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Gesundheitswesen - ApGNorm
ApG 1907 §10Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Guggenbichler und die Räte Dr. Höslinger, Dr. Borotha, Dr. Strau und Dr. Schimetschek als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hezina als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. FS in W, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 14. Juli 1953, Zl. V - 96.014-18/4-53, betreffend Standorterweiterung einer öffentlichen Apotheke, nach der am 13. September 1954 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Martha Friedmann, des Vertreters der belangten Behörde, Ministerialrat Dr. HK und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Rechtsanwalt Dr. Josef Gutwenger zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer findet nicht statt.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Mai 1951 war die Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke mit dem Standort Wien nn, begrenzt von der L-Straße, gerade Nummern von der F-Gasse bis A-Strasse, A-Strasse beiderseits zwischen L-Strasse und W-strasse und K-Gasse ohne die zum E gehörigen Gebäudeteile Nr. 1, 2, 8 und 9, genehmigt und die Konzession zum Betrieb dieser Apotheke Mr. ER, der im vorstehenden Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei, erteilt worden. Der Standortbereich ist unbestrittenermassen zur Gänze innerhalb des im Jahre 1939 für die Apotheke des Beschwerdeführers bestimmten Standortes gelegen, welcher Standort durch die Neuverleihung somit eine Einschränkung erfahren hat.
Am 25. Februar 1952 stellte der Mitbeteiligte das Ansuchen um Erweiterung des für die zu errichtende Apotheke bestimmten Standortes um das Gebiet „L-Strasse beiderseits von der A-Strasse bis S-Strasse, diese beiderseits bis E-platz 1, V-Strasse Nr. 24, 26 und 27“ mit der Begründung, dass es ihm nicht gelungen sei, innerhalb des ursprünglichen Standortes ein geeignetes Lokal zu erhalten. In der Folge änderte er sein Ansuchen dahin ab, dass die Standorterweiterung für das Gebiet „L-Strasse, gerade Nummern, von der A-Strasse bis zur S-Strasse, S-Strasse, gerade Nummern, von der L-Strasse bis zum E-Platz, E-Platz zur Gänze, V-Strasse Nr. 24, 26 und 27, W-Strasse, ungerade Nummern, von E-Platz bis zur A-Strasse und das durch diese Begrenzungslinien eingeschlossene Gebiet beantragt wurde. Sie wurde auch in dieser Form gemäss § 48 des geltenden Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 (kurz ApG), kundgemacht. Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht Einspruch, worauf der Mitbeteiligte seinen Antrag dahin einschränkte, dass er den bisherigen Standortbereich lediglich um die L-Strasse stadtwärts bis einschliesslich der Häuser Nr. 24 und 27 erweitert wissen wollte. Diesen Ansuchen wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. April 1953 stattgegeben. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass die Standorterweiterung nur ca. 100 Meter gegen die Apotheke des Beschwerdeführers betrage, dass sie unbedingt erforderlich sei, um das festgestellte Bedürfnis der Bevölkerung zu befriedigen, da ohne diese Massnahme zu besorgen sei, dass mangels eines geeigneten Lokales die Apotheke überhaupt nicht errichtet werden könne, und dass eine Gefährdung der Existenz der Nachbarapotheke des Beschwerdeführers nicht zu befürchten sei. Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung ist mit dem heute auf seine Gesetzmässigkeit überprüfen Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 14. Juli 1953 ein Erfolg versagt worden.
Ueber die dagegen erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach dem Apothekengesetz sind bei der Konzessionserstellung persönliche (§ 3) und sachliche (§ 10) Voraussetzungen zu berücksichtigen. Dasselbe hat für die Erweiterung des Standortes zu gelten, die in gleicher Weise wie ein Gesuch um Erteilung einer Konzession zur Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zu behandeln ist (vgl. diesfalls das Erkenntnis des ehemaligen k.k. Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1910, Budw.Nr. 7680). Es ist dabei sowohl auf das Bedürfnis der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen (§ 10 Abs. 2 ApG) als auch zu prüfen, ob nicht der Versagungsgrund des § 10 Abs. 3 des gleichen Gesetzes (Existenzgefährdung einer bestehenden öffentlichen Apotheke oder des eine Hausapotheke führenden Arztes) gegeben ist.
Dies vorausgeschickt musste zunächst auf jene Ausführungen des angefochtenen Bescheides eingegangen werden, in denen die Behauptung aufgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer auch vorliegend Parteistellung nur insoweit zukomme, als die Existenzgefährdung einer Apotheke zur Erörterung stehe. Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Auffassung nicht zu teilen. In Fällen wie dem, heute zur Entscheidung stehenden muss berücksichtigt werden, dass die begehrte Erweiterung des Standortes der Apotheke des Mitbeteiligten zugleich eine weitere Einschränkung des Standortes des Beschwerdeführers mit sich bringt, somit eine Beschränkung der dem Beschwerdeführer anlässlich der Konzessionserteilung eingeräumten Rechte bedeutet, seine eigene Apotheke allenfalls auch in das nunmehr den mitbeteiligten als Standort zugewiesene Gebiet zu verlegen. Wenn es auch richtig ist, dass eine solche Beschränkung des Standortes zulässig und bei der Neuerrichtung von Apotheken in der Umgebung mitunter auch notwendig ist, so hat der Beschwerdeführer gleichwohl einen Anspruch darauf, dass dieser Eingriff in seine Rechtsphäre nur bei Zutreffen aller gesetzlichen Voraussetzungen hiefür, also auch nur bei Vorliegen eines wirklichen Bedarfes erfolgt. Daraus ergibt sich für solche Verfahren die volle Parteistellung desjenigen Apothekers, dessen Standort eingeschränkt wird, im Verwaltungsverfahren und sein uneingeschränktes Beschwerderecht gegen den seine Berufung abweisenden Bescheid.
Des weiteren ist festzustellen, dass durch die dem Mitbeteiligten mit Bescheid vom 23. Mai 1951 rechtskräftig erteilte Konzession und die in diesem Bescheid vorgenommene Standortbestimmung, weder, was vom Beschwerdeführer im Verfahren behauptet wurde, einer Erweiterung dieses Standortes aus dem Grunde der rechtskräftig entschiedenen Sache präjudiziert worden ist - (davon könnte nur dann gesprochen werden, wenn das Begehren, das heute in Rede stehende Gebiet in den Standort einzubeziehen, ausdrücklich abgewiesen worden wäre und der Sachverhalt seither keine Aenderung erfahren hätte) - noch aber auch eine neuerliche Aufrollung der Bedarfsfrage ausgeschlossen werden konnte, soweit es sich um die nunmehr angesuchte Standorterweiterung handelt. Eine andere Beurteilung der Bedarfsfrage würde zwar den Bestand der Rechtskraft der verliehenen nicht berühren, könnte aber allenfalls bezüglich des Ansuchens um Standorterweiterung zu einem anderen Ergebnis führen.
Zur Beurteilung der Bedarfsfrage, in der sich die Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides beruft und dessen Beurteilung übernimmt, ist nun folgendes zu bemerken: Der für den gegenständlichen Beschwerdefall in Betracht kommende Teil des Wiener Gemeindebezirkes, der von den angrenzenden Bezirken durch den Donaustrom und den Donaukanal getrennt ist, und, soweit die öffentliche Apotheke des Beschwerdeführers in Betracht kommt, als Hauptverkehrsader von dem auch von einer Strassenbahnlinie befahrenen Strassenzug M-Straße - E-Platz - M-Brücke durchzogen wird, hat in den letzten Jahren durch die Bebauung des nördlich des E-Platzes gelegenen Gebietes mit Wohnhausbauten der Gemeinde Wien um den K-Platz einen neuen Schwerpunkt erhalten, für dessen Versorgung mit Heilmitteln im Hinblick auf die Entfernung von der vom Beschwerdeführer innerhalb seines Standortbereiches in der äussersten südlichen Ecke gewählten Betriebsstätte tatsächlich die Bejahung des Bedarfes nach einer unmittelbar in dem neuen Wohngebiet zu errichtenden Apotheke gerechtfertigt erscheint. Dies hat auch die Bezirksvorstehung, die der Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke in dem ursprünglich vom Mitbeteiligten beantragten Standortbereich, der auch einen südlich des E-Platzes gelegenen Teil umfasste, ablehnend gegenüberstand, bewogen, ihren Standort zu ändern und den Bedarf nach einer neuen öffentlichen Apotheke für den K-Platz anzuerkennen. Mit der nunmehr begehrten Standorterweiterung beabsichtigt der Beschwerdeführer die Möglichkeit zu gewinnen, seine Betriebsstätte im Hause L-Straße 24 unterzubringen. Damit würde die neue Apotheke in ein Gebiet zu liegen kommen, in dem ein unmittelbarer Bedarf nicht besteht, weil diese Gegend durch die Apotheke des Beschwerdeführers leicht versorgt werden kann, während die Bewohner der nördlich des K-Platzes befindlichen Wohnbauten (nach den vorliegenden Plänen der Gemeinde wird sich ihre Bautätigkeit noch weiter nach Norden erstrecken) auch künftighin eine öffentliche Apotheke in unmittelbarer Nähe entbehren würden. Diesen Erwägungen gegenüber, die gegen die Erweiterung des Standortes in der vom Mitbeteiligten beantragten Richtung vom Bedarfsstandpunkt aus gesehen sprechen, ist es unbeachtlich, dass die Erweiterung des Standortes nur 100 Meter betragen würde. Denn gerade durch diese Verschiebung wird die Errichtung der Apotheke ausserhalb des geschlossenen Wohngebietes, für dessen Versorgung der Bedarf anzuerkennen ist, herbeigeführt. Ebensowenig lässt sich die Standorterweiterung damit begründen, dass sonst die Errichtung der neuen Apotheke vermutlich mangels eines geeigneten Lokales überhaupt nicht möglich sein werde. Die Beschaffung eines Lokales innerhalb des Standortes muss der Initiative des Konzessionärs überlassen bleiben. Jedenfalls dürfen in dieser Hinsicht auftauchende Schwierigkeiten nicht dazu führen, dass die Behörde unter Vernachlässigung des Interesses der Allgemeinheit zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke an einer Stelle beiträgt, wo sie dem Bedarf der Bevölkerung, dessen Deckung ihre Errichtung dienen soll, nicht voll entsprechen kann.
Aus diesen Erwägungen musste der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid schon in der Beurteilung der Bedarfsfrage als rechtswidrig erkennen, was gemäss § 42 Abs.2 lit. a VwGG zu seiner Aufhebung führen musste. Ein Eingehen auf die Frage der Existenzgefährdung der Apotheke des Beschwerdeführers hat sich unter diesen Umständen erübrigt.
Ein Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer konnte mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 47 Abs. 1 VwGG nicht stattfinden.
Wien, am 27. September 1954
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1954:1953002302.X00Im RIS seit
03.11.2021Zuletzt aktualisiert am
03.11.2021