TE Vwgh Beschluss 2021/10/20 Ra 2020/15/0048

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Veröffentlicht am 20.10.2021
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §184
BAO §184 Abs1
BAO §184 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des R T in G, vertreten durch die Althuber Spornberger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Doblhoffgasse 9/Top 14, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. März 2020, Zl. RV/2100318/2015, betreffend Umsatzsteuer 2009 bis 2011 sowie Feststellung der Einkünfte 2009 bis 2011 gemäß § 188 BAO, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine GmbH & Co KG, übte in den Streitjahren - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - an drei Standorten das Gaststättengewerbe (Speisen, Getränke, Billard) aus.

2        In den Jahren 2012 bis 2014 fand bei ihr eine die Streitjahre umfassende Außenprüfung statt. In seinem Bericht vom 21. März 2014 stellte der Prüfer mehrere näher beschriebene Unzulänglichkeiten des bis 17. Oktober 2010 verwendeten Kassensystems sowie der betrieblichen Organisation hinsichtlich der Aufbewahrung von Grundaufzeichnungen fest, für die er einen „Unsicherheitszuschlag“ von 80.200 € für 2009, 77.400 € für 2010 sowie 69.500 € für 2011 ansetzte, wobei die Zuschläge rund 4% der erklärten steuerbaren Umsätze für 2009 und 2010 bzw. 3,75% für 2011 entsprachen.

3        Den Feststellungen des Prüfers folgend erließ das Finanzamt für die Jahre 2009 bis 2011 entsprechende Umsatzsteuerbescheide sowie Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO, in denen Zuschläge (jeweils in derselben Höhe) sowohl den Umsätzen als auch den Einkünften der Revisionswerberin hinzugerechnet wurden. Die Aufteilung auf 10%- bzw. 20%ige Umsätze sowie die Aufteilung der hinzugerechneten Beträge auf die Gewinne der einzelnen Mitunternehmer erfolgte jeweils gemäß den bisher erklärten Verhältnissen.

4        Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde, woraufhin das Finanzamt abweisende Beschwerdevorentscheidungen erließ und die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG - nach Abhaltung eines Erörterungstermins, Durchführung eines Vorhalteverfahrens, Befragung von früheren Dienstnehmenden der Revisionswerberin als Zeugen sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der erhobenen Beschwerde teilweise Folge, indem es die bekämpften Bescheide hinsichtlich der Höhe der verhängten Sicherheitszuschläge abänderte. Begründend führte es insbesondere aus, den in § 131 BAO normierten Grundsätzen der geordneten, vollständigen und richtigen Eintragung sowie der Klarheit, Sicherheit und Prüfbarkeit der Buchführung binnen angemessener Zeit sei auf Grund näher dargestellter Mängel nicht Rechnung getragen worden. Eine verlässliche und einfache Verbindung zwischen den Erlösen laut Kassenprotokoll und den buchmäßig erfassten Erlösen habe nicht hergestellt werden können. Teilweise seien auch dem BFG vorgelegte Rechnungsausdrucke nicht mit fortlaufenden Nummern versehen gewesen. Eine eindeutige Zuordnung zwischen Geschäftsfall und Beleg sei daher unmöglich gewesen. Darüber hinaus seien grundlegende Aufzeichnungen (Kellnertagesabrechnungen, Checklisten), die seinerzeit erstellt worden waren, nicht aufbewahrt und Stammdatenänderungen nicht protokolliert worden. In ihrem Zusammenwirken seien diese Mängel jedenfalls geeignet, die sachliche Richtigkeit der Bücher der Revisionswerberin in Zweifel zu ziehen. Gemäß § 184 Abs. 3 iVm. § 163 BAO habe daher dem Grunde nach eine Schätzungsberechtigung bestanden.

6        Zur Höhe der Schätzung führte das BFG aus, das Finanzamt habe sowohl bei den Umsätzen als auch bei der Gewinnermittlung einen Sicherheitszuschlag iHv je 4% in Ansatz gebracht. Da im Revisionsfall auf Grund der dargestellten Mängel eine plausible Kalkulation nahezu unmöglich gewesen sei, sei auch nicht zu beanstanden, dass von der Verhängung pauschaler Zuschläge Gebrauch gemacht worden sei. Andere, besser geeignete oder gar konkretere Parameter seien nicht zur Verfügung gestanden. Allerdings erscheine dem BFG ein Zuschlag von 2% angemessen, weil einzelne der ausschließlich formellen Mängel im langwierigen Beschwerdeverfahren zumindest zum Teil aufgeklärt hätten werden können und die Hinzuschätzung auf Basis der Gesamtumsätze der Revisionswerberin erfolgt sei, welche sich in den strittigen Jahren immerhin zwischen rund 1,85 und 2 Mio. € netto bewegt hätten. Bei der Gewinnermittlung sei nach Ansicht des BFG - entsprechend dem Vorbringen der Revisionswerberin - überdies ein angemessener Wareneinsatz zu berücksichtigen gewesen. Das BFG habe daher bei Ermittlung der Einkünfte pro Jahr jeweils einen pauschalen Wareneinsatz von 40% in Anschlag gebracht.

7        Die Revision ließ das BFG mit der Begründung nicht zu, dass es sich „auf die oa. Gesetzeslage sowie die zitierte VwGH-Rechtsprechung berufen [konnte]. Zudem war allein auf Sachverhaltsebene zu klären, ob und welche Formalmängel vorlagen - und ob diese in ihrer Gesamtheit zu einer Schätzung iSd. § 184 BAO berechtigen oder nicht.“

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu deren Zulässigkeit bringt die Revisionswerberin vor, es stellten sich die beiden Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, „1. ob ein Sicherheitszuschlag nach § 184 BAO festgesetzt werden darf, wenn - allenfalls - nur formelle Mängel in der Buchhaltung aufgezeigt bzw festgestellt wurden; und bejahendenfalls, 2. ob es verfahrensrechtlich ausreichend ist, wenn die Höhe des solcherart festgesetzten Sicherheitszuschlages nicht aus Ermittlungsergebnissen des Abgabenverfahrens abgeleitet wird, sondern nicht nachvollziehbar und de facto begründungslos als ‚angemessen‘ festgestellt wird.“ Das BFG habe es im angefochtenen Erkenntnis verabsäumt, diese beiden Rechtsfragen zu beachten und sei deshalb rechtswidrig zum Ergebnis gelangt, dass in concreto ein Sicherheitszuschlag in der Höhe von 2% bzw. 1,9% verhängt werden dürfe. Nach Ansicht der Revision könne die Verhängung eines Sicherheitszuschlages nur auf der Basis einer nachgewiesenermaßen materiell unrichtigen Buch- bzw. Aufzeichnungsführung erfolgen. Formelle Mängel würden für sich allein nicht dazu berechtigen, Sicherheitszuschläge vorzunehmen. Da im Revisionsfall keine fehlenden Aufzeichnungen von Einnahmen oder Vorgängen nachgewiesen, sondern explizit nur formelle Mängel festgestellt worden seien, lägen die rechtlichen Voraussetzungen zur Festsetzung eines Sicherheitszuschlages nicht vor. Zudem sei dieser hinsichtlich seiner Höhe mangelhaft begründet worden.

9        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage n der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde (und nachfolgend das Verwaltungsgericht) die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs. 3 BAO ist u.a. dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt, oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

14       Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (VwGH 2.10.2014, 2012/15/0123).

15       Berechtigen formelle Mängel zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, steht der Abgabenbehörde die Wahl der Schätzungsmethode grundsätzlich frei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine Schätzung mit Hilfe eines Sicherheitszuschlags eine Methode, die der korrigierenden Ergänzung der Besteuerungsgrundlagen, von denen anzunehmen ist, dass sie zu niedrig ausgewiesen wurden, dient. In Fällen, in denen nähere Anhaltspunkte für eine gebotene Schätzung nicht zu gewinnen sind, kann die griffweise Zuschätzung von Sicherheitszuschlägen in Betracht kommen. Solche Sicherheitszuschläge können sich beispielsweise an den Gesamteinnahmen, den Einnahmenverkürzungen oder den Umsätzen orientieren (VwGH 28.1.2015, 2010/13/0012, mwN).

16       Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages geht davon aus, dass bei mangelhaften Aufzeichnungen nicht nur die nachgewiesenermaßen nicht verbuchten Vorgänge, sondern auch noch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden. Aufgabe eines Sicherheitszuschlages ist es also, das Risiko möglicher weiterer Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen auszugleichen; dabei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Auch mit Hilfe der Methode des Sicherheitszuschlages soll kein anderes Ergebnis erreicht werden als jenes, das der wahrscheinlichsten Bemessungsgrundlage nahekommt. Der Sicherheitszuschlag hat ebenso wie andere Schätzungskomponenten nicht Strafcharakter (kein „Straf-Zuschlag“). Seine Höhe hat sich daher nach den Besonderheiten des Schätzungsfalles und nach den festgestellten Fehlern, Mängeln und vermuteten Verminderungen des Ergebnisausweises, also nach den Gegebenheiten im Bereich des Tatsächlichen, zu richten (vgl. VwGH 2.10.2014, 2012/15/0123, mwN).

17       Die Annahme der Revision, ein Sicherheitszuschlag sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil „keine fehlenden Aufzeichnungen von Einnahmen oder Vorgängen nachgewiesen, sondern explizit nur formelle Mängel festgestellt“ worden seien, trifft sohin nicht zu. Liegen formelle Fehler der Bücher und Aufzeichnungen vor, die begründetermaßen zu Zweifeln an der sachlichen Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen Anlass geben, bedarf es - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat - eines Nachweises, dass die genannten Unterlagen mit den Wirtschaftsabläufen tatsächlich nicht übereinstimmen, nicht. Es steht dem Abgabepflichtigen allerdings die Möglichkeit offen, die sachliche Richtigkeit seiner formell mangelhaften oder unrichtigen Aufzeichnungen zu beweisen und damit der sonst bestehenden Schätzungsbefugnis entgegenzuwirken (VwGH 28.1.2015, 2010/13/0012; 6.7.2006, 2006/15/0183, mwN).

18       Dass die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis - unter Bezugnahme auf die Feststellungen im Rahmen der Betriebsprüfung - aufgezeigten formellen Mängel nicht bestanden hätten oder von Vornherein nicht geeignet gewesen wären, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen der Revisionswerberin in Zweifel zu ziehen, zeigt die Revision fallbezogen nicht auf.

19       Erlaubt die Sachlage eine griffweise Schätzung, können sich Sicherheitszuschläge nach der oben bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs beispielsweise an den Gesamteinnahmen, den Einnahmenverkürzungen oder den Umsätzen orientieren, wobei sich ihre Höhe nach den Besonderheiten des Schätzungsfalles und nach den festgestellten Fehlern, Mängeln und vermuteten Verminderungen des Ergebnisausweises, also nach den Gegebenheiten im Bereich des Tatsächlichen, zu richten hat.

20       Entgegen dem Revisionsvorbringen, enthält das angefochtene Erkenntnis - entsprechend dieser hg. Rechtsprechung - einerseits insofern eine nachvollziehbare Begründung des verhängten Sicherheitszuschlages, als es darlegt, inwieweit aus den Ergebnissen der Betriebsprüfung abgeleitet habe werden können, dass sich aus den festgestellten Mängeln ein Risiko von Unvollständigkeiten und damit von Umsatzverkürzungen ergebe, zu dessen Ausgleich der gewählte Zuschlag erforderlich sei. Das BFG begründete darüber hinaus andererseits auch, warum es gegenüber der abgabenbehördlichen Prüfung nach Durchführung eines umfangreichen eigenen Vorhalteverfahrens zur Aufklärung einzelner Mängel sowie nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine Reduktion der zunächst verhängten Sicherheitszuschläge vorgenommen hat.

21       Dass das solcherart vom BFG ermittelte Schätzungsergebnis sachwidrig gewesen wäre bzw. zu den festgestellten Mängeln in unangemessener Relation gestanden wäre, zeigt die Revision indessen nicht auf, die sich vornehmlich pauschal gegen die griffweise Zuschätzung von Sicherheitszuschlägen an sich wendet (vgl. dazu jedoch bereits VwGH 9.12.1992, 91/13/0094).

22       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020150048.L00

Im RIS seit

17.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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