TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/10 96/04/0121

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Veröffentlicht am 10.12.1996
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Index

95/08 Sonstige Angelegenheiten der Technik;

Norm

IngG 1990 §10;
IngG 1990 §4 Abs1 Z1;
IngG 1990 §4 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des D in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. April 1996, Zl. 91.506/25-III/7/96, betreffend Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. April 1996 wurde dem Ansuchen des Beschwerdeführers um die Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990 nicht stattgegeben. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Reifeprüfung am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium für Berufstätige in Wien am 26. Jänner 1987 abgelegt und den zweisemestrigen Speziallehrgang für Vermessungstechnik am 1. Juli 1988 erfolgreich beendet. Beruflich sei er seit 1. September 1988 in der Kanzlei des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Dipl.-Ing. Josef P. mit katastralen Aufgaben und als Meßpartieführer tätig. In der Zeit vom 26. Jänner 1988 bis 31. August 1988 sei er in der gleichen Ziviltechnikerkanzlei mit einem Werkvertrag tätig gewesen. Ausbildung und Praxis des Beschwerdeführers lägen nach Auffassung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf dem Fachgebiet der Vermessungstechnik. Allerdings sei in der Verordnung zur Durchführung des Ingenieurgesetzes 1990, LGBl. Nr. 244/1991 in der Fassung BGBl. Nr. 3/1996, in der alle Höheren technischen Lehranstalten (Fachrichtungen, Fachgebiete) gemäß § 5 erster Satz des Ingenieurgesetzes 1990 taxativ aufgezählt seien, keine Lehranstalt für Vermessungstechnik enthalten. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Kenntnisnachweise und die nachgewiesene Berufspraxis auf dem Fachgebiet "Vermessungstechnik" könnten daher für die Stattgebung des Antrages nicht berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich im "Recht auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" gemäß § 4 des Ingenieurgesetzes 1990" verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, es sei die Ansicht der Behörde, aufgrund des Umstandes, daß in der genannten Verordnung keine Höhere Lehranstalt für Vermessungstechnik bzw. kein an einer Höheren Lehranstalt geführtes Kolleg für Vermessungstechnik angeführt sei, seien die vom Beschwerdeführer beigebrachten Nachweise von Kenntnissen und der Berufspraxis auf dem Fachgebiet "Vermessungstechnik" von vornherein nicht geeignet, solche Kenntnisse darzutun, die den an einer Höheren technischen Lehranstalt vermittelten allgemeinen und fachlichen Kenntnissen gleichwertig seien, unzutreffend. Die belangte Behörde habe keinerlei Ermittlungen gepflogen und keinerlei Feststellungen getroffen, inwieweit die vom Beschwerdeführer nachgewiesenen fachlichen und allgemeinen Kenntnisse tatsächlich jenen entsprächen, wie sie durch die erfolgreiche Absolvierung einer Reifeprüfung nach dem Lehrplan einer inländischen Höheren technischen Lehranstalt nachgewiesen würden. Kenntnisse auf dem Fachgebiet der Vermessungstechnik würden nach den Lehrplänen zahlreicher Höherer technischer Lehranstalten und zahlreicher, an Höheren technischen Lehranstalten geführter Kollegs vermittelt, sodaß jedenfalls aus dem Wortlaut der Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a und Z. 4 lit. a Ingenieurgesetz 1990 nicht abzuleiten sei, daß eine Höhere technische Lehranstalt mit dem Lehrplanschwerpunkt "Vermessungstechnik" und einer diesem Lehrplanschwerpunkt entsprechenden Bezeichnung bestehen müsse, um die Erfüllung des Gleichwertigkeitskriteriums gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. a Ingenieurgesetz 1990 überhaupt erst zu ermöglichen. Weiters werte § 2 der zu § 10 Ingenieurgesetz 1990 ergangenen Verordnung gewisse Arbeiten im Fachgebiet Vermessungstechnik als Betätigung derjenigen höheren Fachkenntnisse, welche durch die erfolgreiche Ablegung einer Reifeprüfung nach dem Lehrplan einer Höheren technischen Lehranstalt nachgewiesen würden, obwohl in § 1 dieser Verordnung keine Lehranstalt für Vermessungstechnik enthalten sei. Dies zeige die Unrichtigkeit des Rechtsstandpunktes, daß es mangels einer "Lehranstalt für Vermessungstechnik" nicht möglich sei, auf diesem Gebiet Kenntnisse nachzuweisen, welche den durch eine Reifeprüfung nach dem Lehrplan einer Höheren technischen Lehranstalt nachgewiesenen Kenntnissen gleichwertig seien. Im übrigen sei die in der Verordnung enthaltene Aufstellung weder taxativ, noch treffe die Verordnung eine Aussage darüber, welche fachlichen und allgemeinen Kenntnisse den durch eine Reifeprüfung nach dem Lehrplan einer Höheren technischen Lehranstalt nachgewiesenen Kenntnisse gleichwertig seien. Der Beschwerdeführer bringt schließlich unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften noch vor, der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten habe von ihm keinerlei Nachweise über Art und Umfang seiner Fachausbildung verlangt. Er hätte im Ermittlungsverfahren Art und Umfang seiner Fachausbildung genau dargelegt und sich auch auf das Gutachten eines berufskundigen Sachverständigen berufen, um die Gleichwertigkeit seiner Kenntnisse zu beweisen. Im übrigen lege er ein Informationsblatt über den absolvierten Speziallehrgang für Vermessungstechnik vor, woraus sich ergebe, daß die Absolvierung dieses Lehrgangs ein Reifezeugnis einer allgemeinbildenden höheren Schule voraussetze und das Ziel verfolge, eine höhere Bildung auf dem Fachgebiet des Vermessungswesen im Sinne einer Ingenieurausbildung zu vermitteln. Die Stundentafel weise im ersten Semester 22 Wochenstunden und im zweiten Semester 20 Wochenstunden fachspezifische Ausbildung im Fachgebiet "Vermessungstechnik" aus.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer Höherer technischer oder Höhere land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde. Höhere technische Lehranstalten im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 sind gemäß § 5 leg. cit. die gemäß § 72 Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962 in der jeweils zum Zeitpunkt der Ablegung der Reifeprüfung geltenden Fassung, eingerichteten Lehranstalten, die der Erwerbung höherer technischer Bildung dienen, und deren allfällige Sonderformen.

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Ingenieurgesetz 1990 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Höheren technischen Lehranstalten gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. und die Tätigkeiten, die als Berufspraxis auf technischem Gebiet anzurechenen sind, durch Verordnung zu bestimmen. Die Bestimmung der Lehranstalten hat gemäß § 10 Abs. 2 Ingenieurgesetz 1990 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Unterricht und Kunst zu erfolgen.

Aus diesen Bestimmungen folgt zunächst, daß für die Beantwortung der Frage, ob eine Lehranstalt als Höhere technische Lehranstalt im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 anzusehen ist, ihre Aufnahme in die Verordnung nach § 10 leg. cit. entscheidend ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1994, Zl. 93/04/0024).

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990 ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" weiters Personen zu verleihen, die zwar die Voraussetzungen der (hier maßgeblichen) Z. 1 nicht erfüllen, aber gleichwertige fachliche und allgemeine Kenntnisse, wie sie an den (in Z. 1 genannten) Höheren technischen bzw. Höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten bis zur Reifeprüfung vermittelt werden und eine mindestens achtjährige, zu den erworbenen Kenntnissen einschlägige Berufspraxis in Österreich, die höhere Fachkenntnisse voraussetzt, nachweisen.

Daraus folgt, daß eine Gleichwertigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990 nur gegenüber einer solchen Höheren technischen Lehranstalt im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 bestehen kann, die in der Verordnung nach § 10 leg. cit. Aufnahme gefunden hat. Nur gegenüber einer solchen kann Gleichwertigkeit bestehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1996, Zl. 94/04/0159).

Allerdings vermeinte die belangte Behörde, diese Gleichwertigkeit bereits deshalb verneinen zu können, weil in der Verordnung nach § 10 leg. cit. eine Lehranstalt für Vermessungstechnik nicht genannt wird. Dementsprechend hat sie auch nicht darauf abgestellt, ob die vom Beschwerdeführer absolvierte Ausbildung in Ansehung der dadurch erworbenen fachlichen und allgemeinen Kenntnisse der in einer der im § 1 der - auf § 10 Ingenieurgesetz 1990 gegründeten - Verordnung genannten (konkreten) Höheren technischen Lehranstalt nach dem maßgeblichen Inhalt deren Lehrplanes gleichwertig sei (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1996).

Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040121.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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