TE Vwgh Beschluss 2021/10/12 Ra 2021/04/0111

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Veröffentlicht am 12.10.2021
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Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §1 Abs2
GewO 1994 §1 Abs4
GewO 1994 §74
GewO 1994 §74 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des K B in W, vertreten durch Dr. Barbara Wagner, Rechtsanwältin in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. März 2021, Zl. LVwG-AV-1017/001-2020, betreffend Maßnahme gemäß § 360 GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Bescheid vom 18. August 2020 verfügte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (belangte Behörde) gemäß § 360 GewO 1994 gegenüber dem Revisionswerber, die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten an einem näher bezeichneten Standort in L einzustellen (Punkt 1), das entsprechende Gewerbe bei der belangten Behörde anzumelden (Punkt 2) und die gewerbliche Betriebsanlage (am betreffenden Standort) bis zur Erlangung einer Betriebsanlagengenehmigung zu schließen (Punkt 3).

2        2.1. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom 22. März 2021 mit der Maßgabe ab, dass Punkt 2 zur Gänze und in Punkt 3 die Wortfolge „bis zur Erlangung einer Betriebsanlagengenehmigung“ entfallen. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3        2.2. In seiner Begründung legte das Verwaltungsgericht den Verfahrensgang dar und führte - soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren von Relevanz - aus, dass der Verdacht einer unbefugten Gewerbeausübung und des Betriebes einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne gewerbebehördliche Genehmigung bestehe. Der Revisionswerber habe angegeben, über eine facheinschlägige Ausbildung bzw. Erfahrung zu verfügen. Es sei von ihm eine Halle zu monatlichen Kosten von EUR 280,-- angemietet worden, was einen gewissen finanziellen Einsatz darstelle. In der Halle habe man Werkzeug und Geräte vorgefunden, die für die Ausübung des Gewerbes erforderlich seien und deren Anschaffung einen gewissen finanziellen Einsatz erfordere. Der Revisionswerber gehe sonst keiner Beschäftigung nach, er habe insbesondere kein regelmäßiges Einkommen aus einem Angestelltenverhältnis. Das bedeute, dass er einerseits die erforderliche Zeit für die Ausübung des Gewerbes habe und andererseits nur über geringfügige sonstige Einnahmequellen verfüge. Vorgefundene Kalenderblatteintragungen mit Namen, Automarken, zum Teil Tätigkeitsumfang und Kosten legten den Verdacht nahe, dass nicht nur für Verwandte und enge Freunde unentgeltlich gearbeitet worden sei. Bei den näher dargestellten Überprüfungen sei zeitweise der Revisionswerber an den beschriebenen Fahrzeugen arbeitend angetroffen worden.

4        Zum Verdacht des Betriebes einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die vorgefundenen Geräte (Hebebühne, Reifenwuchtmaschine, Reifenmontiermaschine) auf Grund ihrer Ausstattung und Funktionsweise jedenfalls geeignet seien, Gefahren für den Gewerbeinhaber und die Kunden herbeizuführen. Gleiches gelte in einer Halle allenfalls in Bezug auf die Fluchtwegsituation für den Revisionswerber als Gewerbetreibenden bzw. dessen Kunden (zB Stolperfallen, Brandschutz etc.). Hinzu komme eine allfällige Gefährdung des Grundwassers, wenn Fahrzeuge mit Tropfverlust abgestellt seien. Es bestehe daher zumindest die grundsätzliche Eignung, Gefährdungen und Belästigungen im Sinn des § 74 Abs. 2 GewO 1994 herbeizuführen.

5        3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        4. In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, dass es für die Annahme einer gewerbsmäßigen Tätigkeit nicht hinreiche, über facheinschlägige Ausbildung bzw. Erfahrung zu verfügen, eine Halle zur privaten Verwendung anzumieten und dort diverses Werkzeug zu deponieren, keiner Beschäftigung nachzugehen und kein regelmäßiges Einkommen aus einem Angestelltenverhältnis zu beziehen, zeitweise an speziell bezeichneten Fahrzeugen arbeitend angetroffen zu werden und Kalenderblatteintragungen betreffend Verwandte vorgenommen zu haben. Dies entspreche nicht dem von der Rechtsprechung zugrunde gelegten Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes, ebenso wenig dem Auftreten und der Gestion eines solchen; auch in Zusammenhang mit beabsichtigter Ertragserzielung. Die gewerbsmäßige Tätigkeit erfordere eine nachhaltige Entfaltung der Gewinnerzielungsabsicht. Dazu reiche es nicht, bloße „innerfamiliäre Handreichungen“ mit Maßgabe einer Verdachtslage einer Gewerbeausübung zuzuordnen. Das gelte auch für die Beurteilung einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage. Diese müsse nach dem Gesetz und einschlägiger Rechtsprechung so beschaffen sein, dass sie zur Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt sei. Die dafür notwendigen Voraussetzungen lägen bei einem „Werkzeugtorso aus Einzelteilen“ nach der bisherigen Rechtsprechung nicht vor.

9        Was die Qualität einer gewerblichen Tätigkeit und den Bestand einer Betriebsanlage betreffe, entspreche die angefochtene Entscheidung daher nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. „Erheblichkeit“ liege dabei auch insofern vor, als sie „in Abwägung der aus dem Gewerberecht herzuleitenden Auswirkungen in ihrer Durchsetzbarkeit unter Beachtung nicht bloß des speziellen Falles für eine große Anzahl von gewerberechtlich Betroffenen von außerordentlicher Wichtigkeit und bestimmend für deren Rechtsschutz ist - bedenkt man Gewicht und Folgen der Gewährung unterstützender technischer Hilfe im engsten Familien- bzw. Freundesbereich.“

10       5.1. Gemäß § 1 Abs. 2 erster Halbsatz GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist. Nach § 1 Abs. 3 leg. cit. liegt Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird. Abs. 4 des § 1 leg. cit. stellt klar, dass auch eine einmalige Handlung als regelmäßig anzusehen ist, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert.

Aus dem Wesen der Gewerbsmäßigkeit ergibt sich, dass als gewerbsmäßige Tätigkeiten nur solche Tätigkeiten in Betracht kommen, die in einer Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr in Form der Produktion von Gütern, des Handels oder der Erbringung von Dienstleistungen bestehen (vgl. VwGH 9.6.2015, Ra 2014/08/0069, mwN).

Von einer Wiederholungsabsicht wird unter anderem dann ausgegangen, wenn Einrichtungen geschaffen wurden, die offensichtlich dazu dienen, die Ausübung des Gewerbes zu ermöglichen und bei denen ein einmaliges Verwenden nicht rentabel wäre, wie etwa im Fall der Einrichtung einer professionellen Kfz-Werkstatt (vgl. Potacs, Gewerberecht, in: Holoubek/Potacs [Hrsg.], Öffentliches Wirtschaftsrecht I4 [2019] 3 [15]).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist auch die Erzielung eines unmittelbaren Ertrages für den Begriff der Gewerbsmäßigkeit kein essentielles Erfordernis; diese ist schon bei der Absicht gegeben, einen „sonstigen“, insbesondere auch einen bloß mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen (vgl. VwGH 12.5.2011, 2010/04/0013, mwN).

11       Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.

Zwar unterliegen gewerbliche Betriebsanlagen nicht unbedingt und in jedem Fall der Genehmigungspflicht (vgl. Stolzlechner, Die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage, in: Stolzlechner/Wendl/Bergthaler [Hrsg.], Die gewerbliche Betriebsanlage4 [2016] Rz. 198). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist eine solche jedoch dann gegeben, wenn nachteilige Auswirkungen auf Personen sowie Tätigkeits- und Sachbereiche im Sinn des § 74 Abs. 2 GewO 1994 nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Für die Bejahung der Genehmigungspflicht genügt somit bereits die grundsätzliche Eignung der Betriebsanlage, derartige Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder Belästigungen hervorzurufen, ohne dass es Feststellungen darüber im Einzelfall bedarf, ob solche Gefährdungen, Beeinträchtigungen und Belästigungen von der konkreten Betriebsanlage tatsächlich ausgehen; dies festzustellen und allenfalls durch entsprechende Auflagen zu verhindern, ist Sache des Genehmigungsverfahrens selbst (vgl. VwGH 15.9.2011, 2009/04/0154).

12       5.2. Soweit die Revision das Nichtvorliegen sowohl einer gewerbsmäßigen Tätigkeit als auch einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage damit zu begründen versucht, dass lediglich eine Halle zur privaten Verwendung angemietet worden sei, um dort diverses Werkzeug zu deponieren, und bloß Kalenderblatteintragungen betreffend Verwandte vorlägen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, zumal das Verwaltungsgericht in seiner Begründung überzeugend ausführte, dass der Revisionswerber in einer - mit einschlägigen Geräten (Hebebühne, Reifenwuchtmaschine, Reifenmontiermaschine) ausgestatteten - Halle an Fahrzeugen arbeitend angetroffen worden sei und die vorgefundenen Kalenderbucheintragungen neben Namen, Automarken und Tätigkeitsumfang (Kühlmittelsensor auslesen, Pickerl, Motorwäsche, Keilriemen etc.) auch Euro-Beträge enthielten.

13       Ausgehend davon vermag die Revision ein Abweichen von der oben dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darzutun. Vielmehr ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall von Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GewO 1994 und einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ausgegangen ist.

14       6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021040111.L00

Im RIS seit

12.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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