TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/18 95/20/0614

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Veröffentlicht am 18.12.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1995, Zl. 4.335.739/14-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, der am 28. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 2. Dezember 1991 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. April 1992, mit dem festgestellt worden war, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Dabei stützte sich die belangte Behörde sowohl auf die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 ("das Vorliegen Ihrer Flüchtlingseigenschaft wurde von der erkennenden Behörde gründlich geprüft, mußte aber verneint werden und konnte auch deshalb kein Asyl gewährt werden.") als auch auf die Annahme der Verfolgungssicherheit im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. in Slowenien, die dem Beschwerdeführer mit Manuduktionsschreiben vom 19. Dezember 1994 vorgehalten worden sei, welchem Vorhalt der Beschwerdeführer jedoch "nichts Einschlägiges entgegenzusetzen" vermocht habe.

Gegen diesen, im zweiten Rechtsgang nach Aufhebung des Bescheides vom 12. August 1993 durch den Verfassungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, B 1823/93-9, ergangenen Bescheid richtet sich die, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, nach Ablehnung deren Behandlung mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1995, B 1411/95-3, abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zunächst rügt der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Begründungsmangels im Sinn des § 60 AVG im Hinblick auf die Verneinung seiner Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991. Diese Rüge ist berechtigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß der zuvor wörtlich wiedergegebene Satz den Erfordernissen einer ausreichenden, dem § 60 AVG entsprechenden Begründung nicht genügt, sich vielmehr als inhaltsleere Scheinbegründung darstellt, sofern nicht eine sinnvolle Darlegung der entscheidenden Erwägungen der Behörde daran geknüpft wird (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/20/0043, vom 16. Jänner 1996, Zl. 95/20/0124, und vom 6. Februar 1996, Zl. 95/20/0085, sowie vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0179, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.

Aber auch der Annahme des Ausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 fehlt eine nachvollziehbare Begründung. Daß die belangte Behörde eine amtswegige Ermittlungspflicht zur Feststellung der faktischen Verhältnisse in dem von ihr als sicher angenommenen Drittstaat trifft, wurde bereits in dem hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413, und in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0179, ausgesprochen. Hinzu kommt im konkreten Fall, daß der Beschwerdeführer entgegen der diesbezüglichen Darstellung der belangten Behörde in ihrem Bescheid sehr wohl in seiner Äußerung vom 19. Jänner 1995 "Einschlägiges", nämlich Entscheidungsrelevantes, vorgebracht hat: Eine Verfolgungssicherheit sei in Slowenien zum Zeitpunkt der Durchreise des Beschwerdeführers (November 1991) noch nicht gegeben, zumindest aber für diesen aufgrund der politischen Umwälzungen noch nicht erkennbar gewesen, sei doch die Kontinuitätserklärung Sloweniens erst am 6. Juli 1992 hinterlegt worden (wenn auch rückwirkend mit 25. Juni 1991). Darüber hinaus sei ungeklärt, inwieweit zum damaligen Zeitpunkt Slowenien überhaupt ein selbständiger souveräner Staat gewesen sei, sei doch auch die Anerkennung durch Österreich sowie die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft erst am 15. Jänner 1992 erfolgt. Auf dieses, bereits in der Äußerung vom 19. Jänner 1995 enthaltene Vorbringen geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort ein.

Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im aufgezeigten Sinne daher sowohl mit Ermittlungs- als auch Begründungsfehlern belastet hat, und nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Vermeidung dieser Verfahrensverletzungen zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel) Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Sachverhalt Neuerungsverbot Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200614.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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