TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/17 92/14/0214

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Veröffentlicht am 17.12.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §303 Abs4;
EStG 1972 §82 Abs1;
EStG 1972 §86 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des X-Vereins in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 21. Oktober 1992, Zl 162/2-3/92, betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO und Vorschreibung von Lohnsteuer im Haftungsweg und von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum vom 1. Jänner 1984 bis 31. Dezember 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein gemeinnütziger Verein, der im Bundesland Kärnten ua Schüler-, Lehrlings-, Pensionisten- und Studentenheime betreibt, und für welchen als Erzieher bzw Heimleiter ua auch im Kärntner Landesdienst stehende Lehrer tätig sind.

Nach Durchführung einer Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum 1. Jänner 1984 bis 31. Dezember 1988 beim Beschwerdeführer wurde gegenüber diesem ein Bescheid über den Prüfungszeitraum erlassen, in welchem er für Lohnsteuer-Fehlberechnungen im Ausmaß von S 221.124,-- gemäß § 82 Abs 1 EStG 1972 zur Haftung herangezogen und ihm gemäß § 41 Abs 1 FLAG Dienstgeberbeitrag im Ausmaß von S 19.736,-- vorgeschrieben wurde.

Im Zuge einer Überprüfung der Gebarung des Landes Kärnten hinsichtlich der für die Personalangelegenheiten der Pflichtschullehrer zuständigen Organisationseinheiten wurde ua festgestellt, daß an zwei der für den Beschwerdeführer tätigen Landeslehrer, HK und WS, ua Aufwandsentschädigungen steuerfrei und Überstundenpauschalvergütungen für je 40 Stunden/Monat steuerbegünstigt ausgezahlt worden seien. Beides sei nicht gerechtfertigt. Hinsichtlich der Überstunden fehlten zeitnahe Aufzeichnungen über die von den Arbeitnehmern durchschnittlich geleistete Mehrarbeit. Hinsichtlich der Aufwandsentschädigungen könne die begünstigte Besteuerung im Sinne des § 26 Z 6 EStG 1972 nicht anerkannt werden, weil Arbeitgeber der angeführten Personen der Beschwerdeführer sei, es sich bei diesem aber um keine öffentliche Kasse handle.

Das Finanzamt erließ in der Folge gegenüber dem Beschwerdeführer für den oben angeführten Zeitraum einen weiteren, diesmal mit "gemäß § 303 Abs 4 BAO" überschriebenen Bescheid und zog den Beschwerdeführer nunmehr zur Haftung für Lohnsteuer-Fehlberechnungen im Ausmaß von S 552.396,-- zur Haftung heran und schrieb Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im Ausmaß von S 31.797,-- vor. In diesen Beträgen sind die aus der beim Beschwerdeführer selbst durchgeführten Prüfung festgestellten Nachforderungen enthalten.

In einer dagegen eingebrachten Berufung wandte sich der Beschwerdeführer einerseits gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens, andererseits gegen die Nachversteuerung der Aufwands- und Überstundenentschädigungen.

Der Beschwerdeführer vertrat die Ansicht, daß die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorlägen, weil anläßlich der beim Beschwerdeführer durchgeführten Lohnsteuerprüfung sämtliche Überstundenvergütungen genauestens auf ihre gesetzeskonforme Abrechnung hin überprüft worden seien, und es hiebei auch zu Lohnsteuernachforderungen gekommen sei. Überdies fehle dem Wiederaufnahmebescheid jede Begründung.

Zu den Aufwandsentschädigungen meinte der Beschwerdeführer insbesondere, es fehle der Vorschreibung an ihn an einer verfahrensrechtlichen Grundlage, weil die Bezugsauszahlung durch das Land Kärnten erfolgt sei und somit das Land Kärnten Arbeitgeber im Sinne des § 47 EStG 1972 sei. Die Refundierung der Bezüge durch den Beschwerdeführer erfolge im Rahmen eines Arbeitsgestellungsvertrages und sei damit kein Übergang der Arbeitgebereigenschaft vom dienst- und bezugsrechtlich allein zuständigen Land Kärnten auf den Beschwerdeführer verbunden.

Die begünstigte Besteuerung der Überstundenpauschalien versuchte der Beschwerdeführer im wesentlichen anhand der Dienstpläne und gebotenen Anwesenheitszeiten des HK und WS, aus welchen die tatsächliche Leistung der abgegoltenen

40 Überstunden hervorgingen, zu rechtfertigen.

In der Folge holte das Finanzamt die Begründung für den Wiederaufnahmebescheid dahingehend nach, daß im Zuge der beim Beschwerdeführer durchgeführten Lohnsteuerprüfung dem Prüfungsorgan weder Lohnkonten noch andere Unterlagen, aus denen das Bestehen eines Dienstverhältnisses mit HK und WS erkennbar gewesen sei, vorgelegt worden seien. Diese Tatsache sei erst nach Abschluß der Lohnsteuerprüfung neu hervorgekommen. Die durchgeführte Wiederaufnahme des Verfahrens sei erfolgt, weil unter Berücksichtigung der angeführten Feststellungen das öffentliche Interesse an der Rechtsrichtigkeit des zu erlassenden Abgabenbescheides über jenes an der Rechtsbeständigkeit des bisherigen Bescheides zu stellen sei.

Hiezu nahm der Beschwerdeführer dahingehend Stellung, daß hinsichtlich HK und WS keine Lohnkonten hätten vorgelegt werden können, weil diese Personen in keinem Dienstverhältnis zum Beschwerdeführer gestanden seien. Andererseits sei aus den vorgelegten Dienstplänen vollkommen klar gewesen, daß für den Beschwerdeführer auch andere Personen als dessen Dienstnehmer tätig geworden seien. Die Funktionen von HK und WS seien dem Prüfer durch Kontakte anläßlich der Lohnsteuerprüfung bekannt gewesen, sodaß keine Tatsachen neu hervorgekommen seien, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten. Es sei vielmehr so, daß das Prüfungsorgan hinsichtlich HK und WS die Dienstgebereigenschaft des Landes Kärnten zur Kenntnis genommen habe.

Zu einem Ersuchen der Behörde, die in der Berufung erwähnten Arbeitsgestellungsverträge vorzulegen, wurde vorgebracht, diese seien jedenfalls bereits in den 50-iger Jahren abgeschlossen worden. Es habe eine schriftliche Ausfertigung weder beim Beschwerdeführer noch beim Land Kärnten ausfindig gemacht werden können. Es seien aber auch mündlich oder auch nur konkludent abgeschlossene Verträge gültig und - da zwischen Fremden abgeschlossen - auch für Zwecke der Abgabenerhebung anzuerkennen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigte die belangte Behörde damit, daß nachträglich festgestellt worden sei, der Beschwerdeführer habe an zwei bei ihm im Prüfungszeitraum gegen Refundierung der Bezüge an das Land Kärnten beschäftigte und hiezu vom Dienst freigestellte Landeslehrer steuerpflichtige Lohnbezüge einschließlich Aufwandsentschädigungen und Überstundenpauschalien in beträchtlicher Höhe ausbezahlt, dem Lohnsteuerprüfer seien jedoch anläßlich der beim Beschwerdeführer erfolgten Lohnsteuerprüfung die Lohnkonten für die beiden genannten Dienstgeber nicht vorgelegt worden. Dem Lohnsteuerprüfer sei es daher verwehrt geblieben, eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer und des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen vorzunehmen.

Zur Arbeitgebereigenschaft des Beschwerdeführers auch hinsichtlich HK und WS berief sich die belangte Behörde darauf, daß Arbeitgeber im Sinne des § 47 Abs 1 EStG 1972 ist, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG 1972 auszahlt. Darunter sei aber nicht jeder zu verstehen, der bloß eine manipulative Tätigkeit bei der Auszahlung entfalte, sondern derjenige, auf dessen Rechnung die Auszahlung gehe, also derjenige, der die Last der Auszahlungen trage. Es sei unbestritten, daß der Beschwerdeführer die vom Land Kärnten im Prüfungszeitraum ausbezahlten Löhne in voller Höhe refundiert habe, den angefallenen Lohnaufwand daher zur Gänze aus eigenen Mitteln, also final getragen habe. Daher sei der Beschwerdeführer als Arbeitgeber anzusehen und in weiterer Folge zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer für die genannten Arbeitnehmer und zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen verpflichtet. Mangels Vorlage der Arbeitnehmergestellungsverträge sei es der belangten Behörde verwehrt gewesen, die Behauptung, die beiden Arbeitnehmer wären im Rahmen solcher Verträge tätig gewesen, zu überprüfen. Auch der Hinweis darauf, daß nach dem Grundsatz der Form- und Vertragsfreiheit auch mündliche bzw konkludent abgeschlossene Verträge zum Zweck der Abgabenerhebung Gültigkeit hätten, könne der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen, weil es der Beschwerdeführer unterlassen habe, der Behörde den genauen Inhalt dieser Verträge zur Beurteilung mitzuteilen.

Daraus folge, daß die Aufwandsentschädigung nicht nach § 26 Z 6 EStG 1972 steuerbegünstigt sei, weil es sich beim Beschwerdeführer um keine öffentliche Kasse handle.

Hinsichtlich der Überstunden wies die belangte Behörde insbesondere darauf hin, daß den Überstundenpauschalvergütungen nicht die von der Rechtsprechung zu § 68 EStG 1972 geforderten Aufzeichnungen zugrunde lägen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid sowohl hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens als auch hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt Bescheidaufhebung unter Kostenzuspruch.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Bescheid vom 8. Februar 1989 wurde der Beschwerdeführer zur Haftung für Lohnsteuerfehlberechnungen herangezogen, welche anläßlich einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum 1. Jänner 1984 bis 31. Dezember 1988 im Zusammenhang mit Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber unbestritten der Beschwerdeführer ist, festgestellt worden waren.

In der Folge nahm das Finanzamt dieses Verfahren wieder auf, und zog den Beschwerdeführer abermals zur Haftung für diese Lohnabgaben heran, darüber hinaus zog es den Beschwerdeführer jedoch (für den gleichen Zeitraum) auch für Lohnsteuerfehlberechnungen im Zusammenhang mit anderen Arbeitnehmern (HK und WS), hinsichtlich derer der Arbeitgeber strittig ist, heran.

Nun stellt jedoch der Haftungsbescheid - wenn er sich auf mehrere Arbeitnehmer und Monate bezieht und von der gesetzlichen Bestimmung des § 86 Abs 2 EStG 1972 kein Gebrauch gemacht wird - einen Sammelbescheid dar, weil die Lohnabgaben grundsätzlich pro Arbeitnehmer und Monat anfallen (vgl Ritz, SWK, A 382).

Vor diesem Hintergrund bedarf es aber keiner Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn der Arbeitgeber in einem Haftungsbescheid für Lohnabgaben eines Arbeitnehmers für mehrere Monate oder auch mehrerer Arbeitnehmer und in einem späteren Haftungsbescheid für Lohnabgaben anderer (weiterer) Arbeitnehmer in Anspruch genommen wird.

Dessenungeachtet erweist sich im Beschwerdefall sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassene Haftungsbescheid als verfehlt:

Zur Begründung der Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 8. Februar 1989 abgeschlossenen Verfahrens stützt sich die belangte Behörde darauf, daß nachträglich habe festgestellt werden können, der Beschwerdeführer habe an HK und WS "gegen Refundierung der Bezüge an das Land Kärnten steuerpflichtige Lohnbezüge" ausbezahlt. Abgesehen davon, daß diese Ausführungen im Sachverhaltsbereich als aktenwidrig bezeichnet werden müssen - tatsächlich an die Arbeitnehmer ausbezahlt wurden die Lohnbezüge nämlich vom Land Kärnten, während der Beschwerdeführer diesem die Lohnbezüge refundierte -, beziehen sich diese "neu hervorgekommenen Tatsachen" ausschließlich auf Umstände im Zusammenhang mit HK und WS, deren Lohnabgaben aber nicht Gegenstand des abgeschlossenen Verfahrens gewesen waren. Die Wiederaufnahme des Verfahrens erweist sich daher mangels tauglichen Wiederaufnahmegrundes als inhaltlich rechtswidrig.

Damit ist aber auch der Erlassung des neuen, auch die bisherigen Nachforderungen enthaltenden Haftungsbescheides der Boden entzogen. Dies mangels Trennbarkeit des Bescheidspruches hinsichtlich der Lohnabgaben, wie sie bereits der Bescheid vom 8. Februar 1989 erfaßt hat, und hinsichtlich der neu erfaßten Lohnabgaben (betreffend HK und WS). Es erübrigt sich daher für die hier zu treffende Entscheidung ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen zur Frage der Dienstgebereigenschaft des Beschwerdeführers hinsichtlich HK und WS. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird allerdings darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren auch den Inhalt der vom Beschwerdeführer behaupteten Arbeitsgestellungsverträge zu ermitteln und unter Wahrung des Parteiengehörs (auch zur Frage der von der belangten Behörde behaupteten "vollen Refundierung" der HK und WS betreffenden Bezüge) zu beurteilen haben wird, auch wenn schriftliche Ausfertigungen dieser Verträge nicht mehr "auffindbar" sind.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs 2 Z 4 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994. An Stempelgebühren für Beilagen war nur ein Betrag von S 90,-- für den angefochtenen Bescheid in einfacher Ausfertigung zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992140214.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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