TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/22 W155 2221819-3

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Veröffentlicht am 22.09.2021
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Entscheidungsdatum

22.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46 Abs1 Z2
FPG §46 Abs1 Z3
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W155 2221819-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerde von XXXX XXXX (alias XXXX ), geboren am XXXX (alias XXXX ), Staatsangehörigkeit XXXX , vertreten durch Asyl in Not, gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abschiebung in den Herkunftsstaat am 12.11.2020 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers nach XXXX am 12.11.2020 wird gemäß § 46 Abs. 1 Z 2, 3 und 4 FPG als unbegründet abgewiesen. Die am 12.11.2020 erfolgte Abschiebung ist rechtmäßig.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der BF reiste spätestens im Oktober 2014 illegal in Spanien ein, stellte am 13.01.2015 in der Schweiz und schließlich am 19.04.2015 in Österreich als Staatsangehöriger von XXXX unter dem im Spruch genannten Namen einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 16.09.2015 wurde dieser Antrag wegen Zuständigkeit Spaniens zurückgewiesen, die Außerlandesbringung des BF angeordnet und die Abschiebung nach Spanien als zulässig erklärt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 06.10.2015 als unbegründet ab (GZ XXXX ). Die Überstellung nach Spanien konnte wegen unbekannten Aufenthaltes des BF nicht durchgeführt werden.

Der BF wurde am 13.10.2015 durch die LPD wegen des Verdachts der Vorbereitung von Suchtgifthandel erkennungsdienstlich behandelt.

Am 28.02.2016 stellte der BF nach polizeilichem Aufgriff unter dem Aliasnamen XXXX geb. XXXX und als Staatsangehöriger von XXXX einen weiteren (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 10.03.2016 wies das Bundesamt den zweiten Asylantrag wegen entschiedener Sache zurück, ordnete die Außerlandesbringung an und erklärte die Abschiebung nach Spanien als zulässig. Dieser Bescheid blieb unangefochten. Der BF konnte auf Grund unbekannten Aufenthaltes nicht nach Spanien überstellt werden.

Am 13.12.2016 wurde der BF in Österreich bei einer polizeilichen Zufallskontrolle aufgegriffen und einvernommen.

Mit Mandatsbescheid vom 14.12.2016 ordnete das Bundesamt über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und Sicherung der Abschiebung an.

Am 23.12.2016 stellte der BF als Staatsangehöriger von XXXX den dritten Asylantrag. Spanien stimmte einer Übernahme des BF wegen Fristablaufs nicht mehr zu.

Der BF wurde am 27.12.2016 aus der Schubhaft entlassen und am 28.12.2016 vor dem Bundesamt einvernommen.

Mit Bescheid vom 23.05.2017 wies das Bundesamt den dritten Asylantrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab. Dem BF wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach XXXX zulässig ist. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Außerdem wurde festgestellt, dass der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 27.02.2014 verloren hat. Dieser Bescheid wurde wegen unbekannten Aufenthaltes des BF durch Hinterlegung im Akt zugestellt, er erwuchs in Rechtskraft.

Am 10.07.2019 wurde der BF einer polizeilichen Zufallskontrolle unterzogen und festgestellt, dass ein Festnahmeauftrag des Bundesamtes vom 20.04.2018 vorliegt, der dem BF mangels unbekannten Aufenthaltes nicht übermittelt werden konnte. Der BF wurde in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

Mit Mandatsbescheid vom 11.07.2019 wurde seitens des Bundeamtes über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 05.08.2019 abgewiesen (GZ XXXX ).

Am 12.07.2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft den vierten Antrag auf internationalen Schutz. Die Schubhaft wurde mittels Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.07.2019 wurde der vierte Antrag auf internationalen Schutz des BF sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel „besonderer Schutz“ nicht erteilt und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 11.09.2019 (GZ XXXX ) als unbegründet abgewiesen.

Am 26.09.2019 wurde der BF auf dem Luftweg nach XXXX abgeschoben.

Der BF kehrte illegal nach Europa zurück und hielt sich von Jänner 2020 bis Februar 2020 in Italien auf, wurde aber nicht registriert.

Der BF reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt erneut illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde im Rahmen einer polizeilichen Zufallskontrolle am 25.09.2020 festgestellt, dass gegen ihn ein gültiges Einreiseverbot bis 2023 vorliegt. Der BF wurde in ein AHZ gebracht.

Mit Mandatsbescheid vom 26.09.2020 wurde vom Bundesamt über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet, die dagegen erhobene Schubhaftbeschwerde mit Erkenntnis des BVwG vom 03.11.2020 als unbegründet abgewiesen (GZ XXXX ).

Am 06.10.2020 wurde der BF von seiner für 22.10.2020 geplanten Abschiebung nach XXXX in Kenntnis gesetzt, er verweigerte die Unterschrift auf dem entsprechenden Informationsformular.

Er stellte noch am selben Tag (06.10.2020) im Stande der Schubhaft den fünften Asylantrag.

Am 07.10.2020 wurde seitens des Bundesamtes ein Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG erstellt mit der Begründung, dass davon auszugehen sei, dass der Folgeantrag mit Verzögerungsabsicht gestellt worden sei. Dieser Aktenvermerk wurde dem Beschwerdeführer am 07.10.2020 persönlich ausgefolgt.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 20.10.2020, XXXX , wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und 2 AsylG 2005 nicht vorliegen und wurde dem BF der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 nicht zuerkannt. Dieser Bescheid wurde dem BF am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt. Der BF erhob das Rechtsmittel der Vorstellung. Da der erhobenen Vorstellung keine aufschiebende Wirkung zukam, lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den BF vor. Die mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes vom 23.05.2017 gegen den BF erlassene Rückkehrentscheidung war weiterhin aufrecht.

Am 22.10.2020 wurde der BF einer XXXX Delegation vorgeführt und wurde dieser durch die XXXX Botschaft als XXXX Staatsangehöriger identifiziert. Die XXXX Botschaft stimmte der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zu. Das Heimreisezertifikat wurde mit Gültigkeit 05.11.2020 bis 30.12.2020 ausgestellt. Die Abschiebung am 22.10.2020 fand jedoch nicht statt.

Am 28.10.2020 wurde der BF mit persönlich übernommenem Schreiben über seine bevorstehende Abschiebung am 12.11.2020 informiert.

Am 12.11.2020 wurde der BF auf dem Luftweg nach XXXX abgeschoben.

Gegen diese Abschiebung erhob der BF durch die rechtsfreundliche Vertretung die vorliegende Beschwerde und führte aus, dass neue Tatsachen hervorgekommen wären, die eine Neubemessung der Dauer des Einreiseverbotes erforderlich machen würden. Es bestehe ein schützenswertes Familienleben im Sinne des § 8 EMRK, die Lebensgefährtin des BF stehe unmittelbar vor der Geburt des gemeinsamen Kindes und würde die Abschiebung unverhältnismäßig auf das Familienleben eingreifen. Zudem habe sich die Sicherheitslage in XXXX wesentlich geändert und wären Rückkehrer aus Europa eine besonders gefährliche Zielgruppe der SARS-Einheit.

Aufgrund der eingebrachten Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid vom 20.10.2021 führte das Bundesamt ein Ermittlungsverfahren durch und stellte mit Bescheid vom 09.12.2020, Zl. XXXX , gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und Z 2 AsylG nicht vorliegen. Unter einem wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF seinen Folgeantrag innerhalb der 18-tägigen Frist gem. § 12a Abs. 3 AsylG vor dem festgelegten Abschiebetermin gestellt habe, weswegen ihm ein faktischer Abschiebeschutz ex lege nicht zukomme. Darüber hinaus traf das Bundesamt umfangreiche Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstatt des BF. Aus diesen Länderfeststellungen sei ersichtlich, dass die Situation in XXXX im Wesentlichen jener im Zeitpunkt der letzten Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz entspreche und daher nicht davon auszugehen sei, dass sich Änderungen ergeben hätten, die in seinem Fall zu einer anderslautenden Entscheidung führen könnten. Dieser Bescheid wurde am selben Tag der Rechtsvertretung des BF zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 06.01.2021 wurde durch die rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.12.2021 erhoben und im Wesentlichen das bereits in der Vorstellung erstattete Vorbringen wiederholt.

Mit Erkenntnis vom 19.01.2021, GZ XXXX hat das BVwG die Beschwerde gemäß § 12a Abs. 4 iVm Abs. 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.

In der Zwischenzeit wurde auch der 5. Asylantrag mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.01.2021, Zl. XXXX wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dieser Bescheid blieb unangefochten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Der BF ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik XXXX . Er ist ledig und gesund.

Der BF wurde auch in Spanien und in der Schweiz erkennungsdienstlich behandelt.

Er stellte in Österreich unter Alias-Identitäten am 19.04.2015, 28.02.2016, 23.11.2016, 12.07.2019 und zuletzt am 06.10.2020 Anträge auf internationalen Schutz, die allesamt rechtskräftig negativ entschieden wurden.

Er ist weder Asyl- noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der BF kam in seinen Vorverfahren seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach bzw. konnte nicht Außerlandes – nämlich nach Spanien – gebracht werden, er tauchte unter und war für Behörden nicht greifbar.

Er wurde bereits am 26.09.2019 nach XXXX abgeschoben und kehrte seinem Einreiseverbot zuwider zu einem unbestimmten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet zurück.

Im Zuge von polizeilichen Zufallskontrollen wurde sein illegaler Aufenthalt in Österreich immer wieder offensichtlich.

Er verfügte in Österreich über keine behördlich gemeldete Wohnadresse, war lediglich vom 19.04.2015 bis 27.04.2015 in der Grundversorgung und im Zeitraum vom 29.04.2015 bis 21.03. 2016 obdachlos gemeldet. Der BF war zu keinem Zeitpunkt an der Wohnadresse seiner Lebensgefährtin gemeldet. Er hielt sich im Verborgenen auf und entzog sich dem Zugriff der Behörden.

Der BF wurde am 12.11.2020 auf dem Luftweg nach XXXX abgeschoben. Der Abschiebevorgang verlief ohne Auffälligkeiten.

Der BF war zum Zeitpunkt seiner Abschiebung flugtauglich.

Zum Zeitpunkt der Abschiebung am 12.11. 2020 bestand gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Zum Zeitpunkt der Abschiebung am 12.11.2020 bestand gegen den BF ein bis 2023 geltendes Einreiseverbot.

Zum Zeitpunkt seiner Abschiebung am 12.11.2020 kam dem BF kein faktischer Abschiebeschutz zu, es bestand zum Zeitpunkt der Abschiebung gegen den BF eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Die Abschiebung des BF nach XXXX stellt keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 oder 8 EMRK oder von Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte dar oder ist für ihn als Zivilperson mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes (insbesondere die Akten hinsichtlich der Schubhaftverfahren, sowie der negativ abgeschlossenen Verfahren in Bezug auf Gewährung von internationalen Schutz und der Nichtzuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes), der Gerichtsakten des BVwG zu den oben angeführten Geschäftszahlen, sowie aus dem Zentralen Fremdenregister, Strafregister, Zentralen Melderegister, dem Grundversorgungs-Informationssystem und der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Die Identität und die Staatsangehörigkeit des BF ergeben sich aus der Identitätsprüfung der XXXX Botschaft.

Die Flugtauglichkeit und Gesundheit ergeben sich aus dem Umstand, dass im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, dass der BF an einer Krankheit leiden würde, die der Überstellung nach XXXX entgegenstehen würden. Dass der BF einer Risikogruppe angehört, die gefährdet ist an COVID 19 zu erkranken, hat das Verfahren nicht ergeben und wurde auch nicht vorgebracht.

Der Abschiebevorgang ergibt sich aus dem Bericht des BM für Inneres vom 16.11.2020 über die erfolgte FRONTEX –Charterabschiebung.

Dass der BF nach seiner Rückkehr nach Europa in Italien aufhältig war, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der Einvernahme am 06.10.2020.

Das Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung, des bestehenden Einreiseverbotes sowie das Nichtvorliegen eines faktischen Abschiebeschutzes ergeben sich aus den im Verfahrensgang genannten Entscheidungen des Bundesamtes bzw BVwG.

Der BF bringt in seiner Beschwerde vor, dass ein schützenswertes Familienleben im Sinne Art. 8 EMRK bestehe und die Abschiebung rechtswidrig sei. Aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister ergibt sich, dass der BF zu keinem Zeitpunkt an der Wohnadresse seiner Lebensgefährtin polizeilich gemeldet war. In der Einvernahme am 06.05.2019 konnte der BF weder die Adresse seiner Lebensgefährtin noch ihr Geburtsdatum angeben. Auch in der Einvernahme am 22.07.2019 konnte er die Adresse seiner Lebensgefährtin nicht auswendig angeben. Der BF ging eine Beziehung zu einem Zeitpunkt ein, als er sich seines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet bewusst war. So führte die Lebensgefährtin in einem Schreiben vom 21.10.2020 selbst an, den Beschwerdeführer am 14.06.2017, also zu einem Zeitpunkt, wo bereits mehrere Anträge des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zurückgewiesen bzw. abgewiesen worden sind, kennengelernt zu haben und seither mit ihm eine Beziehung zu führen. Widersprüchlich dazu gab der BF an, seine Lebensgefährtin im November 2018 kennengelernt zu haben, davor habe er eine Beziehung mit XXXX geführt. Auch die Zeugung eines zum Abschiebezeitpunkt noch ungeborenen Kindes durch den BF erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der BF widerrechtlich im Bundesgebiet aufhielt, weil er trotz aufrechten Einreiseverbotes in das österreichische Bundesgebiet zurückgekehrt ist. Dieser Umstand war dem BF und seiner Lebensgefährtin bewusst.

Dass dem BF in seinem Herkunftsstaat keine Gefahr für Leib oder Leben in einem Maße droht, welche die Abschiebung im Lichte des Art. 2 und Art. 3 EMRK unzulässig erscheinen lässt, hat bereits das Bundesamt und das BVwG unter Zugrundelegung der Länderfeststellungen der Staatendokumentation festgestellt. Das erkennende Gericht stimmt den Ausführungen im Erkenntnis des BVwG vom 19.01.2021 zu, wonach auch unter Berücksichtigung gewaltsamer Proteste in XXXX im Zusammenhang mit Polizeigewalt jedoch keine den BF betreffende bzw. entscheidungsrelevante allgemeine Lageänderung im Herkunftsstaat erkannt wurde und in XXXX keine solche extreme Gefährdungslage besteht, dass jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung ausgesetzt wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A) I

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt („Maßnahmenbeschwerden“) gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG. Dazu gehören auch die Abschiebungen nach § 46 FPG (vgl. VwGH 17.11.2016, Ro 2016/21/0016; 29.06.2017, Ra 2017/21/0089).

Gemäß § 13 Abs. 3 FPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter anderem ermächtigt, die ihnen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück eingeräumten Befugnisse und Aufträge des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen.

§§ 46, 50 und 52 Abs. 9 FPG Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten auszugsweise:

„Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1.         die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2.         sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3.         auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4.         sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

[…]“

„Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.“

Die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen die dem Bundesamt zurechenbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der im Auftrag des Bundesamtes von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Abschiebung des BF. Das BVwG ist daher zur Prüfung der Beschwerde gegen die dem Bundesamt zurechenbare Abschiebung des BF am 12.11.2020 zuständig.

Gegen den BF bestand, wie oben dargelegt, seit dem 07.06.2017 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung verbunden mit einem 6-jährigen Einreiseverbot, dem er sich widersetzte, indem er nach seiner ersten Abschiebung im Jahre 2019 zu einem unbestimmten Zeitpunkt wieder in das Bundesgebiet zurückkehrte. Der BF erklärte in seinen Einvernahmen, nur in Österreich bleiben und leben zu wollen. Der Außerlandesbringung nach Spanien entging er durch unbekannten Aufenthaltes. Es ist daher anzunehmen, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung auch in Zukunft nicht nachgekommen wäre.

Die Voraussetzungen für die gegenständliche Abschiebung des BF gemäß § 46 Abs. 1 Z 2, 3 und 4 FPG lagen somit vor.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt.

Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Für die Gewährung von Abschiebeschutz im Sinne § 50 FPG ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert. Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen genügen hingegen nicht (vgl. VwGH 27.02.1997, 98/21/0427).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. VwGH 26.06.1997, 95/18/1293; 17.07.1997, 97/18/0336).

Im verfahrensgegenständlichen Fall kann nicht angenommen werden, dass der BF durch die Abschiebung nach XXXX einer existentiellen Gefährdung oder sonstigen Bedrohung ausgesetzt wäre, sodass die Abschiebung eine Verletzung von Art. 2 oder Art 3 EMRK bedeuten würde. Der Hinweis auf eine Änderung der Sicherheitslage in XXXX im Zusammenhang mit einem Massaker am 20.10.2020 sowie auf die Gefährdung von Rückkehrern, wie in der Beschwerde vorgebracht, reicht nicht aus, um eine relevante Gefährdung oder Bedrohung darzutun, vielmehr müssen konkrete (stichhaltige) Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt wäre.

Das Vorliegen einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention wurden zuletzt im Rahmen des Verfahrens über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes des BF geprüft und gelangte das BVwG in seinem Erkenntnis vom 19.01.2021 zum Ergebnis, dass es zwar gewaltsame Protesten in XXXX im Zusammenhang mit der Polizeigewalt gegeben habe, jedoch aus diesen keine den BF betreffende bzw. entscheidungsrelevante allgemeine Lageänderung im Herkunftsstaat erkannt werden könne. Es stimmte mit der belangten Behörde überein, dass es in XXXX keine solche extreme Gefährdungslage besteht, dass jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikels 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Übrigen hat das Bundesamt auch den 5. Antrag auf internationalen Schutz – rechtskräftig - wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Soweit der BF in seiner Beschwerde auf ein allenfalls in Österreich bestehendes Familienleben und die zum Zeitpunkt der Abschiebung bestehenden Schwangerschaft der Lebensgefährtin verwies ist festzuhalten, dass einerseits sein Familienleben bereits im Rahmen der Entscheidung über den 4. Asylantrag (Bundesamt als auch BVwG) berücksichtigt wurde und er diese Beziehung zu einem Zeitpunkt einging und damit integrationsbegründende Schritte setzte, als er (und auch seine Lebensgefährtin) sich seines unrechtmäßigen Aufenthaltes bewusst war. Auch musste er sich zum Zeitpunkt der Zeugung des Kindes seines illegalen Aufenthaltes auf Grund seines Einreiseverbotes bewusst gewesen sein, sodass der Schwangerschaft keine derartige Bedeutung zukommt, die eine geänderte Beurteilung des Art. 8 EMRK erforderlich machen würde (VwGH 24.04.2012, 2011/23/0541). Ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann auch keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK (VfGH 12.06.2010, U614/10 - VfSlg. 19.086) bewirken.

Dass die Rückkehr nach XXXX auf Grund der weltweit herrschenden Covid-19 Pandemie eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK darstellen würde, haben die bisherigen Verfahren nicht ergeben. Der BF fällt nicht in eine der von der Infektion betroffenen Risikogruppen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der BF durch die am 12.11.2020 erfolgte Abschiebung nicht in seinen Rechten verletzt wurde, weshalb die dagegen erhobene Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

Zu Spruchpunkt A) II, III

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen die im Spruch genannte Abschiebung des BF nach XXXX Maßnahmenbeschwerde erhoben. Der BF hat einen Antrag auf Kostenersatz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen gestellt. Dem BF gebührt als unterlegene Parteien jedoch kein Kostenersatz.

Zu Spruchpunkt B)

Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Ausreiseverpflichtung Einreiseverbot Familienleben Folgeantrag Rechtmäßigkeit Rückkehrentscheidung Wiedereinreise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W155.2221819.3.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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