TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/30 I405 2151724-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.03.2021
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Entscheidungsdatum

30.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs7
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
IntG §9
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I405 2151724-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kamerun, vertreten durch RA Mag. Wilfried EMBACHER, Schleifmühlgasse 5/8 in 1040 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.01.2021, zu Recht:

A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm §§ 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird gemäß § 54 Abs. 1 Z 2, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige von Kamerun, stellte am 14.11.2015 nach illegaler Einreise den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Die BF wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass die Polizei ihrem Ehemann eine Beteiligung am Mordanschlag an einem Minister und dessen Familienangehörigen unterstellt habe. Ihr Ehemann sei geflüchtet und sie sei öfters von der Polizei einvernommen worden. Im September 2015 sei sie für einen Monat inhaftiert worden und danach sei sie sofort geflohen.

3. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 24.01.2017 gab die BF befragt nach ihrem Fluchtgrund zusammengefasst an, dass ihr Mann als Koch bei dem Vize-Premierminister A. A. gearbeitet habe. Am 26.07.2014 sei ein Angriff von Mitgliedern der Boko Haram gegen A. A., seine Familienmitglieder und seine ganzen Angestellten verübt worden. Ihr Mann, welcher sich einen Tag vor dem Angriff krankgemeldet hätte, habe als einziger Angestellter überlebt, weshalb ihm die Polizei eine Beteiligung beim Angriff unterstellte habe. Ihr Ehrmann sei nach dem ersten Verhör der Polizei geflohen, weshalb die BF einvernommen worden sei. Auch sei sie dreimal inhaftiert gewesen und während der Haft sei sie gefoltert und misshandelt worden. Bei ihrer dritten Inhaftierung habe ihr ein Polizist zur Flucht aus dem Gefängnis geholfen. Ihre Tante habe die gesamte Flucht nach Europa organisiert.

4. Mit angefochtenem Bescheid vom 07.03.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kamerun (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die BF eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).

5. Mit dem am 22.03.2017 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden vom BFA am 30.03.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Am 08.01.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Dabei wiederholte die BF ihre Angaben zum Fluchtvorbringen. Zudem wurde die BF über ihre privaten und persönlichen Verhältnisse einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellung zur Person der BF:

Die BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Kamerun. Die wahre Identität der BF steht in Ermangelung entsprechender Dokument nicht fest.

Die BF ist Angehöriger der Volksgruppe der Beti und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Muttersprache der BF ist Ewondo, die BF spricht überdies Französisch.

Die BF hält sich seit spätestens November 2015 im Bundesgebiet auf.

Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Sie besuchte neun Jahre die Grundschule und machte eine einjährige Hotelierausbildung. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie als Köchin. Ihre Geschwister, ihr Vater und ihre Tante leben nach wie vor im Kamerun. Die BF steht mit ihrer Tante in regelmäßigen Kontakt.

Die BF verfügt über keine familiären Bindungen in Österreich. Sie verfügt jedoch über freundschaftliche Kontakte und besucht regelmäßig Gottesdienste in einer katholischen Kirche. Des Weiteren unterstützt sie seit 2018 das Österreichische Rote Kreuz finanziell.

Die BF bezieht seit 2016 keine Grundversorgung mehr. Sie ist seit 2016 als Zimmermädchen beschäftigt und bestreitet dadurch ihren Unterhalt. Derzeit ist bezieht sie jedoch pandemiebedingt Arbeitslosengeld.

Die BF hat mehrere Deutschkurse besucht und spricht Deutsch auf dem Niveau A2. Des Weiteren hat die BF zuletzt einen B1 Kurs besucht, der jedoch pandemiebedingt unterbrochen wurde.

Die BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum behaupteten Ausreisegrund aus dem Herkunftsstaat:

Es ist der BF nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

Im Fall ihrer Rückkehr in den Kamerun wird er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur allgemeinen Situation in Kamerun:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.2.2020: Parlaments- und Kommunalwahlen in angespannter Atmosphäre (Relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage; Abschnitt 3/ Sicherheitslage; Abschnitt 5/ Sicherheitsbehörden; Abschnitt 6/ Folter und unmenschliche Behandlung; Abschnitt 8/ Nichtregierungsorganisationen (NGOs); Abschnitt 11/ Allgemeine Menschenrechtslage; Abschnitt 13/ Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit; Abschnitt 13.1/ Opposition; Abschnitt 20/ Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge; Abschnitt 21/ Grundversorgung/Wirtschaft).

Im Kamerun fanden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag, den 9.2.2020 Parlaments- und Kommunalwahlen statt (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020; JA 9.2.2020). Das Land wird von gewaltsamen Konflikten geplagt - im englischsprachigen Westen von Separatisten und im Norden durch Dschihadisten (JA 9.2.2020). In den vergangenen Monaten verüben die islamistische Terrorgruppe Boko Haram immer wieder Anschläge in Kamerun (JA 9.2.2020; vgl. DW 9.2.2020; RW 30.1.2020).

Die große landesweit aktive Oppositionspartei Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) sowie die Separatisten in den beiden englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen (BAMF 10.2.2020; vgl. DW 9.2.2020). Die militante Separatistengruppe Ambazonia Defence Force (ADF) befahl der Bevölkerung eine Ausgangssperre für den Zeitraum 7. bis 12.2.2020 und drohte zudem jeden als Feind anzusehen und so zu behandeln, der ihre Anordnung nicht befolge (BAMF 10.2.2020; vgl. TNH 6.2.2020). Die Wahlbeteiligung blieb niedrig (JA 9.2.2020).

Die anhaltende Gewalt behinderte die Wahlen. In der Stadt Kumba und anderen Teilen des Landes mussten die Menschen wegen Unruhen und Schusswechseln zu Hause bleiben. An anderen Orten war der Wahlgang demnach nur durch eine starke Militärpräsenz möglich (DW 9.2.2020).

Aufgrund der Unruhen war die zunächst für 2018 angesetzte Abstimmung zwei Mal verschoben worden (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020). Im November 2019 setzte Präsident Paul Biya ein Datum für die Wahlen fest, was zu beispielloser Gewalt, Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen in den beiden westlichen Regionen führte - die von den Separatisten gemeinsam als Südkamerun oder Republik Ambazonien bezeichnet werden. Die Separatisten haben die sonntäglichen Wahlen für illegal erklärt und ihre Operationen intensiviert (THN 6.2.2020). Berichten zufolge haben Separatisten im Dezember 2019 40 Kandidaten der Partei Social Democratic Front (SDF) entführt, da diese eine Abspaltung der anglophonen Regionen von Kamerun ablehnt (BAMF 10.2.2020; vgl. THN 6.2.2020) und ließen die Entführten erst nach den Wahlen wieder laufen. Dies hatte zur Folge, dass etliche Kandidaten der SDF ihre Kandidaturen zurückzogen (BAMF 10.2.2020). Im Jänner 2020 steckten Separatisten ein Wahlbüro der Regierungspartei in Brand. Humanitäre Organisationen wurden aufgefordert, ihre Aktivitäten auszusetzen (TNH 6.2.2020), bzw. wurden sie beschuldigt, für die Regierung zu arbeiten (AI 6.2.2020). Aber auch die Sicherheitskräfte der Regierung, haben unrechtmäßig Zivilisten getötet, Häuser niedergebrannt und willkürlich Menschen verhaftet und gefoltert, die im Verdacht stehen, Verbindungen zu den verschiedenen separatistischen Gruppen zu haben (AI 6.2.2020; vgl. TNH 6.2.2020). Kämpfe, aber auch die von beiden Seiten begangenen Missbräuche und Verbrechen haben nach Angaben von NGOs seit 2017 mehr als 3.000 Todesopfer gefordert und mehr als 700.000 Menschen zur Flucht gezwungen (JA 9.2.2020). Die Gewalt führt zu einem Anstieg der Zahl an Vertriebenen (AI 6.2.2020; vgl. RW 30.1.2020). Es kommt zu schweren Menschenrechtsverletzungen (AI 6.2.2020). Mit der Präsenz islamistischer Gruppen in der Region, kommt es zur Plünderung von Ernten und zu Viehraub, was sich negativ auf die Lebensgrundlage der Bevölkerung auswirkt. Die humanitäre Hilfe wird aufgrund der Gewalt unterbrochen und einige Menschen sind akuter Ernährungsunsicherheit ausgesetzt (RW 30.1.2020).

Der seit 37 Jahren autoritär regierende Präsident Paul Biya will mit der Abstimmung die Dominanz der Einheitspartei Rassemblement Democratique du Peuple Camerounais/Cameroon People Democratic Movement (RDPC/CPDM) festigen (DW 9.2.2020). Das Staatsoberhaupt ist fast sicher, die Wahl wieder zu gewinnen – da die Regierungspartei bereits über eine überwältigende Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt: 148 von 180 Sitzen und sie mit ihrem Vorsprung bei den Wahlen noch weiter ausbauen wird (BAMF 10.2.2020; vgl. JA 9.2.2020). Die Oppositionspartei die Sozialdemokratische Front (SDF), hat derzeit 18 Abgeordnete. Aber die SDF, die eher im englischsprachigen Raum etabliert ist, steht unter dem Druck der Unabhängigkeitsbewegungen, die ihr vorwerfen, eine föderalistische Lösung zu bevorzugen, die Paul Biya ablehnt, und an den Wahlen teilzunehmen (JA 9.2.2010).

Quellen:

AI - Amnesty International (6.2.2020): Cameroon: Rise in killings in Anglophone regions ahead of parliamentary elections, https://www.ecoi.net/de/dokument/2024259.html, Zugriff 10.2.2020

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2.2020): Briefing Notes, Zugriff 11.2.2020

DF - Deutschlandfunk.de (9.2.2020): Gewalt behindert laut epd Parlaments- und Kommunalwahlen, https://www.deutschlandfunk.de/kamerun-gewalt-behindert-laut-epd-parlaments-und.1939.de.html?drn:news_id=1099400, Zugriff 10.2.2020

DW - Deutsche Welle (9.2.2020):Kamerun wählt neues Parlament, https://www.dw.com/de/kamerun-w%C3%A4hlt-neues-parlament/a-52309243, Zugriff 10.2.2020

JA - Jeune Afrique (9.2.2020): Cameroun : journée d’élections législatives et municipales sans suspense mais sous tension, https://www.jeuneafrique.com/893838/politique/cameroun-journee-delections-legislatives-et-municipales-sans-suspense-mais-sous-tension/, Zugriff 10.2.2020

RW - ReliefWeb (30.1.2020): Cameroon: Key Message Update: Recrudescence des exactions de Boko Haram dans l’Extrême-Nord et persistance du conflit dans les régions Anglophones, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Cameroon%20-%20Key%20Message%20Update_%20Thu%2C%202020-01-30.pdf, Zugriff 11.2.2020

TNH - The New Humanitarian (ehemals: IRIN News) (6.2.2020): Briefing: Cameroon's intensifying conflict and what it means for civilians, http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/02/06/Cameroon-elections-anglophone-separatist-insurgency-Ambazonia, Zugriff 10.2.2020

Politische Lage:

Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten – seit 1982 ist dies Paul Biya – eine überragende Stellung (GIZ 4.2019a; vgl. USDOS 13.3.2019). Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild. Der in der Verfassung vorgesehene Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) wurde im Januar 2018 eingerichtet. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren. Dezentralisierungsbemühungen wurden von der Regierung Kameruns bislang nur halbherzig durchgeführt (AA 15.1.2019).

Das Land wird seit 1966 von der Partei „Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais“ (RDPC, bis 1985 „Union Nationale Camerounaise“) regiert. Staatspräsident Paul Biya regiert seit 1982. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär (AA 15.1.2019).

Biya wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 erneut für weitere sieben Jahre in seinem Amt bestätigt (AA 15.1.2019; AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a). Dabei war die Wahlbeteiligung insgesamt gering (ca. 54 %), die Bevölkerung der anglophonen Provinzen machte von ihrem Wahlrecht kaum Gebrauch (5 bzw. 17 %). Das Ergebnis, 71 % für Paul Biya, überraschte nicht wirklich. Einige Gegenkandidaten legten wegen Wahlmanipulation Beschwerde ein (GIZ 4.2019a). Die Anhänger des, laut offiziellem Ergebnis mit 14 % der Stimmen, zweitplatzierten Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a), Maurice Kamto, protestieren seit der Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses im In- und Ausland. Es kam zu Verhaftungen (BAMF 4.2.2019). Eine durch seine politischen Verbündeten eingereichte Berufung mit dem Antrag auf Freilassung, wurde am 9.4.2019 in Yaoudé abgelehnt. Zudem wurden 17 Aktivisten vor dem Gerichtsgebäude verhaftet (JA 9.4.2019).

Zum Premierminister und Regierungschef wurde, im Rahmen einer Kabinettsumbildung nach den Präsidentschaftswahlen vom Oktober 2018 am 7.1.2019, Joseph Dion Ngute ernannt (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 3.2019a).

Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus (GIZ 4.2019a).

Parlaments- und Kommunalwahlen werden zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen abgehalten und wurden von der Regierungspartei RDPC gewonnen. Nach wiederholter Wahlterminverlegung (die Opposition hatte immer wieder Reformen des Wahlverfahrens angemahnt) fanden am 30.9.2013 die bislang letzten Parlaments- und Kommunalwahlen statt - mit wenig überraschendem Ergebnis: Die RDPC/CPDM behauptete sich mit Abstand (GIZ 4.2019a). Ihr gehören 148 (zuvor 152) der 180 Abgeordneten an. Als größte Oppositionspartei stellt die SDF (Mitglied der Sozialistischen Internationale) 18 Abgeordnete, während 5 kleinere Parteien insgesamt 14 Sitze erhielten. Die Kommunalwahlen entschied die RDPC ebenfalls klar für sich: Sie kann in 305 Kommunen allein regieren, die Oppositionsparteien lediglich in 24. Sowohl die Parlaments- als auch die Kommunalwahlen, die beide turnusgemäß im Jahr 2018 hätten stattfinden sollten, wurden auf Herbst 2019 verschoben (AA 15.1.2019).

Die Verfassungsänderung von 1996 sah die Schaffung einer zweiten parlamentarischen Kammer, des Senats, vor. Die indirekten Wahlen zum Senat fanden erstmals im April 2013 statt (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a). Am 25.3.2018 wurden wieder Senatswahlen durchgeführt, die von der Regierungspartei RDPC mit überwältigender Mehrheit gewonnen wurde (AA 15.1.2019). Der Verfassungsrat wurde am 7.2.2018 offiziell eingerichtet. Nach den Wahlen und der Ernennung der übrigen 30 Senatoren durch den Staatspräsidenten, stellt die Regierungspartei 87 Senatoren, während 7 der oppositionellen SDF und 6 Senatoren kleinen Parteien angehören (AA 21.3.2019a; vgl. AA 15.1.2019).

Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nordwest, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (77 Jahre) stammt (AA 15.1.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 25.3.2019

AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019a): Kamerun - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/innenpolitik/208914, Zugriff 3.4.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (4.2.2019): Briefing Notes, Kamerun, Hauptoppositionsführer verhaftet, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003641/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_04.02.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 17.4.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 25.3.2019

Sicherheitslage

Es gibt keine Bürgerkriegsgebiete. Allerdings gibt es seit Ende 2017 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen in den beiden anglophonen Regionen North West und South West (AA 15.1.2019). Die Konflikte zwischen Staatssicherheitskräften und Separatisten haben sich 2018 in den anglophonen Regionen verschärft (FH 4.2.2019). Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten, allerdings wird zu verstärkter Wachsamkeit aufgerufen (FD 6.5.2019). Die Sicherheitslage bleibt in der gesamten Sahelzone kritisch (EDA 6.5.2019). Abgeraten wird von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord (FD 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; AA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Reisen in die Provinzen Nord und Adamaoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind; hier ist das Terrorismusrisiko geringer als in der Provinz Extrême-Nord (FD 6.5.2019; vgl. AA 6.5.2019).

Vor Reisen in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt (AA 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Immer wieder kommt es zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda (EDA 6.5.2019). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen mit Toten und Verletzten dauern in beiden Regionen an (AA 6.5.2019; vgl. EDA 6.5.2019). Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 6.5.2019).

Die prekäre Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik wirkt sich auch auf das Grenzgebiet zu Kamerun aus. Es besteht ein hohes Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie die Gefahr von Entführungen zwecks Lösegelderpressung. Von Reisen in das Grenzgebiet zur Zentralafrikanischen Republik wird abgeraten (EDA 6.5.2019).

Zudem muss aufgrund der allgemein sehr schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung mit Straßenprotesten gerechnet werden. Ausschreitungen und gewalttätige Zusammenstöße kommen vor. Zum Beispiel sind Ende Januar 2019 bei politischen Protesten in Douala mehrere Personen durch Schüsse verletzt worden (EDA 6.5.2019).

Obwohl die internationale Krisenwahrnehmung sich momentan eher auf die anglophone Region Kameruns fokussiert wird der Krieg im Norden weiter geführt. Trotz inzwischen veränderter Strategien der Kriegsbeteiligten führten und führen die Aktivitäten von Boko Haram zu einer zunehmenden Destabilisierung der Nordregionen Kameruns (GIZ 4.2019a). Die Kämpfer der terroristischen Gruppierung Boko Haram, sind weiterhin im Grenzgebiet zu Nigeria aktiv. Im ganzen Land besteht das Risiko von Anschlägen (EDA 6.5.2019). Übergriffe auf nordkamerunische Dörfer mit Toten und Entführten sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Die kamerunischen Streitkräfte im Norden wurden verstärkt und es kommt immer wieder zu größeren Gefechten (GIZ 4.2019a).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 6.5.2019

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 25.3.2019

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.5.2019): Reiseinformation Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 6.5.2019

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.5.2019): Kamerun - Reisehinweise, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/kamerun/reisehinweise-kamerun.html, Zugriff 6.5.2019

FD - France Diplomatie (6.5.2019): Cameroun - Conseils aux voyageurs – Sécurité,https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/cameroun/#securite, Zugriff 6.5.2019

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Rechtssystem Kameruns ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2006 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d´appel) (GIZ 4.2019a). Militärgerichte können auch die Zuständigkeit für Zivilpersonen wegen Straftaten ausüben (USDOS 13.3.2019).

Die Verfassung und das Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor. Die Justiz wird jedoch oft vom Präsidenten, seinem Stellvertreter und/oder von der regierenden Partei kontrolliert (USDOS 13.3.2019). Die Justiz ist dem Justizministerium unterstellt, und politischer Einfluss und Korruption schwächen die Gerichte (FH 4.2.2019). Die Verfassung und das Gesetz sehen das Recht auf eine faire und öffentliche Verhandlung vor. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber die Behörden respektieren dies nicht immer. Angeklagte haben das Recht einen Anwalt ihrer Wahl zu konsultieren, aber dieses Recht wird in den meisten Fällen nicht respektiert; insbesondere in Fällen von Komplizenschaft mit Boko Haram oder anglophonen Separatisten (USDOS 13.3.2019).

Die Einmischung der Exekutive kann das Gerichtsverfahren beeinflussen: Staatsanwälte wurden unter Druck gesetzt, die Verfolgung von Korruptionsfällen gegen einige hochkarätige Beamte einzustellen, während Kritiker behaupten, dass mit Korruptionsvorwürfen Beamte bestraft wurden, die beim Regime in Ungnade gefallen sind (FH 4.2.2019). Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern (AA 15.1.2019; vgl. GIZ 3.2019a; USDOS 13.3.2019), die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung der Gerichte in Douala und Yaoundé aufgrund von Richtermangel (GIZ 4.2019a). Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat ist in Kamerun schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen (AA 15.1.2019).

Trotz der partiellen Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive und der Legislative ist der Präsident zur Ernennung zahlreicher Posten in der Justiz berechtigt - einschließlich des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, und er kann dort Personal nach Belieben entlassen. Das Gerichtssystem ist dem Justizministerium unterstellt, das wiederum dem Präsidenten untersteht. Die Verfassung bestimmt den Präsidenten als "Ersten Richter", also als "Oberster Richter" der Justiz, und macht ihn zum gesetzlichen Schiedsrichter für alle Sanktionen gegen die Justiz. Die Verfassung legt weiters fest, dass der Präsident für die Unabhängigkeit der Rechtsordnung garantiert. Er ernennt alle Richter auf Anraten des Obersten Justizrats (USDOS 13.3.2019).

Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung begründet. Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert und/oder bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Allerdings hat sich der Justizminister in den vergangenen Jahren mit Informationskampagnen und Fortbildungsseminaren um die Weiterbildung der Richter bemüht. In der Praxis wird das neue Strafprozessrecht jedoch von den Behörden zumeist nur angewendet, wenn die Betroffenen dies einfordern. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand der Gesetzeslage voraus, den jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung aufweist (AA 15.1.2019 ).

Die vor allem in den ländlichen Gegenden praktizierte Justiz traditioneller Autoritäten ist weder verfassungsrechtlich legitimiert, noch unterliegen die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen einer staatlichen Kontrolle. Dieses traditionelle Rechtssystem benachteiligt vor allem Frauen und Kinder. Häufig gibt es Machtmissbrauch der traditionellen Autoritäten (Clanchefs usw.). Im Norden des Landes unterhalten einige „Könige“ („Lamido“) Privatgefängnisse, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden. Diese „Könige“ sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 15.1.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 25.3.2019

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 25.3.2019

Sicherheitsbehörden

Die Gendarmerie Nationale hat militärischen Charakter und ist Teil der Streitkräfte. Sie interveniert im nichtstädtischen Bereich. Dagegen untersteht die Police Nationale dem Innenministerium (GIZ 4.2019a). Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsgeheimdienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie von der Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations) (AA 15.1.2019). Letztere ist eine Eliteeinheit der Polizei. Es gibt auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Straßenräubern, wie die im März 1998 gegründete Brigade Anti-Gang (auch: Groupement Mobile d’Intervention GMI, unités antigangs), das 2000 gegründete Commandement Opérationnel (CO, auch: special oder operational command) oder die seit 2006 im Einsatz befindliche Brigade d'Intervention Rapide (BIR) (GIZ 3.2019a). Auch die Militärpolizei darf Verhaftungen durchführen, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsgeheimdienst DGRE, der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor (AA 15.1.2019).

Probleme der Polizeikräfte sind zunehmende Gewalt und Banditentum auf der einen, Korruption, willkürliche Verhaftungen und Folter auf der anderen Seite (GIZ 4.2019a). Die Sicherheitskräfte sind zum Teil schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet (AA 15.1.2019). Zudem haben zivile Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte, einschließlich der Polizei und der Gendarmerie (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 2.4.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002163.html, Zugriff 2.4.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 2.4.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz vom 10.1.1997 hat den Straftatbestand Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt (Art. 132 ff). Unmenschliche und erniedrigende Strafen sind weder im Strafgesetzbuch vorgesehen, noch werden sie verhängt bzw. vollstreckt (AA 15.1.2019).

In der Praxis kommen Misshandlungen (AA 15.1.2019) und Folter (USDOS 13.3.2019) vor. Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste und der Gendarmerie (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In schwer verifizierbaren Einzelfällen soll es zu Misshandlungen zwecks Erpressung von Geständnissen gekommen sein. Über ein derartiges systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden oder des Gefängnispersonals liegen keine Erkenntnisse vor (AA 15.1.2019). Nach anderen Angaben sind die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen berüchtigt, Folter und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte sind üblich. In einem Bericht der kamerunischen Menschenrechtsorganisation ACAT (Action des Chrétiens pour l'abolition de la Torture) wird Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam als "Routine" bezeichnet (GIZ 4.2019a).

Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Übergriffe der Sicherheitskräfte werden in der Regel nicht angemessen verfolgt. Systematische Gewaltanwendung gegen bestimmte Gruppen ist allerdings nicht feststellbar (AA 9.12.2016). Auch wenn die Regierung einige Schritte ergriffen hat, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen, so agieren diese auch weiterhin meist ungestraft (USDOS 13.3.2019).

Die soziopolitische Krise, die Ende 2016 in den Regionen Nordwest und Südwest begann, entwickelte sich zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Regierungstruppen und separatistischen Gruppen. Der Konflikt führte zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen durch Regierungstruppen und anglophone Separatisten (USDOS 13.3.2019). Sicherheitskräfte der Regierung haben außergerichtliche Hinrichtungen begangen, Eigentum verbrannt, willkürliche Festnahmen durchgeführt und Gefangene gefoltert. Eine Reihe von Misshandlungen auf beiden Seiten in den anglophonen Regionen, darunter Brandanschläge auf Häuser und Schulen, sind dokumentiert. Nach Angaben der International Crisis Group haben Regierungstruppen und bewaffnete Separatisten seit der Eskalation 2017 über 420 Zivilisten in den Regionen getötet. Ein im Juli 2018 in der Region Far North entstandenes Video zeigt, wie Männer in Uniform zwei Frauen und zwei Kinder hinrichten. Erst nach einer von Amnesty International durchgeführten Untersuchung, teilte die Regierung mit, dass die Soldaten verhaftet wurden (HRW 17.1.2019).

Auch im Rahmen des Kampfes gegen Boko Haram werden den kamerunischen Sicherheitskräften massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (AA 15.1.2019; vgl. FH 4.2.2019). Der sichtbare Mangel an Rechenschaftspflicht scheint jedoch zu Missbrauch wie Brandstiftung und Folter beigetragen zu haben, anstatt diese zu beenden (HRW 17.1.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 2.4.2019

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002163.html, Zugriff 2.4.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 2.4.2019

Korruption

Seit Ende der 90er-Jahre erscheint Kamerun immer wieder an prominenter Stelle in Berichten von Transparency International (GIZ 4.2019a). 1998 und 1999 galt Kamerun als korruptestes Land der Welt. In den letzten Jahren wurde Kamerun durch andere Länder von dieser Stelle verdrängt (GIZ 3.2019a). 2018 lag Kamerun am Korruptionswahrnehmungsindex auf Platz 152 von 180 (TI 2019; vgl. AA 21.3.2019b).

Korruption ist allgegenwärtig, z.B. bei Polizei, Justiz, in der Verwaltung, an Schulen und Universitäten, in der Privatwirtschaft (GIZ 4.2019a; vgl. USDOS 13.3.2019). Es herrscht systematische Korruption. Bestechung ist in allen Sektoren und Ebenen gängig. Der Justiz steht es nicht immer frei, Korruptionsfälle unabhängig zu untersuchen und zu verfolgen (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Zwar gibt es Gesetze gegen Korruption, diese werden aber weder effektiv noch einheitlich umgesetzt (USDOS 13.3.2019). Korruption bzw. deren Bekämpfung bleibt nach wie vor Thema in Kamerun. Die nach diversen Anti-Korruptionskampagnen 2006 gegründete Commission Nationale Anti-Corruption (CONAC) tut ihre Arbeit und veröffentlicht jährliche Berichte (GIZ 3.2019a). Die Initiativen zur Korruptionsbekämpfung bleiben jedoch unzureichend. Obwohl eine Reihe ehemaliger hochrangiger Regierungsbeamter erfolgreich wegen Korruption verfolgt und inhaftiert wurden (FH 4.2.2019). Im Laufe des Jahres führte die CONAC eine gebührenfreie Nummer ein, um die Bürger zu ermutigen, Korruptionsdelikte, deren Opfer oder Zeugen sie waren, zu melden (USDOS 13.3.2019). Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht effektiv um und es wird oft genutzt, um politische Probleme zu lösen (USDOS 13.3.2019).

Angehörige der Sicherheitskräfte missbrauchen in vielen Fällen ihre Machtposition zum persönlichen Vorteil. Die Bevölkerung hat zu wenig Vertrauen in das Gerichtswesen, um den Rechtsweg gegen solche Übergriffe zu beschreiten. Symptomatisch ist das Vorgehen von Straßenverkehrspolizisten, die von vielen Verkehrsteilnehmern an Kontrollpunkten und Straßensperren wegen tatsächlicher oder angeblicher Vergehen Bestechungsgelder kassieren. Willkürliche Polizeiaktionen bis hin zu Verhaftungen zwecks Erpressung von Bestechungsgeldern und unverhältnismäßige Gewaltanwendung kommen weiterhin vor (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die General Delegation of National Security (DGSN) - die unter der direkten Autorität des Präsidenten steht - sowie das Verteidigungsministerium und das Justizministerium erklärten, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte 2018 wegen Missbrauchs sanktioniert wurden, aber es sind nur wenige Details über Untersuchungen oder eine spätere Rechenschaftspflicht bekannt (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung setzte die 2006 gestartete Operation Sparrow Hawk zur Bekämpfung der Korruption, einschließlich der Veruntreuung öffentlicher Gelder, fort. Wie im Vorjahr hat der Sonderstrafgerichtshof (SCC) neue Korruptionsverfahren eröffnet und über einige anhängige Verfahren entschieden. Die Behörden beschuldigten Beamte aus den Finanzministerien der Manipulation staatlicher Gehaltsabrechnungen, einschließlich der Zahlung fiktiver Gehälter und anderer Zulagen, die zu Verlusten in Höhe von Hunderten von Millionen CFA-Francs (mehrere tausend Dollar) führten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 3.4.2019

AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019b): Kamerun - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/wirtschaft/208876, Zugriff 3.4.2019

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.html, Zugriff 3.4.2019

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

TI - Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2018, Cameroon, https://https://www.transparency.org/country/CMR, Zugriff 16.4.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 3.4.2019

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Es existiert eine Vielzahl von unabhängigen kamerunischen Menschenrechtsorganisationen (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019), die jedoch zumeist am finanziellen Tropf der internationalen Geber hängen (AA 15.1.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Gesetzlich sind Organisationen nicht zulässig, die sich gegen die Verfassung, die Gesetze, die Moral richten; oder sich gegen die territoriale Integrität, die nationale Einheit, die nationale Integration oder die Republik stellen (USDOS 13.3.2019). Die Bestimmungen zur Gründung einer NGO sind komplex, und nicht alle Antragsteller werden gleich behandelt. Daher entscheiden sich die meisten Menschenrechtsorganisationen für die Gründung gemeinnütziger Vereine, wodurch sie sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen. Dies gilt insbesondere für Menschenrechtsorganisationen, die sich für Rechte sexueller Minderheiten einsetzen (AA 15.1.2019). Letztere wurden auch schon von Strafverfolgungsbehörden ins Visier genommen: Mitglieder der NGO AJO, die sich für Prostituierte und Angehörige sexueller Minderheiten engagiert, wurden wegen Homosexualität verhaftet und eine Woche festgehalten, bevor die Anklage wieder fallen gelassen wurde (FH 4.2.2019).

Internationale Menschenrechtsbeobachter können weitgehend unabhängig agieren und ermitteln. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) konnte seiner Tätigkeit im Land nach den üblichen Standards nachgehen und auch unangekündigte Besuche in Gefängnissen durchführen (AA 15.1.2019). NGO-Vertreter berichteten wiederholt von Drohungen, willkürlichen Verhaftungen, vereinzelt auch von Folter und menschenunwürdiger Behandlung (AA 15.1.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die Regierung kritisierte die Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen (USDOS 13.3.2019).

Menschenrechtsverteidiger beklagen, dass Sicherheitskräfte nicht auf Anzeigen (z. B. wegen Drohungen, Einbrüchen) reagieren (AA 15.1.2019).

Im Jahr 2010 hat sich mit Hilfe der EU-Mitgliedstaaten ein Netzwerk zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zusammengeschlossen, im Jahr 2011 konnte dieses Netzwerk weitere Mitglieder gewinnen und sich auch regional stärker vernetzen. Mit Hilfe des United Nations Development Programme (UNDP) haben sich ebenfalls 2010 etwa 50 Menschenrechtsorganisationen zu einem nationalen Netzwerk der Menschenrechtsvereine zusammengeschlossen, das vor allem in der Hauptstadt präsent ist. In Kamerun besteht ein zentraler Bedarf an Aufklärung über Menschenrechte insbesondere bei Frauen und Kindern, die sich ihrer Rechte oft gar nicht bewusst sind (AA 15.1.2019 ).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 10.4.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019

Ombudsmann

Die Nationale Kommission für Menschenrechte und Freiheiten (CNDHL - Comité National des Droits de l'Homme et des Libertés) verfolgt Menschenrechtsverletzungen und prangert Haftbedingungen an. Im Rahmen ihres begrenzten Spielraums veröffentlicht sie einen jährlichen Bericht (AA 15.1.2019). Die CNDHL beschränkt sich jedoch auf Empfehlungen an die zuständigen Behörden und kann selbst keine Maßnahmen ergreifen. Insgesamt wird die Kommission unter Berücksichtigung der ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen als effektiv beschrieben (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019

Wehrdienst und Rekrutierungen

Eine Wehrpflicht besteht nicht (AA 15.1.2019; vgl. CIA 3.4.2019). Im Alter von 18-23 Jahren kann freiwilliger Militärdienst mit einer Dauer von vier Jahren abgeleistet werden (CIA 3.4.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019

CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook – Cameroon, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/cm.html, Zugriff 10.4.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

2018 wurde Kamerun mit Gewalt und schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Das Bewusstsein für Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen ist in der Gesellschaft nur eingeschränkt ausgeprägt, obwohl sich zahlreiche Menschenrechtsorganisationen für eine Sensibilisierung von Bevölkerung und Regierung in diesem Bereich engagieren. Der Justizapparat ist schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft. Dies gilt auch bei Ermittlungen bezüglich Menschenrechtsverletzungen und beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern (AA 15.1.2019).

Dabei garantiert die Verfassung von 1996 die Grundrechte im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), der Charta der Vereinten Nationen (1945) und der Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981). Außerdem ist Kamerun an folgende Menschenrechtsabkommen gebunden:

Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1966, ratifiziert 1971);

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966, ratifiziert 1984);

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966, ratifiziert 1984);

Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979, ratifiziert 1994); und Fakultativprotokoll (ratifiziert 2005);

Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989, ratifiziert 1993);

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (1984, ratifiziert 1986); (AA 15.1.2019).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Andere bedeutende Menschenrechtsmissachtungen sind willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019

Meinungs- und Pressefreiheit

Obwohl das Gesetz Meinungs- und Pressefreiheit vorsieht schränkt die Regierung diese Freiheiten ein. Regierungsbeamte schikanieren Einzelpersonen oder Organisationen, die Kritik ausüben oder Ansichten äußerten, die im Widerspruch zur Regierungspolitik stehen. Personen, die die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, sehen sich häufig mit Vergeltungsmaßnahmen konfrontiert.Die Regierung versucht, Kritik zu verhindern, indem sie politische Treffen überwacht (USDOS 13.3.2019).

Im kamerunischen Strafrecht findet sich bei bestimmten Straftatbeständen ein für Journalisten verschärftes Strafmaß, das aber selten zur Anwendung kommt. Ein systematisches Vorgehen des Staates gegen die Pressefreiheit ist nicht festzustellen (AA 15.1.2019). Journalisten werden teilweise in ihrer Arbeit behindert. Einschüchterungsversuche sind schwer einer Person oder Institution zuzuordnen, werden aber von den Betroffenen häufig im Umfeld der Regierungspartei RDPC oder im Präsidialamt verortet. Bei der Berichterstattung über bestimmte Themen, etwa Spekulationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten oder seine sexuelle Orientierung, laufen Journalisten Gefahr, wegen Diffamierung vor Gericht gebracht zu werden (AA 15.1.2019; vgl. FH 4.2.2019). Journalisten berichten von Selbstzensur, die Behörden haben Medienschaffenden ein Klima der Angst und Selbstzensur aufgezwungen (USDOS 13.3.2019).

Trotzdem ist die kamerunische Medienlandschaft vielfältig. Regierungskritische und oppositionelle Meinungen werden veröffentlicht. Der staatliche Rundfunk und die über 70 lokalen privaten Radiosender sind von vorherrschender Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. In den großen Städten laufen die drei privaten Fernsehsender dem staatlichen Fernsehsender CRTV den Rang ab. Sie befassen sich zunehmend mit sensiblen Themen wie Korruption und Arbeitslosigkeit, bei denen Versäumnisse der Regierung deutlich werden. Zeitungen haben in Kamerun einen geringeren Einfluss auf die öffentliche Meinung, erreichen jedoch Multiplikatoren wie Journalisten, Funktionsträger und Intellektuelle (AA 15.1.2019).

Es gibt keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung die private Online-Kommunikation ohne rechtliche Befugnisse überwacht. Die Regierung hat jedoch wiederholt den Zugang zum Internet unterbrochen (USDOS 13.3.2019). Die Behörden haben auch regelmäßig den Zugang zu sozialen Netzwerken blockiert oder verlangsamt, um Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und die Mobilisierung von Oppositionskräften zu verhindern. Im Oktober 2018, als die Regierung bereit war, die Wahlergebnisse bekannt zu geben, wurde der Zugang zu Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter und WhatsApp durch Internet Service Provider verlangsamt (FH 4.2.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 10.4.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die durch die Verfassung geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird in der Praxis immer wieder eingeschränkt (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 15.1.2019; FH 4.2.2019). Die Regierung nutzt ein Gesetz, welches Genehmigungen für Demonstrationen vorschreibt. Viele Organisationen der Zivilgesellschaft und der Politik berichteten von erhöhten Schwierigkeiten bei der Einholung der Genehmigung öffentlicher Versammlungen (USDOS 13.3.2019). Es kommt mitunter zu Verboten oppositionsnaher Veranstaltungen mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten (AA 15.1.2019).

Versammlungen werden zum Teil nicht genehmigt bzw. gewaltsam aufgelöst. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu vorübergehenden Festnahmen. Im Rahmen der anglophonen Krise ist es zu massiven Einschränkungen in diesem Bereich gekommen (AA 15.1.2019). Die Behörden unterdrückten auch 2018 die Proteste in den anglophonen Regionen weiter (FH 4.2.2019).

Vor dem "Unabhängigkeitstag" der anglophonen Separatisten (1.10.) wurde in deren Regionen eine 48-stündige Ausgangssperre verhängt, und Versammlungen von mehr als vier Personen waren verboten. Im November 2018 verhafteten die Behörden 20 Demonstranten in Yaoundé (FH 4.2.2019).

Organisatoren von öffentlichen Versammlungen, Demonstrationen oder Prozessionen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Behördenvertreter vorab darüber zu informieren. Gesetzlich ist eine vorherige Zustimmung der Regierung jedoch nicht vorgesehen. Amtsträger behaupten dennoch regelmäßig, dass das Gesetz implizit eine behördliche Bewilligung von öffentlichen Veranstaltungen erfordert. Folglich verweigert die Regierung häufig die Bewilligung von Veranstaltungen bzw. wendet Gewalt an, um nicht genehmigte Veranstaltungen zu unterbinden (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.htm, Zugriff 10.4.2019- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019

Opposition / Anglophone

Trotz Mehrparteiensystems - Kamerun weist einen außerordentlichen Parteienreichtum auf - und mehr oder minder ordentlichen Wahlen, wird die kamerunische Politik durch den Präsidenten und 'seine' Partei, die RDPC/CPDM, die ehemalige Einheitspartei, dominiert. Politische Auseinandersetzungen finden kaum im parlamentarischen Rahmen statt, da die Assemblée Nationale/National Assembly inzwischen weitgehend von der RDPC/CPDM beherrscht wird (GIZ 4.2019a). Systematische politische Verfolgung findet aber nicht statt, jedoch können sich Oppositionsparteien nur schwer entfalten. Angesichts der Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 wurden Veranstaltungen regierungskritischer Organisatoren und politischer Parteien (Podiumsdiskussionen, Pressekonferenzen) in der Regel wegen des Vorwurfs der Gefährdung der öffentlichen Ordnung verboten und vereinzelt gewaltsam aufgelöst. Demonstrationen der Oppositonspartei MRC gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen wurden untersagt, Teilnehmer an diesen verbotenen Demonstrationen festgenommen (AA 15.1.2019). Einige Anhänger des zweitplatzierten Präsidentschaftskandidaten und Vorsitzenden des Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) (AA 21.3.2019a; vgl. GIZ 4.2019a), wurden Ende Januar 2019 gemeinsam mit Maurice Kamto verhaftet (GIZ 4.2019a). Etwa 50 von ihnen wurden am 27.1.19 wieder freigelassen (BAMF 4.2.2019).

Kamerun hat seit Ende der deutschen Kolonialzeit einen anglophonen und einen frankophonen Teil. Die Frankophonen machen 80 % der Bevölkerung aus und dominieren die Regierung. 1994 wurde der separatistische Southern Cameroons National Council (SCNC) gegründet. Der SCNC setzt sich aus mehreren Splitterfraktionen zusammen, die das Ziel eint, den anglophonen Teil Kameruns vom frankophonen Teil abzuspalten. Gemeinsam mit der Cameroon Anglophone Civil Society (CACS) wurde er am 17.1.2017 für illegal erklärt (AA 15.1.2019).

Seit Oktober 2016 kommt es in der anglophonen Region zu verschiedensten Protestaktionen. Was mit Streiks von Rechtsanwälten und Lehrern begann wuchs sich zu einer allgemeinen Bewegung von anglophonen Bürgerprotesten aus. Präsident Biya erklärte die anglophone Sezessionsbewegung kurzerhand zur "Terrorbande" und lieferte damit den Vorwand für ein noch härteres Vorgehen beider Seiten. Der Staat schickte Militär und Polizei, sperrte die Internetleitungen in den anglophonen Provinzen und verhängte Ausgangssperren (GIZ 4.2019a). Seit Oktober 2016 kommt es in den beiden anglophonen Regionen Südwest und Nordwest immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen, die zu hunderten von Todesopfern und Verletzten geführt haben. Seit Beginn der anglophonen Krise wird mit strafrechtlicher Verfolgung gegen Teilnehmer an den gewaltsamen Protesten und Mitglieder der verbotenen CACS und de SCNC vorgegangen. In einigen Fällen ist es vereinzelt und vorübergehend zu Festnahmen oder Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle, in der Regel im Zusammenhang mit der Planung bzw. Durchführung von nicht genehmigten Demonstrationen gegen die Regierung, gekommen (AA 15.1.2019).

Im französischsprachigen Teil Kameruns leben rund 500.000 Anglophone. In der Hauptstadt gibt es u.a. eine (anglophone) presbyterianische Kirchengemeinde (VOA 10.12.2018). Im April 2019 kam es in Yaoundé zu einer (Friedens-)Demonstration von u.a. anglophonen Frauen (VOA 19.4.2019).

Im Verlauf dieses Konfliktes ist es nach Zahlen der UN zu ca. 437.000 Binnenflüchtlinge gekommen (AA 15.1.2019); darüber hinaus sind ca. 27.000 Menschen in das benachbarte Nigeria geflohen (AA 15.1.2019; vgl. GIZ 4.2019a).

Es gibt außerparlamentarische Winkelzüge von staatlicher Seite gegen Versammlungen oder Aktionen der englischsprachigen Separatistenbewegung SCNC und deren Sympathisanten.

Der kamerunische Staat widmet den Aktivitäten der Exilorganisationen wenig Aufmerksamkeit. Im Gefolge der anglophonen Krise interessiert sich der kamerunische Staat jedoch zunehmend für exilpolitische Aktivitäten der anglophonen Opposition. Eine staatliche Verfolgung kamerunischer Staatsangehöriger wegen oppositioneller Tätigkeit im Ausland ist aus den letzten Jahren nicht bekannt (AA 15.1.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-01-2019.pdf, Zugriff 10.4.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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