TE Vfgh Beschluss 1995/2/27 G274/94

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Veröffentlicht am 27.02.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
VfGG §17 Abs2
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
VfGG §88

Leitsatz

Zurückweisung von Anträgen und Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe als aussichtslos

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Die anderen Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit einer nicht durch einen Rechtsanwalt eingebrachten Eingabe führt die Antragstellerin "(gemäß Art140 B-VG) Beschwerde gegen den Anwaltszwang (§17 Abs2 VerfGG) und bei den Gerichten nach der ZPO; das Grundbuch-/Wohnungseigentumsgesetz und die daraus resultierende Amtshaftungsklage".

Sie bringt dazu vor:

"Gegen den Anwaltszwang an höheren Gerichten, bei Berufungen und in Abhängigkeit vom Streitwert an Bezirksgerichten, Landesgerichten als rechtswidrige Verordnung, die als Mittel der Menschenrechtsverletzung gebraucht wird ebenso das derzeit geltende Grundbuch- und Wohnungseigentumsgesetz, welches zwar vorteilhaft für Immobilienspekulanten ist, aber den Erwerb von Wohnungseigentum für den einzelnen verunmöglicht und noch dazu ihn in die undurchsichtigen bis dunklen Geschäfte der Gewerbetreibenden verwickelt, erhebe ich Beschwerde, insbesondere aber für meine am VfGH anhängige Beschwerde gegen das BMWF, sowie die von einem Zahnarzt gegen mich zu unrecht geführte Klage am BG Riemergasse, die seit zwei Jahren mittels Anwaltszwanges blockiert wird und mein Problem um die Verbücherung meines Wohnungseigentums, welches am Anwaltszwang und dem bestehenden Grundbuchsgesetz scheitert, welches die gegenseitige Einräumung von Wohnungseigentum vorsieht und ohne Wohnungseigentum durch die Bauordnung uns für den ganzen kommerziellen Umbau zu unserem Nachteil haften läßt."

Die Antragstellerin führt sodann eine Reihe von Fällen zur Begründung ihrer Begehren an und schließt ihrer Eingabe Fotokopien von Verfahren und hierauf bezughabender Korrespondenzen im Umfang von über zweihundert Seiten bei.

Sie stellt folgende Anträge:

"I. Aufhebung des Anwaltszwanges vor dem VfGH wegen meiner Beschwerde gegen das BMWF, und bitte ihm mit dem vollen Inhalt in drei Teilen und 100 Seiten und der neuen Zusammenfassung vom 24. Oktober als Grundlage zu meiner Verteidigung inklusive einer öffentlichen Verhandlung zuzulassen.

II. Aufhebung des Anwaltszwanges in meinen beiden Fällen an der Riemergasse:

a), nämlich die durch Verfahrenshilfe Ablehnungen seit Jahren blockierte Revision des Urteils II.Instanz

b) und der Wiederaufnahmsklage an der Riemergasse inklusive der gerichtlichen Öffnung und Begutachtung des umstrittenen Zahnes.

III. Generelle Aufhebung des Anwaltszwanges, die von der Höhe des Gerichts und des Streitwerts abhängig gemacht werden, denn die schlechte Vertretung der Anwälte scheint ein generelles Problem zu sein, d.h. mein Fall ist kein Einzelfall. Vor allem, wenn die Gegenseite durch eine Kammer oder Institution geschützt ist, hat der Einzelne durch einen Anwalt mehr Schaden, da er gegen die nachteiligen Dinge, die durch den Anwalt geschrieben und getan werden, gar nicht sich wehren kann. Wenn man den Anwaltszwang aufhebt sollte man allerdings die Fristen verlängern, damit die einzelnen Betroffenen mehr Zeit haben.

IV. Einleitung einer Amtshaftungsklage gegen die Beteiligten der Prozesse an der Riemergasse, BG Josefstadt und Landesgericht für ZRS und eventuell die schuldigen Anwälte.

V. Befreiung vom Anwaltszwang, was nach dem VerfGG möglich ist, da kein Anwalt so eine Beschwerde unterstützt, die gegen die Interessen der Anwälte ist.

VI. Aufhebung der Bestimmung, wonach man sich gegenseitig Wohnung einräumen muß damit der Wohnungseigentumsvertrag verbüchert werden kann, dh. mit Kaufvertrag und Grundbucheintragung soll automatisch Wohnungseigentum begründet werden. Damit haftet man auch nicht mehr rechtlich für die Baumaßnahmen eines Dachbodens oder des (durch einen Totalumbau kommerzielle Interessen verfolgenden) Mehrheitseigentümers.

VII. Rückerstattung der Prozesskosten für meine Eingaben vor dem VfGH gemäß §88 VerfGG. Und was den RA Dr.Leeb betrifft, die Herausgabe meiner 11.500 Schilling von der VwGH-Beschwerde."

Des weiteren stellt die Einschreiterin den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und ersucht von der Beigabe eines Verfahrenshelfers abzusehen, weil sich kein Anwalt für die Aufhebung des Anwaltszwanges einsetzen werde und sie wegen Schwierigkeiten mit Anwälten die Aufhebung des Anwaltszwanges begehre.

2. Der Verfassungsgerichtshof versteht die Ausführungen der Einschreiterin dahin, daß sie

-

die Aufhebung der gesetzlichen Regelungen über den Anwaltszwang allgemein und

-

die Aufhebung der gesetzlichen Regelungen über den Anwaltszwang für ihre Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gerichtshof gegen das BMWF (diese ist zu B1610/94

anhängig; ein weiteres Verfahren der Antragstellerin war zu B780/94 beim Verfassungsgerichtshof anhängig, diese Beschwerde wurde von ihr jedoch zurückgezogen) und

-

die Aufhebung der gesetzlichen Regelungen über den Anwaltszwang für ihren beim BG Innere Stadt Wien anhängigen Rechtsstreit (dieser trägt die GZ 19 C1366/93)

-

sowie die Aufhebung der Bestimmungen, die ihrem Anliegen auf Verbücherung ihres Wohnungseigentums entgegenstehen,

beantragt.

Des weiteren stellt sie das Begehren

-

auf Einleitung eines Amtshaftungsverfahrens gegen die Beteiligten ihrer Zivilrechtsprozesse

-

sowie auf Rückerstattung und Herausgabe von Prozeßkosten durch Rechtsanwälte.

              2.              Die Eingabe ist insgesamt nicht zulässig.

2.1. Zur Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, sie setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein (Individual-)Antrag nach Art140 B-VG u.a. dann - wegen Umwegzumutbarkeit - unzulässig, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren läuft, das den Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet (VfSlg. 8312/1978, 9939/1984, 10857/1986, 11045/1986, 11823/1988). Ein Individualantrag wäre in solchen Fällen bloß bei Vorliegen - hier gar nicht behaupteter - besonderer außergewöhnlicher Umstände zulässig (VfSlg. 8312/1978).

2.1.1. Was den Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen über den Anwaltszwang betrifft, ist die Antragstellerin darauf zu verweisen, daß ihr offenstand, in dem zu B780/94 beim Verfassungsgerichtshof anhängig gewesenen und dem zu B1610/94 anhängigen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sowie im Verfahren 19 C1366/93 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien im Zusammenhang mit der Erhebung eines Rekurses ihre Bedenken gegen die den Anwaltszwang vorsehenden Bestimmungen vorzutragen und in den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof die amtswegige Einleitung eines Prüfungsverfahrens, im Verfahren vor dem Zivilgericht in einem Rekurs einen Prüfungsantrag des Gerichtes zweiter Instanz an den Verfassungsgerichtshof anzuregen. Hätte der Verfassungsgerichtshof die Bedenken der Antragstellerin geteilt, dann wäre er verpflichtet gewesen, gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten; hätte das Zivilgericht zweiter Instanz die Bedenken der Antragstellerin geteilt, wäre dieses Gericht verpflichtet gewesen, einen Prüfungsantrag nach Art140 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Im Hinblick auf diesen - zumutbaren - Umweg ist der Individualantrag somit unzulässig.

Soweit aber die Antragstellerin die Aufhebung des Anwaltszwanges bloß für die laufenden Verfahren unter Berufung auf Art140 B-VG begehrt, ist der Antragstellerin zu erwidern, daß die zitierte Verfassungsbestimmung für dieses Begehren dem Verfassungsgerichtshof eine Zuständigkeit nicht einräumt, sodaß schon deshalb diese Anträge ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen sind.

2.1.2. Soweit sich die Einschreiterin in allgemein gehaltener Weise gegen das "Grundbuch- und Wohnungseigentumsgesetz" wendet und die Aufhebung der Bestimmungen beantragt, wonach man sich gegenseitig Wohnungseigentum einräumen muß, damit eine Verbücherung erfolgen kann, werden von ihr weder die als bedenklich erachteten Bestimmungen genannt noch verfassungsrechtliche Bedenken auch nur angedeutet. Mit dem Vorwurf, daß das Grundbuchs- und Wohnungseigentumsgesetz zwar vorteilhaft für Immobilienspekulanten sei, aber Erwerber von Wohnungseigentum in undurchsichtige Geschäfte verwickle, wird wohl eine - vermeintliche - Unzweckmäßigkeit der von der Einschreiterin abgelehnten Bestimmungen behauptet;

verfassungsrechtliche Bedenken kann der Gerichtshof diesen Ausführungen nicht entnehmen. Das Fehlen jeglicher solcher Darlegung bildet nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 11400/1987) einen Zurückweisungsgrund, ohne daß ein Verbesserungsauftrag zu erteilen ist.

Auch dieser Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.

2.2. Soweit die Einschreiterin schließlich die Rückerstattung von Prozeßkosten für eine Eingabe einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gemäß §88 VerfGG begehrt, ist ihr entgegenzuhalten, daß auch ein solches Begehren nicht Gegenstand einer auf Art140 B-VG gestützten Eingabe sein kann, sondern in dem (Bescheidbeschwerde-)Verfahren, auf das die Beschwerdeführerin mit ihrem Begehren abzielt, zu behandeln wäre. Das mit dem vorliegenden Antrag gestellte Begehren auf Rückerstattung von Prozeßkosten ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

2.3. Soweit schließlich die Einschreiterin mit ihrer Eingabe bezweckt, eine Klage gegen einen Rechtsanwalt sowie eine Amtshaftungsklage beim Verfassungsgerichtshof anhängig zu machen, ist sie darauf zu verweisen, daß weder Art137 B-VG noch eine andere Gesetzesbestimmung dem Verfassungsgerichtshof eine Befugnis zur Behandlung dieser Begehren einräumt; Klagen auf Schadenersatz - ein solcher wird scheinbar von der Einschreiterin begehrt - fallen vielmehr in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

Auch diese Anträge waren daher als unzulässig zurückzuweisen.

3. Aus den genannten Gründen erweist sich die von der Antragstellerin angestrengte Rechtsverfolgung insgesamt als offenbar aussichtslos, sodaß ihr Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß §63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG abzuweisen war.

4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e sowie gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Anwaltszwang, VfGH / Kosten, Zivilprozeß, VfGH / Bedenken

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G274.1994

Dokumentnummer

JFT_10049773_94G00274_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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