TE Bvwg Beschluss 2021/10/20 W171 2244960-1

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Veröffentlicht am 20.10.2021
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Entscheidungsdatum

20.10.2021

Norm

BFA-VG §34
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W171 2244960-1/10E

B E S C H L U S S

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb.° XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt:

A)

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF) reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.04.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Nachdem der BF aus Österreich ausreiste, wurde er von Norwegen wieder nach Österreich überstellt.

3.       Da sich der BF neuerlich dem Verfahren entzog, wurde das Verfahren am 17.05.2004 eingestellt.

4.       Mit Bescheid des Bundesasylamtes (im Folgenden: BAA) vom 08.11.2004 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen. Am 05.09.2008 stellte der Unabhängige Bundesasylsenat (im Folgenden: UBAS) das eingeleitete Berufungsverfahren ein.

5.       Mit Urteil vom 07.08.2012 wurde über den BF eine 18-monatigen Freiheitsstrafe wegen § 224a StGB, §§ 223 Abs. 2, 224 StGB, §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG, § 28a Abs. 1 5. Fall SMG verhängt.

6.       Am 30.10.2018 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

7.       Dieser zweite Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 12.03.2019 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist und nach § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 30.10.2018 verlor und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren erlassen.

8.       Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 14.05.2019 mit der Maßgabe ab, dass Spruchpunkt VIII. zu lauten hat, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt ab 07.08.2012 verloren hat. Diese Entscheidung erwuchs am 30.06.2019 in Rechtskraft.

9.       Der Beschwerdeführer wurde am 05.12.2019 in Untersuchungshaft genommen.

10.      Am selben Tag erließ das BFA am 05.12.2019 „in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt (§§ 34 Abs. 5 und 47 Abs. 1 BFA-VG)“ auf Grundlage des § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG einen an die Landespolizeidirektion XXXX adressierten Festnahmeauftrag betreffend den BF. Begründend wurde ausgeführt, dass die Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot rechtskräftig sowie die Frist für die freiwillige Ausreise verstrichen sei. Der BF solle im Fall seiner Entlassung festgenommen, vorgeführt und in sein Heimatland abgeschoben werden. Gegenständlicher Festnahmeauftrag sei wegen der Möglichkeit einer Spontanentlassung notwendig.

11.      Mit Urteil eines Landesgerichts vom 12.02.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG, des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB sowie wegen des Vergehens der Abnahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren verurteilt und die ihm mit Beschluss des Landesgerichts vom 01.10.2018 gewährte bedingte Entlassung widerrufen.

12.      Am 07.12.2020 langte ein Schreiben des BF beim BFA ein, in dem dieser die Aufhebung seines Festnahmeauftrags beantragte. Zusammengefasst führte der BF aus, dass seine Unterkunft und Verpflegung für die Zeit seines Ausgangs sowie nach der Haftentlassung gesichert seien.

13.      In der Stellungnahme vom 18.05.2021 teilte das BFA mit, dass kein Antragsrecht auf Aufhebung eines Festnahmeauftrags existiere, weshalb von einer Aufhebung des Festnahmeauftrags Abstand genommen werde. Am selben Tag bestätigte der BF die Übernahme dieses Schreibens.

14.      Am 03.08.2021 langte beim BVwG eine mit 30.07.2021 datierte Beschwerde ein (Datum des Poststempels: 02.08.2021), mit welcher der BF um Aufhebung des Festnahmeauftrages ersuchte, damit er sich mittels Vollzugslockerungen auf das Leben in Freiheit vorbereiten und Kontakt zu seiner Lebensgefährtin aufrechterhalten könne. Derzeit würden ihm wegen der Anordnung des Festnahmeauftrages und der damit verbundenen fehlenden sozialen Integrationsmöglichkeit in Österreich keine Vollzugslockerungen gewährt. Er lebe seit 2003 in Österreich, habe in XXXX eine Lebensgefährtin und spreche sehr gut Deutsch.

15.      Am 04.08.2021 übermittelte das BFA bezugnehmend auf gegenständliche Maßnahmenbeschwerde eine Stellungnahme. Darin wurde kurz die bisherigen den BF betreffenden Verfahren zusammengefasst und auf Meldelücken des BF hingewiesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der BF seit 2003 durchgehend in Österreich aufhalte. Der BF habe zu keinem Zeitpunkt Identitätsdokumente vorgelegt. Der BF habe bloß angegeben, marokkanischer Staatsangehöriger zu sein. Von der marokkanischen Behörde langte jedoch eine negative Identifizierung ein. Derzeit sei ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der algerischen Botschaft anhängig. Der BF befinde sich seit Erlassung des Festnahmeauftrags in Strafhaft; der Festnahmeauftrag sei somit noch nicht vollzogen worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der unter I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zu den Feststellungen erhoben.

1.2. Der BF befindet sich voraussichtlich bis zum 02.06.2023 in Strafhaft. Eine Festnahme aufgrund des bekämpften Festnahmeauftrages ist bisher nicht erfolgt.

2. Beweiswürdigung:

Der wiedergegebene Verfahrensgang sowie das voraussichtliche Ende der Strafhaft ergeben sich aus den insoweit unstrittigen Verwaltungsakten der Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung

Spruchpunkt A.: Unzulässigkeit der Beschwerde

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden 1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit, 2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit sowie 3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Nach Art. 132 Abs. 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. § 31 Abs. 1 VwGVG normiert, dass die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden erlassen werden, wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll. § 34 Abs. 5 BFA-VG bestimmt, dass der Festnahmeauftrag in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt ergeht; er ist aktenkundig zu machen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht, zumal auch § 82 Abs. 1 FrPolG 2005 einen selbständigen Anfechtungsgegenstand "Festnahmeauftrag" nicht kennt (vgl. VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378). Auch der nunmehr geltende § 22a Abs. 1 BFA-VG sieht keine Bekämpfung eines Festnahmeauftrages vor.

Bei der Beurteilung der Rechtsnatur des Festnahmeauftrages wird - auch wenn der Wortlaut des Abs. 5 in erster Linie an eine Maßnahme denken ließe - von einem behördeninternen Akt im Sinne einer generellen Weisung bzw. Ermächtigung des Bundesamtes gegenüber behördlichen Organen auszugehen sein. Als Adressat des Festnahmeauftrages ist sohin nicht der betroffene Fremde anzusehen, korrespondierend verfügt dieser auch über keine Möglichkeit einer gesonderten Anfechtung eines ergangenen Festnahmeauftrages, zumal das Rechtsschutzbedürfnis erst mit erfolgter Festnahme als gegeben anzusehen sein wird. Wird ein Festnahmeauftrag sohin in Verletzung der in § 34 festgelegten Voraussetzungen erlassen, so ist eine diesbezügliche Geltendmachung erst im Rahmen der Beschwerde über die (auf dieser Grundlage) erfolgte Festnahme möglich (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 34 BFA-VG, K2). In dem Sinn ist im angefochtenen Festnahmeauftrag als Adressat die Landespolizeidirektion XXXX (und nicht der BF) angeführt.

Der Festnahmeauftrag als solcher kann vom Betroffenen nicht angefochten werden, sondern ist dies erst nach erfolgter Festnahme auf Grund eines Festnahmeauftrags mittels Beschwerde gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG möglich (vgl. Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 34 BFA-VG Rz 4).

Der Festnahmeauftrag stellt demnach keinen tauglichen Anfechtungsgegenstand dar, weshalb die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist.

3.2. Aus dem Vorbringen des BF ergibt sich darüber hinaus, dass er eine Lockerung seines Strafvollzugs anstrebt. Es sind jedoch keine rechtlichen Bestimmungen ersichtlich, wonach ein Festnahmeauftrag der Gewährung von Vollzugserleichterungen per se entgegenstehen würde.

In einem vom VwGH zu beurteilenden Fall ging die belangte Behörde erkennbar davon aus, in Fällen, in denen aufgrund eines entsprechenden Bescheides im unmittelbaren Anschluss an die Strafhaft zur Sicherung der Abschiebung die Vollziehung der Schubhaft erfolgen soll, sei die Bewilligung eines Ausganges generell unzulässig. Das Höchstgericht kam dabei zu dem Ergebnis, dass der angefochtene Bescheid insoweit auf einer Verkennung der Rechtslage beruht. Eine gesetzliche Grundlage für die Annahme der belangten Behörde - sie liefe darauf hinaus, der Strafhaft vorweg auch die Funktion der (erst für den Fall ihrer Beendigung angeordneten) Schubhaft zuzumessen - ist nämlich nicht erkennbar (vgl. demgegenüber für die anstelle der Untersuchungshaft vollzogene Strafhaft die Regelung des § 180 Abs. 4 StPO 1975) und wird von der belangten Behörde auch nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 19.02.2004, 2003/20/0502).

Auch nach der derzeit geltenden Rechtslage besteht keine dem § 173 Abs. 4 StPO idgF (der Nachfolgeregelung des § 180 Abs. 4 StPO 1975), wonach die Staatsanwaltschaft im Fall der Strafhaft für die Zwecke der Untersuchungshaft unentbehrliche Abweichungen vom Vollzug anzuordnen hat, vergleichbare Bestimmung für den Bereich der Schubhaft bzw. eines erlassenen Festnahmeauftrags. Aus der Aktenlage ergibt sich auch nicht, dass seitens des BFA eine Anordnung betreffend den Strafvollzug des BF getroffen hätte.

Weiters führte der VwGH in dem angesprochenen Erkenntnis aus, dass die Überlegungen der belangten Behörde sich dahin deuten ließen, infolge der dem Beschwerdeführer nach Beendigung der Strafhaft drohenden Schubhaft und anschließenden Abschiebung wäre bei einer Bewilligung des Ausganges "keine Sicherheit gegeben", dass sich der Beschwerdeführer der weiteren Anhaltung und der Abschiebung nicht entziehen könnte. Für diese (sachverhaltsmäßige) Annahme blieb die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber eine nachvollziehbare Begründung schuldig. Der bloße Hinweis auf den Schubhaftbescheid genügt dafür nicht. Soweit die belangte Behörde auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers Bedacht nehmende Begründungselemente zur Rechtfertigung dieser Annahme in der Gegenschrift nachträgt, kann dies allerdings die mangelhafte Bescheidbegründung nicht (mehr) beseitigen (vgl. VwGH 19.02.2004, 2003/20/0502, unter Verweis auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 140ff zu § 60 AVG, zitierte Rechtsprechung).

Der alleinige Verweis auf eine der Strafhaft unmittelbar folgenden Schubhaft reicht damit zur Versagung des Ausgangs nicht aus, sondern es bedarf einer einzelfallbezogenen Beurteilung (vgl. dazu auch Drexler/Weger, StVG4 § 99a Rz 11 mwN aus der Rsp der ordentlichen Gerichte). Im Sinne eines Größenschlusses kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass alleine die Berufung auf den Festnahmeauftrag als Begründung dafür ausreichen würde, einen Ausgang nicht zu bewilligen. Auch bezogen auf sonstige Modalitäten des Strafvollzugs sind keine unmittelbaren rechtlichen Nachteile infolge des Festnahmeauftrags ersichtlich.

Somit wird der BF durch den erlassenen Festnahmeauftrag auch nicht bezüglich der Möglichkeit der Gewährung von Vollzugslockerungen in seinen Rechten verletzt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Spruchpunkt B.: Unzulässigkeit der Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit die für die gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen anzuwendenden Vorschriften nicht bereits von sich aus ausreichend klar und präzise gestaltet sind, wurden die Fragen bereits durch die in den Erwägungen angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs beantwortet. Weiters ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, dass die relevante Rechtsprechung uneinheitlich wäre.

Schlagworte

Anfechtungsgegenstand Festnahmeauftrag Unzulässigkeit der Beschwerde Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W171.2244960.1.00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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