TE Vfgh Beschluss 1995/2/27 B1575/94

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Veröffentlicht am 27.02.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §82 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit dem am 20. Juli 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragt der Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den ihm am 15. November 1993 zugestellten Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. November 1993, welcher die Abweisung seines Asylantrages zum Gegenstand hat. Der Antragsteller verbindet damit die entsprechende Beschwerde.

II. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet der Einschreiter damit, daß er es aufgrund der Auskunft einer ihm von der Caritas-Flüchtlingsberatung genannten - in Asylfragen versierten - Juristin unterlassen habe, eine Beschwerde an die Höchstgerichte zu richten; die Beraterin habe ihm nämlich mitgeteilt, daß eine derartige Beschwerde ohne jegliche Aussicht auf Erfolg wäre. Im einzelnen führt der Antragsteller folgendes aus:

"Im Fall des Antragstellers haben tatsächlich derartige innere Vorgänge diesen daran gehindert, gegen den negativen Asylbescheid des Bundesministers für Inneres eine Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zu erheben. Aufgrund der Begründung des angefochtenen Bescheides, insbesonders aber der ihm von Frau Dr. Sch. erteilten Auskunft, war der Antragsteller davon überzeugt, daß eine derartige Beschwerde keinerlei Erfolgsaussichten hat, sondern die Ablehnung seines Asylantrages durch die Berufungsbehörde der derzeit in Österreich geltenden Rechtslage entsprechen würde und daher letztlich irreversibel wäre. In diesem Glauben hat sich der Antragsteller bis zum 6.7.1994, dem Zeitpunkt der Besprechung mit RA Dr. M., befunden.

Dieses Ereignis war kausal dafür, daß der Antragsteller, obgleich er wußte, daß die rechtliche Erledigung seines Asylantrages für sein weiteres, rechtliches Schicksal in Österreich von größter Bedeutung ist, die Erhebung einer Beschwerde gegen den abweislichen Asylbescheid zweiter Instanz unterließ.

Dieses 'Ereignis' war sohin für die Versäumung der Beschwerdefrist kausal.

Das Ereignis war für den Antragsteller auch unabwendbar und unvorhersehbar:

Was mehr kann man von einem asylwerbenden Ausländer verlangen, als daß dieser bei einem, ihm von der Caritas, Flüchtlingsberatung genannten in Flüchtlingsangelegenheiten versierten Juristen vorspricht, um sich hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise beraten zu lassen. Jene Ereignisse, die zum Irrtum des Antragstellers über die Erfolgsaussichten einer Beschwerdeerhebung geführt haben, waren daher für den Antragsteller auch unabwendbar, ohne daß dem Antragsteller daran ein Verschulden angelastet werden könnte."

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden. Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

2. Der Verfassungsgerichtshof hat zwar in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung auch in Fällen bewilligt, in denen eine rechtskundige Person (- an die nach der Judikatur grundsätzlich ein strengerer Maßstab anzulegen ist (zB VfSlg. 10489/1985) -) durch eine unzutreffende Rechtsauskunft Anlaß zur Fristversäumnis gegeben hat; dies aber nur dann, "wenn bei der besonderen Konstellation des ... Falles nicht davon gesprochen werden kann, daß nicht auch einem sorgfältigen Menschen ein derartiges Fehlverhalten gelegentlich unterlaufen kann" (Hervorhebung nicht im Original des eben zitierten Beschlusses VfSlg. 11937/1988, dem eine - durch Angaben des nicht rechtskundigen Bescheidadressaten mitverursachte - unrichtige Berechnung der Beschwerdefrist zugrundelag). Ein gleichzuhaltender Vorfall hat in der vorliegenden Sache aber nicht stattgefunden. Wie sich nämlich aus dem Zusammenhalt des Antragsvorbringens mit den beigeschafften Verwaltungsakten ergibt, ist die Einbringung einer Beschwerde (auch) an den Verfassungsgerichtshof in Verfolg einer Rechtsauskunft unterblieben, die dem Antragsteller in der Kanzlei des für ihn (bereits) im Berufungsverfahren einschreitenden Rechtsanwaltes durch eine Rechtsanwaltsanwärterin erteilt worden war. Es ist somit lediglich eine Änderung der Meinung des Einschreiters bezüglich der Erfolgsaussichten einer Beschwerde eingetreten, die auf eine weitere, bei einem anderen Rechtsanwalt eingeholte Rechtsauskunft zurückzuführen ist.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

IV. Die unter einem eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen.

V. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG sowie gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Fristen, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1575.1994

Dokumentnummer

JFT_10049773_94B01575_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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