TE Vwgh Beschluss 2021/10/7 Ra 2021/06/0140

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Veröffentlicht am 07.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art135 Abs3
B-VG Art87 Abs2
B-VG Art87 Abs3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/06/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache 1. des P S und 2. der B S, beide vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Reichsstraße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 29. September 2020, 1. LVwG-414-2/2020-R1 und 2. LVwG-318-21/2020-R1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz; mitbeteiligte Partei: W GmbH, vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG, 6800 Feldkirch, Schlossgraben 10), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie sich auf die Abweisung der Beschwerde der Revisionswerber gegen Spruchpunkt II des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 28. Jänner 2020 bezieht, zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 28. Jänner 2020, mit dem der mitbeteiligten Partei in Spruchpunkt II. die Baubewilligung für die Änderung der Betriebsanlage für den Fahrzeugbau, die Hydrauliktechnik, die Ausübung von Schlossereitätigkeiten, die Reparatur und den Handel mit Land- und Forstmaschinen, Baggern etc. gemäß den §§ 28 Abs. 2 und 29 Abs. 1 Baugesetz (BauG) auf einem näher bezeichneten Grundstück in A. unter Auflagen erteilt worden war, keine Folge und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

5        Mit Beschluss vom 8. Juni 2021, E 4000/2020, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer an ihn gerichteten Beschwerde mit der Begründung ab, zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des LVwG seien keine spezifischen verfassungsrechtlichen Erwägungen anzustellen; die Beschwerde enthalte keine Angaben, die Anlass für Zweifel böten, dass die Rechtssache nicht korrekt nach den Vorschriften über die Geschäftsverteilung und Geschäftszuweisung (Hinweis auf §§ 11 und 12 Gesetz über das Landesverwaltungsgericht iVm §§ 4 ff Geschäftsverteilung des LVwG für das Jahr 2020) zugeteilt worden wäre.

6        Nach Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.

7        Gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision die Rechte zu bezeichnen, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte).

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkennntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht der revisionswerbenden Partei verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung die revisionswerbende Partei behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2020/07/0037, Rn. 6, mwN).

8        Gemäß den vorliegenden Ausführungen zu „II. Revisionspunkte“ erachten sich die revisionswerbenden Parteien durch das angefochtene Erkenntnis „in ihrem subjektiven Recht auf Schutz und die Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes“, „in ihren subjektiven Rechten nach § 26 Abs 1 iVm § 8 Baugesetz und § 74 Abs 2 Gewerbeordnung“ sowie „in ihrem Recht nach § 45 Abs 3 AVG“ verletzt.

9        Mit dem Vorbringen betreffend die Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts (vgl. VwGH 4.12.2018, Ra 2018/10/0189) sowie betreffend § 45 Abs. 3 AVG (vgl. VwGH 9.6.2021, Ro 2019/06/0004 bis 0010) legen die revisionswerbenden Parteien keinen tauglichen Revisionspunkt im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG dar, sondern machen Revisionsgründe geltend.

Abgesehen davon wird zu der in der Zulässigkeitsbegründung gerügten Verletzung des dem Art. 87 Abs. 3 B-VG nachgebildeten Art. 135 Abs. 3 B-VG durch die Geschäftsverteilung des LVwG darauf hingewiesen, dass ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen keine vom Verwaltungsgerichtshof zu beantwortende grundsätzliche Rechtsfrage bewirken kann (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/05/0027, Rn. 4, mwN) und die diesbezüglichen Bedenken vom Verfassungsgerichtshof (mit Beschluss vom 8. Juni 2021, E 4000/2020) bereits verworfen wurden. Die Geschäftsverteilung als gemäß Art. 87 Abs. 2 B-VG zu qualifizierender Akt der Gerichtsbarkeit ist überdies der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen (vgl. VwGH 22.1.2021, Ra 2020/21/0457, Rn. 22).

Zu dem Vorbringen betreffend § 45 Abs. 3 AVG wird angemerkt, dass bereits im Behördenverfahren das medizinische Gutachten vom 2. August 2019 eingeholt wurde, in dem der Amtsarzt auch auf die „Überschreitung“ des „Vorarlberg-Leitfadens“ um 1 dB am Kranprüfplatz einging und zu dem Ergebnis gelangte, dass eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn nicht zu erwarten sei. Den revisionswerbenden Parteien wäre es somit freigestanden, bereits vor den Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen in der Verhandlung vor dem LVwG am 23. Juni 2020 ein medizinisches Privatsachverständigengutachten vorzulegen.

10       Somit war nur noch auf die behauptete Verletzung in den subjektiven Rechten nach § 26 Abs 1 iVm § 8 Baugesetz einzugehen (das Vorbringen zur Gewerbeordnung ist Gegenstand der beim Verwaltungsgerichtshof zu Ra 2021/04/0163 und 0164 anhängigen Verfahren).

Mit dem Hinweis auf § 26 Abs. 1 iVm § 8 Baugesetz und § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung machen die revisionswerbenden Parteien erkennbar eine unzumutbare Belästigung durch vom Bauvorhaben ausgehende Immissionen geltend. Sie bringen vor, das LVwG habe insbesondere beim Immissionspunkt „Stadel“ keine Feststellungen zur bestehenden Immissionsbelastung getroffen, sondern nur festgestellt, der planungstechnische Grundsatz der ÖAL-Richtlinie 3 sei um 1 dB überschritten. Dies indiziere - so die revisionswerbenden Parteien - an sich schon die Unzulässigkeit des Bauvorhabens; die Schlussfolgerung des LVwG, eine Überschreitung des planungstechnischen Grundsatzes um 1 dB wäre irrelevant, sei unrichtig.

Damit machen die revisionswerbenden Parteien einen Verfahrensfehler geltend, ohne dessen Relevanz aufzuzeigen (vgl. zum Erfordernis, die Relevanz von Verfahrensfehlern bereits in der Zulässigkeitsbegründung darzulegen, etwa VwGH 16.8.2021, Ra 2021/06/0114, Rn. 6, mwN).

Das Baugrundstück ist als Betriebsgebiet I sowie als Sondergebiet Stellfläche gewidmet. Gemäß § 8 BauG dürfen Bauwerke, ortsfeste Maschinen oder technische Einrichtungen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt.

Das LVwG stützt seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der medizinische Amtssachverständige - basierend auf den Ausführungen des gewerbetechnischen Sachverständigen in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Juli 2019, wonach die (gerundete) Differenz von 1 dB (tatsächlich 0,1 dB) in Hinblick auf die Vertrauensbereiche von schalltechnischen Messungen und Berechnungen von +/- 1 dB praktisch keine Differenz bilde - eine Änderung im Rahmen von 1 dB vom menschlichen Organismus als nicht wahrnehmbar beurteilte. Aus diesem als schlüssig und widerspruchsfrei bezeichneten Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen schloss das LVwG, dass keine gesundheitsgefährdenden oder unzumutbaren Einwirkungen auf die Grundstücke der revisionswerbenden Parteien zu erwarten seien. Dem wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht substantiiert entgegengetreten. Mit dem Vorbringen betreffend die Überschreitung des planungstechnischen Grundsatzes der ÖAL-Richtlinie 3 um 1 dB und der Zitierung von Entscheidungen zur Auslegung der Gewerbeordnung wird nicht dargelegt, dass es zu einer im baurechtlichen Verfahren entscheidungsrelevanten Überschreitung des ortsüblichen Ausmaßes an Belästigungen käme. Es wird auch nicht vorgebracht, dass im gegenständlichen Verfahren nicht die Gesamtsituation (somit das Zusammenwirken von Ist-Maß, basierend auf den Messergebnissen, die dem gewerbetechnischen Amtssachverständigen in seiner Stellungnahme vom 18. Juli 2019 zufolge in das schalltechnische Projekt der M. GmbH eingeflossen seien, und den aus dem Genehmigungsprojekt resultierenden Immissionen) beurteilt worden wäre.

11       In der Revision wird somit aus baurechtlicher Sicht in Bezug auf den geltend gemachten Revisionspunkt keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060140.L00

Im RIS seit

01.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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