TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/14 I405 2159479-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.07.2021
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Entscheidungsdatum

14.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs7
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
FPG §55 Abs2
IntG §9
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I405 2159479-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Elfenbeinküste, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2017, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.03.2021, zu Recht:

A) I. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte in Österreich am 27.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am darauffolgenden Tag wurde er durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er die Elfenbeinküste verlassen habe, da er von den Bewohnern seines Heimatortes verstoßen worden sei, weil er sich geweigert habe, seinem Vater als Kirchenpriester nachzufolgen. Bei einer Rückkehr würde man ihn psychisch zerstören oder sogar töten.

In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 05.04.2017 stellte der BF richtig, dass sein Vater nicht Kirchenpriester, sondern Wächter eines mystischen Tempels gewesen sei. Nach dem Tod seines Vaters habe man ihn eines Nachts gegen seinen Willen für einen Initiationsritus in einen Wald gebracht, bei welchem er auch verletzt worden sei. Mit seiner Flucht habe er seine gesamte Volksgruppe verraten und fürchte er bei einer Rückkehr um sein Leben.

Das BFA wies am 04.05.2017 mit angefochtenem Bescheid den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Elfenbeinküste (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Dazu wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Elfenbeinküste zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für seine freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 23.05.2017 Beschwerde erhoben.

Mit Schriftsatz vom 26.05.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 30.05.2017, legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

Am 24.03.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF, seiner Rechtsvertretung sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Französisch statt und wurde die Beschwerdesache erörtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist ledig, Staatsangehöriger der Elfenbeinküste und bekennt sich zum christlichen Glauben. Der BF gehört der Volksgruppe der Guéré an. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er hat sich zwar im Herbst 2020 einer Augenoperation unterzogen, ist deswegen aber nicht mehr in Behandlung und austherapiert. Er gehört auch zu keiner der Risikogruppen für den Fall einer Erkrankung an Covid-19.

Der BF hält sich spätestens seit seiner Asylantragstellung im Jänner 2016 in Österreich auf.

Der BF verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung und hat drei Jahre lang an einer Universität Französisch studiert. Danach hat er eine Ausbildung zum Sportlehrer absolviert und war 2014/2015 ca. eineinhalb Jahre als Sporttrainer beschäftigt. In der Elfenbeinküste verfügt er über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Lebensgefährtin und seiner beiden Kinder, zu welchen auch Kontakt besteht. Zudem leben auch seine Mutter und seine Geschwister in der Elfenbeinküste.

Der BF ist in Österreich nicht vorbestraft.

In Österreich verfügt der BF über keine familiären Anknüpfungspunkte, hat sich jedoch ein soziales Netzwerk mit zahlreichen Freunden aufgebaut und sich sehr gut integriert. Er lebt zur Untermiete bei Frau U.T. und deren Sohn, zu welchen er ebenfalls ein freundschaftliches Verhältnis pflegt.

Zwar ist der BF noch nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung, er war jedoch stets äußerst bestrebt selbsterhaltungsfähig zu werden. So macht er eine Ausbildung zum Pferdepfleger und unterstützt ehrenamtlich einen Reitklub, welcher ihm auch eine Anstellung als Pferdepfleger in Aussicht gestellt hat. Auch war er ehrenamtlich für die Stadt B. bei der Schulwegsicherung sowie in der Abteilung Stadtgärten tätig und beteiligte sich an gemeinnützigen Landschaftsaktionen. Außerdem verkaufte er auch eine Straßenzeitung.

Der BF hat mehrere Deutschkurse (A1, A2 und B1) besucht und verfügt über eine Deutschprüfung A2. Von seinen guten Deutschkenntnissen konnte sich auch die erkennende Richterin in der mündlichen Verhandlung überzeugen.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des BF:

Es ist dem BF nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

Im Fall seiner Rückkehr in die Elfenbeinküste wird er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur allgemeinen Situation in der Elfenbeinküste:

Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat des BF stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

Sicherheitslage

Seit der großen Krise von 2010/2011 hat sich die Sicherheitslage deutlich verbessert, aber es werden immer noch regelmäßig gewalttätige Vorfälle aus verschiedenen Landesteilen gemeldet (EDA 20.3.2018; vgl. BMEIA 20.3.2018).

Es wird noch mehr Zeit brauchen, bis eine Sicherheitsstruktur aufgebaut ist, die im ganzen Land wirksam ist. Die Polizei und die Gendarmerie haben zurzeit nur beschränkte Kapazitäten. Die wichtigsten Städte (Abidjan, Bouaké, San Pedro, Yamoussoukro) sind relativ gut gesichert, aber gleichwohl Zielscheibe von Angriffen gegen staatliche Institutionen. Bei Streiks, Demonstrationen und Straßenblockaden kann es zu Gewaltanwendung kommen (EDA 20.3.2018). Seitens des deutschen Auswärtigen Amts besteht keine Reisewarnung. Seitens des österreichischen Außenministeriums hingegen besteht eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Grenzregionen an Mali, Liberia und Guinea, sowie für alle Gebiete außerhalb Abidjans; für die Hauptstadt wird von einem hohen Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) ausgegangen (BMEIA 20.3.2018).

Im Grenzgebiet zu Mali ist es im März 2015 zu Terrorakten mit islamistischem Hintergrund gekommen. Am 13. März 2016 kam es in der Hafenstadt Grand Bassam zu einem Terrorangriff auf ein Hotel. In Abidjan und im Landesinneren gibt es weiterhin Straßenkontrollen. Die Kriminalität in Côte d'Ivoire ist hoch, insbesondere in den westlichen und nordwestlichen Landesteilen (AA 20.3.2018; vgl. BMEIA 20.3.2018). Die Kontrolle der Regierung über zwei Provinzen an der liberianischen Grenze bleibt schwach. Dort stellen Rückkehrer und Milizen eine Bedrohung für das staatliche Gewaltmonopol dar (BTI 2018).

In der ersten Jahreshälfte 2017 kam es in weiten Teilen der Côte d’Ivoire wiederholt zu Unruhen und Streiks im öffentlichen Sektor, verbunden mit Straßensperren und vereinzelten Gewaltakten auch gegen Zivilisten. Eine Wiederholung derartiger Ereignisse kann nicht ausgeschlossen werden (AA 20.3.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Côte d'Ivoire, Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/cotedivoire-node/cotedivoiresicherheit/209460, Zugriff 20.3.2018

-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (20.3.2018): Reiseinformationen - Côte d'Ivoire, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/cote-divoire/, Zugriff 20.3.2018

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018

-EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.3.2018): Reisehinweise Côte d'Ivoire, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/cote-d-ivoire/reisehinweise-fuercotedivoire.html, Zugriff 20.3.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Justizsystem ist stark von Frankreich beeinflusst. Es existieren zwei parallele Justizsysteme – die französische Gerichtsbarkeit und das ivorische Gewohnheitsrecht. Der obere Gerichtshof (Coûr Supreme) kontrolliert die Rechtsprechung. Interessant als verfassungsmäßig vorgesehenes Organ ist der Médiateur de la Republique (Vermittler der Republik), der als eine Art Ombudsmann unparteiisch urteilt (GIZ 3.2018a). Die Verfassung und die Gesetze gewähren eine unabhängige Justiz, doch in der Praxis werden diese nicht durchgesetzt. Obwohl die Justiz in gewöhnlichen Kriminalfällen unabhängig ist, folgt sie der Exekutive in Fällen der nationalen Sicherheit oder bei politisch sensiblen Fällen (USDOS 3.3.2017). Richter sind korrupt und sehr oft durch Bestechungsgelder beeinflusst. Zudem bleibt die Justiz unzureichend ausgestattet und ineffizient (USDOS 3.3.2017; vgl. BTI 2018). Formell ist die Justiz wie erwähnt unabhängig. Tatsächlich war sie aber in ihren Entscheidungen immer der gerade amtierenden Regierung unterworfen (BTI 2018).

Trotz anhaltender, aber langsamer Verbesserungen in den Bereichen Sicherheit und politische Aussöhnung blieben die Bemühungen der Regierung zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und zur Bekämpfung der Straflosigkeit nach der Krise nach den Wahlen 2010/11 unvollständig (USDOS 3.3.2017).

Eine ernsthafte Aussöhnungspolitik wurde nicht betrieben, doch die Côte d´Ivoire steht auch vor der riesigen Herausforderung, langjährig gewachsene Konfliktfelder zu entspannen, die Bevölkerung zu versöhnen, einen funktionierenden Staat aufzubauen, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen und die Straflosigkeit nach dem gewaltsamen Konflikt nach den Wahlen 2010/11 anzuerkennen. Die Situation hat sich aktuell beruhigt, doch die Probleme bestehen weiter (GIZ 3.2018a; vgl. USDOS 3.3.2017).

Die Fortschritte in der Aufarbeitung der Gewalttaten nach den Wahlen bleibt schleppend und die überwiegende Mehrheit der Täter, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, wurden noch nicht zur Rechenschaft gezogen (HWR 18.1.2018). Am 28. Jänner 2016 wurde der Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo und seinen engen Verbündeten Charles Blé Goudé vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag eröffnet. Gbagbo und Blé Goudé wurden jeweils viermal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, die während der postelektiven Krise 2010/11 begangen wurden, bei der mindestens 3.000 Zivilisten getötet und mehrere Frauen und Mädchen vergewaltigt wurden. Am 31. März 2016 begann der Prozess gegen die ehemalige First Lady Simone Gbagbo vor dem Assize Court für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. In der Vergangenheit wurden Assize-Gerichte (Sondergerichte, die bei Bedarf einberufen wurden, um Strafsachen mit schwerwiegenden Straftaten zu verhandeln) nur selten einberufen. Ihr Prozess war der erste wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Einige Menschenrechtsgruppen behaupteten, dass das Verfahren fehlerhaft sei. Bereits Anfang März 2016 wies der Oberste Gerichtshof Simone Gbagbos letzte Berufung gegen die 20-jährige Haftstrafe zurück, die sich aus einem separaten Prozess im Jahr 2015 ergab, in dem sie wegen Verbrechen gegen den Staat angeklagt wurde (USDOS 3.3.2017).

Die Richter in der Elfenbeinküste untersuchen weiterhin Verbrechen, die von beiden Seiten während der Krise nach den Wahlen 2010/11 begangen wurden, aber der fehlerhafte Prozess gegen die ehemalige First Lady Simone Gbagbo, welche am 28. März 2017 freigesprochen wurde, ließ Zweifel an der Fähigkeit der Gerichte aufkommen, ernsthafte Menschenrechtsfälle effektiv zu untersuchen (HRW 18.1.2018). Insgesamt übt die Regierung hinsichtlich der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen (2010/2011) Einfluss auf die Justiz aus. So sind bis Ende 2014 zwar mehrere hundert Anhänger und Behördenmitarbeiter von Gbagbo verurteilt worden, allerdings ist bis Ende 2016 keine einzige Person aus dem Kreis der ehemaligen Ouattara-Milizen verurteilt worden (BTI 2018; vgl. AI 22.2.2018). Mehr als 200 Unterstützer des ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo, gegen die im Zusammenhang mit dem Konflikt nach den Wahlen im Jahr 2010 Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung, Völkermords und anderer Straftaten erhoben worden war, befinden sich weiterhin in Haft (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018).

Die zivilgesellschaftliche Organisation, Commission Dialogue, Vérité et Réconciliation (CDVR), die im Bereich der Versöhnung und der Friedenssicherung arbeitet, wurde 2011 in der Elfenbeinküste ins Leben gerufen. Obwohl die Arbeit der CDVR international als bedeutsam erachtet wurde, wurde sie auch kritisiert. Im Wahljahr 2015 versuchte der Präsident, den Friedensdialog zu stärken, indem er die CDVR durch die CONARIV (Commission nationale de Réconcialisatio et d´indémnisation des Victimes) ersetzte und die Kirche daran beteiligte. Trotzdem blieben die Versöhnungserfolge weit hinter den Erwartungen (GIZ 3.2018a). Die Fortschritte bei der Bereitstellung von Gerechtigkeit für die Opfer der Gewalt nach den Wahlen blieben schleppend, da die überwiegende Mehrheit der Täter von Menschenrechtsverletzungen noch nicht zur Verantwortung gezogen wurde (HRW 18.1.2018).

Der ICC-Prozess gegen Laurent Gbagbo und Charles Blé Goudé wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einschließlich Mord und Vergewaltigung während der Gewalttätigkeiten nach den Wahlen, wurde fortgesetzt. Im Juli 2017 hat die Berufungskammer des ICC die Strafkammer aufgefordert, ihre Entscheidung zu überprüfen, um die vorläufige Freilassung von Laurent Gbagbo zu unterbinden (AI 22.2.2018). Es wurden auch die Verbrechen untersucht, die von pro-Ouattara-Kräften während der Krise 2010/11 begangen wurden (HRW 18.1.2018).

Die Reparationsorganisation der Côte d'Ivoire hatte bei der Vorlage ihres Berichts im April 2016 eine Liste von mehr als 316.000 Opfern zusammengestellt, die möglicherweise für eine Wiedergutmachung in Frage kämen, obwohl die überwiegende Mehrheit der Opfer noch keine Hilfe erhalten hat. Am 25. Oktober 2017 veröffentlichte die Regierung den Bericht der Dialog-, Wahrheits- und Versöhnungskommission. Der Bericht trug nur wenig dazu bei, die Verantwortlichen für Verbrechen, die während des Konflikts von 2002-2003 begangen wurden, oder für die Krise von 2010/11 zu identifizieren (HRW 18.1.2018).

Quellen:

-AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 (22.2.2018): The State of the World's Human Rights - Côte d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1425313.html, Zugriff 20.3.2018

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 25

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 20.3.2018

-HRW - Human Rights Watch: World Report 2018 (18.1.2018): Côte d’Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1422431.html, Zugriff 15.3.2018

-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018

Sicherheitsbehörden

Die Polizei (unter dem Ministerium für Inneres und Sicherheit) und die Gendarmerie (unter dem Verteidigungsministerium) sind für die Strafverfolgung zuständig. Die Coordination Center for Operational Decisions (CCDO), eine Einheit aus Polizei, Gendarmerie und der Forces armées de Côte d'Ivoire (FACI), unterstützt die Polizei bei der Gewährleistung der Sicherheit in den Großstädten. Die FACI (unter dem Verteidigungsministerium) ist für die Landesverteidigung zuständig. Die Direction de la surveillance du territoire (DST) (unter dem Ministerium für Inneres und Sicherheit) ist für die Abwehr externer Bedrohungen zuständig (USDOS 3.3.2017). Die Armee besteht aus Bodentruppen, Marine und Luftwaffe. Sie wird ergänzt durch paramilitärische Einheiten der nationalen Gendarmerie sowie aus der Elitetruppe Garde Républicaine (GIZ 3.2018a).

Die FACI, die besser ausgebildet und ausgerüstet ist als Polizei oder Gendarmerie, übt weiterhin deren Funktionen aus. Die nationale Gendarmerie übernimmt von der FACI die Kontrolle über alle Sicherheitsfunktionen auf den Straßen, wie z.B. das Betreiben von Checkpoints. Dennoch betreibt die FACI nach wie vor unautorisierte Sicherheitskontrollen, vor allem in Grenznähe, wo sie auch Erpressung betrieben (USDOS 3.3.2017). Während das Personal der FACI besser ausgebildet und ausgerüstet bleibt als Polizei oder Gendarmerie, bleiben sie weiterhin nicht ausreichend ausgebildet oder ausgerüstet und verfügen auch nicht über eine angemessene Führungs- und Kontrollstruktur. Korruption und Straflosigkeit bleiben innerhalb der FACI und anderen Sicherheitskräften, einschließlich Polizei, Gendarmerie, CCDO und DST, endemisch (HRW 18.1.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Willkürliche Verhaftungen, Misshandlungen von Häftlingen und unrechtmäßige Tötungen durch die Sicherheitskräfte nahmen 2017 ab, aber Ermittlungen und Strafverfolgungen von Personen, die Missbräuche begehen, bleibt selten (HRW 18.1.2018). Besonders im Westen des Landes verlassen sich Gemeinschaften weiterhin auf Dozos (traditionelle Jäger), um ihren Sicherheitsbedarf zu decken (USDOS 3.3.2017).

Der Aufbau einer regulären, nationalen Armee für die Côte d´Ivoire ist momentan ein wichtiges politisches Ziel. Dabei gehört es zu den bedeutendsten Herausforderungen, Milizen und Kindersoldaten in die Gesellschaft zu re-integrieren, strukturelle Verbesserungen wie z.B. die pünktliche Bezahlung von Soldaten und den Abbau von Kleinwaffen in der Bevölkerung voranzutreiben. Bisher fehlt es dem Sicherheitssektor an Legitimität und Funktionalität (GIZ 3.2018a). Im Jahr 2017 kam es außerdem zu mehreren Fällen von Meuterei bei der Armee, etwa in Bouake und Yamoussoukro. Die Großstadt Bouake wurde dabei von Meuterern vorübergehend unter Kontrolle gebracht. Dabei kamen mindestens 15 Menschen ums Leben (HRW 18.1.2018).

Die Militärpolizei und das Militärtribunal sind verantwortlich für die Untersuchung und Verfolgung angeblicher interner Missbräuche, die von den Sicherheitsdiensten begangen werden (USDOS 3.3.2017). Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen finden aber nur selten statt (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 18.1.2018). Die Häufigkeit von willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen von Häftlingen und unrechtmäßigen Tötungen durch die Sicherheitskräfte nahm 2017 wieder ab, aber Ermittlungen und Strafverfolgungen von Personen, die Missbräuche begehen, bleiben selten (HRW 18.1.2018; vgl. BTI 2018). Viele Mitglieder der Sicherheitskräfte, darunter auch hochrangige Offiziere der Armee, setzten ihre kriminellen Geschäfte und Erpressungen fort. Mehrere Kommandanten der Armee, die angeblich für Gräueltaten während des bewaffneten Konflikts 2002/2003 und der Krise 2010/11 verantwortlich waren, wurden im Januar 2017 befördert (HRW 18.1.2018).

Sicherheitskräfte scheitern zeitweise daran, gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren, insbesondere während interkommunaler Auseinandersetzungen über Grundbesitz. Innerhalb jedes Sicherheitsapparates werden Anstrengungen unternommen, die Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen innerhalb der einzelnen Befehlsketten zu stärken (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 27.3.2018

-HRW - Human Rights Watch: World Report 2018 (18.1.2018): Côte d’Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1422431.html, Zugriff 20.3.2018

-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Eine Reihe von lokalen und internationalen Menschenrechtsgruppen kann uneingeschränkt agieren. Die Regierung beschränkt weder ihre Arbeit noch die Untersuchungen oder die Publikation der Resultate von Menschenrechtsfällen. Regierungsangestellte sind üblicherweise auch bereit zu kooperieren und auf die Vorschläge der NGOs einzugehen (USDOS 3.3.2018).

Quellen:

-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/local_link/322479/461956_de.html https://www.ecoi.net/en/document/1 395073.html, Zugriff 20.3.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Hauptprobleme der Côte d’Ivoire sind neben der hohen Armutsrate (46 Prozent) vor allem die weiterhin nur schleppend vorangekommene Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen die sich während der Bürgerkriegsjahre und den Krisenzeiten 2002, 2004 und 2010/2011 gekennzeichnet haben (AA 5.2017a; vgl. GIZ 3.2018a).

Die schwerwiegendsten Menschenrechtsprobleme stellen der Missbrauch durch Sicherheitskräfte und die Unfähigkeit der Regierung, Recht und Ordnung durchzusetzen, dar (BTI 2018; vgl. USDOS 3.3.2018). Weitere Probleme sind schlechte Haftbedingungen, Korruption, Einschränkungen bei der Presse- und Versammlungsfreiheit, sowie Diskriminierung, sexuelle Übergriffe und Gewalt gegen Frauen und Kinder, darunter auch weibliche Genitalverstümmlung (FGM/C). Ethnische Gruppen, Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, Menschen mit Behinderungen und Opfer von HIV/AIDS können gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt sein. Insbesondere in ländlichen Gebieten, kommt es auch unter gefährlichen Bedingungen zu Zwangsarbeit. Die Regierung verfolgt nur selten Missbrauch, der von Beamten oder Sicherheitskräften begangen wurden. Straflosigkeit stellt weiterhin ein Problem dar (BTI 2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

Die ivorische zivilgesellschaftliche Organisation CSCI wurde 2003 von der Ivorischen Liga der Menschenrechte (Ligue Ivorienne des Droits de l´Homme LIDHO), als Antwort auf die politisch-militärische Krise in der Côte d´Ivoire von 2002, gegründet. Zu den Aufgaben der CSCI gehört es, den Wiederaufbau zu unterstützen, ein neues Sozialgesetz auf den Weg zu bringen, eine stabile Politik und eine partizipative Demokratie zu gewährleisten und die Wirtschaft dauerhaft zu stärken. In der CSCI sind politische Gruppen, Gewerkschaften, religiöse Gruppen und traditionelle Führungskräfte aktiv (GIZ 3.2018a).

Die fortwährende soziopolitische Unsicherheit, das Fehlen einer unabhängigen Justiz, die weitgehende Straflosigkeit für Regierungstruppen und eine eingeschränkte Pressefreiheit sind bis heute dafür verantwortlich, dass von einer befriedigenden Menschenrechtssituation nicht gesprochen werden kann (GIZ 3.2018a; vgl. BTI 2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (5.2017a): Côte d'Ivoire, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/CoteDIvoire/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2018

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/cote-divoire/geschichte-staat/, Zugriff 20.3.2018

-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018

Religionsfreiheit

Charakteristisch für die Côte d´Ivoire ist die Präsenz des Islams und des Christentums etwa zu gleich großen Teilen (GIZ 3.2018c). Die Bevölkerung besteht zu 42,9 Prozent aus Muslimen, zu 33,9 Prozent aus Christen, 3,2 Prozent der Bevölkerung sind Anhänger indigener Religionen und 19,1 Prozent bekennen sich zu keiner Religion (CIA 14.3.2018). Praktiziert werden beide Religionen in einer großen Diversität, bedingt durch soziale und kulturelle Unterschiede im Land und durch die Geschichte der Ethnien (BTI 2018; vgl. GIZ 3.2018c). Das bedeutet auch, dass Naturreligionen und Elemente traditioneller Glaubensgebräuche häufig sind und die reinen Religionen durchmischen (GIZ 3.2018c). Politische Diskriminierung (und Gewalt) hat jedoch mit ethnisch-kulturellen Stereotypen und sprachlichen Spaltungen zu tun und richtet sich an die Bevölkerung im Norden, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit (obwohl die meisten Muslime im nördlichen Teil der Elfenbeinküste leben). Nach der Machtübernahme von Ouattara, einem Muslimen, gibt es Vorwürfe, dass Muslime den Christen vorgezogen werden, obwohl einige führende Persönlichkeiten der Regierung Christen sind. Zudem zeigen Umfragen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung kein Problem darin sieht, mit Menschen unterschiedlicher ethnischer oder religiöser Herkunft zu leben (BTI 2018).

Quellen:

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018

-CIA (14.3.2018): The World Factbook - Côte d'Ivoire, People and Society, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iv.html, Zugriff 20.3.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018c), Gesellschaft, https://www.liportal.de/cote-divoire/gesellschaft, Zugriff 20.3.2018

-USDOS - U.S. Department of State (15.8.2017): 2016 International Religious Freedom Report - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1406674.html, Zugriff 20.3.2018

Ethnische Minderheiten

Die Elfenbeinküste hat ca. 24 Millionen Einwohner, die sich auf ca. 60 Volksgruppen aufteilen (AA 2.2016d; vgl. USDOS 3.3.2017). Von diesen stellen die Akan (ca. 40 Prozent) und die Baulé (ca. 20 Prozent) die größten Gruppen. Ungefähr ein Viertel der Bevölkerung sind Einwanderer, vor allem aus den nördlichen Nachbarstaaten (AA 2.2016d). Ethnische Diskriminierung stellt ein Problem dar. Etwa 25 Prozent der Bevölkerung werden als Ausländer angesehen, obwohl viele Staatsangehörige der zweiten oder dritten Generation sind. Streitigkeiten unter ethnischen Gruppen, die oft mit Land zusammenhängen, führen zu sporadischer Gewalt, vor allem im westlichen Teil des Landes (USDOS 3.3.2017). Konfliktfrei ist das Zusammenleben der Bevölkerung in der Côte d´Ivoire nie gewesen. Ethnische, kulturelle, aber hauptsächlich religiöse Unterschiede in der Bevölkerung haben auch zu soziopolitischen Konsequenzen geführt wie z.B. die Einführung des Gesetzes der Ivoirité oder einer gesellschaftsspaltenden Regionalpolitik, die wiederum zu zahlreichen Ausgrenzungen und damit zu schweren Konflikten geführt haben (GIZ 3.2018c).

Bürgerrechte gehören zu den Hauptursachen des anhaltenden Konflikts in der Elfenbeinküste. Seit vielen Jahren werden der Bevölkerung im Norden, sowie den Wanderarbeitern, die seit Jahrzehnten in der Côte d'Ivoire leben, wichtige Aspekte der Staatsbürgerschaft (wenn nicht die Staatsbürgerschaft selbst) vorenthalten. Das nationalistische Konzept der Ivoirité, das von Politikern angeheizt wurde, ermutigt die Bevölkerung im Süden, die in erster Linie Christen oder Animisten sind, sich als wahre Staatsbürger zu betrachten, während die muslimische Bevölkerung aus dem Norden (ob ivorischer Nationalität oder nicht) zum Ziel fremdenfeindlicher Gefühle und Handlungen wurden. Der Wahlsieg eines „Nordländers“ hat das Problem nicht vollständig gelöst, da die zugrunde liegenden verfassungsrechtlichen und rechtlichen Fragen der Staatsbürgerschaft noch nicht vollständig geklärt sind. Ein neues Gesetz, das 2014 in Kraft trat, erlaubte es mehreren tausend Einwanderern der ersten Generation, die Staatsbürgerschaft zu beanspruchen, und die Verfassungsrevision von 2016 schwächte die Ivoirité-Bestimmungen in den Wahlen (BTI 2018).

Die Volksgruppen und Ethnien unterscheiden sich vor allem durch ihre Herkunft und ihre heutige Besiedlungskonzentration. Neben der offiziellen Amtssprache Französisch ist Dioula die am meisten gesprochene Sprache (CIA 14.3.2018; vgl. GIZ 3.2018c). Ganz grob kann man die Ethnien oder Völker in vier Hauptgruppen unterteilen: die Mandé-Gruppe im Nordwesten, die Voltaique- bzw. Gur-Gruppe im Norden und Nordosten, die Krou im Südwesten und die Akan im Südosten und im östlichen Zentralbereich. Die Voltaique-Gruppen stammten ursprünglich aus Obervolta, dem heutigen Burkina Faso, die Krou aus Liberia und die Mande aus Liberia und Guinea. Die Dioula werden häufig mit den nördlichen Bevölkerungsgruppen gleichgesetzt (GIZ 3.2018c).

Obwohl das Gesetz Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Tribalismus verbietet und diese Formen der Intoleranz durch eine Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren strafbar macht, kam es im Laufe des Jahres zu keiner Anklageerhebung. Es gab Fälle, in denen die Polizei missbräuchlich Ausländer belästigt. Die Belästigung durch Beamte spiegelt die gemeinsame Überzeugung wider, dass Ausländer für hohe Kriminalitätsraten und Identitätskartenbetrug verantwortlich seien (USDOS 3.3.2017).

Die Côte d´Ivoire ist das wichtigste Einwanderungsland für Arbeitsmigranten in Westafrika. Vor allem aus Burkina Faso, Mali und Ghana stammen die meisten der heute vielfach immer noch in der Landwirtschaft arbeitenden Afrikaner in der Elfenbeinküste. Doch in den letzten Jahren sind auch entgegengesetzte Tendenzen zu beobachten (GIZ 3.2018c).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (5.2017d): Länderinformation, Côte d‘Ivoire, Überblick https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/cotedivoire-node/cotedivoire/209444, Zugriff 20.3.2018

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018

-CIA (14.3.2018): The World Factbook - Côte d'Ivoire, People and Society, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iv.html, Zugriff 20.3.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018c), Gesellschaft, https://www.liportal.de/cote-divoire/gesellschaft/, Zugriff 20.3.2018

-USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung und Gesetze gewährleisten Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen und Repatriierung zwar nicht spezifisch, dennoch werden diese Rechte von der Regierung im Allgemeinen geachtet. Es kommt jedoch durch Sicherheitskräfte und andere Gruppen zu Behinderungen. Sie errichten außerhalb von Abidjan Straßensperren an Hauptstraßen und erpressen regelmäßig Geld von Reisenden (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018

Grundversorgung

Côte d’Ivoire ist ein tropisches Agrarland, der Rohstoffsektor (Erdöl, Erdgas, Gold, Mangan, Nickel) gewinnt jedoch zunehmend an Bedeutung. Wegen der blutigen Krise während der ersten vier Monate kam es im Jahr 2011 zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 4,5 Prozent. Die Lage hat sich inzwischen stabilisiert. 2015 wurde ein Wirtschaftswachstum von 8,9 Prozent erreicht, 2016 waren es 7,9 Prozent. Die Regierung legt den Akzent ihrer Wirtschaftspolitik auf die Stärkung des privaten Sektors. Besonders die Landwirtschaft mit den Exportprodukten Kakao, Kaffee, Kautschuk, Cashewnüssen und Palmöl hat hohe Priorität. Die politische Stabilisierung des Landes trägt auch hinsichtlich der Rückansiedlung internationaler Organisationen Früchte: nach der afrikanischen Entwicklungsbank hat die Internationale Kakaoorganisation (ICCO) beschlossen, ihren Sitz von London nach Abidjan zu verlegen, auch die Europäische Investmentbank (EIB) hat kürzlich ein Büro in Abidjan eröffnet (AA 5.2017b).

Außerdem sollen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch den Ausbau der einst vorbildlichen, mittlerweile aber in die Jahre gekommenen Infrastruktur verbessert werden. Insbesondere sollen die Verkehrswege, die Energieerzeugung, das Gesundheitswesen, Schulen und Hochschulen sowie die für die Exportzolleinnahmen unentbehrlichen Häfen modernisiert werden (AA 5.2017b).

Als zentraler Faktor und Grundlage der Wirtschaftsentwicklung für die Côte d´Ivoire ist die Landwirtschaft von herausragender Bedeutung für die Zukunft des Landes. 40 Prozent der kultivierbaren Fläche des Landes werden landwirtschaftlich genutzt, die Landwirtschaft trägt jedoch heute nur mit 22 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Zwei Drittel der Bevölkerung sind heute unmittelbar von der landwirtschaftlichen Produktion abhängig. 20 Prozent der Erwerbstätigen sind in der Kakaoproduktion tätig. Die industrielle Entwicklung der Côte d´Ivoire ist im Vergleich zu vielen westafrikanischen Nachbarstaaten weit fortgeschritten. Sie wird von kleinen und mittleren Unternehmen dominiert, aber auch große internationale Firmen sind vertreten. Die industrielle Aktivität trägt mit ca. 25 Prozent zum BIP des Landes bei. Die Côte d´Ivoire ist ein wichtiges Mitglied der WAEMU (West African Economic and Monetary Union, frz. = UEMOA). Für die Menschen ist der informelle Sektor in der Côte d´Ivoire wesentlich, denn hier entstehen neue Jobs.

Meist sind es Schulabbrecher oder Analphabeten, die sich in diesem Wirtschaftssegment ihren Lebensunterhalt verdienen. Der hohe Anteil des informellen Sektors, der dem Land kaum Steuern bringt, ist für die Regierung jedoch problematisch. Die Regierung der Elfenbeinküste unternimmt daher finanzielle Anstrengungen, v.a. jungen Menschen des informellen Sektors Bildung und Ausbildungschancen zu bieten, um sie in einen geregelten Arbeitsalltag zu überführen. Außerdem werden in letzter Zeit von Regierungsseite kleine und mittlere Unternehmen (PME) stark gefördert (GIZ 3.2018b). Die Arbeitslosenquote lag 2016 bei 9,3 Prozent (BTI 2018).

Die Elfenbeinküste zeigt eine für viele Entwicklungsländer typische Form der Bevölkerungspyramide mit einer breiten Basis, d.h. dass Kinder und Jugendliche ca. 40 Prozent der Gesamtbevölkerung darstellen und nur ca. 4 Prozent über 60 Jahre alt werden. Die Jugendlichen stellen große Herausforderungen an Bildung und Beschäftigung. Die Wachstumsrate der Bevölkerung liegt derzeit bei ca. 2,6 Prozent und hat sich damit in den letzten Jahren leicht verringert. Sie ist damit ähnlich hoch wie in anderen westafrikanischen Ländern (Ghana: 2,2 Prozent Togo 2,75 Prozent, Niger: 3,36 Prozent, Guinea: 2,64 Prozent ); damit liegt die Verdopplungsrate der Bevölkerung bei ca. 20 Jahren (GIZ 3.2018e).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (5.2017b): Elfenbeinküste – Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/cotedivoire-node/-/209446, Zugriff 20.3.2018

-BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Country Report — Côte d’Ivoire, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Cote_d_Ivoire.pdf, Zugriff 27.3.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Côte d'Ivoire, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/cote-divoire/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 20.3.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018e): Côte d'Ivoire, Überblick, https://www.liportal.de/cote-divoire/ueberblick/, Zugriff 27.3.2018

Medizinische Versorgung

Das Gesundheitssystem der Côte d´Ivoire ist hauptsächlich durch das europäische System geprägt, trägt aber auch bis heute traditionelle Züge durch Naturheiler und islamische Medizintechniken. Infolge der Kolonisation wurden hauptsächlich Krankenhäuser und Gesundheitszentren nach französischem Vorbild gebaut (GIZ 3.2018c).

Die medizinische Versorgung im Landesinneren ist mit Europa nicht zu vergleichen und vielfach technisch, apparativ und / oder hygienisch problematisch (AA 20.3.2018). In Abidjan ist die medizinische Versorgung im Vergleich mit anderen Ländern Westafrikas recht gut. So gibt es einige gute Privatkliniken mit einem großen Spektrum an Fachärzten, in denen auch Notfalloperationen durchgeführt werden können (AA 20.3.2018). Außerhalb von Abidjan ist die medizinische Grundversorgung nur teilweise gewährleistet. Krankenhäuser verlangen eine Vorschusszahlung (Bargeld) bevor sie Patienten behandeln (EDA 20.3.2018; vgl. 20.3.2018). Vielfach wenden sich die Menschen daher wieder der traditionellen Medizin zu. Das Gesundheitssystem leidet insgesamt außerdem an infrastrukturellen Problemen, mangelnder Ausstattung und einer schwierigen Personalsituation, da die Regierung dem Sektor nur ein unzureichendes Budget zukommen lässt. Wer in der Côte d´Ivoire gesundheitlich behandelt werden will, muss für die Behandlung bezahlen. Das benachteiligt naturgemäß die Armen in ihrem Zugang zu medizinischen Leistungen. Überlegungen und Initiativen (Alma Ata, die Initiative von Bamako), im Gesundheitssystem einige - v.a. für die Armen - Behandlungen kostenlos anzubieten, scheiterten an den Finanzen des Landes und an der logistischen Problematik (GIZ 3.2018c).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Côte d'Ivoire, Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/cotedivoire-node, Zugriff 20.3.2018

-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (20.3.2018): Reiseinformationen - Côte d'Ivoire, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/cote-divoire/, Zugriff 20.3.2018

-EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.3.2018): Reisehinweise Côte d'Ivoire, Medizinische Versorgung, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/cote-d-ivoire/reisehinweise-fuercotedivoire.html, Zugriff 20.3.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018c): Côte d'Ivoire, Gesellschaft, https://www.liportal.de/cote-divoire/gesellschaft/, Zugriff 20.3.2018

Rückkehr

Die Regierung arbeitet mit dem Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, rückkehrende Flüchtlingen, Staatenlosen und andere Betroffenen Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 3.3.2018).

Ende Dezember (2015) wurden humanitäre Korridore eröffnet, um die freiwillige Rückführung von Flüchtlingen wieder aufzunehmen. UNHCR unterstützte die Rückkehr von 18.000 Flüchtlingen aus Liberia ohne Zwischenfälle. Darüber hinaus erleichterte UNHCR im Dezember die Rückführung von 128 Flüchtlingen aus Guinea (USDOS 3.3.2018).

UNHCR berichtet in seinem Fact Sheet vom Februar 2018 über die Hilfestellung bei der freiwilligen Wiedereinbürgerung ivorianischer Flüchtlinge. Sowohl die Regierung von Ghana als auch die Regierung der Côte d'Ivoire unterstützen den Prozess der freiwilligen Rückführung und fördern die Rückkehr der ivorischen Flüchtlinge; die Bemühungen beider Länder und des UNHCR haben sich in letzter Zeit verstärkt und werden sich gegenseitig zur Hilfeleistung für Flüchtlinge, die in ihr Land zurückkehren, ergänzen. Am 23. Februar wurde ein Flüchtling mit Unterstützung des UNHCR aus Benin in die Côte d'Ivoire zurückgeführt und am 27. Februar wurden 59 Haushalte von 157 ivorischen Flüchtlingen dank des UNHCR und seiner Partner sicher von Liberia in die Côte d'Ivoire zurückgeführt. Darüber hinaus bemüht sich UNHCR mit Hilfe von Sensibilisierungskampagnen um sozialen Zusammenhalt. Im Rahmen des Shelter-Projekts 2017 und im Rahmen des Reintegrationsprogramms wurden 252 Häuser und 227 Latrinen in Guiglo und Tabou fertig gestellt. Zudem wurde auch ein Mutter-Kind-Zentrum in der Region renoviert, sowie auch ein chirurgisches Zentrum (UNHCR 2.2018).

Quellen:

-UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (2.2018): Factsheet; Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427268/1930_1521626332_62687.pdf, Zugriff 28.3.2018

-USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cote d'Ivoire, https://www.ecoi.net/en/document/1395073.html, Zugriff 20.3.2018

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 29.06.2021 646.146 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.479 Todesfälle (https://covid19-dashboard.ages.at/); in der Elfenbeinküste wurden zu diesem Zeitpunkt 48.192 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 312 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/afro/country/ci).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.


2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zu den vorliegenden Akten eingeholt. Außerdem wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zur Elfenbeinküste berücksichtigt.

2.2. Zur Person des BF:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen betreffend die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des BF ergeben sich aus seinen glaubhaften Aussagen.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des BF ergibt sich aus den Aussagen des BF vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

Die Feststellung zum Aufenthalt des BF in Österreich ergibt sich aus seinen Aussagen sowie aus dem entsprechenden ZMR-Auszug.

Die Feststellungen zur Ausbildung, zur Berufserfahrung und zu den familiären Anknüpfungspunkten in der Elfenbeinküste basieren auf seinen Angaben beim BFA sowie in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des BF ergeben sich insbesondere aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zur Integration des BF in Österreich beruhen ebenfalls auf seinen Aussagen sowie den vorgelegten Unterlagen (div. Empfehlungsschreiben, Bestätigungen, Fotos). Seine Bemühungen selbsterhaltungsfähig zu werden, ergeben sich nicht nur aus seinem bestätigten Engagement bei ehrenamtlichen Tätigkeiten, sondern auch aus seiner Tätigkeit als Straßenzeitungsverkäufer sowie aus der Einstellungszusage des Reitklubs vom 30.03.2021.

Dass er gut Deutsch spricht, ergibt sich aus dem in Vorlage gebrachten Deutschkursbestätigungen, dem Deutschzertifikat A2 vom 25.04.2019 sowie dem persönlichen Eindruck der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung.

Der Umstand, dass der BF zum Entscheidungszeitpunkt Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einer Abfrage in der Applikation Betreuungsinformation (Grundversorgung).

2.3. Zum Vorbringen des BF:

Der BF gab in der mündlichen Verhandlung zusammengefasst an, dass er die Elfenbeinküste verlassen habe, da er sich geweigert habe, seinem Vater als Hüter der mystischen Macht des Stammes der Guéré nachzufolgen und deswegen verfolgt worden sei.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen des BF zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist. Der BF machte im Zuge seiner Befragungen vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht vage, unplausible und widersprüchliche Angaben, sodass - wie darzulegen sein wird - von der Konstruiertheit seines gesamten Fluchtvorbringens auszugehen und ihm die Glaubwürdigkeit zu versagen war.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Das Vorbringen des BF entspricht diesen Anforderungen nicht und ist somit nicht glaubhaft.

Zunächst ist anzuführen, dass sich der BF bereits betreffend den Zeitpunkt des fluchtauslösenden Ereignisses widersprach. So gab er beim BFA an, dass das Begräbnis seines Vaters am 03.10.2015 stattgefunden habe und ihn die Männer des Kultes am Tag nach der Beerdigung aufgesucht haben. Kurz darauf revidierte er seine Aussage und meinte, dass er nicht lügen wolle und es wohl ca. vier, fünf Tage nach der Beerdigung gewesen sei (AS 102). Das Dorf habe er dann am 07.11.2015 verlassen (AS 108). In der mündlichen Verhandlung erklärte er aber im Widerspruch dazu, dass am 07.11.2015 unbekannte Männer zu ihm gekommen seien und ihn einer Initiation unterzogen hätten (S 7 Verhandlungsprotokoll).

Des Weiteren ist anzuführen, dass es äußerst unplausibel erscheint, dass der BF als ältester Sohn die Stelle als Nachfolger seines Vaters antreten hätte sollen, allerdings nachdem man ihn als Verräter deklariert habe, weder auf seinen Sohn noch auf einen seiner Brüder zurückgegriffen worden sei. In der mündlichen Verhandlung erklärte der BF diesbezüglich, dass seine Brüder nie für die Nachfolge bestimmt gewesen seien, da er der älteste Sohn sei und dieses Amt immer vom Vater auf den Sohn übergehen würde, weswegen sein Sohn und seine Brüder für eine Nachfolge nicht in Frage kommen würden. Auf die Frage der erkennenden Richterin, ob denn die Nachfolge eines Tages auf seinen Sohn übergehen werde, antwortete er lediglich: „Wenn ich es nicht akzeptiere, dann muss es auch mein Sohn eines Tages nicht akzeptieren.“ (S 11 Verhandlungsprotokoll). Ein Widerspruch ergab sich dabei zu seinen Angaben beim BFA, wo er anführte, den Vorgänger seines Vaters als Hohepriester nicht zu kennen (AS 100). Würde sein Vorbringen jedoch der Wahrheit entsprechen, dann hätte er zumindest wissen müssen, dass der Vorgänger seines Vaters sein Großvater gewesen sei.

Gegen die Glaubwürdigkeit des BF spricht auch, dass es dem BF nicht möglich war, detaillierte Angaben über die spirituellen Fähigkeiten des Vaters zu machen – Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll des BFA vom 05.04.2017: LA: „Über welche spirituellen Fähigkeiten verfügte Ihr Vater?“ VP: Das kann ich nicht sagen.“ LA: „Sie wachsen in dieser Welt voller Mystik mit Ihrem Vater auf und können nicht bekannt geben, was seine Fähigkeiten sind und woher er diese Spiritualität bezog?“ VP: „Nein, das kann ich nicht sagen.“ (AS 98f).

Auch betreffend den Initiationsritus konnte der BF keine näheren Angaben machen und meinte lediglich lapidar: „Ich kann Ihnen nur sagen, dass es während der drei Wochen Tänze gab und Initiationen. Es wurden Feuer entzündet und mir Dinge in die Augen geschmiert. Vielleicht war das auch nur der erste Teil und weitere wären gefolgt, aber ich bin weit davon entfernt, diesbezüglich genaueres sagen zu können.“ (S 12 Verhandlungsprotokoll). Hätte er tatsächlich seinem Vater nachfolgen sollen und eine Machtposition innegehabt, dann ist zum einen davon auszugehen, dass ihn bereits sein Vater zu Lebzeiten auf dieses Amt vorbereitet hätte und zum anderen, dass man ihn während dieser drei Wochen des Initiationsritus entsprechende Informationen zur Vorgangsweise erteilt hätte.

Zudem ist es nicht nachvollziehbar, dass der BF sich drei Wochen lang für die Initiation im Wald befunden haben will, aber zum Kult und zur Mystik keinerlei Angaben tätigen konnte (AS 103f; S 8f Verhandlungsprotokoll). So gab er beispielsweise gegenüber dem BFA an, nicht zu wissen, was die Tradition besage, da er sie nie praktiziert habe (AS 104). Allerdings hätte dieser Initiationsritus ja gerade dazu gedient, ihn auf sein Amt und die Traditionen des Kultes vorzubereiten.

Außerdem konnte der BF sich nicht an nähere Details zur Organisation seiner Ausreise erinnern – Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll vom 24.03.2021: RI: „Innerhalb welcher Zeit ist die ganze Organisation verwirklicht worden? Wann haben Sie ihn kontaktiert und wann sind Sie ausgereist?“ BF denkt nach. BF: „Das war zwischen 2015 und 2016.“ Die RI wiederholt die Frage. BF: „Das ist jetzt schon beinahe sechs Jahre her und ich muss sagen, dass ich mich an alle Details natürlich nicht mehr erinnern kann.“. Auf diesbezüglichen Vorhalt der erkennenden Richterin meinte der BF nur: „Ich verstehe Ihre Ansicht, muss aber sagen, dass ich damals ja nicht wusste, dass ich ein solches Verfahren durchmachen würde. Dann hätte ich mir nämlich alle Daten genau notieren können.“ (S 5 Verhandlungsprotokoll). Vielmehr ist jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel auch bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und sich an ein so prägendes Lebensereignis wie die Organisation seiner Ausreise genau erinnern hätte können müssen.

Der BF machte nicht den Eindruck, dass er das Erzählte tatsächlich erlebt habe und berichtete nicht von sich aus über die Geschehnisse im Rahmen einer narrativen und konkludenten Wiedergabe, so wie eben Menschen berichten, welche das Erzählte tatsächlich erlebt haben. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, unter Angabe der eigenen Gefühle und unter spontaner Rückerinnerung an unwesentliche Details und Nebenumstände berichten, was die Ausführungen des BF vermissen ließen.

Der Vollständigkeit halber wird zudem darauf hingewiesen, dass das Vorbringen betreffend die Verfolgung durch den Kult– bei hypothetischer Wahrunterstellung – auch keine Asylrelevanz aufzeigen würde. Es würde sich um eine Verfolgung durch Privatpersonen handeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates könnte gegenständlich aber nicht ausgegangen werden.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass es dem BF nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage in der Elfenbeinküste basieren auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation; zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland in der mündlichen Verhandlung auch nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt, konnte der BF keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vorbringen bzw. glaubhaft machen.

Selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung wäre sein Vorbringen nicht asylrelevant. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann aber nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).

Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), die im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts mit zu berücksichtigen ist, muss der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden wirksam sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn etwa der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Asylwerber Zugang zu diesem Schutz hat. Bei Prüfung (u.a.) dieser Frage berücksichtigen die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers.

Die Statusrichtlinie sieht daher einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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