TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/6 G305 2208166-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2021
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Entscheidungsdatum

06.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G305 2208166-1/13E
G305 2208282-1/14E
G305 2208488-1/13E
G305 2208161-1/13E
G305 2208163-1/13E
G305 2218976-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des XXXX, geboren am XXXX, 2.) der XXXX, geboren am XXXX, 3.) der mj. XXXX, geboren am XXXX, 4.) der mj. XXXX, geboren am XXXX, 5.) der mj. XXXX, geboren am XXXX und 6.) des mj. XXXX, geboren am XXXX, alle StA: Irak, die minderjährigen BeschwerdeführerInnen gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, XXXX, alle vertreten durch Mag. Thomas KLEIN, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl RD XXXX Ast XXXX vom XXXX.2018, Zahlen: zu 1.) XXXX, 2.) XXXX, 3.) XXXX, 4.) XXXX, 5.) XXXX und vom XXXX.2019 zu 6.) XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.08.2021 zu Recht:

A)

I.       Der gegen Spruchpunkt I. gerichtete Teil der Beschwerden wird als unbegründet abgewiesen.

II.     1.) XXXX, geboren am XXXX, 2.) XXXX, geboren am XXXX, 3.) XXXX, geboren am XXXX, 4.) XXXX, geboren am XXXX, 5.) XXXX, geboren am XXXX und 6.) XXXX, geboren am XXXX, alle StA: Irak, wird gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

III.    Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird den Genannten eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

IV.     Die Spruchpunkte III. und IV. der angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am XXXX.2015 stellten die jeweils zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigten XXXX, geboren am XXXX (in der Folge: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1) XXXX, geboren am XXXX, (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin oder kurz: BF2), mj. XXXX, geboren am XXXX (in der Folge: minderjährige Drittbeschwerdeführerin oder kurz: mj. BF3), XXXX, geboren am XXXX (in der Folge: minderjährige Viertbeschwerdeführerin oder kurz: mj. BF4) und XXXX, geboren am XXXX (in der Folge: minderjährige Fünftbeschwerdeführerin oder kurz: mj. BF5) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am XXXX.2015 wurden der BF1 und die BF2 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF1 an, bei der Arbeit schikaniert, beschimpft und erniedrigt worden zu sein, da er Sunnit sei. Aus der Gegend, wo er herkomme, seien Schiiten in der Mehrheit; er habe Drohbriefe nach Hause bekommen nach welchen er getötet werde, sollte er das Land nicht verlassen. Er habe die Drohung bei den irakischen Behörden angezeigt. Bei einer Rückkehr fürchte er, von schiitischen Milizen getötet zu werden; mit staatlichen Repressionen habe er nicht zu rechnen.

Die BF2 stützte sich im Kern auf die Fluchtgründe des Ehegatten und brachte weder für sich selbst, noch für die minderjährigen beschwerdeführenden Parteien eigene Fluchtgründe vor.

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief ergebnislos.

3. Am XXXX.2018 wurde der BF1 ab 08:30 Uhr von Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Anlässlich dieser Einvernahme wiederholte er sein Fluchtvorbringen und gab zusammengefasst an, dass er für das Rathaus XXXX gearbeitet habe und hier mit der Aufsicht für ein Projekt (die Verlegung von Stromkabeln für die Energieversorgung) betraut gewesen sei. Da es zu Problemen mit den Grundstückseigentümern gekommen sei, die der Verlegung der Kabel nicht hätten zustimmen wollen, habe er dies seinem vorgesetzten Abteilungsleiter mitgeteilt. Die Grundstückseigentümer seinen unrechtmäßig an gefälschte Verträge über den Besitz der Grundstücke gekommen und hätten vom BF1 gefordert, einen diesbezüglich von ihm verfassten Bericht an den Bürgermeister des Ortes zurückzuziehen. Dieser Bericht habe zur Folge gehabt, dass die betreffenden Grundstücksbesitzer (und die ihnen zugehörigen Milizen) die staatlichen Entschädigungszahlungen, die in diesem Fall geplant gewesen seien, nicht erhalten hätten; es sei vielmehr bekannt geworden, dass der Staat Irak Zahlungen zu Unrecht leisten würde. Die Grundstückseigentümer, der Bürgermeister des betreffenden Ortes und auch uniformierte Personen, die der BF1 im Rathaus gesehen habe, hätten den al-hashd al-sha’bi (Volksmobilisierungskräfte) angehört. Es sei zu heftigen Streitigkeiten gekommen, die auch daraus resultiert hätten, dass der BF1 Sunnit sei. Vor seinem Wohnhaus sei es am XXXX.2015 zu einem Streit mit den betroffenen Grundstücksbesitzern gekommen, in welchen auch sein Bruder eingegriffen habe. Kurz darauf, am XXXX.2015, habe es einen Drohbrief gegen den BF1 gegeben, dass er Sunnit sei und man ihn töten könne. Er habe seinen Bruder, der die Streitigkeiten am Vortag geschlichtet habe, gebeten, seine Frau und die Kinder (Anm.: die BF2 und die mj. BF3 bis mj. BF5) zur Familie seiner Frau zu bringen und bei diesen zu bleiben. Er selbst sei zur Polizei gegangen und habe Anzeige erstattet. Er sei aus Angst nach Hause zu gehen zu seiner Frau gegangen. Am selben Tag habe er erfahren, dass sein Haus von bewaffneten uniformierten Personen gestürmt worden sei. Er habe den Polizisten, bei dem er die Anzeige erstattet habe, darüber informiert; diese habe jedoch geantwortet, dass er nichts tun könne, da er selbst Familie und Angst habe. Insgesamt habe er daraufhin 20 Tage mit seiner Familie und seinem Bruder zuerst zu einem Cousin, dann zu einer Cousine gelebt. Seine restliche Familie und seine Mutter (Anm.: jene des BF1) seien in dieser Zeit terrorisiert worden, dass der BF1 seinen Bericht zurückziehen solle. Er habe danach die Provinz verlassen und sei vom Flughafen XXXX nach XXXX geflogen. Nach drei Wochen sei er dann mit einem Bus in die Türkei gereist. Bei einer Rückkehr fürchte er, getötet zu werden und habe Angst um seine Kinder.

Am XXXX.2018 wurde die BF2 ab 08:30 Uhr durch Organe BFA einvernommen. Im Zuge ihrer Befragung bestätigte sie im Wesentlichen die Angaben ihres Ehemannes, des BF1.

4. Mit jeweils zum XXXX.2018 datierten Bescheiden der belangten Behörde, wies das BFA die Anträge der beschwerdeführenden Parteien 1 bis 5 (in der Folge auch: Beschwerdeführer oder kurz: bfP) hinsichtlich ihres Antrages auf internationalen Schutz vom XXXX.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde, dass gemäß § 53 Abs 9 FPG die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass den bfP im Heimatstaat keine aslyrelevante Verfolgung drohe und der BF1 unglaubwürdige Angaben gemacht hätte. Die erst im Zuge der Befragung vor dem BFA erwähnten Situationen seien konstruiert.

5. Gegen die zum XXXX.2018 datierten Bescheide erhoben die bfP Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, wobei die Beschwerdeschrift zwar unterfertigt, jedoch - auch von den Beamten des BFA nicht bemerkt - unvollständig eingereicht wurde. Darin erklärten sie, dass sie den Bescheid - gestützt auf die Beschwerdegründe „inhaltliche Rechtswidrigkeit“ und „Verletzung von Verfahrensvorschriften“ - vollumfänglich anfechte und die Beschwerde mit den Anträgen verbinde, dass 1.) eine mündliche Verhandlung anberaumt, 2.) alle zu ihren Lasten gehenden Rechtswidrigkeiten amtswegig aufgegriffen bzw. allenfalls den BF Verbesserungsaufträge erteilt werden mögen, um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können, 3.) ihnen Asyl zu gewähren, in eventu 4.) subsidiären Schutz zu gewähren, 5.) die Bescheide bezüglich des Spruchpunktes III.) aufheben bzw. dahingehend abändern zu wollen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklärt werde und ihnen ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde, sowie in eventu sowie in eventu 6.) den Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen. Die bfP brachten hier vor, die Behörde habe ihre amtswegige Ermittlungspflicht verletzt da nicht klar sei, ob die von den BF vorgelegten Dokumente übersetzt wurden. Zusätzlich seien die vorliegenden Länderberichte, speziell zur Herkunftsregion der BF, nicht ausreichend gewürdigt worden.

6. Am 23.10.2018 wurden die gegenständliche Beschwerden samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt und beantragt, diese als unbegründet abzuweisen.

7. XXXX, geboren am XXXX (in der Folge: minderjähriger Sechstbeschwerdeführer oder kurz: mj. BF6) kam in Österreich zur Welt und wurde für ihn am XXXX.2019 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Als Fluchtgründe wurden auch in seinem Fall jene des Vaters genannt.

8. Mit dem zum XXXX.2019 datierten Bescheid der belangten Behörde, wies das BFA den Antrag des mj. BF6 hinsichtlich seines Antrages auf internationalen Schutz vom 26.03.2019 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde, dass gemäß § 53 Abs 9 FPG die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass nicht habe festgestellt werden können, dass ob der von seinen Bezugspersonen geltend gemachten Fluchtgründen eine Gefährdung bestehen würde.

9. Gegen diesen zum XXXX.2019 datierten Bescheid erhob der mj. BF6 – mit Verweis auf das bereits anhängige Beschwerdeverfahren seiner Familienmitglieder – Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärte er, dass er den Bescheid vollumfänglich anfechte und die Beschwerde mit den Anträgen verbinde, 1.) eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, 2.) alle zu seinen Lasten gehenden Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen bzw. allenfalls dem BF6 Verbesserungsaufträge zu erteilen, um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können, 3.) ihm Asyl zu gewähren, in eventu 4.) subsidiären Schutz zu gewähren, 5.) den Bescheid bezüglich des Spruchpunktes IV.) aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklärt werde und ihnen ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde, sowie in eventu sowie in eventu 6.) den Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen.

10. Am 15.05.2019 wurden die gegenständliche Beschwerden samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt und beantragt, diese als unbegründet abzuweisen.

11. Mit Eingabe vom 01.03.2021 wurde die Vollmacht des im Kopf genannten Rechtsvertreters bekanntgegeben und mit gleichem Schriftsatz ein Konvolut an Integrationsbestätigungen für die BF1 bis BF5 übermittelt.

13. Mit Eingabe vom 24.08.2018 wurde die Vollmachtsauflösung zu der vormaligen Rechtsvertreterin bekanntgegeben.

13. Anlässlich der am 24.08.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden der BF1 und die BF2 im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und ihrer Rechtsvertreterin einvernommen. Aufgrund der unmündigen Minderjährigkeit der BF3 bis BF6 war deren Anwesenheit nicht erforderlich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen:

Der BF1 führt die im Spruch angegebene Identität und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch.

Der BF1 ist seit XXXX standesamtlich und auch traditionell mit der BF2, die die im Spruch genannte Identität führt, verheiratet. Der Ehe entstammen die ebenso im Spruch genannten mj. BF3 bis mj. BF6. Die BF2 und ihre Kinder sind jeweils AraberInnen, die sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft bekennen.

Die Muttersprache der BF2 ist Arabisch; Die mj. BF3 bis BF5 wurden im Irak geboren, ihre Muttersprache ist Arabisch. Auch die Muttersprache des in Österreich geborenen mj. BF6 ist Arabisch.

Die beschwerdeführenden Parteien haben ihren Hauptwohnsitz seit dem XXXX.2015 im Bundesgebiet, der mj. BF seit dem XXXX.2019 (zuletzt an der Anschrift XXXX).

Bei den bfP bestehen keine gesundheitlichen Einschränkungen.

1.2. Zur Ausreise, Reiseroute und Einreise der beschwerdeführenden Parteien ins Bundesgebiet und der darauf folgenden Asylantragstellung:

Die bfP stammen aus der Provinz XXXX und lebten bis zu ihrer Ausreise in der Stadt XXXX. Im XXXX 2015 flogen die bfP von XXXX bis zum Flughafen XXXX, wo sie sich drei Wochen aufgehalten hatten. Mit dem Bus gelangten sie in die Türkei und reisten nach knapp einem Monat illegal mittels Schlauchboot zur griechischen Insel Simi. Nach einem Landesverweis und einer Fährfahrt nach Athen gelangte die Familie mittels Schleppern über die „Balkanroute“ bis nach XXXX, wo sie den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten (so die BF1 bis BF5).

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ.

1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Heimatstaat:

Im Herkunftsstaat besuchte der BF1 insgesamt zwölf Jahre die Schule und schloss diese mit Matura ab. Ein begonnenes Technologiestudium in XXXX brach er ab, beendete jedoch das Studium der XXXX und arbeitete in der Folge von 2008 bis zum Verlassen des Landes im Jahr 2015 in der Provinz XXXX als XXXX für die XXXX.

Die BF2 wurde in der Provinz XXXX geboren und zog mit ihrer Familie im Jahr 1995 nach XXXX, wo sie ihre Schulbildung abschloss und in der Folge XXXX studierte. Nach beendetem Studium arbeitete sie von 2011 bis 2015 als XXXX.

Mit den gemeinsamen Einkünften von knapp USD 900 sorgten der BF1 und die BF2 gemeinschaftlich für den Lebensunterhalt der Familie, wobei die finanziellen Ressourcen gerade für Miete und Einkäufe des täglichen Bedarfs ausreichten.

Die minderjährigen BeschwerdeführerInnen wurden erst in Österreich eingeschult (so die mj. BF3 bis mj. BF5) bzw. kamen hier zur Welt (so der mj. BF6). In ihrer Heimat besuchten sie dementsprechend noch keine Schulen oder weiterführende Bildungseinrichtungen. Eine tiefgehende Sozialisierung fand speziell hinsichtlich der mj. BF4 bis mj. BF6 nicht statt.

Die Mutter des Erstbeschwerdeführerst lebt zusammen mit einem seiner Brüder im Irak im ehemaligen Wohnort der bfP. Besagter Bruder ist verheiratet und Vater von drei Kindern im Alter von etwa acht, dreizehn und vierzehn Jahren. Als Arbeiter versorgt er seine Familie und auch die Mutter des BF1. Der Vater des BF1 verstarb XXXX. Neben diesen Personen leben noch ein weiterer Bruder und die Schwester des BF1 in XXXX. Diese beiden Geschwister sind jeweils verheiratet und ist die Schwester des BF1 Mutter von zwei Kindern im Alter von acht und dreizehn Jahren. Der Bruder ist Vater von drei Kindern im Alter von sechs, neuen und dreizehn Jahren; er ist ebenso Arbeiter und verdingt sich durch Tätigkeiten auf unterschiedlichen Baustellen. Die Schwester des BF1 ist, so wie seine Schwägerinnen, Hausfrau. Zwei weitere Brüder des BF1 leben in der Türkei. Zu seinen Verwandten im Irak besteht kein Kontakt. Dass auch nur ein Mitglied dieser im Herkunftsstaat der bfP lebenden Familien aslyrechtlich relevant verfolgt bzw. bedroht wäre, kam anlassbezogen nicht hervor; vielmehr leben sie unbehelligt im Herkunftsstaat.

Ein Bruder des BF1 lebt in Österreich und befindet sich in einem aufrechten Asylverfahren. Finanzielle oder andere Abhängigkeiten bestehen nicht.

Die Eltern der BF2 und eine Schwester leben in der Türkei. Im Irak leben drei Brüder und eine Schwester, in XXXX und XXXX, es besteht kein Kontakt zu ihnen. Die im Irak lebenden Geschwister sind verheiratet und hatte einer der Brüder zwei Kinder, der andere drei. Dass auch nur ein Mitglied dieser im Herkunftsstaat der bfP lebenden Familien aslyrechtlich relevant verfolgt bzw. bedroht wäre, kam anlassbezogen nicht hervor; vielmehr leben sie unbehelligt im Herkunftsstaat.

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Die bfP gehörten in ihrer Heimat keiner politischen Bewegung an und hatten sie weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Sie wurden zu keinem Zeitpunkt von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen ihres Religionsbekenntnisses verfolgt.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der bfP im Bundesgebiet:

Die bfP sind in Österreich sozial und gesellschaftlich integriert.

Der BF1 hat nachweislich im XXXX 2018 ein ÖSD Sprachzertifikat der Stufe B1 erworben und gemeinnützige Arbeiten verrichtet. Er hat mehrfach an seine Integration fördernden Kursen teilgenommen und war für einen Deutschkurs der StufeB2+ angemeldet. Er verfügt über eine rezente Einstellzusage eines in XXXX situierten Unternehmens.

Die BF2 hat im XXXX 2018 nachweislich ein ÖSD Sprachzertifikat der Stufe B1 erworben und hat zuletzt bis Juli 2021 an einem Sprachkurs der Stufe B2 teilgenommen. Sie hat gemeinnützig die Betreuung und Beschulung von Flüchtlingskindern und deren Eltern unterstützt und im Unterricht assistiert, ehrenamtlich in einem Pensionistenwohnhaus in ihrer Wohnsitzgemeinde gearbeitet. Zusätzlich hat sie mehrfach an ihre Integration fördernden Kursen und Veranstaltungen teilgenommen und besucht zudem ein Frauencafé, in welchem die Integration arabischer Frauen in Österreich thematisiert wird.

Die mj. BF3 bis BF5 wurden in Österreich eingeschult und besuchen jeweils Pflichtschulen in ihrer Wohnsitzgemeinde wobei speziell die mj. BF3 und BF4 sehr gute Leistungen erbrachten.

Der mj. BF6 wurde vor knapp zweieinhalb Jahren in Österreich geboren.

Die minderjährigen BeschwerdeführerInnen sind ob ihrer Altersstruktur und dem in Österreich begonnenen Schulbesuch sozial und sprachlich sehr gut integriert.

Die bfP sind nicht erwerbstätig und beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung; Als Asylwerber sind sie über die Österreichische Gesundheitskasse krankenversichert.

Alle BF sind strafrechtlich unbescholten.

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Lage im Irak ist seit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch einen Luftangriff der Vereinigten Staaten und einen Vergeltungsschlag des Irans gegen amerikanisch genutzte Militärstützpunkte sehr angespannt. Schiitische Milizen haben für die Tötung Soleimanis und eines hohen irakischen Milizenführers Vergeltung angekündigt, der bei dem amerikanischen Angriff ebenfalls ums Leben kam.

Südirak:

Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich des Gouvernements Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen, bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge.

Das Gouvernement Babil ist ein einfaches Ziel für die Aufständischen des IS, in das sie von Anbar aus leichten Zugang haben. Insbesondere der Distrikt Jurf al-Sakhr, in dem es keine Zivilisten gibt und der als PMF-Basis dient, ist ein beliebtes Ziel des IS. Im November 2019 gab es im Gouvernement Babil zwei sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Toten, im Dezember 2019 drei Vorfälle mit drei Verletzten und im Februar 2020 zwei Vorfälle mit einem Verletzten.

Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, mit Verletzten und Toten.

Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements des Zentral- aber auch Südiraks (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiyah, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019).

Babil:

Das Gouvernement Babil liegt im zentralen Teil des Irak, südlich des Gouvernements Bagdad und grenzt an die Gouvernements Bagdad, Anbar, Kerbala, Qadissiya und Wassit. Das Gouvernement Babil ist in die folgenden Bezirke unterteilt: Al Musayab, Al Mahaweel, Al XXXX und Al Hashimiya. Die Hauptstadt des Gouvernements ist XXXX . Für 2019 wurde die Bevölkerung des Gouvernements auf 2.119.403 geschätzt, die Mehrheit davon sind schiitische Araber. Babil ist von strategischer Bedeutung, da es an einer Hauptstraße liegt, die von schiitischen Pilgern aus dem Nord- und Zentralirak nach Kerbela und Nadschaf genutzt wird.

2014 übernahm der IS die Kontrolle über die Stadt Jurf al-Sakhr in Babil. Der IS wurde 2014 aus der Stadt Jurf al-Sakhr vertrieben und schiitische Milizen beschuldigt, Sunniten ins Visier zu nehmen, Familien zu vertreiben, Häuser zu zerstören und Rückkehr zu verhindern. Im Jahr 2017 wurde berichtet, dass das Babil Operations Command (BabOC) des irakischen Militärs für das Gouvernement Babil verantwortlich war. Es wurde berichtet, dass schiitische Milizen in den Städten Jurf al-Sakhr und in Al XXXX anwesend sind, wobei die Kata’ib Hisbollah eine „No-Go“-Zone festigt, in die vertriebene sunnitische Einwohner nicht zurückkehren können und in der nur deren operieren. Im Mai 2019 wurde auch berichtet, dass der IS Zellen reorganisierte und ihre Operationen und Angriffe in Babil verstärkte.

Babil war in den letzten Jahren keine Priorität für den IS-Aufstand, aber das Gebiet Jurf al-Sakhr ist das Ziel von IS-Drohungen und Angriffen. Angriffe gegen PMU haben die Form von IED und Autobomben angenommen. Laut Quellen gab es im Mai 2020 sieben IS-Angriffe in Babil, die meisten im Gouvernement seit August 2019, und alle Angriffe fanden im Bezirk Jurf al-Sakhr statt. Babil war auch Schauplatz von Protesten gegen die Regierung, die beispielsweise im März 2019 und im Oktober 2019 stattfanden, bei denen private Milizen Berichten zufolge scharfe Munition gegen Demonstranten einsetzten, um sie am Betreten von politischen und Regierungsgebäuden zu hindern.

ACLED meldete im Referenzzeitraum insgesamt 51 Sicherheitsvorfälle (durchschnittlich 0,6 Sicherheitsvorfälle pro Woche) im Gouvernement Babil, von denen die meisten als Vorfälle von Gewalt/Explosionen aus der Ferne kodiert wurden. Sicherheitsvorfälle ereigneten sich in allen Distrikten des Gouvernements, wobei die größte Gesamtzahl im Distrikt Al Mahaweel verzeichnet wurde. UNAMI verzeichnete 2 Vorfälle im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten, 1 davon im Jahr 2019 und 1 vom 1. Januar bis 31. Juli 2020.

Im Referenzzeitraum verzeichnete die UNAMI insgesamt 32 zivile Opfer (1 Toter und 31 Verletzte). Genauer gesagt wurden im Jahr 2019 alle 32 Opfer gemeldet, und vom 1. Januar bis 31. Juli 2020 wurden von der UNAMI keine Opfer gemeldet. Verglichen mit den offiziellen Zahlen für die Bevölkerung im Gouvernement sind dies 2 zivile Opfer pro 100 000 Einwohner für die vollständige Referenz Zeitraum.

Am 30. Juni 2020 gab es im Gouvernement Babil 17.004 Binnenvertriebene. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass Babil keine, oder nur sehr geringe Rückführungen in einige Teile des Nordens hatte, hauptsächlich wegen blockierter Rückführungen. PMU-Milizen haben arabische sunnitische Binnenvertriebene daran gehindert, in ihre Herkunftsorte in Babil zurückzukehren, und insbesondere wurden sowohl in Jurf al-Sakhr als auch Musayib Bewohner vertrieben und ein Rückführungsverbot erlassen.

Es wurden Schäden an Wohneigentum gemeldet.

Betrachtet man insgesamt die durch Länderberichte auffindbaren Indikatoren, so kann man den Schluss ziehen, dass im Gouvernement Babil willkürliche Gewalt auf einem so geringen Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen keine reale Gefahr besteht, dass ein einzelner Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt persönlich betroffen ist. Es müssen jedoch immer einzelne Elemente berücksichtigt werden, da sie den Antragsteller in risikoerhöhende Situationen bringen könnten.

Die Beschwerdeführer waren weder durch die im Herkunftsstaat tätigen Milizen noch durch die Polizei des Herkunftsstaates einer asylrelevanten Bedrohung oder gar Verfolgung ausgesetzt.

Quellen (Zugriff am 16.11.2021):

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf

-        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html

-        ACCORD-Anfragebeantwortung zur Sicherheitslage in Basra vom 10.06.2021 [a-11589-1], https://www.ecoi.net/de/dokument/2053521.html

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc

-        CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat général aux réfugiés et aux apatrides (28.2.2018): IRAK: Situation sécuritaire dans le sud de l‘Irak, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi_focus_irak_situation_securitaire_dans_le_sud_de_lirak_20180228.pdf,

-        Crisis Group (14.12.2018): Reviving UN Mediation on Iraq’s Disputed Internal Boundaries, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/194-reviving-un-mediation-iraqs-disputed-internal-boundaries

-        EASO – Security situation Iraq (Oktober 2020): https://www.ecoi.net/de/dokument/2043991.html

-        EASO – Country Guidance: Iraq (Stand Jänner 2021): https://www.ecoi.net/de/dokument/2045437.html

-        FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/

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-        Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html

-        Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html,

-        Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html

-        Joel Wing, Musings on Iraq (3.10.2019): Iraq’s October Protests Escalate And Grow, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/iraqs-october-protests-escalate-and-grow.html

-        Joel Wing, Musings on Iraq (9.9.2019): Islamic State’s New Game Plan In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/09/islamic-states-new-game-plan-in-iraq.html

-        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html

-        Landinfo - The Norwegian COI Centre (31.5.2018): Irak: Sikkerhetssituasjonen i Sør-Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434620/1226_1528700530_irak-temanotat-sikkerhetssituasjonen-i-syarirak-hrn-31052018.pdf

-        Rudaw (31.5.2019): Iraqi Security Forces ignore ISIS attacks on Kakai farmlands, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/31052019

-        Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf

-        Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq

1.6.1. Sicherheitskräfte und Milizen

Der Irak verfügt über mehrere Sicherheitskräfte, die im ganzen Land operieren: Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) unter dem Innen- und Verteidigungsministerium, die dem Innenministerium unterstellten Strafverfolgungseinheiten der Bundes- und Provinzpolizei, der Dienst zum Schutz von Einrichtungen, Zivil- und Grenzschutzeinheiten, die dem Öl-Ministerium unterstellte Energiepolizei zum Schutz der Erdöl-Infrastruktur, sowie die dem Premierminister unterstellten Anti-Terroreinheiten und der Nachrichtendienst des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS). Neben den regulären irakischen Streitkräften und Strafverfolgungsbehörden existieren auch die Volksmobilisierungskräfte (PMF), eine staatlich geförderte militärische Dachorganisation, die sich aus etwa 40, überwiegend schiitischen Milizgruppen zusammensetzt, und die kurdischen Peshmerga der Kurdischen Region im Irak (KRI).

Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle.

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Die PMF wurden vom schiitischen Groß-Ayatollah Ali As-Sistani per Fatwa für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) ins Leben gerufen und werden vorwiegend vom Iran unterstützt. PMF spielten eine Schlüsselrolle bei der Niederschlagung des IS. Die Niederlage des IS trug zur Popularität der vom Iran unterstützten Milizen bei.

Die verschiedenen unter den PMF zusammengefassten Milizen sind sehr heterogen und haben unterschiedliche Organisationsformen, Einfluss und Haltungen zum irakischen Staat. Sie werden grob in drei Gruppen eingeteilt: Die pro-iranischen schiitischen Milizen, die nationalistisch-schiitischen Milizen, die den iranischen Einfluss ablehnen, und die nicht schiitischen Milizen, die üblicherweise nicht auf einem nationalen Level operieren, sondern lokal aktiv sind. Zu letzteren zählen beispielsweise die mehrheitlich sunnitischen Stammesmilizen und die kurdisch-jesidischen „Widerstandseinheiten Schingal“. Letztere haben Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien. Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere „Minderheiten-Einheiten“ der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig. In einigen Städten, vor allem in Gebieten, die früher vom IS besetzt waren, dominieren PMF die lokale Sicherheit. In Ninewa stellen sie die Hauptmacht dar, während die reguläre Armee zu einer sekundären Kraft geworden ist.

Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten, wie dem Iran oder Saudi-Arabien, unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mossul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt. Vertreter und Verbündete der PMF haben Parlamentssitze inne und üben Einfluss auf die Regierung aus.

1.6.1.1. Asa‘ib Ahl al-Haqq

Die vom BF1 im Zuge des Verfahrens primär genannte Asa‘ib Ahl al-Haqq (AAH; Liga der Rechtschaffenen oder Khaz‘ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz‘ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Sie ist eine Abspaltung von As-Sadrs Mahdi-Armee und im Gegensatz zu As-Sadr pro-iranisch. Asa‘ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Asa‘ib Ahl al-Haqq bildet die 41., 42. und 43. der PMF-Brigaden. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata’ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierungskräfte, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Qais al Khaz‘ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF.

1.6.1.2. Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF

Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert.

Die PMF genießen auch breite Unterstützung in der irakischen Bevölkerung für ihre Rolle im Kampf gegen den Islamischen Staat nach dem teilweisen Zusammenbruch der irakischen Armee im Jahr 2014. Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen, wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht.

Einige PMF haben sich Einkommensquellen erschlossen, die sie nicht aufgeben wollen, darunter Raub, Erpressung und Altmetallbergung. Es wird angenommen, dass die PMF einen Teil der lokalen Wirtschaft in Ninewa kontrollieren, was von diesen zurückgewiesen wird. Im Norden und Westen des Irak haben Amtspersonen und Bürger über Schikanen durch PMF-Milizen und deren Eingreifen in die Stadtverwaltungen und das alltägliche Leben berichtet. Damit geht der Versuch einher, bisweilen unter Einsatz von Demütigungen und Prügel, Kontrolle über Bürgermeister, Distrikt-Vorsteher und andere Amtsträger. In Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, klagen Einheimische, dass sich die PMF gesetzwidrig und unverhohlen parteiisch verhalten. In Mossul beispielsweise behaupteten mehrere Einwohner, dass die PMF weit davon entfernt seien, Schutz zu bieten, und durch Erpressung oder Plünderungen illegale Gewinne erzielten. PMF-Kämpfer haben im gesamten Nordirak Kontrollpunkte errichtet, um Zölle von Händlern einzuheben. Auch in Bagdad wird von solchen Praktiken berichtet. Darüber hinaus haben die PMF auch die Armee in einigen Gebieten verstimmt. Zusammenstöße zwischen den PMF und den regulären Sicherheitskräften sind häufig. Auch sind Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen der PMF weitverbreitet. Die Rivalität unter den verschiedenen Milizen ist groß.

Neben der Finanzierung durch den irakischen sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf – mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem so hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen – oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen sind und waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker sind.

Eine Rekrutierung in die PMF erfolgt ausschließlich auf freiwilliger Basis und aus wirtschaftlichen Gründen, Desertion aus den PMF kam zudem seltener vor als bei den irakischen Streitkräften. Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen, den IS oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wäre.

Quellen (Zugriff am 16.11.2021):

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-20 18-12-01-2019.pdf

-        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/ document/2021156.html

-        Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-m onitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html

-        Al-Tamini - Aymenn Jawad Al-Tamimi (31.10.2017): Hashd Brigade Numbers Index, http://www.ay mennjawad.org/2017/10/hashd-brigade-numbers-index

-        Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (6.2018): Power in perspective:Four key insights into Iraq’s Al-Hashd al-Sha’abi, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-0 6/PB_Power_in_perspective.pdf

-        DIS/Landinfo - Danish Immigration Service; Norwegian Country of Origin Information Center (5.11.2018): Northern Iraq: Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), https://www.ecoi.net/en/file/local/1450541/1226_1542182184_ iraq-report-security-idps-and-access-nov2018.pdf

-        ICG - International Crisis Group (30.7.2018): Iraq’s Paramilitary Groups: The Challenge of Rebuilding a Functioning State, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabia n-peninsula/iraq/188-iraqs-paramilitary-groups-challenge-rebuilding-functioning-state

-        FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/

-        GS - Global Security (18.7.2019): Hashd al-Shaabi / Hashd Shaabi, Popular Mobilisation Units / People’s Mobilization Forces, https://www.globalsecurity.org/military/world/para/hashd-al-shaabi.h

-        MEE - Middle East Eye (16.2.2020): Iran and Najaf struggle for control over Hashd al-Shaabi after Muhandis’s killing, https://www.middleeasteye.net/news/iran-and- najaf -struggle-control-over-hash d-al-shaabi-after-muhandis-killing

-        MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor toAl-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-hea d-as-successor-to-al-muhandis/

-        Posch, Walter (8.2017): Schiitische Milizen im Irak und in Syrien –Volksmobilisierungseinheiten und andere, per E-mail

-        Reuters (29.8.2019): Baghdad’s crackdown on Iran-allied militias faces resistance, https://www.re uters.com/article/us-iraq-militias-usa/baghdads-crackdown-on-iran-allied-militias-faces-resistance -idUSKCN1VJ0GS

-        Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf

-        TDP - The Defense Post (3.7.2019): Mahdi orders full integration of Shia militias into Iraq’s armed forces, https://thedefensepost.com/2019/07/03/iraq-mahdi-orders-popular-mobilization-units-integ ration/

-        USDOS - United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004254.html

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html

-        Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/p art-2-pro-iran-militias-iraq

1.6.2. Kinder

Art. 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur VN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten. Das Gesetz verbietet die kommerzielle Ausbeutung von Kindern, sowie Pornografie jeglicher Art, einschließlich Kinderpornografie.

Im Falle einer Nichtregistrierung der Geburt eines Kindes werden diesem staatliche Leistungen wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme bei der Registrierung ihrer Kinder. Kinder, die nicht die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, haben ebenfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Humanitäre Organisationen berichten von einem weit verbreiteten Problem bezüglich Kindern, die im IS-Gebiet geboren worden sind und keine von der Regierung ausgestellte Geburtsurkunden erhalten.

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark einschränkt. Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten fand kein regulärer Schulunterricht statt.

Über ein Viertel aller Kinder im Irak lebt in Armut. Dabei waren, über die letzten Jahrzehnte, Kinder im Süden des Landes und in ländlichen Gebieten am stärksten betroffen. Armut wirkt sich nicht nur negativ auf die Bildung, sondern auch auf die Gesundheit von Kindern aus. 22,6 Prozent der Kinder im Irak sind unterernährt. Ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren sind physisch unterentwickelt bzw. im Wachstum zurückgeblieben.

Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch nimmt zu. Soziale Medien helfen verstärkt bei der Aufdeckung von Missbrauch und Folter. Berichten zufolge verkaufen Menschenhandelsnetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland. Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln und Drogen zu verkaufen.

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit für Personen unter 18 Jahren auf sieben Stunden pro Tag und verbietet Beschäftigungen, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren schaden. Trotzdem gibt es im ganzen Land Fälle von Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen. Es gibt dokumentierte Fälle von durch den Konflikt intern vertriebenen Kindern, die gezwungen wurden Kinderarbeit zu leisten. Versuche der Regierung Kinderarbeit z.B. durch Inspektionen zu überwachen, blieben erfolglos.

Laut dem EASO-Informationsbericht über den Irak mit Stand Oktober 2020 wurden im Beobachtungszeitraum Jänner 2019 bis Juli 2020 bei diversen Vorfällen 45 Kinder getötet und 86 verletzt.

Der rechtliche Schutz von Kindern und Frauen vor häuslicher Gewalt im Irak und in der KRI wurde von der UN als „unzureichend“ bezeichnet, die auch feststellte, dass die bestehenden rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen im Irak für die Strafjustiz „weitgehend versagen“, Frauen und Kinder zu schützen, die sexueller Gewalt ausgesetzt war. Gewalt in der Familie wurde aufgrund von Scham, Angst vor Repressalien der Familie oder der Gemeinschaft oder vor Belästigung und Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte zu wenig gemeldet. Aufgrund der Stigmatisierung der Opfer und der Angst vor Repressalien ist es nach wie vor schwierig, Informationen über sexuelle Gewalt zu erhalten.

Eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 20.01.2021 zum Thema Gefährdungslage für minderjährige Kinder in Bagdad weist auf die nach wie vor prekäre Lage für minderjährige Kinder hin, die der Bettelei, Prostitution aber auch Menschenhandel ausgesetzt sind.

Dass auch nur ein Mitglied dieser im Herkunftsstaat der bfP lebenden Familien, darunter vor allem die minderjährigen Kinder, aslyrechtlich relevant verfolgt bzw. bedroht wären, kam anlassbezogen nicht hervor; diese leben vielmehr unbehelligt im Herkunftsstaat.

Quellen (Zugriff am 16.11.2021):

-        AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf

-        ACCORD-Anfragebeantwortung[a-11469-1]: https://www.ecoi.net/de/dokument/2045329.html, Stand 20.01.2021

-        Al Monitor (2.5.2017): How can Iraq address child abuse, torture?, https://www.al-monitor.com/ pulse/originals/2017/05/child-abuse-iraq-domestic-violence.html

-        EASO – Security situation Iraq (Oktober 2020): https://www.ecoi.net/de/dokument/2043991.html

-        EASO – Country Guidance: Iraq (Stand Jänner 2021): https://www.ecoi.net/de/dokument/2045437.html

-        Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Irak: Situation von Kindern in Bagdad_Update vom 01.09.2020: https://www.ecoi.net/en/file/local/2038805/IRAK_MR_SOG_Situation_von_Kindern_in_Bagdad_updat_2020_09_01_KE.odt

-        UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (16.5.2018): Children and armed conflict, https://www.ecoi.net/en/file/local/1436649/1930_1530169188_n1815109.pdf

-        UN News - United Nations News (19.1.2018): One in four Iraqi children impacted by conflict, poverty; education key for lasting peace - UNICEF, https://news.un.org/en/storv/2018/01/1000811

-        UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (31.1.2017): Child Poverty in Iraq: An Analysis of Child Poverty Trends and Policy Recommendations for the National

-        Poverty Reduction Strategy 2017-202, https://reliefweb.int/report/iraq/child-poverty-iraq- analysis-child-poverty-trends-and-policy-recommendations-national

-        USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html

-        USDOS - United States Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives - Iraq, https://www.state.gov/j/tip/rls/tiprpt/countries/2018/282675.htm

1.6.3. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien.

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen, Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal seien ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen.

Der BF1 war laut eigenen Angaben zuletzt als XXXX für die XXXX tätig, die BF2 als XXXX. Beide Tätigkeitsfelder per se sind keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt und bestehen keine Hinweise darauf, dass seitens der irakischen Regierung Drohungen gegen diese Berufsgruppen ausgesprochen wurden.

Quellen (Zugriff am 16.11.2021):

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf

-        ACCORD Anfragebeantwortung vom 07.02.2019: Anfragebeantwortung zum Irak: Lage von Homosexuellen in Bagdad; Sanktionen; innerstaatliche Fluchtalternative [a-10869]: https://www.ecoi.net/de/dokument/1457700.html

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html

1.6.4. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben maximal eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa R

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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