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Baurecht - TirolNorm
AVG §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Straßmann, Dr. Griesmacher, DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberregierungsrat Dr. Antoniolli, über die Beschwerde der Gemeinde K, vertreten durch Dr. Leopold Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, Adolf Pichler-Platz 10, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. Jänner 1978, Zl. Ve 550-453/3-1977, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: AW in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit der vorgelegten Bescheidausfertigung hatte der Mitbeteiligte, nachdem vorerst gegen ihn wegen einer nichtkonsensmäßigen Bauführung auf dem Grundstück Nr. 2008 KG K ein Vollstreckungsauftrag zwecks Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Beseitigung der betroffenen baulichen Anlagen ergangen war, bei der hiefür gemäß § 12 Abs. 4 Tiroler Gemeindeordnung 1966 (TGO 1966) in Verbindung mit der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 23. April 1968, LGBl. Nr. 18/1968, zuständigen Bezirkshauptmannschaft Landeck um bau- und gewerbebehördliche Genehmigung für ein Bauvorhaben auf der vorangeführten Liegenschaft angesucht, wobei von dieser Behörde in der Folge, und zwar mit Bescheid vom 8. November 1977, die Baubewilligung für eine Garage sowie die alte und neue Werkstätte nach Maßgabe der vorgelegten Pläne erteilt worden war.
Eine dagegen durch die Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies die Tiroler Landesregierung mit ihrem Bescheid vom 30. Jänner 1978 als unzulässig zurück. Sie führte zur Begründung aus, gegen die Entscheidung der im Hinblick auf die Verordnung LGBI. Nr. 18/1968 zur Absprache über das gegenständliche Bauvorhaben als Baubehörde zuständige Bezirkshauptmannschaft Landeck sei den Parteien des Bauverfahrens das Rechtsmittel der Berufung offengestanden. Als Parteien im Sinne der Tiroler Bauordnung (TBO) seien in diesem Verfahren der Konsenswerber und die Nachbarn (§ 30 TBO) anzusehen, nicht aber die Gemeinde bzw. der Gemeinderat. Diesem komme allgemein keine Parteistellung zu, es sei denn, daß in den einzelnen Rechtsvorschriften der Gemeinde eine solche ausdrücklich eingeräumt werde (z. B. §§ 112, 113 TBO 1966). Da aber eine solche Bestimmung in der Tiroler Bauordnung fehle und die Gemeinde im gegenständlichen Verfahren auch keinerlei Rechte als Nachbar im Sinne des § 30 TBO geltend gemacht habe, sei die Berufung im Hinblick auf die mangelnde Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, laut der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Selbstverwaltung und auf Beachtung rechtskräftiger Bescheide und weiters - nach dem inhaltlichen Vorbringen - unabhängig von bestehenden Nachbarrechten in ihrem auf § 8 AVG 1950 gegründeten Recht auf Parteistellung in dem in Rede stehenden Bauverfahren als verletzt erachtet. Sie bringt hiezu vor, mit Beschluß ihres Gemeinderates vom 17. September 1976 sei für alle Bauvorhaben zwecks Wahrung der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Einhaltung eines Abstandes von 2 m zur Gemeindestraße festgesetzt worden. In ihrem Baubewilligungsbescheid habe sich die zur Entscheidung zuständige Bezirkshauptmannschaft Landeck jedoch ungeachtet dieses Umstandes unter Hinweis auf die - unbestrittene - Tatsache, daß für das Gemeindegebiet ein Bebauungsplan im Sinne der Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes nicht vorliege, bei Festsetzung der Abstände zur Gemeindestraße auf die Bestimmung des § 6 Abs. 4 TBO berufen und danach die Einhaltung eines geringeren Abstandes als 2 m für zulässig erachtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 8 AVG 1950 sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich eine Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte, und insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. In dieser Gesetzesbestimmung wird unter Verwendung der in der Rechtswissenschaft herausgebildeten (abstrakten) Begriffe „Rechtsanspruch“ und „rechtliches Interesse“ festgelegt, in welcher Beziehung an einem Verwaltungsverfahren Beteiligte zu diesem Verfahren stehen müssen, damit ihnen die Stellung einer Partei zukommt. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit von einem Rechtsanspruch oder rechtlichen Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Bestimmung. Es kann demnach die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitzt, an Hand des AVG 1950 allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung muß vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften ableitbar sein; auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechtes muß sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschrift beurteilt werden. Mit anderen Worten: Die Begriffe „Rechtsanspruch“ und „rechtliches Interesse“ gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, mit dessen Hilfe die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (so entsprechend der ständigen hg. Rechtsprechung, insbesondere Erkenntnis vom 1. April 1960, Slg. N. F. Nr. 5258/A, ebenso Erkenntnisse vom 10. Februar 1969, Slg. N. F. Nr. 7507/A, vom 20. Oktober 1969, Slg. N. F. Nr. 7662/A, vom 10. Juni 1970, Slg. N. F. Nr. 7810/A, u.a.).
Gemäß § 1 der im Hinblick auf § 12 Abs. 4 TBO 1966 erlassenen Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 23. April 1968, LGBl. Nr. 18/1968, wurde die Besorgung der örtlichen Baupolizei bei Vorhaben, für die außer der baupolizeilichen Bewilligung eine wasserrechtliche Bewilligung oder eine Genehmigung nach der Gewerbeordnung erforderlich ist, aus dem eigenen Wirkungsbereich der im § 2 der zitierten Verordnung angeführten Gemeinden - worunter sich auch die Beschwerdeführerin befindet - auf die örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaften übertragen. Es handelt sich daher bei dem in Rede stehenden verwaltungsbehördlichen Verfahren, ausgehend vom diesbezüglichen Beschwerdevorbringen, um ein baupolizeiliches Verfahren, dem ein aufsichtsbehördlicher Charakter nicht zukommt, weshalb eine Parteistellung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 119 Abs. 2 TBO 1966 hier nicht gegeben ist. Nach den somit ausschließlich zur Anwendung gelangenden Bestimmungen der Tiroler Bauordnung käme daher bei der in der Beschwerde dargelegten Sachlage allenfalls nur eine aus einem Nachbarrecht resultierende Parteistellung (§ 30 TBO) der Beschwerdeführerin in Betracht, wobei ein derartiger Rechtsanspruch im übrigen entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch sachbezogener Gegenstand des Abspruches im hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1954, Slg. N.F. Nr. 3458/A war. Die Voraussetzungen für die Annahme einer derartigen subjektiven öffentlichen Berechtigung liegen aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht vor, wenn eine Gemeinde lediglich Eigentümerin des Straßengrundstückes der vorbeiführenden öffentlichen Straße ist, da diese Parteistellung eines Nachbarn - wie sich vorliegend insbesondere auch aus den Bestimmungen des § 30 Abs. 1 und 2 TBO ergibt - eine privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit an dem Nachbargrundstück voraussetzt. Die Wahrnehmung des öffentlichen Interesses hinsichtlich der Beeinflussung der Verkehrsverhältnisse durch die geplante Bauführung hingegen ist ausschließlich Angelegenheit der als Baubehörde einschreitenden Stelle (vgl. hiezu hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1952, Slg. N. F. Nr. 2795/A; ebenso hg. Erkenntnis vom 14. September 1970, Zl. 1169/69).
Da somit die hier anzuwendenden Verwaltungsvorschriften einen Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin in dem zugrunde liegenden Baubewilligungsverfahren nach ihrem Sachvorbringen nicht zu rechtfertigen vermögen und - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Einzelfällen, wie Art. 119 a Abs. 9 B-VG, - auch keine Verfassungsnorm besteht, die Parteienrechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantierte (vgl. Verfassungsgerichtshof Slg. Nr. 6664), kann ein der belangten Behörde unterlaufener Rechtsirrtum bzw. Verfahrensmangel nicht darin erkannt werden, daß sie die Berufung zufolge mangelnder Parteistellung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen hat.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 25. April 1978
Schlagworte
Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1978:1978000794.X00Im RIS seit
17.11.2021Zuletzt aktualisiert am
17.11.2021