TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/4 96/21/0914

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Veröffentlicht am 04.12.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1002;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):96/21/0915

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des S in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 1. Oktober 1996, Zl. Fr 2758/96, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems/Donau vom 16. April 1996 betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und betreffend Zurückweisung der genannten Berufung als verspätet, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde in Verbindung mit den gleichzeitig vorgelegten Ablichtungen der angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 16. April 1996 hat die Bezirkshauptmannschaft Krems/Donau gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides ist die zweiwöchige Berufungsfrist angeführt gewesen. Der Bescheid ist am 22. April 1996 beim Zustellpostamt hinterlegt worden. Mit Antrag vom 24. Mai 1996 begehrte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung dieser Berufungsfrist und erhob gleichzeitig Berufung. Den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung begründete der Beschwerdeführer damit, daß er nach Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides seine Dienstgeberin ersucht habe, eine Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid zu veranlassen. Seine Dienstgeberin hätte ihn bereits in anderen Angelegenheiten zur vollsten Zufriedenheit und umsichtig vertreten. Die Dienstgeberin des Beschwerdeführers habe den Aufenthaltsverbotsbescheid angenommen und es habe der Beschwerdeführer keine Zweifel gehabt, daß sie die Berufung einbringen werde. Erst auf "späteres Nachfragen", ob die Berufung auch rechtzeitig erledigt worden sei, sei das Dienstverhältnis gekündigt worden. Dies sei erst geschehen, als der Beschwerdeführer erfahren habe, daß die Berufung nicht rechtzeitig eingebracht worden sei.

In der Berufung gegen den die Wiedereinsetzung nicht bewilligenden Bescheid der Behörde erster Instanz führte der Beschwerdeführer aus, daß bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen sei, daß er seine damalige Dienstgeberin ersucht und beauftragt habe, alles in die Wege zu leiten, was eine Behebung des Bescheides nach sich ziehen könne. Der Auftrag sei daher als Auftrag an einen gewillkürten Vertreter im Sinne des § 10 AVG zu verstehen.

Mit den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheiden wurde einerseits im Instanzenzug der Antrag vom 24. Mai 1996 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und andererseits die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Letzterer wurde damit begründet, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt worden sei, sodaß die Berufung wegen verspäteter Einbringung zurückzuweisen gewesen sei. Der Bescheid betreffend die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer als Partei einer erhöhten Sorgfaltspflicht unterliege. Die Bedeutung des Aufenthaltsverbotsbescheides sei dem Beschwerdeführer bekannt gewesen. Er halte sich bereits seit einigen Jahren in Österreich auf und es seien ihm daher behördliche Schriftstücke nicht unbekannt gewesen. Im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe er selbst eine Stellungnahme abgegeben. Die Untätigkeit eines Vertreters stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, sodaß aus der Verantwortung des Beschwerdeführers heraus "kein schuldbefreiendes oder auch nur ein minderer Grad des Versehens" abzuleiten sei.

Gegen diese Bescheide richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, sie kostenpflichtig zur Gänze aufzuheben. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Tatsache, daß seine damalige Dienstgeberin überhaupt keine Berufung eingebracht habe, lasse vermuten, daß aus betrieblichen Gründen seine Entfernung gerade opportun gewesen wäre. Dafür spreche auch, daß nach Bekanntwerden der Versäumung der Berufungsfrist seine Kündigung durch die Dienstgeberin erfolgt sei. Ein derartiges Verhalten seines Vertreters stelle einen Wiedereinsetzungsgrund dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einer Frist einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Aufgrund des unstrittigen Vorbringens des Beschwerdeführers im Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung, welches in der Beschwerde wiederholt wird, ist es unzweifelhaft, daß zwischen dem Beschwerdeführer und seiner damaligen Dienstgeberin ein Bevollmächtigungsvertrag im Sinne des § 1002 ABGB zustande gekommen ist. Der Beschwerdeführer hat nämlich seine damalige Dienstgeberin damit beauftragt, die Berufung zu veranlassen. Die durch die Zusicherung der Erfüllung des diesbezüglichen Auftrages übernommene Verpflichtung der Dienstgeberin des Beschwerdeführers zur Vornahme von Rechtshandlungen schließt es aus, die Dienstgeberin als Boten des Beschwerdeführers zu qualifizieren. Dem Beschwerdeführer war daher das Verschulden seiner Machthaberin jedenfalls zuzurechnen (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 71 AVG, E. Nr. 69). Die Untätigkeit eines Vertreters bildet im allgemeinen keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der oder die Machthaber wären ihrerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis behindert gewesen, die Frist einzuhalten und es träfe sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens. Diesbezüglich trifft aber den Wiedereinsetzungswerber trotz des im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Gerade zufolge der Befristung eines Wiedereinsetzungsantrages ist es nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden können. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gedeckt ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Slg. 11.312/A). Diesem Erfordernis entsprach der Beschwerdeführer nach der von ihm nicht bestrittenen Wiedergabe seines Wiedereinsetzungsantrages in der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch nicht. Der Wiedereinsetzungsantrag enthält nämlich kein Vorbringen, aus welchen Gründen es zur Fristversäumnis durch seine Dienstgeberin gekommen sei. Es war daher der belangten Behörde objektiv gar nicht möglich, vom Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes auszugehen. Damit hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht dem Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt.

Der Beschwerdeführer begehrt zwar auch die Aufhebung des Bescheides, mit dem die Berufung als verspätet zurückgewiesen wurde, bringt jedoch hiezu nichts vor. Es ist unstrittig, daß die Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid außerhalb der Berufungsfrist eingebracht wurde; der mit der Einbringung der Berufung verbundene Antrag auf Wiedereinsetzung wurde - wie oben ausgeführt - mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde abgewiesen. Die Zurückweisung der Berufung als verspätet erfolgte daher ebenfalls zu Recht.

Da sich bereits aus der vorliegenden Beschwerde ergibt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, konnte die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210914.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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