TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/15 W218 2246285-1

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Veröffentlicht am 15.09.2021
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Entscheidungsdatum

15.09.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch


W218 2246285-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mara MARKOVIC sowie den fachkundigen Laienrichter KommR Karl MOLZER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des AMS Schwechat, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Schwechat (= belangte Behörde) vom 30.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 21.07.2021 bis 14.09.2021 gemäß § 38 iVm § 10 AlVG gesperrt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter beim Dienstgeber XXXX vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass er beim Vorstellungsgespräch angegeben habe, dass er wahrscheinlich ab September eine eigene Firma eröffnen werde. Er habe jedoch keine eigene Firma eröffnet und sei eine Einstellung seines Leistungsbezuges bis 14.09.2021 daher nicht gerechtfertigt.

3. Mit angefochtenem Bescheid vom 31.08.2021 wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 30.07.2021 gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 56 Abs. 2 und § 58 AlVG (Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977) ausgeschlossen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit 01.01.2015 im Leistungsbezug der Arbeitslosenversicherung stehe und seitdem bereits wiederholt Sanktionen gemäß § 10 AlVG verhängt worden seien. Darüber hinaus würden gegen den Beschwerdeführer bereits Exekutionen geführt werden. Dies lasse die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als deutlich gefährdet erscheinen.

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass es sich um ein Missverständnis handle und er sein Geld zurückfordern wolle.

5. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 13.09.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Akteninhaltes werden folgende Feststellungen getroffen und der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Beschwerdeführer bezieht seit 07.07.2010 regelmäßig Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, zuletzt – nur unterbrochen durch ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis im Zeitraum 11.10.2016 bis 02.12.2016 und 16.07.2018 bis 17.07.2018 sowie durch diverse Krankengeldbezüge – seit 01.01.2015.

Gegen den Beschwerdeführer wurden seit der zuletzt erworbenen Anwartschaft bereits in den Zeiträumen 17.08.2017 bis 27.09.2017, 17.09.2018 bis 11.11.2018, 24.07.2019 bis 17.09.2019 und 27.08.2020 bis 21.10.2020 der Verlust des Leistungsbezuges gemäß
§ 10 AlVG ausgesprochen.

Gegen den Beschwerdeführer laufen zahlreiche Exekutionen. Die offenen Forderungen betragen insgesamt € 42.016,65.

Mit Bescheid vom 30.07.2021 sprach die belangte Behörde erneut den Verlust der Notstandshilfe für die Dauer von acht Wochen vom 21.07.2021 bis 14.09.2021 aus, weil der Beschwerdeführer die Aufnahme einer ihm zumutbaren Beschäftigung als Hilfsarbeiter vereitelt habe.

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen darüber, dass ihn der sofortige Vollzug des Bescheids vom 30.07.2021 über den Verlust der Notstandshilfe für die Dauer von acht Wochen unverhältnismäßig hart treffen würde. Insbesondere wurden keine Umstände dargelegt, die entgegen den Feststellungen der belangten Behörde für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen.

Auch ist prima facie nicht ersichtlich, dass die Beschwerde gegen die Verhängung der Ausschlussfrist im Zeitraum 21.07.2021 bis 14.09.2021 wahrscheinlich Erfolg haben wird.

Bei der belangten Behörde ist das Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung noch anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen, insbesondere zum langjährigen Leistungsbezug und zu den vollversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten, ergeben sich aus dem Auszug des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger zum Stichtag 13.09.2021. Die Feststellungen zu den bereits verhängten Sanktionen gemäß § 10 AlVG ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden Bezugsverlauf und wird vom Beschwerdeführer das Vorliegen wiederholter Sanktionen nicht bestritten.

Die Feststellungen zu den laufenden Exekutionen gegen den Beschwerdeführer und die daraus entstandenen offenen Forderungen ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug der Exekutionen & Verbote vom 10.09.2021. Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen der laufenden Exekutionen zu keinem Zeitpunkt.

Der dem ersten Anschein nach unwahrscheinliche Erfolg der Beschwerde gegen den Anspruchsverlust im Zeitraum vom 21.07.2021 bis 14.09.2021 ergibt sich aus dem Umstand, dass nicht bereits aufgrund der Aktenlage erkennbar ist, dass die gegenständliche Ausschlussfrist zu Unrecht verhängt wurde. Der Beschwerdeführer führte im Zuge der Beschwerde selbst aus, dass er gegenüber dem potenziellen Dienstgeber angegeben habe, zu beabsichtigen, sich ab September 2021 selbstständig zu machen. Eine amtswegige Abfrage der Versicherungsdaten des Beschwerdeführers ergab, dass der Beschwerdeführer bis zum 13.09.2021 keine neue, die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung aufgenommen hat.

Die Feststellung, dass bei der belangten Behörde das Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung noch anhängig ist, ergibt sich aus dem Vorlagebericht vom 10.09.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung von der Behörde mit Bescheid ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 – sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist – dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

Das Gericht hat der Entscheidung folgende rechtliche Erwägungen zugrunde gelegt:

Da bei der belangten Behörde das Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung noch anhängig ist, ist beschwerdegegenständlich ausschließlich über den Bescheid vom 31.08.2021 betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.07.2021 zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028).
§ 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen (VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033).

Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb,
Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).

Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 09.05.2016, Ra 2016/09/0035) (VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033).

Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG auch VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung
(§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß
§ 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat (VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033).

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer kein substantiiertes Vorbringen darüber erstattete, dass ihn der sofortige Vollzug des Bescheids vom 30.07.2021 über den Verlust der Notstandshilfe für die Dauer von acht Wochen unverhältnismäßig hart treffen würde. Insbesondere wurden keine Umstände dargelegt, die entgegen den Feststellungen der belangten Behörde für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen. Auch ist prima facie nicht ersichtlich, dass die Beschwerde gegen die Einstellung des Leistungsbezugs wahrscheinlich Erfolg haben wird. Eine Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers an der Weiterzahlung der Notstandshilfe mit den beschriebenen öffentlichen Interessen an der Wirksamkeit von Maßnahmen iSd
§ 10 Abs. 1 AlVG und an der Einbringlichkeit von Rückforderungsansprüchen ergibt somit im Lichte der oben angeführten Judikatur ein Überwiegen der öffentlichen Interessen. Darüber hinaus wurden seit zuletzt erworbener Anwartschaft, seit 01.01.2015, gegen den Beschwerdeführer bereits mehrere Sanktionen gemäß § 10 AlVG ausgesprochen, weshalb die beschriebenen öffentlichen Interessen zusätzlich verstärkt sind.

Angesichts der von der belangten Behörde festgestellten Umstände des Einzelfalls (Langzeitarbeitslosigkeit und laufende Exekutionen), welche die Einbringlichkeit der Forderungen der belangten Behörde bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet bzw. sogar aussichtslos erscheinen lassen, ist vorliegend von einem derartigen Nachteil für die berührten öffentlichen Interessen auszugehen, sodass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug auch dringend geboten ist.

Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung war daher als unbegründet abzuweisen.

Mit der gegenständlichen Entscheidung wird einer Entscheidung in der Hauptsache nicht vorgegriffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Gefahr im Verzug Interessenabwägung öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W218.2246285.1.00

Im RIS seit

27.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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