TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/18 95/20/0466

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Veröffentlicht am 18.12.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juni 1995, Zl. 4.308.071/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juni 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 6. Jänner 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. März 1992, mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Die belangte Behörde erließ diesen Bescheid, nachdem ihr Bescheid vom 4. März 1993 vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 5. September 1994, Zl. 94/20/0111, infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, aufgehoben worden war, der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren am 3. März 1995 ergänzend einvernommen worden war und er einen ergänzenden Schriftsatz am 3. April 1995 eingebracht hatte.

Die belangte Behörde stützte ihren Bescheid ausschließlich auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991. Dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Reisepaß sei zu entnehmen, daß dessen Gültigkeitsdauer seitens der türkischen Botschaft in Wien am 16. November 1993 verlängert worden sei.

Anläßlich der Einvernahme des Beschwerdeführers am 3. März 1995 habe er angegeben, daß er am 16. November 1993 tatsächlich in der türkischen Botschaft in Wien gewesen sei. Es habe keine Probleme bei der Verlängerung des Reisepasses gegeben.

Daraus folge, daß sich der Beschwerdeführer freiwillig wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt habe, weshalb Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention auf den Beschwerdeführer anwendbar sei. Die Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Reisepasses sei eine der Formen, in denen ein souveräner Staat seinen im Ausland weilenden Bürgern seinen Schutz angedeihen lasse; durch die Innehabung eines zeitlich gültigen Passes werde nämlich dokumentiert, daß es sich bei der betreffenden Person nicht um einen Staatenlosen handle, sondern um eine solche, hinter der ein Völkerrechtssubjekt stehe, welches ihr konsularischen und diplomatischen Schutz angedeihen lassen könne und würde. In der Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Reisepasses manifestiere sich staatlicher Schutz. Durch die Antragstellung seit der Einreise in das Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer den Schutz seines Heimatlandes begehrt und durch die Verlängerung der Gültigkeitsdauer seines Nationalreisepasses auch tatsächlich erhalten. Es fehle jeglicher Hinweis dafür, daß die Antragstellung etwa nicht freiwillig erfolgt sein könnte.

Der Beschwerdeführer wendet sich sowohl unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit als auch der Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen diese Ansicht der belangten Behörde. Er stellt die Tatsache der Verlängerung der Gültigkeitsdauer seines Reisepasses über seinen Antrag - wie von der belangten Behörde angenommen - nicht in Frage. Er habe sich jedoch nicht freiwillig unter den Schutz seines Heimatstaates begeben, sondern "um die Basis für eine lebensfähige Wirtschaftsposition in Österreich zu schaffen". Er habe sich bemüht, eine Arbeit zu finden, jedoch sei keinem der Dienstgeber, die für ihn angesucht hätten, eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden, da er "einerseits über keinen Reisepaß" verfügt und andererseits auch keine gültige Aufenthaltsbewilligung gehabt habe. Um diese zu erlangen, habe er einen gültigen Reisepaß vorweisen müssen. "Da der alte Reisepaß abzulaufen drohte", habe er am 16. November 1993 bei der türkischen Botschaft in Wien um Verlängerung des Reisepasses angesucht. Die belangte Behörde hätte ihm aufgrund der nunmehr vertretenen Rechtsansicht "besondere Vorhaltungen" machen müssen. Bei einem mängelfreien Verfahren hätte er die oben wiedergegebenen Gründe, welche zur Antragstellung auf Verlängerung der Gültigkeitsdauer seines Reisepasses führten, vorgebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er unter Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention fällt.

Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention nimmt Personen aus dem Anwendungsbereich der Konvention aus, wenn sie (Z. 1) sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt haben.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Zusammenhang mit der Auslegung der hier in Rede stehenden Bestimmungen die Ansicht der belangten Behörde, daß die Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Reisepasses in der Regel - soferne nicht im konkreten Einzelfall ein dieser rechtlichen Beurteilung entgegenstehender Sachverhalt aufgezeigt wird - als eine der Formen angesehen werden muß, mit denen ein Staat seinen Angehörigen Schutz gewährt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung - zum Asylgesetz (1968), das unter anderem den in Rede stehenden Ausschlußgrund umfaßte - bereits ausgesprochen, daß in der Antragstellung auf Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Reisepasses eine Inanspruchnahme des Schutzes im Sinne der Genfer Konvention liegen kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 1990, Zl. 89/01/0303, sowie vom 20. Juni 1990, Zl. 90/01/0024). Auch im vorliegenden Fall bestreitet der Beschwerdeführer nicht, daß die Gültigkeitsdauer seines Reisepasses über seinen Antrag von seinem Heimatstaat verlängert wurde.

Der Beschwerdeführer wurde am 3. März 1995 zur Verlängerung seines Reisepasses niederschriftlich einvernommen. Er gab dazu an:

"Die Verlängerung wurde von mir selbst angestrengt und war der Grund ein gültiger Reisepaß zur Erlangung einer österr. Aufenthaltsberechtigung. Im Rathaus wurde mir die Adresse der türkischen Botschaft in Wien 4., Prinz Eugen Straße, mitgeteilt und suchte ich diese auf. Noch am selben Tag, ich glaube innerhalb einer Stunde, wurde mir der Reisepaß verlängert. Bei der Verlängerung des Reisepasses gab es keinerlei Schwierigkeiten seitens der türkischen Vertretungsbehörden in Wien."

Die nunmehrigen, darüber hinausgehenden Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde, warum er die Verlängerung der Gültigkeitsdauer seines Reisepasses beantragt hat, unterliegen daher dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 555, wiedergegebene hg. Rechtsprechung), sofern man sie nicht bloß als nähere Erläuterung zur Absicht des Beschwerdeführers auffaßt, eine österreichische Aufenthaltsbewilligung erlangen zu wollen. Der Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte ihm zur nunmehrigen Rechtsansicht "besondere Vorhaltungen" machen müssen, ist entgegenzuhalten, daß zu den rechtlichen Erwägungen, denen der ermittelte Sachverhalt zugrundeliegt, kein Parteiengehör zu gewähren ist (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 237, zitierte hg. Rechtsprechung).

Die Freiwilligkeit des Handelns des Beschwerdeführers ist deshalb nach seinen niederschriftlichen Angaben vom 3. März 1995 zu beurteilen.

Der Beschwerdeführer strebte die Erlangung einer österreichischen Aufenthaltsbewilligung an. Eine solche könnte ihm nicht erteilt werden, da er am 6. Jänner 1991 "in einem jugosl. Reisebus im Kofferraum versteckt" - sohin illegal unter Umgehung der Grenzkontrolle - eingereist ist und er sich seither im Bundesgebiet aufhält, weshalb der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung jedenfalls der Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG entgegensteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0974, und vom 26. September 1996, Zl. 96/19/2045). Auch § 6 Abs. 2 erster Satz AufG stünde der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung entgegen, da der Antrag auf Erteilung derselben vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist und für Asylwerber keine Ausnahme hievon besteht. Daß der Beschwerdeführer aber seinen Aufenthalt in Österreich beenden wolle, um die Antragserfordernisse zu erfüllen, hat er nicht behauptet.

Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Rechtsvorschriften vertraut zu machen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1995, Zl. 95/18/0326, 0327), bevor sie rechtliche Wirkungen nach sich ziehende Handlungen setzt, kann aufgrund der Aussichtslosigkeit des Unterfangens des Beschwerdeführers, auf dem von ihm gewählten Weg zu einer Aufenthaltsbewilligung zu gelangen, die Annahme der Freiwilligkeit der Unterschutzstellung durch Verlängerung des Reisepasses seines Heimatstaates nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die belangte Behörde konnte daher die Erlassung des angefochtenen Bescheides zu Recht darauf gründen, daß sich der Beschwerdeführer durch die Erwirkung der Verlängerung der Gültigkeitsdauer seines Reisepasses durch die Botschaft seines Heimatlandes freiwillig wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt hat und sie daher die Bestimmungen des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention als erfüllt ansah, was in der Person des Beschwerdeführers den Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 verwirklichte.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200466.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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