Website/News/Details?key=808154, Zugriff 13.3.2020

?        PGN - Political Geography Now (11.1.2020): Iraq Control Map & Timeline - January 2020, https://www.polgeonow.com/2020/01/isis-iraq-control-map-2020.html, Zugriff 13.3.2020

?        Portal, The (9.10.2019): Iraq launches a new process of “Will to Victory”, http://www.theportal-center.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

?        UN General Assembly (30.7.2019): Children and armed conflict; Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019– Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

?  

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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