TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/18 94/15/0151

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Veröffentlicht am 18.12.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §115 Abs1;
EStG 1972 §2 Abs1;
EStG 1988 §2 Abs1;
GewStG §10;
GewStG §15 Abs2;
GewStG §2 Z11;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der Gepäckträgergemeinschaft Salzburger Hauptbahnhof, Gesellschaft nach bürgerlichem Recht in S (Gesellschafter laut angeschlossener Liste), vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 22. Juni 1994, Zl. 50-GA3BK-DRB/94, betreffend Gewerbesteuer für die Jahre 1988 bis 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um einen Zusammenschluß von Dienstmännern in Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Sie übt am Salzburger-Hauptbahnhof im wesentlichen folgende Tätigkeiten aus: Gepäckträgerdienst, Besorgung des Ladedienstes für Reisegepäck im gesamten Bahnhofsbereich sowie die Annahme und Ablieferung bei den Auf- bzw. Abgabestellen und die Verbringung von und zu den Zügen; die Besorgung des Gepäckaufbewahrungsdienstes; die Betreuung der Gepäckschließfächer; die Ausgabe und Rücknahme der Fahrräder im Rahmen des Angebotes "Fahrrad am Bahnhof"; die Durchführung des Ladedienstes bei den Zügen für "Bahn Express Kurier", "Bahnexpress", Internationales Expreßgut und Eurail Expreßgut; den Ladedienst bei den Zügen, die Annahme und die Verbringung von und zu den Zügen bei verschiedenem Expreßgut; die Rückführung der Kofferkulis zu den Aufstellplätzen; die Besorgung des Dienstpostladedienstes; die Reinigung der Gepäckaufbewahrungs- und Abfertigungsstellen einschließlich der dafür vorgesehenen Lagerräume sowie die Beförderung von Gütern für die Österreichischen Bundesbahnen, wofür sechs Lkw mit einer Nutzlast zwischen 1,2 und 5 Tonnen verwendet werden.

Anläßlich einer Vorsprache eines Organs der Beschwerdeführerin beim Finanzamt Salzburg-Stadt am 12. November 1970 wurde ausgehend davon, daß es sich bei der Tätigkeit von Dienstmännern um eine Tätigkeit "einfachster Art" handle, festgehalten, daß die Beschwerdeführerin unter die Befreiungsbestimmung des § 2 Z. 11 GewStG falle. Im Hinblick darauf unterblieb in den Folgejahren eine Veranlagung zur Gewerbesteuer.

Anläßlich einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Tätigkeit gewerbesteuerpflichtig sei; dies insbesondere deswegen, weil letztere die unter § 2 Z. 11 GewStG fallende Gepäckträgertätigkeit (im eigentlichen Sinn) nur in einem sehr geringen Maße ausübe, während der überwiegende Anteil an den Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit resultiere.

Gegen die auf dieser Rechtsansicht beruhenden Gewerbesteuerbescheide für die Streitjahre erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welche die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid abwies; dies im wesentlichen mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Befreiung der Beschwerdeführerin nach der Bestimmung des § 2 Z. 11 GewStG lägen im Beschwerdefall nicht vor, zumal der überwiegende Teil der Entgelte auf die bahnamtliche Rollfuhr entfalle. Aus der Gepäckträgertätigkeit seien hingegen nur geringfügige Umsätze erzielt worden. Ein Anwendungsfall des Grundsatzes von Treu und Glauben liege nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z. 11 GewStG waren für die Streitjahre gewerbliche Betriebe im Sinne des Art. V lit. d des Kundmachungspatentes zur Gewerbeordnung, soweit sie Hilfskräfte nicht verwenden, von der Gewerbesteuer befreit. Unter diese Befreiungsbestimmung fiel die "Lohnarbeit der gemeinsten Art (Taglöhnerarbeit usw.)", worunter auch die Tätigkeit der Dienstmänner und Gepäckträger zu subsumieren ist (vgl. Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz Tz 2-62).

Bei dieser Befreiungsbestimmung handelt es sich ihrem Wesen nach um eine persönliche Steuerbefreiung (vgl. Philipp, a.a.O., Tz 2-1).

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und anderer Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen sind.

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die von ihr unbestrittenermaßen in den Streitjahren in Form einer Mitunternehmerschaft entfalteten Tätigkeiten entgegen ihrer Rechtsansicht nicht gemäß § 2 Z. 11 GewStG von der Gewerbesteuer (persönlich) befreit.

Soweit die Beschwerdeführerin aus dem auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben etwas für ihren Rechtsstandpunkt zu gewinnen sucht, ist ihr zu entgegnen, daß dieser Grundsatz nicht darin besteht, ganz allgemein das Vertrauen eines Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung in der Vergangenheit zu schützen. Vielmehr müßten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Abgabenverwaltung unbillig erscheinen ließe, wie dies z. B. der Fall sein könnte, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert worden ist und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996,

Zlen. 95/15/0208, 0209, m.w.N.). Die Abgabenbehörde ist aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an eine unrichtige Rechtsauffassung, von der sie bei früheren Veranlagungen ausgegangen ist, bei späteren Veranlagungen nicht gebunden. Bei den Veranlagungssteuern sind infolge des für sie geltenden Abschnittsprinzips die Grundlagen der Besteuerung bei jeder Veranlagung selbständig festzustellen und der Sachverhalt sowie die Rechtslage neu zu prüfen (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1983, Zl. 82/13/0214, und das dort zitierte Vorerkenntnis). Dementsprechend sind die Abgabenbehörden auf Grund des Gesetzes verpflichtet, ungeachtet erteilter Auskünfte oder rechtskräftiger Bescheide betreffend andere Abgabenjahre, in dem von ihnen zu beurteilenden Zeitraum dem Recht im objektiven Sinn zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Vertrauen des Steuerpflichtigen auf rechtswidrigen Vollzug wird vom Gesetz insofern nicht geschützt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. April 1985, Zl. 84/14/0119).

Auf Grund des Gesagten mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994150151.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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