TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/22 W200 2243168-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.09.2021
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Entscheidungsdatum

22.09.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
BBG §47
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W200 2243168-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 11.05.2021, OB: 45668610900024, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:


A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei stellte am 24.02.2021 unter Vorlage medizinischer Unterlagen einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie, Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.04.2021, basierend auf einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.04.2021, ergab Folgendes:

„Anamnese:

AE, TE, Unterarmbrüche in der Kindheit, Schulterverletzung links – kons., Blasenstein-OP, Bestrahlung der Prostata, Star-OP beidseits, Diabetes mellitus seit ca. 5-7 a.

Derzeitige Beschwerden:

Ich kann mich nicht bücken. Ich kann nicht weiter als 2 Gassen gehen, dann bin ich müde, tut mir alles weh. Die Schulter ist geheilt. Zeitweilig kann ich den Harn nicht halten.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel

Medikamente: Eucreas, Atorvastatin, Oleovit, Cal-d-vita, Inkontan, Bonviva, Xalacomp,

Laufende Therapie: dzt. keine

Hilfsmittel: Gehstock rechts

Sozialanamnese: Pens.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

01/2020 Röntgenbefund LWS beschreibt deutliche Degeneration mit Deckplattenimpression bei LWK 5 und Osteoporose.

12/2019 MR-LWS beschreibt deutliche Degeneration und nicht mehr ganz frischen

Deckplatteneinbruch LWK 5.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: altersentsprechend Ernährungszustand: normal

Größe: 169,00 cm Gewicht: 73,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig

Thorax: symmetrisch, elastisch

Abdomen: etwa 4 cm großer Nabelbruch, sonst unauffällig

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.

Die Schultern sind über der Horizontalen je 1/2 eingeschränkt.

Übrige Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind jeweils endlagig eingeschränkt.

Untere Extremitäten:

Der Barfußgang ohne Gehhilfe ist symmetrisch und hinkfrei, insgesamt sicher. Zehenballen-und Fersenstand mit Mühe, Anhocken ist knapp 1/2 möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ist gleich. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten.

Rechtes Knie: blasse Narben nach Arthroskopie. Kein intraartikulärer Erguss, bandfest.

Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Beweglichkeit:

Sämtliche Gelenke sind altersentsprechend endlagig eingeschränkt.

Wirbelsäule:

Zarte s-förmige Skoliose. Regelrechte Brustkyphose, die Lendenlordose ist abgeflacht. In Höhe Th3 besteht eine schräge etwas verbeiterte alte Narbe nach Basaliomentfernung. Am Rücken bestehen mehrfach wenige Millimeter große Basaliome. Kein wesentlicher Hartspann, kein lokaler Druckschmerz, kein Klopfschmerz über den Dornfortsätzen. ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Beweglichkeit:

Halswirbelsäule: die Reklination ist deutlich eingeschränkt, sonst endlagig eingeschränkt.

Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: beim Vorwärtsbeugen reichen die Hände zu den Kniegelenken, Seitwärtsneigen und Rotation je 1/2 eingeschränkt.

Gesamtmobilität – Gangbild: Kommt in Konfektionsschuhen mit Gehstock rechts zur Untersuchung, das Gangbild ist verlangsamt, bedächtig, ohne auffälliges einseitiges Hinken. Geht im Untersuchungsraum ohne Stock sicher. Das Aus- und Ankleiden wird teilweise im Sitzen, teilweise im Stehen durchgeführt.

Status Psychicus: wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Osteoporose

Unterer Rahmensatz dieser Position, da mäßige Funktionsbehinderung an den Gelenken und der Wirbelsäule und Gangleistungsminderung

02.02.03

50

2

Diabetes mellitus

Wahl dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da mit oraler

Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erreicht werden.

09.02.01

20

3

Mäßige Inkontinenz nach Blasenoperation und Prostatakrebs

Wahl dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da

milde Symptomatik

08.01.06

20

4

Zustand nach Basaliomentfernungen

Fixer Rahmensatz

01.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung:        50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden nicht erhöht, wegen fehlender wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz. (…) Dauerzustand (…)

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist mit Gehstock zumutbar und möglich. Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? nein (…)“

Im gewährten Parteiengehör zu diesem Gutachten gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.

In weiterer Folge wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH ausgestellt.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 11.05.2021 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten vom 12.04.2021 (richtig: 09.04.2021) verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht Beschwerde. Er gab im Wesentlichen an, dass sein Zustand nicht so sei, wie er aufgrund der Untersuchung festgestellt worden sei und sich höchstwahrscheinlich nie verbessern werde. Er könne nur sehr schlecht gehen und sei auf das Auto angewiesen. Der Beschwerdeführer legte keine neuen Unterlagen vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.

1.2.    Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1.  Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Klinischer Status - Fachstatus:

Allgemeinzustand: altersentsprechend, Ernährungszustand: normal.

Caput/Collum: unauffällig.

Thorax: symmetrisch, elastisch.

Abdomen: etwa 4 cm großer Nabelbruch, sonst unauffällig.

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.

Die Schultern sind über der Horizontalen je 1/2 eingeschränkt.

Übrige Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind jeweils endlagig eingeschränkt.

Untere Extremitäten:

Der Barfußgang ohne Gehhilfe ist symmetrisch und hinkfrei, insgesamt sicher. Zehenballen-und Fersenstand mit Mühe, Anhocken ist knapp 1/2 möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ist gleich. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten.

Rechtes Knie: blasse Narben nach Arthroskopie. Kein intraartikulärer Erguss, bandfest.

Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Beweglichkeit:

Sämtliche Gelenke sind altersentsprechend endlagig eingeschränkt.

Wirbelsäule:

Zarte s-förmige Skoliose. Regelrechte Brustkyphose, die Lendenlordose ist abgeflacht. In Höhe Th3 besteht eine schräge etwas verbeiterte alte Narbe nach Basaliomentfernung. Am Rücken bestehen mehrfach wenige Millimeter große Basaliome. Kein wesentlicher Hartspann, kein lokaler Druckschmerz, kein Klopfschmerz über den Dornfortsätzen. ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Beweglichkeit:

Halswirbelsäule: die Reklination ist deutlich eingeschränkt, sonst endlagig eingeschränkt.

Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: beim Vorwärtsbeugen reichen die Hände zu den Kniegelenken, Seitwärtsneigen und Rotation je 1/2 eingeschränkt.

Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt in Konfektionsschuhen mit Gehstock rechts zur Untersuchung, das Gangbild ist verlangsamt, bedächtig, ohne auffälliges einseitiges Hinken. Geht im Untersuchungsraum ohne Stock sicher. Das Aus- und Ankleiden wird teilweise im Sitzen, teilweise im Stehen durchgeführt.

Status Psychicus: wach, Sprache unauffällig.

Funktionseinschränkungen:

Aufbraucherscheinungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Osteoporose; Diabetes mellitus; Mäßige Inkontinenz nach Blasenoperation und Prostatakrebs; Zustand nach Basaliomentfernungen.

1.2.2.  Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden. Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten vor. Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Die Nutzung eines Gehstocks ist möglich und zumutbar.

Die Greif- und Haltefunktionen sind ausreichend erhalten. Das Ein- und Aussteigen und Anhalten sowie ein sicherer Transport sind möglich. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Bei dem Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.

Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

2.       Beweiswürdigung:

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie, Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.04.2021 eingeholt worden. Im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die festgestellten Leiden führen laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Insbesondere wurden auch alle vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung unterzogen und die vorliegenden Leiden mitberücksichtigt. Der Beschwerdeführer gab im gewährten Parteiengehör hierzu keine Stellungnahme ab.

Demnach hat sich der Beschwerdeführer bei der durchgeführten Begutachtung in altersentsprechendem Allgemein- und normalem Ernährungszustand sowie einem verlangsamten und bedächtigen, jedoch sicheren und freien Gangbild, auch ohne Verwendung eines Gehstocks, präsentiert. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist bei freiem und unauffälligem Gangbild, allenfalls unter Verwendung eines Gehstocks, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert.

Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (mit Gehstock) ohne Unterbrechung zurücklegen.

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten vor. Das Überwinden üblicher Niveauunterschiede ist zumutbar, der sichere Transport ist möglich. Das sichere Ein- und Aussteigen sind gewährleistet. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit, Haltegriffe zu erreichen und sich anzuhalten, ist ausreichend gegeben. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.

Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich –auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen daher möglich.

Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems. Es bestehen auch keine wesentlichen kardiopulmologischen Einschränkungen.

Zum Beschwerdevorbringen, wonach es dem Beschwerdeführer zusammengefasst nicht zumutbar sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, ist festzuhalten, dass der vom SMS herangezogene Facharzt in seinem Gutachten vom 09.04.2021 - unter Berücksichtigung aller vorgelegten Befunde - schlüssig festhält, dass sich kein Hinweis auf eine etwaige erhebliche Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit oder psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten ergeben hätte. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde auch kein neues Vorbringen erstattet, sondern vielmehr erneut auf seinen Gesundheitszustand hingewiesen. Er hat keine neuen medizinischen Unterlagen vorgelegt.

In dem vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten wird auf den Zustand des Beschwerdeführers ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes des Beschwerdeführers. Er ist dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten. Sein Beschwerdevorbringen war nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darzutun. Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen liegen nicht vor.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wurde daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-         erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-         erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-         erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-         eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-         eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Bei dem Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten beim Beschwerdeführer gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass in weiterer Folge auch nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO vorliegen, zumal die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass nach dem Bundesbehindertengesetz Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie, Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.04.2021 eingeholt worden. In dem vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre – wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Es wurden mit Beschwerdeschreiben auch keine neuen Befunde mehr vorgelegt, sondern vielmehr auf das bisherige Vorbringen verwiesen bzw. dieses wiederholt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2243168.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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