RS Vfgh 2021/9/23 V5/2021

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Veröffentlicht am 23.09.2021
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art139 Abs1 Z3
StGG Art2
COVID-19-MaßnahmenG §3, §7
2. COVID-NotmaßnahmenV BGBl II 598/2020 §7 Abs7
COVID-19-MaßnahmenV-Schigebiete des Landeshauptmanns von Oberösterreich LGBl 141/2020
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch eine Oberösterreichische COVID-19-MaßnahmenV betreffend das Speisen- und Getränkeabholverbot für Gastronomiebetriebe, die nicht über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße erreichbar sind; das (ausschließliche) Kriterium der Erreichbarkeit von "Schihütten" durch ein Kfz garantiert nicht, Speisen und Getränke unter Einhaltung des Mindestabstands konsumieren zu können

Rechtssatz

Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 eine zusätzliche Maßnahme in Schigebieten festgelegt wird, LGBl 141/2020.

Der Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung-Schigebiete lag das Ziel zugrunde, Menschenansammlungen im Nahbereich von Gastronomiebetrieben in Schigebieten zu verhindern und damit die Ansteckungsgefahr mit COVID-19 während der Ausübung des Schisports zu verringern. Der mit dieser Maßnahme verfolgte Schutz der Gesundheit stellt ein Ziel von erheblichem Gewicht dar. Angesichts der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung bestehenden - in der vorgelegten Empfehlung der Corona-Kommission vom 22.12.2020 dokumentierten - und durch den Antragsteller nicht bestrittenen epidemiologischen Situation ist der verordnungserlassenden Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie ein Verbot der Abholung von Speisen und Getränken (take away) von in Schigebieten gelegenen Gastgewerbebetrieben zur Erreichung dieses Ziels für erforderlich hielt.

Es liegt in dem von der gesetzlichen Ermächtigung begrenzten Spielraum des Verordnungsgebers, sich bei der Entscheidung über die Erlassung von Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens an Kriterien bzw Anknüpfungspunkten zu orientieren.

Es ist aber kein sachlicher Grund erkennbar, warum die verordnungserlassende Behörde bei der ergänzenden Regelung für die Ausgabe von Speisen und Getränken in Schigebieten ausschließlich auf das Kriterium der (Nicht-)Erreichbarkeit der betroffenen Gastronomiebetriebe mittels Kfz über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße abstellte. Der Umstand, dass eine "Schihütte" mittels öffentlicher Straße erreichbar ist, gibt nämlich für sich betrachtet noch keinen verlässlichen Aufschluss darüber, ob im Nahebereich dieser Betriebsstätte ausreichend Platz zur Konsumation von Speisen und Getränken unter Wahrung der erforderlichen Mindestabstände gegeben ist. Das Abstellen auf das Differenzierungsmerkmal der Erreichbarkeit über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße verstößt daher gegen das aus dem Gleichheitssatz entspringende Sachlichkeitsgebot.

Entscheidungstexte

Schlagworte

COVID (Corona), Verordnung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V5.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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