TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/10 96/04/0180

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Veröffentlicht am 10.12.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §355;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2 Z3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z5;
GewO 1994 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der Marktgemeinde K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. Juni 1996, Zl. 04-15 Ro 11-95/11, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: W in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.535,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. Oktober 1995 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 74 und 77 in Verbindung mit § 359 Abs. 1 GewO 1994 und im Zusammenhalt mit § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes 1972 die gewerberechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gastgewerblichen Betriebsanlage (Betriebsart Bar) inklusive des dazugehörenden Kfz-Abstellplatzes an einem näher bezeichneten Standort nach Maßgabe der vorgelegten Plan- und Beschreibungsunterlagen sowie unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen.

Gegen diesen Bescheid erhob u.a. die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit Spruchteil I. des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. Juni 1996 wurde diese Berufung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Der Spruchteil II. dieses Bescheides betrifft die Erledigung anderer Berufungen. Zur Begründung der Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage aus, im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage stehe der Gemeinde gemäß § 355 GewO 1994 zum Schutze der öffentlichen Interessen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 im Rahmen ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Anhörungsrecht zu. Ein Recht zur Erhebung von Einwendungen bzw. ein Berufungsrecht gegen den Bescheid stehe der Gemeinde - außer in Fällen, in denen sie selbst als Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 berührt sei - nicht zu. Insbesondere komme ihr auch eine Vertretungsbefugnis für ihre Einwohner nicht zu. Wenn die Beschwerdeführerin vermeine, Einwendungen auch im Rahmen der ihr im eigenen Wirkungsbereich obliegenden Eigenschaften als Schulerhalter und Betreiber von Kindergärten erhoben zu haben, wobei sie insbesondere die Interessen der betroffenen Schüler und Jugendlichen im Auge zu haben angebe, so sei für die Berufungsbehörde diese Argumentation nicht nachvollziehbar, da die nächstgelegene Schule und die nächstgelegenen Kindergärten von der gastgewerblichen Betriebsanlage in einer Entfernung von 2,5 km situiert seien und eine Beeinträchtigung des Unterrichtes in den Schulen, wie es die gesetzliche Bestimmung des § 74 Abs. 2 Z. 3 GewO 1994 festlege, durch von der gastgewerblichen Betriebsanlage ausgehende Immissionen bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht denkbar sei. Meine jedoch die Gemeinde, daß die Schüler und Jugendlichen durch die Errichtung eines Bordells inmitten des Gemeindegebietes in ihrer Sittlichkeit gefährdet würden, so sei darauf hinzuweisen, daß aus (näher dargelegten) kompetenzrechtlichen Gründen eine Anwendung der gewerberechtlichen Vorschriften auf die Tätigkeit der gewerbsmäßigen Prostitution nicht zulässig sei. Die behauptete Verletzung des Anhörungsrechtes der Gemeinde sei für die Berufungsbehörde nicht nachvollziehbar, da bei sämtlichen Verhandlungen ein Vertreter der Gemeinde anwesend gewesen sei. Es sei der Berufungsbehörde geradezu unerklärlich, wie ein Recht auf Anhörung zu ergänzenden Ermittlungen, die nicht geführt worden seien, verletzt sein könne. Zusammenfassend sei daher auszuführen, daß im Gegenstand der Beschwerdeführerin ein Berufungsrecht lediglich in deren Eigenschaft als Schulerhalter und Betreiber von Kindergärten im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 3 GewO 1994 zukomme. Die in diesem Zusammenhang behauptete Beeinträchtigung oder Belästigung resultiere aus dem Bordellbetrieb, weshalb dieser Einwand wie sämtliche übrigen Einwände der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückzuweisen gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin "in einem ihr zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht zufolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verletzt, indem das ihr als Partei und als Anhörungsberechtigte zustehende rechtliche Gehör in keiner Weise gewahrt" wurde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich auch dadurch beschwert, daß im gegenständlichen Fall das Bewilligungsverfahren mangelhaft durchgeführt worden sei. Aus dem gesamten Vorbringen in der Beschwerde ergibt sich ferner, daß sich die belangte Behörde in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt erachtet. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht sie im wesentlichen geltend, ihr Anhörungsrecht sei dadurch verletzt worden, daß schon die erstinstanzliche Behörde die von ihr gestellten entsprechenden Anträge nicht berücksichtigt und auch die belangte Behörde ihren Anträgen nicht entsprochen habe. Denn durch nichtgeführte Ermittlungen sei der Beschwerdeführerin von vornherein das Recht genommen worden, im Rahmen ihres Anhörungsrechtes zu solchen, von ihr oder Nachbarn beantragten Ermittlungen, Stellung zu nehmen. Dadurch habe die Beschwerdeführerin nicht in den Besitz von Unterlagen und Ergebnissen gelangen können, welche für ihr Anhörungsrecht wesentlich gewesen wären. Sie verkenne nicht, daß sie als Anhörungsberechtigte keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Berücksichtigung eines allfälligen Vorbringens besitze, doch wäre schon das ihr zustehende Anhörungsrecht, welches ein subjektiv-öffentliches Recht darstelle, jedenfalls zu wahren gewesen. Hätte die belangte Behörde den Anträgen auf ergänzende Ermittlungen Folge gegeben, hätte die Beschwerdeführerin auch entsprechend Gelegenheit zur Stellungnahme besessen und sie hätte im Rahmen ihres Anhörungsrechtes alle jene Umstände aufzeigen können, welche die nunmehr erfolgte Bewilligung in keiner Weise rechtfertigten. Die Beschwerdeführerin sei darüber hinaus aber auch als Schulerhalter und Betreiber von Kindergärten als Partei anzusehen. Aber auch wenn man davon ausgehe, daß sich das subjektiv-öffentliche Recht der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall in einem bloßen Anhörungsrecht erschöpfe, welches keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Berücksichtigung ihres Vorbringens begründe, so vermeine die Beschwerdeführerin, daß schon auf Grund der eminenten Auswirkung "der Bewilligung des angefochtenen Bescheides" für die unmittelbare Nachbarschaft und damit für die Bevölkerung der Beschwerdeführerin dieses Anhörungsrecht nicht derart eingeschränkt interpretiert werden dürfe, daß es einem faktischen Übergehen der Interessen der Gemeinde und deren Bevölkerung gleichkomme. Im übrigen macht die Beschwerdeführerin der der mitbeteiligten Partei erteilten Bewilligung anhaftende materielle Mängel geltend.

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage - von dem hier nicht in Betracht kommenden zweiten Satz dieser Gesetzesstelle abgesehen - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N. F. Nr. 11.745/A), liegt eine Einwendung im Sinne dieser Gesetzeslage nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß die Wahrnehmung anderer als eigener subjektiv-öffentlicher Rechte dem Nachbarn nicht zusteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zlen. 95/04/0171, 0172, 0173).

Die Beschwerdeführerin sprach sich in der vor der Erstbehörde am 2. Mai 1994 abgehaltenen Augenscheinsverhandlung gegen die Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung für die beantragte Betriebsanlage mit dem Hinweis aus, die Betriebsanlage liege im reinen Wohngebiet, ihre Nutzung verstoße daher gegen die Bestimmungen des Stmk. Raumordnungsgesetzes und auch gegen den Gebietscharakter. Der Bau selbst sei konsenswidrig durchgeführt worden, weshalb mit Bescheiden des Bürgermeisters der Marktgemeinde K ein Beseitigungsauftrag erlassen, die Einstellung von Bauarbeiten verfügt und der Barraum mit Theke im Erdgeschoß des Betriebsobjektes rechtskräftig geschlossen worden sei. Darüber hinaus stellten die mit der Betriebsanlage verbundenen Emissionen, insbesondere der durch die Betriebsanlage verursachte Lärm, eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn und damit der Bevölkerung der Marktgemeinde K dar. Die bereits derzeit vorhandene starke Besucherfrequenz insbesondere zur Nachtzeit lasse nach dem eingeholten amtsärztlichen Sachverständigengutachten eine Gesundheitsschädigung der Nachbarn befürchten. Die mitbeteiligte Partei wäre gemäß § 359 Abs. 1 GewO 1994 darauf hinzuweisen gewesen, daß nach den Bestimmungen des Stmk. Raumordnungsgesetzes und der Stmk. Bauordnung im gewählten Standort die Errichtung und der Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage verboten sei. Es werde auch darauf hingewiesen, daß dem Konsenswerber die Gewerbeberechtigung für das angemeldete gebundene Gastgewerbe in der Betriebsart Bar an dem in Rede stehenden Standort bescheidmäßig entzogen worden sei, weshalb er zur Antragstellung nicht mehr legitimiert sei. Darüber hinaus sei es amtsbekannt, daß die gegenständliche Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung errichtet worden sei und betrieben werde, weshalb nach § 360 GewO 1994 vorzugehen sei. Ein im wesentlichen gleichlautendes Vorbringen erstattete die Beschwerdeführerin auch in der am 13. März 1995 vor der Erstbehörde abgehaltenen mündlichen Verhandlung.

Dieses Vorbringen läßt weder erkennen, daß die Beschwerdeführerin etwa als Eigentümerin einer benachbarten Liegenschaft oder als Schulerhalter als Nachbar im Sinne des § 75 GewO 1994 anzusehen sei, noch kommt darin die Befürchtung der Verletzung eines (eigenen) subjektiv-öffentlichen Rechtes zum Ausdruck. Dieses Vorbringen entspricht daher nicht den oben dargestellten Anforderungen an eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994, sodaß dadurch eine Parteistellung der Beschwerdeführerin nicht begründet werden konnte.

Eine Parteistellung der Beschwerdeführerin als Gemeinde läßt sich aber auch nicht aus § 355 GewO 1994 ableiten. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Gemeinde lediglich zum Schutz der öffentlichen Interessen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1994 im Rahmen ihres Wirkungsbereiches zu hören. Aus dieser Bestimmung kann, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, keineswegs abgeleitet werden, daß der Gemeinde (als solche) Parteistellung zustehe (vgl. z.B. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. März 1996,

Zlen. 95/04/0171, 0172, 0173). Kam der Beschwerdeführerin somit im zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren die Stellung einer Partei nicht zu, so war sie auch nicht berechtigt, gegen den erstbehördlichen Genehmigungsbescheid Berufung zu erheben. Denn gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber - von den Arbeitsinspektoraten abgesehen - (nur) den Nachbarn zu, die Parteien sind.

Aus diesen Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid, mit dem die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstbehördlichen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen wurde, im Ergebnis als frei von Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040180.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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